Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 16.12.2021, Az.: L 14 U 79/21

Anerkennung eines Ereignisses als Arbeistunfall; Anspruch auf vorläufige Leistungen; Keine Ausübung einer versicherten Tätigkeit; Schlafen als eine dem rein persönlichen Bereich zuzurechnende eigenwirtschaftliche Tätigkeit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
16.12.2021
Aktenzeichen
L 14 U 79/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 58549
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2021:1216.L14U79.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
SG Stade - 15.04.2021 - AZ: S 7 U 37/18

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 15. April 2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte als erstangegangener Leistungsträger im Sinne des § 139 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) den von dem Kläger am 10. September 2017 erlittenen Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen hat.

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Der 1989 geborene Kläger begann ausweislich des am 3. Juni 2017 geschlossenen Lehrvertrags mit dem Inhaber der Gärtnerei J., Herrn K., L., am 1. Juni 2017 eine Ausbildung im Gartenbau. Die Beklagte ist seit dem 15. Januar 2008 der für die von Herrn M. betriebene Gärtnerei (Saatzuchtbetrieb) zuständige Unfallversicherungsträger.

3

Die von dem Kläger begonnene Ausbildung ist eine landwirtschaftliche/gärtnerische Berufsausbildung im biologisch-dynamischen Landbau. Eingebunden ist diese Ausbildung in die „N.“, und zwar in die „O.“, ein Zusammenschluss der Demeter Betriebe in Norddeutschland. Für den Bereich des Gartenbaus nimmt u. a. auch der Ausbildungsbetrieb des Herrn M. an der „P.“ teil. Das Ausbildungskonzept sieht vor, dass die Lehre sich über 4 Jahre erstreckt und auf mindestens zwei verschiedenen Höfen absolviert wird. Die Gemeinschaft der Lehrlinge eines Lehrjahres wird durch die 4 Jahre von zwei Seminarleitern/innen geführt und trifft sich einmal im Monat auf einem Hof, meistens für 4 bis 5 Tage und lernt dort gemeinsam. Organisiert werden die in regelmäßigen Abständen stattfindenden Weiterbildungsseminare durch die „Q.“, R., die von den Auszubildenden im Rahmen ihres Ausbildungsverhältnisses besucht werden.

4

Für die Zeit vom 7. September 2017 (Donnerstag) bis 11. September 2017 (Montag) wurde in diesem Zusammenhang von der „S.“ ein Seminar auf dem „T.“, U., organisiert (Unterrichtungsplan siehe Bl. 200 VA). Ziel der unter dem Thema „Einführung in die biologisch-dynamische Landwirtschaft VI“ organisierten Ausbildungsmaßnahme war, den Teilnehmern vor Ort einen Betrieb vorzustellen, der sich im Laufe der letzten 30 Jahre aus einfachsten Anfängen zu einem stabilen, vielseitigen biologisch-dynamisch wirtschaftenden Betrieb entwickelt hat. Die Teilnehmer sollten auf dem Betrieb mindestens einen Heuschnitt miterleben und Arbeitsberichte zum Thema „Heuwerbung“ verfassen, um sich ein umfassendes Grundwissen zu erarbeiten. Der Unterrichtsplan für die Qualifizierungsmaßnahme sah für jeden Tag einen Zeitplan von 7:15 Uhr bis 21:00 Uhr vor, der mit verschiedenen Tätigkeiten und Vorträgen belegt war. An dem Seminar nahmen 26 Personen teil. Für die Übernachtung der Teilnehmer standen ein Seminarraum bzw. Schulungsraum, der abends zur Schlafstätte hergerichtet wurde und eine kleine Gruppenunterkunft zur Verfügung.

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Die Einladung zum Lehrlingstreffen erfolgte von einem der beiden Seminarleiter, der Zeugin Frau V., per E-Mail und von beiden Seminarleitern (auch dem Zeugen W.) unterzeichnet. Die E-Mail hatte folgenden Inhalt:

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„Liebe Leute aus dem 1. Lehrjahr,

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Unser nächstes Lehrlingstreffen findet wie geplant vom 7.9.-11.9.2017 auf dem Hof X., Y., Z. satt. Am DO geht es um 14:30 Uhr los und es endet am MO um 15:00 Uhr.

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Zum Inhalt des Treffens:

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Am DO lernen wir den Hof X. kennen. Am FR geht es um das Thema Grünland/Wiederkäuer. Später sind freie Gruppen, bringt bitte Themen mit. Am SA steht Landschaftsentstehung-Moorboden, und außerdem Gewächshauskulturen auf dem Programm. Am SO geht es um den Umgang mit Maschinen, vorrangig Futterwerbung. Desweiteren werden wir Tierbeobachtungen machen, Eurythmie kennen lernen und mit AA. singen (wär sehr schön mit Gitarrenbegleitung).

10

Bitte bringt Zelte, Schlafunterlagen, Schlafsack und Schreibzeug-wie immer-mit. Wir möchten gern noch die restlichen Tagebuch sehen. Diejenigen bringen ihre dann bitte mit.

11

Es grüßen euch herzlich, AB. und AC.“

12

Bereits ab Beginn des Seminars erhielt zunächst der Lehrgangsteilnehmer und Zeuge AD. von dem Geschäftsführer des Hofes X., dem Zeugen AE., die Erlaubnis, auf dem Heuboden eines auf dem Betriebsgelände befindlichen Kuhstalls zu übernachten. Der Zeuge AF. schlug daraufhin dem Kläger vor, mit diesem zusammen auf dem Heuboden zu übernachten, was dieser auch tat. Bei dem Heuboden, der nicht weiter durch eine Brüstung oder andere Sicherheitsvorrichtungen gesichert und mit einer Leiter in einer Höhe von ca. 2,5 m erreichbar war, die in einem festangebrachten Leiterhaken eingehakt werden konnte, handelt es sich um eine ebene Fläche, die sich direkt über den in der Scheune befindlichen Kuhstellplätzen befand. Die Beleuchtung der Scheune war jeweils durch eine direkt unter dem Heuboden und unter dem gegenüber befindlichen Heuboden möglich, die jedoch vom Heuboden nicht zu erreichen und in der Nacht ausgeschaltet war. Der Giebel des Daches bestand aus transparentem Plastik (Sitzungsprotokoll vom 8. November 2021).

