Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 09.03.2018, Az.: 1 UF 191/17
Rückführung eines Pflegekindes in die Pflegefamilie
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 09.03.2018
- Aktenzeichen
- 1 UF 191/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 18710
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hann. Münden - 23.11.2017 - AZ: 6 F 152/17
Rechtsgrundlage
- Art. 6 Abs. 1 GG
Fundstellen
- FF 2018, 218
- NZFam 2018, 419
- ZKJ 2018, 270-272
Amtlicher Leitsatz
1. Voraussetzungen der Rückführung des Pflegekindes.
2. Schutzzweck des § 1632 Abs. 4 BGB, die Herausnahme des Pflegekindes zur Unzeit zu vermeiden.
3. Kindeswohl als Richtpunkt bei der Abwägung zwischen einer Gefährdung des Kindes durch die Herausnahme aus der Pflegefamilie und einer anderen erheblichen Kindeswohlgefährdung.
Redaktioneller Leitsatz
1. § 1632 Abs. 4 BGB ermöglicht über seinen Wortlaut hinaus auch die Rückführung eines Kindes in die Pflegefamilie, wenn es aus dem Haushalt der Pflegeeltern bereits herausgenommen worden ist.
2. Eine Rückführungsanordnung ist jedoch nicht zu erlassen, wenn bei einem Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie das Wohl des Kindes gefährdet würde. Dies ist bei Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, die sich auch in Aggressionen gegenüber der Pflegefamilie und bei fehlender Integration in die Familie der Fall.
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsteller vom 04.12.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hann. Münden vom 23.11.2017 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind die früheren Pflegeeltern des Kindes R. H., geboren am 20.04.2012. R. lebte seit seinem achten Lebensmonat über einen Zeitraum von etwa vier Jahren im Haushalt der Antragsteller in A.. Am 03.05.2017 wurde das Vollzeitpflegeverhältnis mit Einverständnis der Kindesmutter, die die elterliche Alleinsorge für R. innehat, durch das Jugendamt des Landkreises A. beendet. Seither lebt das Kind bei einer neuen Pflegefamilie in der Nähe des Wohnortes der Kindesmutter. Hierbei handelt es sich um eine Bereitschaftspflegestelle, die auch zur Dauerpflege geeignet ist. Als Gründe für die Herausnahme des Kindes aus der früheren Pflegestelle werden eine nicht förderliche Erziehung und Betreuung durch die Antragsteller mit Kindeswohlgefährdungen und Aufsichtspflichtverletzungen zum Nachteil des Kindes genannt, die auch durch das seit dem Jahr 2013 eingesetzte Helfersystem nicht positiv zu verändern gewesen seien. Wegen der Umstände im Einzelnen wird auf die Berichte der beteiligten Jugendämter vom 09.05.2016, 16.06.2017, 27.06.2017 und 07.09.2017 sowie die Stellungnahme des Verfahrensbeistandes vom 29.08.2017 Bezug genommen. Die Kindesmutter unterstützte den Umzug R. in die neue Pflegefamilie und hat einmal im Monat Umgang mit dem Kind. Der Kindesvater hat gar keinen Kontakt mit seinem Sohn und sich nicht am Verfahren beteiligt.
Die Antragsteller sind der Beendigung des Pflegeverhältnisses und der Herausnahme des Kindes aus ihrem Haushalt entgegengetreten und haben mit Schriftsatz vom 29.05.2017 im vorliegenden Verfahren beantragt, die Rückführung des Kindes anzuordnen. Gleichzeitig haben sie mit demselben Ziel eine einstweilige Anordnung beim Amtsgericht beantragt.
Das Amtsgericht hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz durch Beschluss vom 12.07.2017 zurückgewiesen und in der Hauptsache nach Anhörung des Kindes und der weiteren Verfahrensbeteiligten sowie nach Einholung der Berichte des Verfahrensbeistandes und der beteiligten Jugendämter durch Beschluss vom 23.11.2017 den Rückführungsantrag ebenfalls als unbegründet zurückgewiesen.
