Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.10.2014, Az.: 5 K 140/14
Vorsteuerabzug der Umsatzsteuer aus Eingangsrechnungen eines Unternehmers
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 23.10.2014
- Aktenzeichen
- 5 K 140/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 26532
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2014:1023.5K140.14.0A
Rechtsgrundlagen
- § 14 UStG
- § 15 UStG
Fundstellen
- BB 2014, 2901
- BBK 2014, 1134
- GStB 2015, 133
- MwStR 2015, 44
- NWB 2014, 3675
- NWB direkt 2014, 1231
- StX 2015, 76
- UStB 2015, 71
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein Unternehmer kann aus Eingangsrechnungen die Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen, wenn als Leistungsempfänger zwar die Firma des Unternehmers angegeben wird, zusätzlich aber auch der vormalige Inhaber des Unternehmens namentlich genannt wird.
- 2.
Eine rückwirkende Rechnungskorrektur ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn in der erstmals ausgestellten Rechnung der Leistende, der Leistungsempfänger, die Leistungsbeschreibung und das Entgelt mit ausgewiesener Umsatzsteuer nicht oder unzutreffend angegeben ist.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin im Streitjahr 2004 die in Rechnungen der Schering Deutschland GmbH ausgewiesene Mehrwertsteuer als Vorsteuer abziehen kann.
Die Klägerin erwarb durch Kaufvertrag vom 16.12.2003 mit Wirkung zum 01.03.2004 von dem Apotheker R. "Die Apotheke in der xxx Klinik in yyy".
Sie bezog u. a. Lieferungen von der Schering Deutschland GmbH. Die Rechnungen der Schering Deutschland GmbH waren teilweise adressiert an:
Apotheke in der xxx Klinik
yyy
Apotheker F... R.
H. Str.
00000 yyy
Das beklagte Finanzamt (FA) führte in der Zeit vom 1. März bis zum 8. Juli 2010 bei der Klägerin eine Außenprüfung durch. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass die Klägerin nicht berechtigt sei, aus den Rechnungen der Fa. Schering Deutschland GmbH nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) Vorsteuern zu ziehen. Denn in den Rechnungen sei der Leistungsempfänger unzutreffend bezeichnet worden. Durch den Zusatz "F... R." werde auf einen anderen Unternehmer verwiesen, der ebenfalls zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei. Hiervon betroffen waren Rechnungen - nach Abzug von Sconti -über insgesamt 144.561,20 € zzgl. 23.129,92 € Umsatzsteuer. In Auswertung der Prüfungsfeststellungen erteilte das FA am 4. November 2010 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2004, indem es neben anderen Änderungen die Vorsteuerbeträge um 23.129,92 € kürzte. Diesen Bescheid änderte das FA nach § 129 AO aus nicht streitigen Gründen am 11. November 2010.
Bereits im September 2010 hatte die Rechtsnachfolgerin der Schering Deutschland GmbH - die Bayer Vital GmbH- berichtigte Rechnungen erteilt, die im Anschriftenfeld wie folgt lauteten:
Apotheke in der xxx Klinik
yyy
Apothekerin B...H.
H. Str.
00000 yyy
Die Klägerin hat gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 11. November 2010 Einspruch erhoben, der vom FA mit Einspruchsbescheid vom 30. August 2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Das FA vertrat darin die Auffassung, dass die Leistungsempfänger in den streitbefangenen Rechnungen falsch bezeichnet worden sei. Da in den ursprünglich erteilten Rechnungen der Apotheker F... R. aufgeführt worden sei, könne die Klägerin aus diesen Rechnungen die Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abziehen. Zwar seien die Rechnungen im Jahre 2010 berichtigt worden. Die Klägerin könne aber erst zu diesem Zeitpunkt und nicht im Streitjahr 2004 die Vorsteuer aus den berichtigten Rechnungen geltend machen.
Die Klägerin hat Klage erhoben. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die ursprünglich im Jahre 2004 erteilten Rechnungen korrekt gewesen seien. Der Leistungsempfänger sei darin nicht unzutreffend bezeichnet worden. Denn die Klägerin sei sowohl im Zeitpunkt der Bestellungen und Lieferungen als auch im Zeitpunkt der Rechnungserteilung Inhaberin der Apotheke in yyy gewesen und habe unter der Bezeichnung "Apotheke in der xxx " firmiert. Der in den Rechnungen genannte Leistungsempfänger sei eindeutig zu bestimmen gewesen. Allein die Firmierung sei ausschlaggebend. Wenn in der Rechnung daneben noch zusätzliche Angaben gemacht würden, könnten diese den Vorsteuerabzug nicht ausschließen.
Unabhängig davon sei der Vorsteuerabzug auf der Grundlage der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Streitjahr 2004 zu berücksichtigen. Danach könne eine Rechnungsberichtigung rückwirkend berücksichtigt werden, wenn die Berichtigung vor der ablehnenden Entscheidung der Finanzbehörde erfolge. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall vor, denn die Rechnungen seien im September 2010 berichtigt worden, bevor das FA aufgrund der Prüfungsfeststellungen den ursprünglichen Umsatzsteuerbescheid 2004 im November 2010 geänderte habe.