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Über eine am 19. September 2017 erstellte Unfallanzeige des Arbeitgebers des Klägers und einen am selben Tag erstellten Durchgangsarztbericht (DAB) des PD Dr. AG., Evangelisches Krankenhaus AH., erhielt die Beklagte Kenntnis darüber, dass der Kläger am 9. September 2017 einen Unfall erlitten habe.

14

Der Arbeitgeber teilte in seiner Unfallanzeige dazu mit, dass der Kläger am 9. September 2017 um 23 Uhr aus unbekannter Höhe gestürzt und infolgedessen Verletzungen an Rippe, Schlüsselbein und Schädel erlitten habe.

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PD Dr. AG. teilte in seinem DAB mit, dass der Kläger auf einem landwirtschaftlichen Seminar gewesen sei, bei dem regulär auf dem Heuboden geschlafen werde. In diesem Raum sei der Kläger alkoholisiert in der Nacht vom Heuboden gestürzt. Er sei benommen mit Glasgow Koma scale 9 nicht beatmet am 10. September 2017 um 5:26 Uhr eingeliefert worden. Die weiterführende Diagnostik in Form einer Polytraumaspirale habe eine Subarachnoidalblutung und Subduralhämatom links sowie eine Kalottenfraktur mit Einstrahlung in den Canalis caroticus rechts, eine Felsenbeinfraktur rechts, Klavikulafraktur rechts und Fraktur der I. und II. Rippe rechts gezeigt. Der Kläger sei stationär behandelt worden. Hergang und Befund sprächen gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls, weil wahrscheinlich keine versicherte Tätigkeit vorgelegen habe. Es werde keine Heilbehandlung zu Lasten der Unfallversicherung durchgeführt, weil der Unfall sich unter Alkoholeinfluss ereignet habe. Es sei eine Blutalkoholkonzentration von 1,38 Promille festgestellt worden. Zur Weiterbehandlung wurde der Kläger in das Berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus AI. verlegt, wo die stationäre Behandlung vom 12. Oktober 2017 bis 19. Dezember 2017 erfolgte (Berichte vom 24. Oktober 2017, 18. Dezember 2017, 15. Dezember 2017).

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Die Beklagte leitete daraufhin ein Verwaltungsverfahren zum einen über ihre Leistungsabteilung in Bezug auf die Prüfung der Übernahme von Heilbehandlungsmaßnahmen ein, als auch ihre Mitgliedschaftsabteilung in Bezug auf die Prüfung der unfallversicherungsrechtlichen Zuständigkeit, weil der Unfall des Klägers sich im Rahmen der Teilnahme an einem von der „Q.“ organisierten Seminar ereignete. In diesem Zusammenhang forderte die Beklagte die „Q.“ auf, eine Unfallanzeige einzureichen, die jedoch am 6. November 2017 mitteilte, es nicht für zielführend zu erachten, eine Unfallanzeige zu erstatten, weil der Kläger Auszubildender auf dem Landwirtschaftsbetrieb J. sei und mit ihr – der „Q.“ - kein Anstellungs- und Versicherungsverhältnis habe. Sie sei lediglich der Träger der Weiterbildungsmaßnahme und organisiere in regelmäßigen Abständen Weiterbildungsseminare, die von den Auszubildenden im Rahmen deren Ausbildungsverhältnissen besucht würden.

17

Ebenfalls erfolgte durch den Präventionsdienst der Beklagten eine Unfalluntersuchung auf dem „Hof X.“. In seinem am 23. November 2017 erstellten Unfalluntersuchungsbericht führte dieser zusammenfassend aus, dass der Kläger nach Feierabend (17 Uhr) auf einen Oberboden gestiegen sei, auf dem Heurundballen gelagert würden. Im alkoholisierten Zustand sei er von dem Oberboden aus einer Höhe von ca. 3 m auf den Futtertisch (Ablagestelle für das Futter der Kühe, die sich vor den aus massiv gebauten Stahlgestellen bestehenden Fressgittern gesicherten Laufställen befinden) gefallen. Die Übernachtung auf dem Heuboden sei dem Kläger sowie zwei weiteren Ausbildungskollegen durch den Geschäftsführer des „Hofs X.“, Herrn AJ., erlaubt worden. Ohne Wissen des Herrn AJ. hätten die Auszubildenden Alkohol auf dem Oberboden getrunken. Gegen 4:00 Uhr morgens sei der Kläger dann vom Oberboden auf den Futtertisch des Rinderstalles gefallen. Dies sei von den beiden anderen Auszubildenden erst bemerkt worden, als der Kläger vor Schmerz aufgeschrien habe. Nach dem Unfall hätten die beiden Ausbildungskollegen über ihr Handy den Notarzt gerufen, der den Kläger versorgt und ins Krankenhaus nach AH. verbracht habe.

18

Nach (vorläufiger) Prüfung ihrer Zuständigkeit für den Unfall des Klägers lehnte die Beklagte gegenüber der „Q.“ mit Schreiben vom 27. November 2017 ihre Zuständigkeit ab, weil diese kein ein gemäß § 123 SGB VII der Versicherungspflicht unterliegendes landwirtschaftliches Unternehmen sei. Denn der Kläger habe zuvor an einem von ihr veranstalteten Seminar teilgenommen. Die Entscheidung ergehe gemäß § 139 SGB VII durch die Beklagte als vorläufig zuständiger Versicherungsträger.