Wegen der Vorgeschichte und des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zu den Akten gewechselten Schriftsätze und die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 23.11.2017, der ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 27.11.2017 zugestellt worden ist, haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 04.12.2017 Beschwerde eingelegt, die am selben Tag beim Amtsgericht eingegangen ist.
Mit dem Rechtsmittel verfolgen die Antragsteller nach wie vor die Rückführung R.. Das Amtsgericht habe rechtsfehlerhaft keine Feststellungen zu den negativen Folgen der Herausnahme für das Kindeswohl getroffen. Vor allem bei einem Wechsel in eine andere Pflegefamilie - wie hier - seien jedoch die seit Jahren gewachsenen Bindungen zu prüfen und die Risikogrenze der mit der Trennung von den bisherigen Pflegeltern verbundenen psychischen Belastung des Kindes weiter dahin zu ziehen, dass hier mit hinreichender Sicherheit eine Gefährdung des Kindeswohls ausgeschlossen sein müsse. Hierzu habe das Amtsgericht fehlerhaft keine sachverständige Hilfe in Anspruch genommen. Die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung seien zudem im Hinblick auf die Erziehungseignung der Antragsteller lediglich pauschal gefasst und beschränkten sich auf Allgemeinplätze, so dass es an der notwendigen Aussagekraft fehle. Schließlich habe das Amtsgericht nicht ausreichend geprüft, ob der Verbleib des Kindes bei den Antragstellern durch die Installierung ambulanter Hilfen möglich gewesen wäre. Das gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch die Pflegefamilie als Familiengemeinschaft im weiteren Sinne in den Schutz der Familie nach Art. 6 GG einbezogen sei.
Der Senat hat im Beschwerdeverfahren die ergänzenden Stellungnahmen des Verfahrensbeistandes vom 08.01.2018 und der Jugendämter der Landkreise G. und A. vom 29.12.2017, 09.01.2017 und 06.02.2018 eingeholt. Die Kindeseltern haben sich nicht geäußert.
II.
Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Nach § 1632 Abs. 4 BGB kann das Familiengericht, wenn das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege lebt und die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen wollen, von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. Wenn die Herausnahme aus dem Haushalt der Pflegeeltern - wie hier - bereits erfolgt ist, ermöglicht diese Regelung über den Wortlaut hinaus unter den genannten Voraussetzungen auch die Rückführung des Kindes, allerdings muss in diesem Fall zwischen der Herausnahme und der Einleitung des Rückführungsverfahrens ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen (vgl. BGH, FamRZ 2017, 208; Palandt/Götz, BGB, 77. A., § 1632 Rn 13).
Im Einzelnen:
Ein Fall der seit längerer Zeit bestehenden Familienpflege ist gegeben. R. lebte seit Dezember 2012 bis zum 03.05.2017 als Dauerpflegekind im Haushalt der Antragsteller, so dass davon auszugehen ist, dass nicht nur die zeitlichen Maßstäbe des § 1632 Abs. 4 BGB eingehalten sind, sondern das Kind sich auch in der Pflegefamilie eingelebt und dort seine Beziehungswelt gefunden hat.
Ebenso wurde das Rückführungsverfahren im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie der Antragsteller begonnen. R. ist Anfang Mai 2017 in die neue Pflegefamilie gewechselt, der Rückführungsantrag ist durch die Antragsteller noch im selben Monat beim Amtsgericht eingegangen, nachdem zwischenzeitlich noch Kontakte der Antragsteller zum Jugendamt A. mit dem Ziel der Herausgabe des Kindes bestanden.
Dass letztlich das Jugendamt das Kind aus der Pflegefamilie abgeholt hat und nicht die Kindesmutter als leiblicher Elternteil, steht einer Rückführungsanordnung nicht entgegen. Das Jugendamt hatte vorliegend zwar keinen Anspruch auf Herausgabe des Kindes, weil die Mutter ihren Sohn von sich aus in Pflege gegeben und nach wie vor das alleinige Sorgerecht hat. Da aber die Mutter mit der Herausnahme des Kindes ihr Einverständnis erklärt hat, können die Pflegeeltern Schutz im Wege der Verbleibensanordnung bzw. Rückführung auch vor einer Herausnahme durch das Jugendamt in Anspruch nehmen.