Die Klägerin beantragt,
den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 11. November 2010 unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 30. August 2011 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf xxx € herabgesetzt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte FA hält an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest. Es führt ergänzend aus, dass das für die Klägerin nunmehr zuständige FA Hannover-Land II die in den berichtigten Rechnungen ausgewiesene Mehrwertsteuer im Jahre 2010 zum Abzug als Vorsteuer zugelassen habe. Die Klägerin sei insoweit nicht beschwert.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
1. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Der Abzug setzt nach Satz 2 der Vorschrift voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14 a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.
Die in 2004 erteilten Rechnungen der Fa. Schering Deutschland GmbH berechtigen nicht zum Abzug der Umsatzsteuer als Vorsteuer. Nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung muss eine Rechnung den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers enthalten. Für die Bezeichnung des Leistungsempfängers genügt jede Benennung, die es der Finanzbehörde erlaubt, den Namen des Leistungsempfängers und dessen Anschrift eindeutig und ohne weiteres nachzuprüfen (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 02.04.1997, V B 226/96, BStBl II 1997, 443 [BFH 02.04.1997 - V B 26/96]). Für die Benennung des Leistungsempfängers reicht es insbesondere aus, wenn er in der Rechnung mit seiner Firma i. S. d. § 17 HGB benannt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 25.02.2005 V B 190/03, BFH/NV 2005, 1397). In den streitbefangenen Rechnungen ist zwar die Firma der Klägerin, unter der sie im Geschäftsleben aufgetreten ist, bezeichnet. Durch den Zusatz "Apotheker R." wird die Rechnung hinsichtlich der Benennung des Leistungsempfängers falsch, denn sie erweckt den Eindruck, als werde R. unter der Firmenbezeichnung geschäftlich tätig. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall, weil R. die Apotheke an die Klägerin verkauft hat. Der richtige Leistungsempfänger lässt sich bei dieser Sachlage vom FA nicht ohne weiteres eindeutig ermitteln. Der Rechnungsempfänger ist deshalb in der Rechnung falsch bezeichnet.
Das Recht der Klägerin, bereits im Streitjahr 2004 aus den Rechnungen der Schering Deutschland GmbH die Umsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen, ergibt sich auch nicht aufgrund der im September 2010 erfolgten Rechnungskorrekturen.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 15.07.2010 C-368/09 Pannon Gép, SLG. 2010 I-7467) der Vorsteuerabzug nicht versagt werden, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen und die nicht ordnungsgemäßen Rechnungen vor Erlass einer Entscheidung der Finanzbehörde korrigiert werden. Ob sich aus dieser Entscheidung weitergehend eine Rückwirkung der Korrektur auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung ergibt, ist in der Rechtsprechung und dem Schrifttum umstritten (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 20.07.2012 V B 82/11 BStBl II 2012, 809 m. w. N. zum Meinungsstand).
Der Senat ist der Auffassung, dass eine Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung jedenfalls dann nicht in Betracht kommt, wenn das zunächst erteilte Dokument die Mindestanforderungen an eine Rechnung nicht erfüllt. Zu diesen Mindestanforderungen gehören Angaben zum Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger, die Leistungsbeschreibung und die Angaben zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer.
Nach § 167 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Nach Art. 63 MwStSysRL ist dies der Fall, sobald die Lieferung des Gegenstandes bewirkt oder die Dienstleistung erbracht ist. Demgegenüber ergibt sich aus Art. 178 Buchst. a MwStSystRL, dass die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug an den Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung geknüpft ist.
Dementsprechend hat der EuGH in seinem Urteil vom 29.04.2004 C-152/02, Slg. 2004, 5583 Terra Baubedarf-Handel GmbH gegen FA Osterholz-Scharmbeck) den Vorsteuerabzug von dem Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung abhängig gemacht und dargelegt, dass es nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße, wenn der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug in Auslegung dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe erst für den Besteuerungszeitraum vornehmen kann, in dem er in den Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung ist.
Nichts anderes folgt aus den nachfolgenden Urteilen des EuGH (Rechtssache Pannon Gép und Urteil vom 08.05.2013 C-271/12, UR 2013, 591). Hieraus ergibt sich nach Auffassung des Senats nur, dass für den Fall, dass der Steuerpflichtige fehlerhafte Rechnungen berichtigen lässt und der Finanzbehörde ordnungsgemäße Rechnungen vorlegt, der Vorsteuerabzug nicht endgültig allein deshalb versagt werden darf, weil die ursprüngliche Rechnung einen Fehler enthielt. Zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt der Vorsteuerabzug aufgrund einer korrigierten Rechnung vorgenommen werden kann, geben die Entscheidungen des EuGH nichts her.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 UStG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen.