Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 17.12.2020, Az.: 6 U 246/20

Hinweisbeschluss zu OLG Oldenburg 6 U 246/20 v. 01.02.2021

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
17.12.2020
Aktenzeichen
6 U 246/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 66725
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 02.09.2020 - AZ: 18 O 96/20

In dem Rechtsstreit
AA GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer BB, Ort1,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte: (...), Geschäftszeichen: (...)
gegen
CC e.V. vertreten durch den 1. Vorsitzenden DD, Ort2,
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte: (...),
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), den Richter am Oberlandesgericht (...) und die Richterin am Landgericht (...)
am 17. Dezember 2020
beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

[Gründe]

I.

Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das Landgericht der Klage zu Recht stattgegeben hat. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung i.S.d. § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 3a, 5 UWG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 lit. b) VO (EG)Nr. 767/2009 zu. Die von der Beklagten dagegen vorgebrachten Einwände greifen insgesamt nicht durch.

1. Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung moniert, das Landgericht habe die zwingend notwendige Differenzierung, ob bereits ein Zeckenbiss selbst eine Krankheit darstelle, unterlassen, liegen diese Ausführungen neben der Sache. Darauf wäre es dann angekommen, wenn das Landgericht einen Verstoß gegen Art. 13 Abs.3 lit a VO (EG) Nr. 767/2009 angenommen hätte. Das OLG Stuttgart hat in der von der Berufungsbegründung zitierten Entscheidung (GRUR- RR 2020, 12) diese Frage offengelassen. Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung auch überhaupt nicht auf diese Norm abgestellt, sondern den Gesetzesverstoß auf Art. 11 Abs. 1 lit. b) VO (EG) gestützt.

2. Dies hat auch das Oberlandesgericht Stuttgart in der bereits zitierten Entscheidung getan, in der es ausgerechnet um die Werbeaussage des beklagten Futtermittelunternehmens ging, dass aufgrund seiner natürlichen Wirkstoffe, insbesondere aufgrund des enthaltenen Schwarzkümmelöls das streitgegenständliche Produkt eine natürliche, zeckenvorbeugende Wirkung habe, denn die in dem Produkt enthaltenen starken ätherischen Öle dünsteten durch die Haut des Hundes aus und verhinderten so, dass der Hund von Zecken befallen werde. Hierzu hat da OLG Stuttgart die Auffassung vertreten, dass durch die einschränkungslose Bezeichnung als "Anti-Zecken Snack", die im Kontext mit weiteren Aussagen wie "natürlicher Zeckenschutz" und "die biozidfreie Zeckenabwehr" stehe, beim Verbraucher der Eindruck erweckt werde, es sei wissenschaftlich abgesichert, dass das beworbene Futtermittel die ihm zugeschriebene zeckenvorbeugende Wirkung habe.

So liegt der Fall auch hier, denn die Beklagte erweckt durch die Bezeichnung "ZeckEx" im Zusammenhang mit den weiteren Aussagen "Die enthaltenen Kräuter und die Bierhefe ... unterstützen ernährungsbedingt den Hautstoffwechsel ... Dies kann auf Zecken und andere Plagegeister abschreckend wirken. ... Die Fütterung sollte über die gesamte Zeckensaison erfolgen", den Eindruck, dass das Produkt eine zeckenvorbeugende Wirkung habe. Aufgrund dieser einschränkungslos aufgestellten Behauptung geht der Verwender davon aus, dass eine solche Aussage wissenschaftlich abgesichert sei.

Nach Art. 11 Abs. 1 lit. b VO (EG) Nr. 767/2009 dürfen Kennzeichnung und Aufmachung von Futtermitteln den Verwender nicht irreführen, insbesondere nicht durch die Angabe von Wirkungen, die das Futtermittel nicht besitzt. Unter die Angabe von Wirkungen fällt auch eine Bezeichnung wie "ZeckEx" (oder wie "Anti-Zecken Snack" in dem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall), die darauf schließen lässt, dass das Futtermittel eine über das tatsächliche Fütterungsspektrum hinausgehende Eignung hat (Zipfel/Rathke, § 19 LFGB Rn. 31).