Allerdings fehlt es im vorliegenden Fall am Schutzzweck des § 1632 Abs. 4 BGB, die Herausnahme eines Kindes aus der Pflegefamilie zur Unzeit zu vermeiden, um insbesondere sein seelisches Wohl nicht zu gefährden (vgl. BVerfG, FamRZ 1987, 786; BGH, FamRZ 2012, 543). Im Rahmen der erforderlichen Abwägung bildet das Kindeswohl den Richtpunkt und ist bei Interessenkonflikten maßgebend (BVerfG, FamRZ 2010, 865). Anders gewendet bedeutet dies, dass eine mögliche Kindeswohlgefährdung durch Herausnahme aus der Pflegefamilie gegenüber einer anderen erheblicheren Gefährdung zurückzutreten hat, die dem betroffenen Kind bei einem dortigen Verbleiben drohen würde (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, FamRZ 2007, 851; BayObLG, FamRZ 1991, 1080; OLG Köln, FamRZ 2017, 290).
Gemessen hieran hat das Amtsgericht in nicht zu beanstandener Weise festgestellt, dass bei einem Verbleib R. in der Pflegefamilie der Antragsteller bei einer unveränderten Gesamtsituation das Wohl des Kindes gefährdet würde.
Insoweit folgt der Senat der erstinstanzlich auf der Grundlage des Vorbringens der Antragsteller und der Stellungnahmen des Verfahrensbeistandes sowie der beteiligten Jugendämter vertretenen Auffassung, dass die Antragsteller als zur Erziehung und Betreuung R. derzeit nicht mehr hinreichend geeignet anzusehen sind.
Dies ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten:
R. ist unstreitig ein motorisch unruhiges, rastloses Kind mit Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefiziten, dem es schwerfällt, Regeln und Grenzen einzuhalten und sein Umfeld zu respektieren. Deshalb ist ihm gegenüber eine konsequente, grenzsetzende Haltung einzunehmen und eine klare Familienstruktur mit festen Zeiten und Ritualen, Sicherheit und Stabilität zu geben. Hierzu waren die Antragsteller augenscheinlich in den letzten Jahren nicht mehr in der Lage, wie sich an der durch die Jugendämter vereinzelt dargestellten Entwicklung des Kindes und seiner im Laufe der Zeit vermehrt aufgetretenen Verhaltensauffälligkeiten zeigt.
Nach den Berichten des zunächst zuständigen Jugendamtes A. entwickelte R. bereits in der Kleinkindphase ein aggressives Verhalten, indem er mit Schlagen und Beißen auf sich aufmerksam machte.
Anfang des Jahres 2014 ist im Hilfeplan festgestellt worden, dass R. teilweise wenig Gefahrenbewusstsein sowie Einschlafprobleme habe und besonderer pädagogischer Einflussnahme im Bereich der Grenzsetzung und klarer Tagesstrukturen bedürfe, weil er im erzieherischen Sinne ein hoch anspruchsvolles Pflegekind sei. Dementsprechend wurde durch die eingesetzte ambulante sozialpädagogische Erziehungshilfe im selben Zeitraum berichtet, dass die Pflegemutter beschrieben habe, R. müsse ständig unter Kontrolle gehalten werden, weil er sehr viel Blödsinn anstelle; sie habe kein eigenes Leben mehr; das Kind klettere auf die Fensterbank, öffne selbständig Fenster und Türen, laufe allein zur Straße oder zum Nachbarn, verbrenne sich am Kaminofen und schlage den Hund der Familie. Hierbei habe die Pflegemutter einen müden, gestressten und überforderten Eindruck gemacht. Bereits zu dieser Zeit beobachtete das Jugendamt, dass R. nicht im notwendigen Maße am Familienleben teilhabe, die Pflegemutter inkonsequent sei und nicht "nein sagen" könne, wenn das Kind jammere, und R. die Pflegemutter und deren Tochter schlage und beiße. Diese Situation hat sich nach der chronologischen Darstellung des Jugendamtes, der die Antragsteller nicht vereinzelt entgegengetreten sind, auch durch die Fortsetzung der Erziehungshilfe, ein spezielles Video-Hometraining zur Stärkung der Erziehungskompetenz und die Unterstützung in Form von Entlastungsstunden, in denen R. in einer anderen Pflegefamilie untergebracht war, nicht wesentlich verändert. Im Gegenteil stürzte das Kind im September in einen Erdbrunnen auf der Weide des Nachbargrundstücks, lief beim Osterfeuer unkontrolliert weg und überquerte dabei die nahe Landesstraße. Im Rahmen der Diagnostik des Sozialpädiatrischen Zentrums Oldenburg wurden Ende 2015/Anfang 2016 ebenfalls Verhaltensauffälligkeiten des Kindes aufgezeigt wie zunehmend aggressives Verhalten mit Hauen, Beißen, Treten; Einschlafschwierigkeiten und Problemen beim Durchschlafen, sprunghaftes Verhalten mit Konzentrationsschwäche sowie hastiges und stopfendes Essen mit der Hand.