19

Mit Bescheid vom 13. Dezember 2017 lehnte die Beklagte als vorläufig zuständiger Versicherungsträger nach § 139 SGB VII gegenüber dem Kläger eine Entschädigung des Unfalls vom 10. September 2017 ab, weil es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Der Unfall habe sich im Rahmen einer eigenwirtschaftlichen bzw. privaten und damit nicht versicherten Tätigkeit ereignet. Die unfallbringende Tätigkeit habe nicht im Zusammenhang mit dem versicherten Unternehmen gestanden. Ungeachtet des privaten Charakters einer Verrichtung (hier Schlafen) könne bei „Dienstreisen“ ein Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit bestehen, wenn die besonderen räumlichen Verhältnisse der fremden Übernachtungsstätte den Unfall wesentlich bedingt hätten. Dies gelte jedoch nur, wenn die Auswahl der Übernachtungsstelle in einem inneren Zusammenhang mit der „Dienstreise“ stünde. Dass der Kläger auf dem Betriebsgelände der Hofgemeinschaft X. übernachtet habe, habe grundsätzlich in einem inneren Zusammenhang mit dessen beruflicher Tätigkeit gestanden. Dadurch, dass er jedoch nicht den Seminarraum, sondern den Oberboden als Schlafmöglichkeit ausgewählt habe, habe er den inneren Zusammenhang mit der „Dienstreise“ gelöst.

20

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2017 übersandte die Beklagte der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (AK.) eine Kopie der als vorläufig leistender Versicherungsträger erlassenen ablehnenden Entscheidung und verwies dabei darauf, dass das Unternehmen „Q.“ deren Mitglied sei (Mitgliedsnummer AL.) und deren örtliche und sachliche Zuständigkeit angenommen werde. Gleichzeitig meldete die Beklagte ihren Erstattungsanspruch der bisher übernommenen Aufwendungen an.

21

Die AK. leitete daraufhin ihrerseits eine Prüfung ihrer Zuständigkeit ein und forderte eine Unfallanzeige von der „Q.“ an, die sie am 8. Dezember 2017 erhielt.

22

Der Kläger führte mittlerweile beim Sozialgericht (SG) Stade ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren (Az.: S 22 U 6/17 ER), welches am 11. Januar 2018 durch Rücknahme endete. In diesem Verfahren reichte der Kläger u. a. eine ausführliche Beschreibung der Unfallstelle - durch den an der Übernachtung auf dem Heuboden ebenfalls teilnehmenden Ausbildungskollegen Herrn AM. - sowie weiteres Bildmaterial zur Akte.

23

Gleichzeitig legte der Kläger mit Schreiben vom 12. Januar 2018 Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2017 ein, den er zusammenfassend dahingehend begründete, dass keine „normalen“ Übernachtungsmöglichkeiten auf dem „Hof X.“ bestanden hätten. Entweder hätte er in einem Zelt, auf dem Boden des Seminarraumes oder auf dem Heuboden schlafen müssen. Dass er sich „freiwillig“ entschieden habe, den Heuboden zu nutzen, könne bei der Beurteilung eines inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit keine entscheidende Bedeutung haben. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn er ohne Not anstatt einer ungefährlicheren Übernachtungsmöglichkeit eine offensichtlich gefährliche Übernachtungsmöglichkeit ausgesucht hätte, was jedoch nicht der Fall sei. Auch bei einer Übernachtung in einem Zelt auf dem Hof oder bei einer Übernachtung auf dem Fußboden des Seminarraums hätte es zu Unfällen wegen fehlender Orientierung in der Dunkelheit kommen können. Der Weg von einem Zelt oder einem Seminarraum zu einer sanitären Einrichtung in der Nacht sei nicht vergleichbar mit dem Gang zum WC in einem Hotelzimmer oder in einem eigens dafür eingerichteten Schlafraum. Es hätte auch keine Möglichkeit bestanden, für alle Teilnehmer im Seminarraum oder im Zelt zu schlafen. Es sei deshalb notwendig gewesen, dass Teilnehmer auch auf dem Heuboden hätten schlafen müssen. Darüber hinaus sei die konkrete Situation in der Nacht auf dem Heuboden als ungewöhnlich gefährlich einzustufen gewesen (2 bis 3 m hoher Heuboden, Dunkelheit in der Scheune, keine Schutzvorrichtungen vor Absturz). Diese speziellen Gefahrenmomente seien auch ursächlich für den Sturz gewesen. Diese Gefahrenquellen wären ihm – dem Kläger – auch am Wohn- oder Betriebsort nicht begegnet. Es sei dabei unerheblich, ob er zum Zeitpunkt des Unfalls unter Alkoholeinfluss gestanden habe. Er sei mitten in der Nacht in der Dunkelheit aufgestanden, um auf die Toilette zu gehen. Wegen der schlechten Lichtverhältnisse habe er die Orientierung verloren und sei wegen fehlender Schutzvorkehrungen vom Heuboden auf den Boden gestürzt.

24

Die AK. teilte der Beklagten mittlerweile mit, dass aus den ihr von der Beklagten übersandten Unterlagen keine Information dazu hervorgehe, ob das Weiterbildungsseminar Bestandteil der Ausbildung sei oder ob der Kläger ggf. freiwillig daran teilgenommen habe. Deshalb sei ihre Zuständigkeit derzeit nicht erkennbar.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2018 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

26

Hiergegen hat dieser am 16. März 2018 Klage beim SG Stade erhoben, mit der er sein Begehren auf Feststellung eines Arbeitsunfalls fortgeführt hat. Ergänzend zu seinem Vorbringen im Vorverfahren hat der Kläger ausgeführt, dass nur wenige Teilnehmer das Zelt als Schlafplatz gewählt hätten, weil die Wetterlage kalt und feucht gewesen sei. Ca. zwei Personen hätten sich in den Seminarraum zum Schlafen gelegt. Ca. 7 bis 8 Personen hätten im Kuhstall geschlafen. Er selbst habe mit zwei weiteren Ausbildungskollegen den Heuboden des Kuhstalls als Schlafplatz gewählt. Sie hätten mit den Füßen Richtung Kante, ca. 3 m von der Kante entfernt geschlafen. Bereits am Donnerstag und Freitag hätten sie den Heuboden als Schlafplatz genutzt. Ein Arbeitsunfall sei anzuerkennen.