Das OLG Stuttgart hat hierzu ausgeführt:

Aufgrund dieser aufgestellten Behauptung geht der Verbraucher davon aus, dass es für diese Aussage eine qualifizierte Grundlage gibt, das heißt, dass die Aussage wissenschaftlich abgesichert ist. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dieses Verständnis des Verbrauchers richtig ist, das heißt, dass die Aussage wissenschaftlich abgesichert ist, trägt die Bekl. Dieser Darlegungs- und Beweislast ist die Bekl. im vorliegenden Verfahren nicht nachgekommen.

Eine Irreführung kann nicht nur darin liegen, dass das Produkt nicht die angegebene Wirkung hat, sondern auch darin, dass die angegebene Wirkung wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert ist (Zipfel/Rathke, § 19 LFGB Rn. 32). Die Irreführung liegt in diesen Fällen bereits darin begründet, dass der Verkehr die Aussage dahin verstehen wird, dass niemand sie ohne qualifizierte Grundlage aufstellen wird, die Aussage mithin wissenschaftlich abgesichert ist, und in der streitgegenständlichen Werbung nicht richtig über den fehlenden wissenschaftlichen Nachweis informiert wird (Dreyer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl. 2016, § 5, Abschnitt M Rn. 18).

Was unter "wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert" zu verstehen ist, ist im Verkehr mit Futtermitteln allerdings anders zu beurteilen als im Verkehr mit Lebensmitteln. Im Verkehr mit Lebensmitteln geht es um die menschliche Gesundheit, im Verkehr mit Futtermitteln um die tierische Gesundheit, der rechtlich nicht derselbe Stellenwert zukommt wie der menschlichen Gesundheit. Es ist deshalb nicht vertretbar, bei Futtermitteln Auslobungen generell auszuschließen, wenn sie in der Wissenschaft kontrovers beurteilt werden oder Gegenstand einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung sind. Vielmehr kann bei Futtermitteln eine Aussage über Wirkungen auch dann wissenschaftlich hinreichend gesichert sein, wenn sie der herrschenden Meinung entspricht, jedoch auch Gegenmeinungen ohne besonderes wissenschaftliches Gewicht bestehen (Zipfel/Rathke, § 19 LFGB Rn. 33; OLG Schleswig, Urt. v. 20.3.2014 BeckRS 2014, 22321). Hierfür spricht auch der Erwägungsgrund Nr. 16 zur VO (EG) Nr. 767/2009, nach dem eine Angabe bereits dadurch wissenschaftlich begründet werden kann, dass alle verfügbaren wissenschaftlichen Daten berücksichtigt und die Erkenntnisse abgewogen werden.

Die Beweislast dafür, dass die angegebene Wirkung wissenschaftlich hinreichend gesichert ist, trägt die Beklagte.

Stützt sich der Werbende bewusst auf eine fachlich umstrittene Behauptung, ohne die Gegenansicht zu erwähnen, hat er damit auch die Verantwortung für die objektive Richtigkeit seiner Angabe übernommen. Er muss sie dann auch im Streitfall beweisen, wenn die Gegenseite das Fehlen der wissenschaftlichen Grundlage hinreichend substanziiert vorgetragen hat (BGH, GRUR 1958, 485 - Odol; BGH, GRUR 1965, 368 - Kaffee C; BGH, GRUR 1991, 848 [BGH 07.03.1991 - I ZR 127/89] - Rheumalind II; BGH, GRUR 2013, 649 [BGH 06.02.2013 - I ZR 62/11] - Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 5 Rn. 1248; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 12 Rn. 2.95). Der Werbende muss, wenn er in einem solchen Fall in Anspruch genommen wird, darlegen können, dass er über entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse verfügt und dass die gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis für die Werbeaussage bereits in dem Zeitpunkt vorgelegen hat, in dem sie aufgestellt wurde; der erst im Prozess angebotene Beweis, dazu ein Sachverständigengutachten einzuholen, das den Nachweis der behaupteten Wirkungsweise überhaupt erst ergeben soll, genügt nicht und ist nicht zu erheben (Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 5 Rn. 1248; Dreyer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, § 5, Abschnitt M Rn. 18).