Bei der Helferkonferenz am 08.02.2017 wurde im Beisein der Pflegemutter thematisiert, dass diese große Erziehungsprobleme mit R. habe und sich ihm gegenüber nicht durchsetzen könne; R. höre nicht auf die Pflegemutter, was zu einer Gefahr für das Kind führe. Außerdem habe das Kind starke Wutanfälle, die sich besonders gegen die Pflegemutter richteten, schlage und beschimpfe sie und provoziere die leibliche Tochter der Pflegeeltern, bis es eskaliere. Hinzu komme der Eindruck, dass wegen der mangelnden Integration R. kein familiärer Zusammenhalt bestehe.
Anlässlich des Hausbesuchs der Jugendamtsmitarbeiterin in der Pflegefamilie mit Anwesenheit beider Pflegeeltern am 30.03.2017 wurden diese Verhaltensauffälligkeiten R. erneut angesprochen und deutlich, dass die Pflegemutter sich nach eigenen Angaben machtlos fühle; sie könne auch nichts dagegen unternehmen und lasse R. dann gewähren oder er bekomme, was er wolle. Dabei hatten die Mitarbeiter des Jugendamtes und der AWO-Beratungsstelle den Eindruck, dass die Pflegemutter überfordert sei und die Sorge hatte, wegen des Verhalten R. ihrer Tochter nicht mehr gerecht zu werden.
In dieser Zeit fand zudem ein Gespräch des Jugendamtes mit der Leiterin des Kindergartens "R." statt, in dem sich das Bild verfestigte, dass R. weiterhin ein auffälliges und aggressives Verhalten zeigte und die Pflegemutter ihm keine Grenzen setzen konnte, sie vielmehr überfordert war und einen leidenden Eindruck machte. Dies korrespondiert mit dem späteren Bericht des Kindergartens vom 31.01.2018, wonach die Pflegemutter einerseits sehr besorgt um R. und bemüht gewesen sei, ihm ein gutes Zuhause zu geben, es ihr anderseits aber nicht gelungen sei, eine nachhaltig konsequente Haltung gegenüber dem Kind einzunehmen. Die Pflegemutter habe selbst eingeräumt, dass R. überhaupt nicht auf sie hören würde. Exemplarisch wird ein Vorfall geschildert, bei dem sie es nicht habe verhindern können, dass R. ein funktionierendes Feuerzeug mit in den Kindergarten brachte, und die Erzieherinnen um Hilfe gebeten habe, dass R. das Feuerzeug abzunehmen.
Hinzu kommt, dass nach den nicht bestrittenen Ausführungen des Jugendamtes Gefahrenquellen im Haushalt der Pflegeeltern bestanden, die auch nach Hinweis nicht abgestellt wurden. Danach fehlten Steckdosensicherungen, Fenstersicherungen im Obergeschoss, die wegen des Kletterns des Kindes auf die Fensterbänke erforderlich waren, Türsicherungen, die das Kind vor einem Weglaufen auf die Straße bewahrten und den Umgang mit Putzmitteln verhindert hätten, außerdem eine Ofensicherung und die sichere Verwahrung von Schlüsseln für die Fahrzeuge und Werkstatt.