27

Die Beklagte ist der Auffassung entgegengetreten und hat ergänzend zu ihren Bescheiden ausgeführt, dass ausreichend Übernachtungsmöglichkeiten im Seminarraum und einer kleinen Gruppenunterkunft bestanden hätten. Die Auswahl des zweifellos insoweit gefährlicheren Dachbodens im Stall sei trotz ausreichender anderweitiger Schlafplätze durch den Kläger selbst erfolgt. Bereits das Schlafen stehe als dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnende Tätigkeit als eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Die besondere Gefahr sei von dem Kläger selbst gewählt worden und könne nicht auf die Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Unfallversicherung abgewälzt werden. Ein innerer Zusammenhang mit der Teilnahme an dem Seminar habe nicht mehr bestanden.

28

Auf Anfrage des SG Stade hat die AK. am 24. September 2018 mitgeteilt, dass die „Q.“ mit Wirkung vom 15. Februar 2012 mit den Unternehmensbestandteilen „Bildungseinrichtung“ eingetragen worden sei. Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2018 hat sie den am 18. Juli 2017 gegenüber der „Q.“ erlassenen Zuständigkeitsbescheid übersandt.

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Das SG hat daraufhin mit Beschluss vom 18. Oktober 2018 die AK. beigeladen.

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Die Beigeladene hat zunächst ausgeführt, für die Entschädigung des Unfalls nicht zuständig zu sein, weil die Qualifizierungsmaßnahme selbst nach Angaben des Arbeitgebers des Klägers Teil der Ausbildung sei.

31

Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass selbst wenn davon ausgegangen werde, dass das von dem Kläger besuchte Seminar Teil seiner Ausbildung gewesen wäre und sie der für den Ausbildungsbetrieb zuständige Unfallversicherungsträger wäre, ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen habe.

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Mit Urteil vom 15. April 2021 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es zusammenfassend ausgeführt, dass es sich bei dem Unfall vom 10. September 2017 nicht um einen versicherten Arbeitsunfall gehandelt habe. Der Unfall habe sich während einer unversicherten sogenannten eigenwirtschaftlichen Tätigkeit ereignet, während des Schlafens. Das sich der Unfall auf dem Weg zum WC ereignet habe, sei nicht nachgewiesen, weil der Kläger es selbst nur für wahrscheinlich halte, dass er das WC habe aufsuchen wollen. Der Schlaf unterfalle dem privaten unversicherten Bereich. Der Kläger sei auch während des Schlafens keiner besonderen betrieblichen Gefahr unterlegen, welches das grundsätzlich dem privaten, unversicherten Bereich unterfallende Schlafen ausnahmsweise unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stelle. Dies wäre nur dann anzunehmen gewesen, wenn die konkreten örtlichen Gegebenheiten eine sogenannte besondere Gefahrenquelle dargestellt hätten, und in diesem Sinne wesentliche Ursache für den Unfall des Klägers gewesen wäre. Nicht zu diesen Gefahrenmomenten hingegen zählten die besonderen Gegebenheiten der Örtlichkeit, die dem Arbeitnehmer hinlänglich bekannt seien und denen er sich zudem bewusst ausgesetzt habe, was im Falle des Klägers zutreffe, der sich die Übernachtungsmöglichkeit auf dem Heuboden bewusst ausgewählt habe. Der Unfall habe sich nicht in der ersten Nacht des mehrere Tage dauernden Seminars ereignet, weshalb dem Kläger die örtlichen Gegebenheiten hinlänglich bekannt gewesen seien und er mit ihnen vertraut gewesen sei.

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Gegen das ihm am 5. Mai 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Juni 2021 Berufung eingelegt, die er inhaltlich im Wesentlichen mit seinem bisherigen Vorbringen begründet. Ergänzend hierzu weist er nochmals darauf hin, dass keine „normalen“ Übernachtungsmöglichkeiten bestanden hätten. Er hätte entweder in einem Zelt, auf dem Boden des Seminarraums oder in einer Scheune schlafen können. Er habe sich freiwillig entschieden, auf dem Heuboden der Scheune zu schlafen. Es werde bestritten, dass als Übernachtungsmöglichkeit eine kleine Gruppenunterkunft zur Verfügung gestanden habe. Mit der Wahl des Schlafplatzes habe er sich nicht freiwillig einer besonderen Gefahrenquelle ausgesetzt, sondern sei aufgrund der örtlichen Begebenheiten in der Ausbildungsstätte diesen zwangsläufig ausgesetzt gewesen und habe sich ihnen nicht entziehen können. Er habe sich mit der Wahl seines Schlafplatzes auch nicht rein persönlich von seinen betrieblichen Aufgaben nicht mehr beeinflussten Belangen gewidmet. Es habe sich nicht etwa um den Besuch einer Vergnügungsstätte oder eine dem persönlichen Vergnügen oder seiner Erbauung dienenden Beschäftigung gehandelt. Die konkreten Gegebenheiten wären einem Versicherten in ihrer besonderen Eigenart am Wohn- oder Betriebsort nicht begegnet. Ihm seien die konkreten örtlichen Begebenheiten weder von früheren Aufenthalten bekannt, noch führe der Umstand, dass er gerade einmal zwei Nächte vor dem Unfall auf dem Heuboden geschlafen habe zu der Annahme, hierdurch habe er die Örtlichkeiten wie eine Person gekannt, die schon länger mit diesen Örtlichkeiten lebe. Eine solche Person hätte auch bei einem Aufwachen mitten in der Nacht und bei der gegebenen Dunkelheit die notwendige räumliche Orientierung gehabt, die ein Verfehlen der Leiter und ein Abstürzen vom Heuboden verhindert hätte. Unerheblich sei schließlich, ob er zum Zeitpunkt des Unfalls unter Alkoholeinfluss gestanden habe.

34

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

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1. das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 15. April 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2018 aufzuheben,

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2. die Beklagte zu verurteilen, den Arbeitsunfall vom 10. September 2017 anzuerkennen und zu entschädigen.

37

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

39

Die Beigeladene beantragt,

40

die Berufung zurückzuweisen.

41

Die Beklagte beruft sich zur Begründung auf die Gründe ihrer Bescheide sowie das erstinstanzliche Urteil. Sie verweist nochmals darauf, dass dem Kläger andere Schlafplätze zur Verfügung gestanden hätten, der Kläger die Auswahl selbst getroffen habe.

42

Die Beigeladene verweist darauf, dass jeder Mensch wisse, dass man von einem Heuboden abstürzen/hinunterfallen könne. Hierfür bedürfe es allenfalls eines kurzen Blicks auf die konkreten örtlichen Verhältnisse. Die Höhe an sich mache den Heuboden gefährlich. Gerade aus diesem Grund werde der Heuboden nicht als regulärer Schlafplatz angeboten. Wenn der Kläger dennoch die objektiv bestehende Absturzgefahr in Kauf genommen habe, weil er nicht mit den anderen Seminarteilnehmern zusammen im Seminarraum oder Zelt zusammen habe übernachten wollen, gehe dies zu seinen Lasten. Dass der Kläger „erst“ in der dritten Nacht verunglückt sei, mache den Übernachtungsort nicht zu einem objektiv sicheren Ort.

43

Der Senat hat durch seinen Berichterstatter am 8. November 2021 den Kläger zum Unfallhergang befragt sowie die Zeugen AD. (Lehrgangsteilnehmer), AE. (Geschäftsführer des Hofes X.) und W. (Seminarleiter) vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

44

In dem Erörterungstermin haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

45

Im Nachgang zum Erörterungstermin haben der Kläger sowie der Zeuge AN. die für das Seminar erstellte Einladungs-E-Mail zum Verfahren gereicht.

46

Dem Gericht haben außer den Prozessakten die Mitgliedschafts- und Leistungsakten der Beklagten und der Beigeladenen sowie die Prozessakten zum Verfahren S 22 U 6/17 R des SG Stade vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

47

Der Senat konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 SGG) entscheiden, weil die Beteiligten übereinstimmend dieser Vorgehensweise zugestimmt haben.

48

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und insgesamt zulässig, jedoch unbegründet.

49

Die Klage ist nach dem Begehren des Klägers, der mit Schriftsatz vom 3. Juni 2021 einen Antrag dahingehend gestellt hat, „die Beklagte zu verurteilen, den Unfall vom 10. September 2007 als Arbeitsunfall anzuerkennen….“, bei sinnorientierter Auslegung als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) aufzufassen, denn insofern haben Versicherte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Wahlrecht zwischen einer Feststellungs- und Verpflichtungsklage (BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 – Az.: B 2 U 5/15 R – Rn. 11; BSG, Urteil vom 6. Mai 2021 - Az.: B 2 U 15/19 R – Rn. 11 – jeweils zitiert nach juris).

50

Insoweit der Kläger jedoch mit dem vorgenannten Verpflichtungsantrag zusätzlich einen Leistungsantrag gestellt hat („…und zu entschädigen.“), ist dieser als Leistungsklage aufzufassender Antrag unzulässig, denn die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 13. Dezember 2017 allgemein eine „Entschädigung des Unfalls“ abgelehnt, ohne konkrete Leistungen zu benennen. Nach dem Prinzip des gestuften Verwaltungsverfahren wollte die Beklagte ersichtlich lediglich zunächst auf der 1. Stufe über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls entscheiden. Über konkrete weitere Ansprüche (Heilbehandlung, Verletztengeld, Verletztenrente) hat die Beklagte auf der 2. Stufe hingegen nicht entschieden. Die Formulierung „keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung“ stellt lediglich eine Annex-Floskel dar (BSG, Urteil vom 16. März 2021 – Az.: B 2 U 7/19 R – Rn. 12 bis 15 sowie Rn. 18; BSG, Urteil vom 16. März 2021 – Az.: B 2 U 17/19 R – Rn. 28 – zum gestuften Verwaltungsverfahren; siehe hierzu auch Aubel – „Zur Zulässigkeit der Leistungsklage bei Ablehnung des Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung“ in NZS 2021, Seite 376, 379/; Keller in jurisPR-SozR 16/2021 – Anm. 2 – C.).

51

Die insofern zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zutreffend mit dem von dem Kläger angefochtenen Urteil vom 15. April 2021 die Klage abgewiesen. Die zur Überprüfung gestellten Bescheide der Beklagten vom 13. Dezember 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 2018 sind nach Auffassung des Senats nicht rechtswidrig und beschweren den Kläger nicht. Die Beklagte hat zu Recht die Anerkennung des Ereignisses vom 10. September 2017 als Arbeitsunfall abgelehnt.

52

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers bildet § § 139 Abs. 1 SGB VII. Danach hat ein Unfallversicherungsträger vorläufige Leistungen nach § 43 SGB I zu erbringen, wenn er der Ansicht ist, dass ein entschädigungspflichtiger Versicherungsfall vorliegt, für den ein anderer Unfallversicherungsträger zuständig ist, der sich für nicht zuständig hält oder die Prüfung der Zuständigkeit nicht innerhalb von 21 Tagen abgeschlossen werden kann.

53

Voraussetzung dieser Vorschrift ist, dass der Unfallversicherungsträger der Ansicht ist, dass ein entschädigungspflichtiger Versicherungsfall vorliegt. Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII i.V.m. den §§ 8, 9 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Aus dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandels (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) folgt, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der „Ansicht“ i.S.d. § 139 Abs. 1 SGB VII dahingehend auszulegen ist, dass der erstangegangene Unfallversicherungsträger vom Vorliegen eines entschädigungspflichtigen Versicherungsfalls sowie der Zuständigkeit eines anderen Unfallversicherungsträgers überzeugt sein muss (so Köhler in SdL 2017, Seite 33, 35 – „Verfahrensprobleme der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft als erstangegangener Leistungsträger i.S. des § 139 SGB VII“; Quabach in jurisPK-SGB VII, § 139 Rn. 16).

54

Der Kläger hat jedoch am 10. September 2017 keinen Versicherungsfall in Form eines Arbeitsunfalls im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) erlitten.

55

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle solche Unfälle von Versicherten, die diese infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2,3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit) erleiden.

56

Zur vollen Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls grundsätzlich i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII versichert gewesen ist, denn er stand in einem Ausbildungsverhältnis bei dem Inhaber der Gärtnerei J., Herrn K., was sich aus dem am 3. Juni 2017 abgeschlossenen Lehrvertrag ergibt. Danach hat der Kläger am 1. Juni 2017 seine Ausbildung im Gartenbau begonnen. Das zum Unfallzeitpunkt von der S. für den Zeitraum 7. September 2017 bis 11. September 2017 organisierte Seminar auf dem Hof X. stellt dabei nach Auskunft des Arbeitgebers des Klägers vom 16. Januar 2018 einen Bestandteil des Ausbildungsverhältnisses und Teil der dualen Berufsausbildung dar, für den allerdings die Zuständigkeit zwischen der Beklagten und der Beigeladenen streitig ist. Die Beigeladene, die ihre Zuständigkeit für das Unternehmen „Q.“ mit Bescheid vom 24. September 2018 mit Wirkung vom 15. Februar 2012 erklärt und mit Bescheid vom 18. Juli 2017 ihre Zuständigkeit festgestellt hat, ist hierzu der Auffassung, dass deren Zuständigkeit für den Unfall des Klägers nicht gegeben sei, weil das Seminar als Qualifizierungsmaßnahme nach Angaben des Arbeitgebers des Klägers Teil der Ausbildung sei. Die Beklagte, deren Zuständigkeit für den Gartenbaubetrieb (Saatzuchtbetrieb) des Arbeitgebers des Klägers, des Herrn K., seit dem 15. Januar 2018 besteht hingegen ist der Auffassung, dass die Qualifizierungsmaßnahme der bei der Beigeladenen versicherten „S.“ zuzurechnen sei. Weil die Beklagte als vorläufig zuständiger Unfallversicherungsträger gemäß § 139 SGB VII entschieden hat, kann der Senat dahinstehen lassen, welcher Unfallversicherungsträger für den Unfall des Klägers zuständig ist.

57

Dies auch deshalb, weil die von dem Kläger zum Unfallzeitpunkt konkret durchgeführte Verrichtung nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat. Zur Annahme eines Arbeitsunfalls ist es nämlich erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer solchen versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang). Ob dies der Fall ist, muss wertend entschieden werden, indem untersucht wird, ob sie innerhalb der Grenze liegt, bis zu der nach dem Gesetz der Unfallversicherungsschutz reicht (vgl. BSG vom 18. März 2008 – B 2 U 13/07 R – Rn. 11 – zitiert nach juris).

