Sozialgericht Oldenburg
Urt. v. 04.02.2013, Az.: S 81 R 290/11
Kostenübernahme für die beidseitige Hörgeräteversorgung mit den Geräten Oticon agil Pro BTE 13
Bibliographie
- Gericht
- SG Oldenburg
- Datum
- 04.02.2013
- Aktenzeichen
- S 81 R 290/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 35305
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGOLDBG:2013:0204.S81R290.11.0A
Rechtsgrundlage
- § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V
Fundstelle
- NZS 2013, 460
Tenor:
- 1.
Der Bescheid der Beklagten vom 17.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2011 wird aufgehoben.
- 2.
Der Bescheid der Beigeladenen zu 1) vom 29.09.2010 wird geändert.
- 3.
Die Beigeladene zu 1) wird verurteilt, den Kläger mit den Hörgeräten Oticon agil Pro BTE 13 zu versorgen.
- 4.
Die Beigeladene zu 1) trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der anderen Beteiligten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für die beidseitige Hörgeräteversorgung mit den Geräten Oticon agil Pro BTE 13. Der am F ...1958 geborene Kläger ist bei der Beklagten rentenversichert und bei der Beigeladenen zu 1) krankenversichert. Er leidet unter einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Der Kläger erhielt aufgrund Hörverschlechterung von seinem Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. G. am 09.09.2010 eine Verordnung über eine neue beidseitige Hörgeräteversorgung. Mit dieser Verordnung wandte sich der Kläger an den Hörgeräteakustiker H., der eine Anpassung mit Hörgeräten durchführte. Der Akustiker übersandte der Beigeladenen zu 1) am 28.09.2010 eine Versorgungsanzeige, woraufhin diese mit Bescheid vom 29.09.2010 die entstehenden Kosten in Höhe des Vertragspreises von 1.192,80 EUR übernahm.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 05.10.2011 Widerspruch ein und trug vor, der Antrag auf Hörgeräteversorgung sei damals auch auf den überschießenden Betrag über den Vertragspreis hinaus gerichtet gewesen. Ein Widerspruchsbescheid ist bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht ergangen. Der Kläger beantragte am 11.10.2010 bei der Beklagten die Übernahme der über die Versorgungspauschale hinausgehenden Kosten. Er reichte einen Kostenvoranschlag des Akustikers H. über einen Eigenanteil von 3.557,00 EUR ein. Zudem legte er eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vor, wonach er als Physiotherapeut Gruppenstunden in Form von Bewegungsbädern und Gymnastik in gefliesten Räumen mit Wasserrauschen abhalten müsse und es zudem auch erforderlich sei, dass er telefonieren könne. Mit Bescheid vom 17.11.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da kein berufsspezifischer Mehrbedarf vorliege. Der Kläger benötige bereits im Alltag höherwertige Hörgeräte. Mit seinem Widerspruch trug der Kläger vor, Gespräche seien während seiner Arbeit unerlässlich, es gebe Nebengeräusche und er müsse sich in gekachelten Räumen verständigen können. Er könne nicht im erforderlichen Umfang mit Patienten kommunizieren und werde seinen beruflichen Anforderungen daher nicht gerecht. Der Kläger reichte eine Stellungnahme seines Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. G. ein, wonach die Hörgeräte auch aufgrund der beruflichen Situation notwendig seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, die Krankenkasse sei zuständig, da der Kläger unter einer hochgradigen Schwerhörigkeit leide, die bereits im Alltagsgebrauch höherwertige Hörgeräte erforderte. Zweier- und Gruppengespräche sowie Telefonate auch bei Störgeräusch würden zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören. Die Versorgung sei daher nicht ausschließlich und unmittelbar aus beruflichen Gründen notwendig. Der Kläger hat am 24.05.2011 Klage erhoben. Das Gericht hat sodann die Beigeladene zu 1) als in Betracht kommender Kostenträger notwendig beigeladen. Nachdem diese sich an den Hörgeräteakustiker H. gewandt hatte und die Anpassung dort für nicht vertragskonform hielt und den Kläger bat, er möge sich erneut mit dem Akustiker in Verbindung setzen, erprobte der Kläger neue Hörgeräte, diesmal bei dem Akustiker I., der Beigeladenen zu 2). Der Kläger testete bei diesem Akustiker folgende Hörgeräte aus:
Gerät | Hörverstehen | im Störgeräusch (65 dB) |
---|---|---|
Oticon Co ProVC (eigenanteilsfrei) | 70 % | 15 % |
Phonak Milo micro (eigenanteilsfrei) | 65 % | 15 % |
Oticon agil PRO BTE 13 | 80 % | 40 % |
Oticon ACTO PRO 13 | 75 % | 20 % |
Audio service mood 8 | 75 % | 10 % |
Phonak Dalia M H20 | 75 % | 20 % |
Der Kläger beantragt,
- 1.