Dies zeigt, dass die Pflegeeltern trotz ihrer Bemühungen und Sorge für das Kind nicht in der Lage sind, R. entsprechend der erhöhten Anforderungen nachhaltig kindeswohlorientiert zu betreuen und zu erziehen, wenn das Kindeswohl bei einem weiteren Verbleib in der bisherigen Pflegefamilie gefährdet wäre.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Herausnahme des Kindes aus der Familie der Antragsteller einen Beziehungsabbruch darstellt, der aber angesichts der aufgezeigten Gefährdungen des Kindes hinzunehmen ist. Aus diesem Grund ist auch ein Sachverständigengutachten zu der Frage entbehrlich, inwieweit sich der Beziehungsabbruch auf das geistige oder seelische Wohl des Kindes auswirkt. Ebensowenig steht der verfassungsrechtliche Schutz der Pflegefamilie nach Art. 6 GG der Herausnahme R. aus seiner "sozialen Familie" entgegen, auch weil die Pflegebeziehung institutionell auf Zeit angelegt ist, so dass den Pflegeeltern grundsätzlich zuzumuten ist, den mit der Herausnahme des Kindes verbundenen Verlust zu ertragen (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, ZKJ 2006, 557).
Als geeignete Maßnahme zum Schutz des Kindes vor weiteren Fehlentwicklungen und zur Korrektur bisheriger Defizite kommt derzeit daher nur die Trennung von der Familie der Antragsteller in Betracht. Weniger einschneidende Hilfen sind auch nach Überzeugung des Senats, der insoweit der Begründung des Amtsgerichts nach eigener Prüfung und Bewertung beitritt, nicht zielführend. Das Amtsgericht hat sich in angemessener Weise mit der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Herausnahme auseinandersetzt und zutreffend angenommen, dass eine Verbesserung der Situation durch andere Hilfemaßnahmen nicht erreicht werden kann. Dies findet seinen Grund unter anderem darin, dass sich die in erster Linie in die Betreuung und Erziehung R. eingebundene Pflegemutter in einer Überforderungssituation befindet und über mehrere Jahre trotz des engmaschigen Helfersystems nicht ausreichend in der Lage war, den Hilfebedarf des Kindes zu erkennen bzw. die Mängel abzustellen.
Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten und der erstinstanzlichen gerichtlichen Anhörung des Kindes, ist davon auszugehen, dass R. sich in der neuen Pflegefamilie gut eingelebt hat und sich dort wohl fühlt. Dass er in der Kindesanhörung erklärt hat, es gehe ihm in der jetzigen Pflegefamilie gut, bei den Antragstellern sei es aber schöner gewesen, führt zu keiner anderen Betrachtung. Sollte hieraus der Kindeswille abzuleiten sein, dass R. wieder zu den Antragstellern wechseln möchte, wäre dieser Wille ohne entscheidungserhebliche Bedeutung, weil dessen Befolgung den kindeswohlgefährdenden Zustand fortsetzen würde.
Im Ergebnis hat der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Bestand und ist die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsteller zurückzuweisen.
III.
Von der Durchführung eines Anhörungstermins im Beschwerdeverfahren konnte gemäß § 68 Abs. 3 FamFG abgesehen werden. Die Antragsteller, das Kind, das Jugendamt und der Verfahrensbeistand sind vom Familiengericht persönlich angehört worden. Anhaltspunkte dafür, dass und welche zusätzlichen Erkenntnisse von einer erneuten Anhörung der Beteiligten zu erwarten sind, ist auch dem Vorbringen der Beschwerdeführer nicht zu entnehmen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG, wonach das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen soll, der das Rechtsmittel eingelegt hat. Ein Grund von dieser Vorschrift abzuweichen, ist nicht ersichtlich.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren ist nach §§ 40, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG festgesetzt worden.