58

Der Senat geht nach weiterer Beweiserhebung im Rahmen des Erörterungstermins am 8. November 2021 durch nichtförmliche Parteivernehmung des Klägers (§ 118 Abs. 1 SGG – hierzu BSG, Urteil vom 13. August 2002 – Az.: B 2 U 33/01 R – Rn. 28; BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2020 – Az.: B 2 U 127/20 B – Rn. 2 – zitiert nach juris) sowie Vernehmung der Zeugen AD., W. und AE. durch den Berichterstatter des Senats und den im Verwaltungsverfahren eingeholten Auskünften der Beklagten von der „S.“ von folgendem Sachverhalt aus: der Kläger nahm an einem von der „S.“ für den Zeitraum 7. September 2017 bis 11. September 2017 organisierten Seminar zum Thema „Einführung in die biologisch-dynamische Landwirtschaft VI“ auf der Hofgemeinschaft X., Y., Z., teil. Dies ergibt sich aus der Unfallanzeige der „S.“ vom 8. Dezember 2017, dem von der Beklagten mit Schriftsatz vom 4. Januar 2019 übersandten Unterrichtsplan für die Qualifizierungsmaßnahme sowie der Aussage des Zeugen AN., der als Seminarleiter an dem Seminar teilgenommen hat. Laut Auskunft der „S.“ vom 5. Januar 2018 haben an dem Seminar 26 Personen teilgenommen. Die Einladung für dieses Seminar ist durch die weitere Seminarleiterin, Frau V., per E-Mail vom 28. August 2017 erfolgt. Zu den Übernachtungsmöglichkeiten ist hierzu aufgeführt, dass die Teilnehmer „Zelte, Schlafunterlagen, Schlafsack…“ mitzubringen haben. Aufgrund der Bekundungen der Zeugen AN., AF. und AJ. steht fest, dass im Rahmen der offiziellen Begrüßung im Seminarraum der Hofgemeinschaft X. u.a. auch die Unterkunft der Teilnehmer besprochen wurde. Der Zeuge AN. hat hierzu bekundet, dass als offizielle Schlafmöglichkeiten eine Hütte mit Schlafmöglichkeiten für ca. 12 Personen, der Seminarraum selbst und eine Wiese zum Zelten angegeben wurden. Die für die Übernachtung auf der Wiese erforderlichen Zelte waren von den Teilnehmern selbst mitzubringen. Ein im Kuhstall auf der Hofgemeinschaft X. befindlicher Heuboden wird dabei nicht als offizielle Schlafmöglichkeit von den Seminarleitern angeboten. Gerade letztere Bekundung des Zeugen AN. steht in Übereinstimmung mit der diesbezüglichen Bekundung des Zeugen AF., der zu den Übernachtungsmöglichkeiten während des Seminars ausgeführt hat, dass in der Einladung nur gestanden hat, dass Schlafsack, Zelt und Isomatte mitzubringen gewesen sind, und im ersten Begrüßungsgespräch erzählt wurde, dass auf den hofnahen Flächen gezeltet werden konnte. Nach den Bekundungen des Zeugen AF. hat der Großteil der Seminarteilnehmer in Zelten übernachtet. Eine Übernachtung auf dem Heuboden des Kuhstalls wurde dabei nicht ausdrücklich erwähnt. Aus den Bekundungen des Zeugen AJ., der einer von drei Geschäftsführern der Hofgemeinschaft X. ist, ergibt sich, dass individuell auf Nachfrage auch Übernachtungen auf dem Heuboden des Kuhstalls abgesprochen werden konnten. Diese Aussage steht wiederum in Übereinstimmung mit den Bekundungen des Zeugen AF., der hierzu ausgesagt hat, dass er sich bereits vor Beginn des Seminars im Rahmen eines Probearbeitsverhältnisses mit dem Zeugen AJ. über eine Übernachtung auf dem Heuboden unterhalten und von diesem eine Zusage erhalten hat. Es war deshalb dem Zeugen AF. bereits vor Beginn des Seminars klar, dass er auf dem Heuboden des Kuhstalls übernachten wird. Hierüber hat er den Kläger, mit dem er durch die Ausbildung befreundet war und der kein Zelt dabeihatte, am ersten Tag informiert und diesen zu einer Übernachtung auf dem Heuboden eingeladen. Hierzu hat der Zeuge AF. weiter bekundet, dass er am ersten Tag des Seminars den Kläger gefragt hat, ob er mit ihm auf dem Heuboden schlafen wolle, woraufhin der Kläger zugesagt hat. Diese Bekundungen überzeugen den Senat, denn sie sind insgesamt widerspruchsfrei und in sich schlüssig. Eine weitere Aufklärung dieser sowie aller weiteren Umstände des Unfalls durch den Kläger war erfolglos, weil dieser im Rahmen der nichtförmlichen Parteivernehmung angegeben hat, dass der Unfall sein Kurzzeitgedächtnis gelöscht hat und lediglich Splitter/Bilder vorhanden sind. Der weitere Verlauf der ersten Tage sowie des Abends vor dem Unfall ergibt sich für den Senat deshalb allein aus den Angaben des Zeugen AF., der hierzu für den Senat ebenfalls widerspruchsfrei ausgeführt hat, dass der Kläger und er selbst einige Nächte vor dem Unfall zu zweit auf dem Heuboden übernachtet hatten. Lediglich in der Unfallnacht hat zusätzlich der Seminarteilnehmer AO. auf dem Heuboden übernachtet, der nach den Bekundungen des Zeugen AF. allerdings von dem Unfallhergang selbst ebenfalls keinerlei Kenntnis hat, sondern lediglich als Erster mitbekommen hatte, dass der Kläger auf dem Futtertisch unterhalb des Heubodens lag. Den Bekundungen des Zeugen AF. ist zum Vorabend des Unfalls zu entnehmen, dass der Kläger und er nach Ende des Unterrichts im Seminarraum ab 19 Uhr angefangen haben, mehr Alkohol zu trinken, als normal. Beide haben ungefähr gleich viel Alkohol in Form von Bier und Spaßwodka getrunken. Irgendwann sind sie dann hinausgegangen, um zu rauchen. Hierbei hat noch eine weitere Person (AP.) bei ihnen gestanden. Von dort aus sind der Kläger und er gegen ca. 3 Uhr morgens vom Hof den Rest des Weges trotz des Alkoholkonsums noch „normal“ zum Stall gegangen. Der Mond hat nach den Bekundungen des Zeugen AF. geschienen, es war eine relativ helle Nacht. Der Kläger und er konnten sich deshalb sowohl auf dem Weg, als auch im Kuhstall gut orientieren, zumal der Giebel des Daches aus transparentem Plastik bestand und eine Orientierung deshalb gut möglich gewesen ist. Beide haben die zum Heuboden führende Aluleiter gesehen und stiegen diese hoch, wobei sie sich an einem Holzbalken festhalten konnten, was auch für den Abstieg galt. Die Aluleiter konnte nicht wegrutschen, weil diese eingehängt war. Auf dem Dachboden schlief bereits der Seminarteilnehmer AO.. Weil nach den Bekundungen des Zeugen AF. um die Schlafstelle herum Heuballen standen, bestand auf dem Heuboden keine Gefahr im Schlaf. Wären sie gerollt, so die Bekundung des Zeugen AF., wären sowohl er, der Kläger, als auch AO. lediglich gegen die Heuballen gerollt, weil alle mit ihren Füßen mit einem Abstand von 1,50 m zur vorderen Kante des Heuballens geschlafen hatten. Der Zeuge AF. und der Kläger haben sich dann ausgezogen, hingelegt, sich noch kurz unterhalten und sind dann eingeschlafen. Der Zeuge AF. ist dann durch die Äußerung des AO. „Scheiße, AQ. ist runtergefallen“ aufgewacht und hat dem Kläger geholfen. Der Lehrgangsteilnehmer AO. hat dann zunächst den Zeugen AN. sowie anschließend ebenfalls die weitere Seminarleiterin V. zu Hilfe geholt.