den Bescheid der Beklagten vom 17.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2011 aufzuheben,
- 2.
den Bescheid der Beigeladenen zu 1) vom 29.09.2010 aufzuheben und
- 3.
die Beigeladene zu 1) zu verurteilen, den Kläger mit den Geräten Oticon agil Pro BTE 13 zu versorgen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, eine Differenz im Sprachverstehen von 5% bis 10% liege im Bereich der Messtoleranz und biete keinen erheblichen Gebrauchsvorteil. Die Beigeladene zu 1) sei daher mit den angebotenen aufzahlungsfreien Hörgeräten ihren Verpflichtungen gegenüber dem Kläger nachgekommen.
Die Beigeladene zu 2) stellte keinen Klageantrag.
Das Gericht hat die Beigeladene zu 1) notwendig beigeladen, weil eine Entscheidung ihr gegenüber nur einheitlich ergehen konnte. Das Gericht hat die Beigeladene zu 2) einfach beigeladen, weil ihre Interessen durch die Entscheidung in diesem Rechtstreit berührt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Kostenübernahme für die aufgrund der durchgeführten Testungen am besten geeigneten Geräte Oticon agil Pro BTE 13.
Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Versicherte haben nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (1. Alternative), einer drohenden Behinderung vorzubeugen (2. Alternative) oder eine Behinderung auszugleichen (3. Alternative), soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Wie in allen anderen Leistungsbereichen der gesetzlichen Krankenversicherung müssen die Leistungen nach § 33 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkasse nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V; s. stellvertretend BSG, Urteil vom 16. September 2004 - B 3 KR 19/03 R). Ein Anspruch auf die begehrte Versorgung besteht nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Alternative 3 SGB V, denn die begehrten Hilfsmittel Oticon agil PRO BTE 13 sind erforderlich, um das Gebot eines möglichst weitgehenden Behinderungsausgleichs zu erfüllen. Ein Hilfsmittel ist von der gesetzlichen Krankenversicherung immer dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis betrifft. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gehören zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, selbstständiges Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (s. z.B. BSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 3, dort m.w.N.). Der Kläger kann, gemessen an diesen Maßstäben, zum Ausgleich der bei ihm bestehenden Hörbehinderung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung die Versorgung mit den streitgegenständlichen Hörgeräten beanspruchen. Der grundsätzliche Bedarf neuer Hörgeräte ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Streitig ist lediglich, ob ein Anspruch auf Versorgung mit genau diesen Geräten besteht. Dies ist vorliegend der Fall. Versicherte haben Anspruch auf die Hörgeräteversorgung, die die nach dem Stand der Medizintechnik bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubt, da der unmittelbare Behinderungsausgleich betroffen ist. Es gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (BSG, Urt. vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R). Das begehrte Gerät ermöglicht nach den Messergebnissen ein gegenüber den anderen Geräten deutlich höheres Sprachverständnis von 80 % im Einsilbenverstehen und 40 % im Störgeräusch. Das nächst beste Gerät Oticon actoPro BTE 13 erreicht im Einsilbenverstehen mit 75 % mäßig abweichende Werte, im Störgeräusch jedoch deutlich abweichende Werte von nur 20 %. Das Hören mit Umgebungsgeräuschen gehört zu den Grundbedürfnissen, da es in normalen Alltagssituationen erforderlich ist, etwa im Straßenverkehr, in einer Unterhaltung in der Gruppe mehrerer Menschen oder beim Einkaufen mit Hintergrundmusik und Hintergrundgesprächen anderer Menschen. Das Hören im Störgeräusch ist daher im Rahmen der Hilfsmittelversorgung durch die Krankenversicherung zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urt. v. 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R, zitiert nach [...]).