Diese Grundsätze gelten zwar insbesondere bei Werbeangaben auf dem Gebiet des Gesundheitswesens (Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, § 5 Rn. 1247), beanspruchen aber auch für andere fachlich umstrittene, wissenschaftlich nicht abgesicherte Behauptungen Geltung (OLG Naumburg, Urt. v. 29.5.2009 BeckRS 2009, 22016; Dreyer in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, § 5, Abschnitt M Rn. 18 mwN). An ihrer Anwendbarkeit im vorliegenden Fall, in dem der Bereich der Tiergesundheit betroffen ist, bestehen daher keine Zweifel.

Diesen überzeugenden Ausführungen in der Entscheidung des OLG Stuttgart kann der Senat nur beitreten. Auf den vorliegenden Fall gemünzt bedeutet dies hier:

Der Kläger hat substantiiert vorgetragen, dass die behauptete Wirkweise fachlich umstritten ist. Er hat unter Nennung verschiedener Veröffentlichungen hinreichend in Abrede gestellt, dass die von der Beklagten behauptete Wirkung allgemein anerkannt sei. Auf die weiteren Ausführungen des Klägers in der Klageschrift vom 2.4.2020, S. 15 ff. kann insoweit Bezug genommen werden. Weiterer Vortrag des Klägers hierzu wäre im Übrigen nicht erforderlich, weil die von der Beklagten behauptete Wirkung - soweit ersichtlich - in der Wissenschaft noch nicht umfassend untersucht wurde (vgl. Weidert in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, § 5, Abschnitt C Rn. 146). Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Kläger im Rahmen seiner Darlegungslast nicht verpflichtet, über den substantiierten Vortrag zum Fehlen der wissenschaftlichen Grundlage hinaus dazulegen und zu beweisen, dass die von der Beklagten behaupteten Wirkweise wissenschaftlich belegt zu verneinen ist. Denn in dem Fall, dass die Beklagte eine fachlich umstrittene werbende Aussage ohne Darlegung der Gegenansicht tätigt, obliegt es ihr zu beweisen, dass sie im Zeitpunkt der werbenden Aussage über eine solche wissenschaftliche Absicherung verfügte.

Dieser ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast hat die Beklagte nicht genügt. Sie hat nicht hinreichend dargetan, dass die werbende Aussage wissenschaftlich abgesichert sei und dass sie, die Beklagte, im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Werbung über gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse verfügt habe. Allein ihre Behauptung, die für sie tätigen tierärztlichen Fachkräfte hätten die Wirkung wissenschaftlich begründen und bestätigen können, reicht nicht aus. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, ergibt sich aus dem von der Beklagten vorgelegten Dokument (Anlage B4) keine Untersuchung, die einem grundlegenden wissenschaftlichen Standard entspräche. Auch wird keine wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis und keine wissenschaftliche Literatur über die Wirkweise des beworbenen Produkts zitiert.

Sofern die Beklagte in der Berufungsbegründung unter Bezugnahme auf die Anlage BK2 vorträgt, die angegriffenen Werbeaussagen seien hinreichend wissenschaftlich abgesichert, so ist zunächst einmal nicht dargetan, dass dieser Vortrag nicht schon erstinstanzlich hätte vorgebracht werden können. Des weiteren ist dieser Vortrag unerheblich. Die Untersuchung von EE (Anlage BK2, dort Ziff. 2.2.1) lässt nicht erkennen, ob diese wissenschaftlichen Standards genügt. Die Untersuchungen von FF (Anlage BK2, dort Ziff. 2.2.1) und von GG (Anlage BK2, dort Ziff. 2.2.2) betreffen Rinderzecken und die Untersuchung von Tabari et al. (Anlage BK2, dort Ziff. 2.2.2) befasst sich mit Wirkungen auf den Gemeinen Holzbock. Die Angaben von HH sowie JJ (Anlage BK2, dort Ziff. 2.3) stellen lediglich Behauptungen dar und lassen nicht erkennen, ob diese auf einer wissenschaftlichen Untersuchung beruhen. Die Bewertungen von Kunden (Anlage BK2, dort Ziff. 2.6) stellt keine wissenschaftliche Untersuchungsmethode dar. Die Beobachtung von KK (Anlage BK2, dort Ziff. 2.6) lässt nicht erkennen, ob wissenschaftliche Methoden angewandt wurden.

II.

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

III.

Die Beklagte erhält Gelegenheit, zu diesem Beschluss binnen zwei Wochen nach Zustellung Stellung zu nehmen oder die Berufung unter Kostengesichtspunkten zurückzunehmen.