Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 09.03.2018, Az.: 1 WF 17/18
Aussetzung eines Ordnungsmittelverfahrens betreffend einen Umgangstitel
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 09.03.2018
- Aktenzeichen
- 1 WF 17/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 17386
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Wolfenbüttel - 05.01.2018 - AZ: 21 F 2216/17
Rechtsgrundlagen
- FamFG § 21
- BGB § 1696 Abs. 1 S. 1
Fundstellen
- FF 2018, 220
- FuR 2018, 418
- NJW-Spezial 2018, 422
- NZFam 2018, 468
- ZKJ 2018, 277-279
Amtlicher Leitsatz
Ein wichtiger Grund zur Aussetzung eines Ordnungsmittelverfahrens in einer Umgangssache liegt in der Vorgreiflichkeit eines Abänderungsverfahrens zum Umgang.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Aussetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wolfenbüttel vom 05.01.2018 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Verfahrenswert wird auf 500,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Anordnung von Ordnungsmitteln wegen nicht erfolgter Umsetzung der vom Familiengericht Wolfenbüttel im Beschluss vom 02.10.2012 zu Az. 15 F 3129/12 UG getroffenen Regelung zum Umgang des Antragstellers (im Folgenden: Vater) mit dem im Haushalt der Antragsgegnerin (im Folgenden: Mutter) lebenden gemeinsamen elfjährigen Sohn P..
Wegen der Lebensumstände des Kindes und seiner Eltern wird auf die Darstellung unter Ziffer I. der Gründe des Beschlusses des Senats vom 22.01.2018 in dem gesonderten sorgerechtlichen Verfahren zu Az. 1 UF 142/17 (erstinstanzlich: Amtsgericht Wolfenbüttel zu Az. 21 F 2215/17) verwiesen. Daraus ergibt sich insbesondere auch, dass hinsichtlich des Umgangs des Vaters mit seinem Sohn die im Beschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 02.10.2012 zu Az. 15 F 3129/12 UG getroffene Regelung zum regelmäßigen Wochenend- und Ferienumgang trotz mehrerer zwischenzeitlicher Kindschaftsverfahren zwar fort gilt, dieser Umgang tatsächlich aber unregelmäßig und jedenfalls seit Februar 2017 lediglich an einem Wochenende stattgefunden hat.
Mit Schriftsatz vom 30.06.2017 hat der Vater in dem hiesigen Verfahren u.a. die Verhängung von Ordnungsgeld gegen die Mutter beantragt wegen vierzehnfachen Verstoßes gegen die gerichtliche Regelung zum persönlichen Wochenendkontakt und dreißigfachen Verstoßes gegen die Regelung des Telefonkontaktes in dem Zeitraum September 2015 bis Juni 2017. Hinsichtlich der Begründung wird auf die dortigen Ausführungen sowie die ergänzenden in den Schriftsätzen vom 12.10.2017 und 04.01.2018 verwiesen.
Die Kindesmutter hat mit Schriftsätzen vom 14.08.2017 und 06.11.2017, auf die wegen der Einzelheiten des Vorbringens Bezug genommen wird, beantragt, die Ordnungsgeldanträge zurückzuweisen, da der Ausfall der Umgänge nicht auf ihr Verhalten sondern auf die vehemente Ablehnung des Sohnes zurückzuführen sei. Daneben hat sie einen Antrag auf Abänderung der bestehenden Umgangsregelung beim Amtsgericht Wolfenbüttel eingereicht, das Verfahren wird dort zu Az. 21 F 2301/17 UG geführt.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Wolfenbüttel hat mit Beschluss vom 05.01.2018 das hiesige Ordnungsmittelverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Umgangsverfahrens zu Az. 21 F 2301/17 UG ausgesetzt und zur Begründung ausgeführt, dass psychosomatische Beschwerden des Kindes bekannt geworden seien, die eine Beweisaufnahme über die Gestaltung der künftigen Umgangskontakte unter Kindeswohlgesichtspunkten notwendig erscheinen ließen und deren Ergebnis hinsichtlich der Vorwerfbarkeit der unterbliebenen Umsetzung der derzeit geltenden Regelung durch die Mutter vorgreiflich erscheine.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der am Montag, dem 22.01.2018, beim Oberlandesgericht Braunschweig eingegangenen sofortigen Beschwerde im Schriftsatz vom selben Tag mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung nicht vorlägen. Insbesondere bestehe keine Vorgreiflichkeit des Umgangsverfahrens. Zum einem würde P. nicht leiden und es auch keiner Neuregelung des Umgangs bedürfen, wenn die Mutter den Umgang entsprechend der geltenden Regelung einhielte und fördern statt boykottieren würde. Zum anderen hänge die Entscheidung des hiesigen Verfahrens nicht von dem Ausgang des anderweitigen Verfahrens ab; allein die tatsächliche Möglichkeit eines Einflusses genüge der gesetzlichen Vorgabe der Vorgreiflichkeit nicht. Zudem stünden die seit Herbst 2015 stattgefundenen Verstöße bereits aufgrund des zeitlichen Ablaufs in keinerlei Zusammenhang mit der ab Sommer 2017 geäußerten Kontaktverweigerung des Sohnes; die gesetzliche Verschuldensvermutung spreche zudem allein gegen die Mutter.
Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde im Schriftsatz vom 26.02.2018 mit der Ansicht entgegen, dass die Voraussetzungen für eine Aussetzung vorlägen, da das Gericht in dem Hauptsacheverfahren der Weigerung des Kindes, den Vater zu besuchen, mit der Fragestellung nachgehe, welche Umgangsgestaltung seinem Wohl am besten entspreche und diese Frage auch Gegenstand des Ordnungsgeldverfahrens sei.
Mit Beschluss vom 01.03.2018 hat das Familiengericht Wolfenbüttel der Beschwerde des Vaters nicht abgeholfen. Die Feststellung des Ausmaßes der möglicherweise vorhandenen seelischen bzw. psychosomatischen Beeinträchtigungen P., deren Ursachen und Abhilfemöglichkeiten seien einer sachverständigen Klärung zuzuführen, deren Ergebnis mutmaßlich entscheidende Bedeutung auch für das Ordnungsmittelverfahren zukommen werde.
Mit Schriftsatz vom 01.03.2018 hat die Mutter nunmehr den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Aussetzung des Umgangs zwischen P. und dessen Vater bis zur endgültigen Entscheidung des Verfahrens zu Az. 21 F 2301/17 UG beantragt; dieses Verfahren wird beim Amtsgericht Wolfenbüttel zu Az. 21 F 2085/18 EAUG geführt.
II.
Die nach §§ 567 ff ZPO, § 21 Abs. 2 FamFG statthafte Beschwerde des Antragstellers, die unter Einhaltung der Zweiwochenfrist form- und fristgerecht gegen den Aussetzungsbeschluss des Amtsgerichts vom 05.01.2018 eingelegt worden ist, hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Gericht kann gemäß § 21 Abs. 1 FamFG das Verfahren aus wichtigem Grund aussetzen, wobei es diese Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen und die Gründe abzuwägen hat, die für oder gegen ein Abwarten der Entscheidung sprechen (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 19. Auflage, § 21 Rn. 21; Zöller/Geimer, ZPO, 32. Auflage, § 21 FamFG, Rn. 2). Im Beschwerdeverfahren darf das Beschwerdegericht deshalb keine eigene Ermessensentscheidung treffen, vielmehr hat es allein zu prüfen, ob ein Aussetzungsgrund vorliegt und die Aussetzungsentscheidung auf Verfahrens- oder Ermessensfehler beruht (vgl. Keidel/Sternal, a.a.O. § 21 Rn. 32a, m. w.N.).
Hier liegt bereits das in § 21 FamFG als wichtiger Grund zur Aussetzung des Verfahrens genannte Regelbeispiel der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens im engeren Sinne vor, weil die Entscheidung über den Ordnungsmittelantrag des Vaters wegen Zuwiderhandlungen der Mutter gegen die gerichtliche Umgangsregelung im Beschluss vom 02.10.2012 jedenfalls teilweise unmittelbar von dem Ausgang des von ihr eingeleiteten Verfahrens auf Abänderung eben dieser Umgangsregelung abhängt:
Nach § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Entscheidung zum Umgangsrecht zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Demzufolge wird das Familiengericht in dem Verfahren zu Az. 21 F 2301/17 UG eine Kindeswohlprüfung im Hinblick auf die am 02.10.2012 getroffene Regelung vorzunehmen haben. Nach den Ausführungen im Beschluss vom 05.01.2018 bedarf es dazu einer Beweisaufnahme und nach den Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss vom 01.30.2018 sachverständiger Hilfe, da dort Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass P. aufgrund der Umsetzung der Umgangsregelung vom 02.10.2012 an seelischen und psychosomatischen Störungen leidet. Dem steht auch das Vorbringen des Vaters im hiesigen Verfahren nicht entgegen. Dieser hat vielmehr im Schriftsatz vom 12.20.2017 (dort Seite 2) selbst die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens zu der Problematik der Verweigerung des Umgangs durch P. beantragt und dies im Schriftsatz vom 22.01.2018 (dort Seite 4, 7) auf den gesamten Zeitraum wegen der von ihm vermuteten langjährigen Beeinflussung des Sohnes durch die Mutter erstreckt. Dort (Seite 2) trägt der Vater zudem selbst vor, dass P. tatsächlich unter psychosomatischen Beeinträchtigungen leidet, wobei er davon ausgeht, dass dies auf den fehlenden Kontakt zu ihm zurückzuführen ist.
Wenn aber offenbar unstreitig eine Beeinträchtigung des Kindeswohls vorliegt, deren Grund möglicherweise in einem seelischen Konflikt wegen der Streitigkeiten der Eltern über die Umgangsgestaltung liegt, sind die zur Abänderung der Regelung des Umgangs zu treffenden Entscheidungen auch gegenüber der Entscheidung über Zuwiderhandlungen gegen die bestehende Regelung vorgreiflich. Zwar findet in Vollstreckungsverfahren nach §§ 86 Abs. 1 Nr. 1, 89 Abs. 1 FamFG grundsätzlich keine Prüfung der Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung und damit der Kindeswohldienlichkeit der Umgangskontakte statt. Wenn aber Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die angeordnete Umgangsregelung mit dem Kindeswohl aufgrund veränderter Umstände nicht mehr vereinbar ist und zudem zulässige Anträge auf Abänderung oder Aussetzung des Umgangs gestellt wurden, kann dies für das Vollstreckungsverfahren nicht unbeachtlich bleiben (BGH, Beschluss vom 30.09.2015, Az. XII ZB 635/14 - juris Rn. 32 m.w.N.). Insbesondere wenn der titulierte Umgang offenkundig mit einer Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des betroffenen Kindes im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB verbunden ist, liegt ein Ausnahmefall vor, die eine Prüfung der Rechtsmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung erfordert (OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 11.09.2012, Az. 4 WF 196/12 - juris Rn.21; vom 28.06.2012, Az. 4 WF 122/12 - juris Rn. 11-14 m.w.N.).
Dem steht auch nicht entgegen, dass Ordnungsmittel nach § 89 FamFG grundsätzlich auch dann noch festgesetzt und vollstreckt werden, wenn damit die zu vollstreckende Handlung, Duldung oder Unterlassung nicht mehr erzwungen werden kann (BGH, Beschluss vom 30. September 2015, Az. XII ZB 635/14 - juris Rn. 32 m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschlüsse vom 11.09.2012, Az. 4 WF 196/12 - juris Rn. 23; vom 28.06.2012, Az. 4 WF 122/12 - juris Rn. 14 m.w.N.). Denn auch um diesem Sanktionscharakter zu genügen muss feststehen, dass und bis wann die angeordnete Umgangsregelung dem Kindeswohl nicht zuwiderlief. Insoweit ist zu beachten, dass der Senat bereits im Beschluss vom 22.01.2018 zu Az. 1 UF 142/17 angedeutet hat, dass das Amtsgericht vor der Festsetzung von Ordnungsmitteln zu ermitteln habe, ob tatsächlich schuldhafte Verletzungen der sich aus der Umgangsregelung ergebenden Pflichten vorliege.
In der Gesamtbetrachtung lässt die auf dieser Grundlage getroffene Entscheidung des Amtsgerichts, das Ordnungsmittelverfahren zunächst auszusetzen, um das Ergebnis des Abänderungsverfahrens zur Umgangsregelung abzuwarten, Ermessensfehler nicht erkennen und ist die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers deshalb zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 87 Abs.5, 84 FamFG in Verbindung mit § 1 Satz 2 FamGKG, Nr. 1912 KV FamGKG.
Der Verfahrenswert wird nach §§ 40, 42 Abs. 2 FamGKG festgesetzt.