Die Versorgung mit den Geräten Oticon agil PRO BTE 13 bietet daher im Falle des Klägersvon allen getesteten Geräten die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder und auch im Alltag einen erheblichen Gebrauchsvorteil gegenüber anderen Hörhilfen.
Zwar besteht im Rahmen der Erfüllung von Sachleistungsansprüchen grundsätzlich ein Auswahlermessen der Beklagten zwischen mehreren gleichgeeigneten Leistungen, dieses wurde jedoch nicht ausgeübt und hat sich daher auf Null reduziert. Denn der Kläger ist seinen Mitwirkungspflichten ausreichend nachgekommen. Er hat insgesamt zehn Geräte ausgetestet. Da die Beigeladene zu 1) dem Kläger keine konkrete zuzahlungsfreie Versorgungsalternative aufgezeigt hat, muss sie die vollen Kosten für die Hilfsmittelversorgung übernehmen, die aufgrund der erfolgten Erprobung die besten Hörergebnisse erzielt hat. Denn die Beigeladene zu 1 verstößt gegen ihre Sachleistungspflicht und auch gegen ihre Obhuts- und Beratungspflichten, wenn Sie dem Versicherten eine beantragte Versorgung verwehrt, auf die unstreitig grundsätzlich ein Anspruch besteht, ohne eine Möglichkeit der zuzahlungsfreien Versorgung aufzuzeigen. (vgl. auch SG Oldenburg, Beschl. v. 21.03.2012 - S 61 KR 6/12 ER, zitiert nach [...])
Die Beigeladene zu 1) hätte dem Kläger, um eine über die bereits erfolgten Mitwirkungshandlungen des Klägers hinausgehende Mitwirkungspflicht zur Erprobung weiterer Geräte, ggf. bei einem anderen Akustiker, begründen zu können, konkrete eigenanteilsfreie Versorgungsalternativen aufzeigen müssen. Sie hätte insbesondere ein bestimmtes, ihrer Meinung nach geeignetes Gerät und einen Hörgeräteakustiker benennen müssen, der bereit ist, dieses Gerät eigenanteilsfrei anzupassen. Gesteigerte Obhuts- und Informationspflichten bestehen insbesondere, wenn bei anpassungsbedürftigen Hilfsmitteln der notwendige Überblick über die Marktlage und geeignete Angebote auch bei zumutbarer Anstrengung für Versicherte schwierig zu erlangen sind. Dies ist bei der Versorgung von Hörgeräten in besonderer Weise der Fall. Die Krankenversicherung trägt im Rahmen der Sachleistung die Verantwortung für die Leistungsverschaffung (vgl. BSG, Urt. v. 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R, Rn. 36, zitiert nach [...]).
Hat der Versicherte das ihm zumutbare getan, um die notwendige Leistung möglichst kostengünstig zu erlangen, hat er insbesondere mehrere Hörgeräte getestet, darunter auch solche zu Vertragspreisen, erfüllt der Versicherte regelmäßig seine Mitwirkungspflichten (vgl. auch LSG Sachsen, Urt. v. 07.02.2012 - L 5 R 488/11). So lag der Fall hier. Der Kläger hatte keinen Anlass, weitere Geräte zu erproben, er durfte sich in seinem Klageantrag auf ein Gerät festlegen. Möchte die Krankenversicherung verhindern, dass der Kläger sich auf das am besten getestete Gerät festlegt, muss sie konkrete eigenanteilsfreie Versorgungsalternativen aufzeigen. Etwaige Festbetragsregelungen oder vertraglich vereinbarte Pauschalpreise entheben die Krankenkassen nicht von ihrer Pflicht, im Rahmen der Sachleistungsverantwortung für die ausreichende Versorgung der Versicherten Sorge zu tragen. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung ist vom Prinzip der Naturalleistung geprägt. Die Sachleistung ist ein grundsätzliches Strukturprinzip. (BSG v. 07.08.1991 - 1 RR 7/88; BSG v. 14.03.2001 - B 6 KA 67/00 R, zitiert nach [...])