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Unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts hat der Kläger zum Unfallzeitpunkt nach Auffassung des Senats keine versicherte Tätigkeit ausgeübt. Zur Überzeugung des Senats steht schon gar nicht im erforderlichen Vollbeweis fest, bei welcher konkreten Tätigkeit der Unfall des Klägers sich ereignet hat. Der Kläger konnte aufgrund seiner Gedächtnislücken keinerlei Angaben machen, ebenso wenig der ebenfalls auf dem Heuboden übernachtende Zeuge AF.. Fest steht deshalb lediglich, dass der Kläger auf dem Futtertisch unterhalb des Heubodens von dem, auf dem Heuboden übernachtenden, AO. aufgefunden worden ist, und dieser daraufhin den Zeugen AF. geweckt hat. Unterstellt, der Kläger ist während des Schlafs vom Heuboden gefallen, was nach Angaben des Zeugen AF. nicht möglich gewesen ist, weil alle drei Personen mit ihren Füßen in einem Abstand von 1.50 m zur Kante des Heubodens geschlafen und um sie herum Heuballen standen, hätte der Kläger zum Unfallzeitpunkt keine versicherte Tätigkeit ausgeübt, weil es sich beim Schlafen um eine dem rein persönlichen Bereich angehörende eigenwirtschaftliche Tätigkeit handelt (siehe zu einem Unfall während der Nachtruhe – BSG, Urteil vom 30. Juni 1999 – Az.: B 2 U 28/98 R – Rn. 19 – zitiert nach juris). Ferner unterstellt, der Kläger hat sich auf dem Weg zu einem Toilettengang befunden und der Unfall hat sich dabei ereignet, stünde er ebenfalls nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, denn auch diese Tätigkeit unterfällt dem rein eigenwirtschaftlichen und damit unversicherten Bereich (siehe hierzu BSG, Urteil vom 30. März 2017 – Az.: B 2 U 15/15 R – Rn. 15 – unversicherter Unfall auf dem Weg zur Toilette während einer Geschäftsreise; so auch Senatsurteil vom 22. Oktober 2015 – Az.: L 14 U 204/12 – unversicherte Unfall während Verrichtung der Notdurft während der Betriebsfeier auf dem Gelände der Firma).

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Der Senat vermochte auch nicht festzustellen, dass der Kläger während der Übernachtung auf dem Heuboden einer besonderen betrieblichen Gefahr unterlegen ist, welche das grundsätzlich dem privaten, unversicherten Bereich unterfallende Schlafen oder eine beabsichtigte Notdurftverrichtung ausnahmsweise unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stellt. Solches wäre nur dann anzunehmen, wenn die konkreten örtlichen Gegebenheiten eine so genannte besondere Gefahrenquelle im Sinne der Rechtsprechung dargestellt hätten, und in eben diesem Sinne wesentliche Ursache für den Unfall des Klägers gewesen wären. Es müsste sich also eine besondere Gefahr verwirklicht haben, die insoweit der Betriebssphäre des Arbeitgebers zuzurechnen ist. Nicht zu solchen besonderen Gefahren zählen jedoch Umstände bzw. Gegebenheiten, die dem Arbeitnehmer regelmäßig während des normalen Verweilens am Betriebsort begegnen. Dies ist zum einen bereits deshalb fragwürdig, weil der Zeuge AF. hierzu bekundet hat, dass sowohl er als auch der Kläger sich morgens um 3 Uhr trotz alkoholisierten Zustands ohne weitere Probleme beim Hinaufsteigen auf den Heuboden recht gut orientieren konnten, weil der Mond ziemlich hell schien und der Giebel des Kuhstalls selbst aus transparentem Plastik bestand und die Helligkeit durchließ.

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Zu berücksichtigen ist zum anderen, dass der Kläger die Schlafstätte auf dem Heuboden selbst gewählt und ihm die Beschaffenheit des Heubodens bekannt gewesen ist. Sowohl nach den Bekundungen des Zeugen AF., als auch des Zeugen AN. stand eine Übernachtung auf dem Heuboden nicht als offizielle Übernachtungsmöglichkeit während des Seminars zur Verfügung. Dies haben beide Zeugen übereinstimmend bekundet. Der Zeuge AN. hat hierzu dargelegt, dass im Rahmen des ersten Begrüßungsgesprächs als Übernachtungsmöglichkeiten lediglich eine Hütte, die Wiese sowie der Seminarraum der Hofgemeinschaft X. zur Auswahl gestanden haben. Dies hat auch der Zeuge AF. bekundet. Lediglich individuell konnte eine Übernachtungsmöglichkeit in Absprache mit einem der Geschäftsführer der Hofgemeinschaft erfolgen, wozu der Zeuge AF. bereits vor Beginn des Seminars von dem Zeugen AJ. die Erlaubnis erhalten hatte. Der Kläger hat sich demgemäß zum einen freiwillig einer mit der Übernachtung auf dem Heuboden verbundenen Gefahr ausgesetzt, zum anderen sind ihm die besonderen Gefahrenmomente des Heubodens zum Unfallzeitpunkt bereits bekannt gewesen, denn er hatte bereits zwei Nächte dort übernachtet. In einer solchen Konstellation ist ein ausnahmsweiser Unfallversicherungsschutz während einer grundsätzlich dem privaten unversicherten Bereich zuzurechnenden Verrichtung, hier des Schlafens oder der beabsichtigten Verrichtung der Notdurft, unter der Annahme der Verwirklichung einer besonderen Betriebsgefahr nicht zu bejahen (so bereits Senatsrechtsprechung: Urteil vom 22. Oktober 2015 – Az.: L 14 U 204/12 mit Verweis auf BSG, Urteil vom 26. Januar 1983 - Az. 9b/8 RU 38/81 – Rn. 12, und Urteil vom 18. März 2008, Az. B 2 U 13/07 R – Rn. 17 – jeweils zitiert nach juris).

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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

63

Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 160 Abs. 2 SGG.