Diese Verschaffungspflicht gewährleistet, dass der Versicherte eine notwendige Leistung der Krankenpflege erhält, ohne sie sich selbst erst beschaffen zu müssen und insbesondere ohne bei ihrer Inanspruchnahme für Kosten aufkommen zu müssen. Der Kläger ist seinen Mitwirkungspflichten ausreichend nachgekommen, indem er verschiedene Hörgeräte ausgetestet hat und auch der späteren Bitte nachgekommen ist, weitere Geräte zu erproben. Das Risiko, dass der Hörgeräteakustiker (evtl. entgegen dem BIHA-Vertrag) keine geeigneten zuzahlungsfreien Geräte anbietet, trägt in letzter Konsequenz die Krankenversicherung. Denn sie ist zur Sachleistung verpflichtet und muss dem Grunde nach für eine ausreichende medizinische Versorgung ihrer Versicherten sorgen. (vgl. SG Oldenburg, Urt. v. 04.07.2012 - S 61 KR 221/10, zitiert nach [...]) Im Zuge dessen obliegt es der jeweiligen Krankenversicherung auch, ihre Vertragspartner (in diesem Fall die Hörgeräteakustiker als Hilfsmittelerbringer) zu einem vertragskonformen Verhalten zu bewegen.
Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Hörgeräteakustiker als Hilfsmittellieferant im Lager der Beigeladenen zu 1) steht und diese sich sein Fehlverhalten im Verhältnis zum Versicherten daher grundsätzlich zurechnen lassen muss. (vgl. auch SG Oldenburg, Beschl. v. 21.03.2012 - S 61 KR 6/12 ER) Der Hörgeräteakustiker ist nicht Vertragspartner der einzelnen Versicherten, sondern der Krankenversicherungen (durch den BIHA-Vertrag). Nur letztere haben die vertraglich eingeräumten Druckmöglichkeiten durch Verhängung einer Vertragsstrafe, Regressmöglichkeiten oder das Geltend machen von Schadensersatzansprüchen. Das Risiko von Vertragsverletzungen können die Krankenkassen nicht auf die Versichertenabwälzen (vgl. Sozialgericht Oldenburg, Urt. v. 04.07.2010 - S 61 KR 221/10, zitiert nach [...]). Sollte die Beigeladene der Auffassung sein, der Akustiker habe seine Verpflichtungen aus dem BiHA-Vertrag nicht erfüllt, da er nicht das bestgeeignete Gerät zum Vertragspreis abgegeben habe, so wäre dieser Streit über die Auslegung des BiHA-Vertrages in einem separaten Verfahren zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Hörgeräteakustiker zu klären. 3. Das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V steht der Leistungspflicht der Beklagten nicht entgegen. Denn auch eine kostenaufwendige Versorgung ist von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber kostengünstigeren Geräten bietet (vgl. BSG, Urt. v. 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R, Rn. 21, zitiert nach [...]).
Dies war hier der Fall, da die begehrten Geräte insbesondere im Störschall gegenüber den anderen getesteten Geräten deutlich bessere Messwerte ermöglichten. 4.Ein berufsspezifischer Mehrbedarf lag nicht vor. Der Kläger hatte nicht nur im Rahmen seines Berufs, sondern bereits im Rahmen der Grundversorgung des Krankenversicherungsrechts Anspruch auf Verschaffung der besten Geräte. Ein berufsbedingter Mehrbedarf ergibt sich darüber hinaus nicht. Die Versorgung liegt hier im materiellen Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung, weil die Hörhilfen notwendig zur Verwirklichung elementarer Grundbedürfnisse des täglichen Lebens sind. Sie gewährleisten durch das bessere Hören im Störgeräusch eine einfachere Teilnahme am Straßenverkehr und in sonstigen allgemeinen Hörsituationen mit gewissem Störschall, wie in Unterhaltungen mit mehreren Personen, im Umgang mit Kindern oder in beim Einkaufen mit laufender Hintergrundmusik. Der Kläger kann mit den jetzt begehrten Hörgeräten nicht ausschließlich im Beruf, sondern auch im privaten Bereich am besten hören, so dass die Versorgung in die Leistungspflicht nach Krankenkassenrecht fällt. Dies ist angesichts der Messergebnisse schlüssig. Die Hörgeräte, die der Akustiker eigenanteilsfrei angeboten hat, erfüllten hingegen nicht die für den Kläger notwendigen Anforderungen an die bestmögliche Hörgeräteversorgung, da sie erheblich schlechtere Messergebnisse aufwiesen. Deshalb stellen sie keine ausreichende Versorgung im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V für die bei dem Kläger bestehende Hörbehinderung dar. 5.
Die Beigeladene zu 1) war als erstangegangener Leistungsträger direkt zu verurteilen. Denn die Versorgungsanzeige des Akustikers H. bei der Beigeladenen zu 1) ist als umfassender Antrag des Versicherten zu werten, der sich nicht nur auf die Versorgungspauschale bezieht, sondern auch auf den darüber hinausgehenden Eigenanteil. (SG Oldenburg, Urt. v. 04.07.2012 - S 81 R 84/11). Die Verurteilungsmöglichkeit des Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entspricht dem Charakter der Beiladung nach Abs. 2 zweite Alternative, mit der im Grunde eine Klageerweiterung oder Klageänderung vorgenommen wird (vgl. BSGE 14, 86, 89). Die Verurteilung des Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 setzt - jedenfalls soweit es um die Verurteilung zu einer Leistung geht - ein Vorverfahren nicht voraus (vgl. BSG, Urt. v. 30. 06. 2009, B 2 U 19/08 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07.10.2009 - L 18 AS 2221/07, zitiert nach [...]). Hat der Beigeladene den Anspruch bereits durch bindenden VA abgelehnt, kann er zwar grundsätzlich nicht verurteilt werden (BSG SozR 1500 § 75 Nr. 38; LSG Nds SozVers 83, 303). Jedoch ist es entsprechend dem Schutzzweck des SGB IX erforderlich, diese Rechtsprechung nicht auf Fälle der Geltendmachung von Rehabilitationsleistungen zu übertragen (vgl. hierzu auch BSG vom 21.8.2008 - B 13 R 33/07 R; BSG Urt. v. 29.09.2009 - B 8 SO 19/08 R, zitiert nach [...]). Um entsprechend § 14 SGB IX einen effektiven Rechtsschutz des behinderten Menschen zu gewährleisten, war bezüglich des Bescheides der Beigeladenen zu 1) vom 29.09.2010 daher kein abgeschlossenes Vorverfahren erforderlich.
Die Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und waren daher aufzuheben.Die Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers schließt im Außenverhältnis zum Versicherten diejenige aller anderen Träger aus (BSG Urt. v. 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R; LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.09.2011 - L 4 R 56/10, zitiert nach [...]). Wie bereits dargelegt blieb die Zuständigkeit der Beigeladenen zu 1) auch nach Abschluss des bei ihr anhängigen Verwaltungsverfahrens durch Erlass eines Bescheides bestehen. Die Beklagte konnte also keine Entscheidungsbefugnis bezüglich des später bei ihr gestellten Antrages erlangen. Die Bescheide sind rechtswidrig wegen sachlicher Unzuständigkeit und daher aufzuheben. (vgl. BSG Urt. v. 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R ; LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 21.09.2011 - L 4 R 56/10; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 25.11.2010 - L 31 R 37/10 zitiert nach [...])
Nach alledem hat die Klage Erfolg. Die Beigeladene zu 1) ist im Wege der Sachleistung verpflichtet, dem Kläger das begehrte Hilfsmittel mit Ausnahme der gesetzlichen Zuzahlung zu verschaffen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.