Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 03.12.2020, Az.: 10 W 14/20 (Lw)

Versagung einer Grundstücksverkehrsgenehmigung; Beteiligung eines Landes oder des Bundes als Vertragsteil an einer Veräußerung; Wegfall einer Genehmigungspflicht

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
03.12.2020
Aktenzeichen
10 W 14/20 (Lw)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 66543
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Osnabrück - 10.07.2020 - AZ: 36 Lw 74/19

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Osnabrück vom 10.07.2020 (Geschäfts-Nr. 36 Lw 74/19) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Bescheid des Landkreises Osnabrück vom 27.06.2019 über die Versagung der Grundstücksverkehrsgenehmigung und Mitteilung der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beteiligte zu 5) wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der vor dem Notar VV am 07.03.2019 geschlossene Kaufvertrag, Urkundenrolle Nr. (...), keiner Genehmigung nach §§ 1, 2 GrdstVG bedarf.

Klarstellend wird festgestellt, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beteiligte zu 5) vom 26.06.2019 nicht wirksam geworden ist.

Die Gerichtskosten der Verfahren in beiden Instanzen trägt die Beteiligte zu 5).

Von einer Anordnung der Erstattung außergerichtlichen Kosten wird abgesehen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um eine versagte Grundstücksverkehrsgenehmigung.

Das verfahrensgegenständliche, im Grundbuch von Ort10 (...) eingetragenen landwirtschaftliche Anwesen zur Größe von ca. 2,8249 ha stand ursprünglich im Eigentum des Herrn CC. Dieser verstarb am TT.MM.2016 und wurde von den Mitgliedern der Beteiligten zu 4) - unter diesen befindet sich das Land Niedersachsen mit einem Anteil von 4/144 - beerbt. Die Mitglieder der Beteiligten zu 4) veräußerten das Anwesen mit dem vor dem Notar VV (Ort1) am 07.03.2019 geschlossenen Kaufvertrag, Urkundenrolle Nr. (...), zu einem Kaufpreis von 99.500,00 €.

Der beurkundende Notar beantragte unter dem 29.03.2019 bei dem Beteiligten zu 3) die Genehmigung des Kaufvertrags gemäß § 2 GrdstVG. Mit zwei an den beurkundenden Notar gerichteten Zwischenbescheiden vom 09.04.2019 und 16.05.2019 verlängerte der Beteiligte zu 3) die Frist nach § 6 Abs. 1 GrdstVG zunächst auf zwei und dann auf drei Monate.

Die Beteiligte zu 5) übte mit einem Schreiben vom 26.06.2019 das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht an dem verkauften Grundbesitz aus. Der Beteiligte zu 3) versagte mit Bescheid vom 27.06.2019 die Genehmigung des Vertrages. Zur Begründung führte er aus, die Veräußerung führe zu einer ungesunden Verteilung von Grund und Boden. Er teilte mit, es bestehe ein Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz, und dieses habe die Beteiligte zu 5) hinsichtlich der im Vertrag genannten Flächen ausgeübt.

Die Zustellung dieses Bescheides an die Antragsteller ist am 03.07.2019 erfolgt. Mit einem anwaltlichen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 05.07.2019, der an demselben Tag bei dem Landwirtschaftsgericht und am 09.07.2019 bei dem Beteiligten zu 3) eingegangen ist, haben sie den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

Das Landwirtschaftsgericht hat mit dem Beschluss vom 10.07.2020, der den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller am 27.07.2020 zugestellt worden ist, den Kaufvertrag genehmigt, soweit sich dieser auf die im Grundbuch von Ort10 (...) unter der laufenden Nummer (...) und (...) verzeichneten Grundstücke (...) und (...) bezieht. Im Übrigen hat es den Antrag der Antragsteller auf die Genehmigungserteilung sowie die weiteren vor dem Landwirtschaftsgericht gestellten Feststellungsanträge zurückgewiesen.

Gegen die teilweise Zurückweisung richten sich die Antragsteller mit ihrer Beschwerde vom 07.08.2020, die am selben Tage bei dem Landwirtschaftsgericht eingegangen ist. Sie meinen unter anderem, wegen der Beteiligung des Landes Niedersachsen an dem Kaufvertrag sei dieser genehmigungsfrei.

Sie beantragen,

unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Osnabrück - Landwirtschaftsgericht - 36 Lw 74/19 festzustellen, dass der Kaufvertrag des Notars VV, UR.Nr. (...) vom 07.03.2019 nach dem Grundstücksverkehrsgesetz auch hinsichtlich der im Grundbuch von Ort10 (...) unter der laufenden Nummer (...) des Bestandsverzeichnisses mit eingetragenen Flurstücke

- Flurstück1, Gemarkung Ort10 (Landwirtschaftsfläche, Straße1, 19.136 m² groß), sowie

- Flurstücke2, Gemarkung Ort10 (Landwirtschaftsfläche, Straße1, 121 m² groß)

- sowie hinsichtlich des unter lfd. Nr. (...) BV eingetragenen Flurstückes3, hinsichtlich des unter lfd. Nr. (...) eingetragenen Flurstückes4 und hinsichtlich des unter lfd. Nr. (...) eingetragenen Flurstückes5, sämtlich Gemarkung Ort10

zu genehmigen,

hilfsweise

festzustellen, dass der Kaufvertrag des Notars VV UR.Nr. (...) vom 07.03.2019 keiner Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz bedarf,

weiter hilfsweise

den streitgegenständlichen Kaufvertrag unter der Auflage zu genehmigen, den Kaufgegenstand innerhalb der angemessenen Frist von zumindest fünf Jahren an einen ortsansässigen Landwirt weiter zu veräußern.

Der Beteiligte zu 5) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Landwirtschaftsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten im Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 9 LwVG i. V. m. §§ 58ff FamFG zulässig.

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Der verfahrensgegenständliche notarielle Kaufvertrag bedarf gemäß § 4 Nr. 1 GrdstVG keiner Genehmigung nach §§ 1, 2 GrdstVG, weshalb der erste Hilfsantrag begründet ist. Da wegen der fehlenden Genehmigungsbedürftigkeit die mit dem Hauptantrag begehrte Genehmigung ohnehin nicht auszusprechen wäre, kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen hierfür gegeben sind.

Gemäß § 4 Nr. 1 GrdstVG ist eine Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz nicht notwendig, wenn ein Land oder der Bund als Vertragsteil an der Veräußerung beteiligt ist. In Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 28.04.2014 (BLw 2/13) ausgeführt, die Genehmigungsfreiheit nach § 4 Nr. 1 GrdstVG trete auch dann ein, wenn der Bund nicht Alleineigentümerin des verkauften Grundstücks sei, sondern - wie hier - zusammen mit anderen Eigentümern eine Erbengemeinschaft bilde (Rn. 13ff). Das Landwirtschaftsgericht meint, diese Entscheidung finde in dem vorliegenden Fall keine Anwendung, weil das Land Niedersachsen nur mit einem geringen Bruchteil von 4/144 an der Erbengemeinschaft nach Herrn CC beteiligt sei, also lediglich eine geringe Möglichkeit der Einflussnahme auf die Verkaufsentscheidung gehabt habe.

Eine derartige Differenzierung ist indes nicht geboten ist. Sie ergibt sich aus dem Gesetz ebenso wenig wie aus der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hebt in seiner Entscheidung im Übrigen den Zweck der Regelung des § 4 Nr. 1 GrdstVG hervor (a. a. O., Rn. 19). Dieser besteht darin, dass für den Grundbuchbeamten bzw. Grundbuchrichter sofort zu erkennen sein soll, ob der Vertrag genehmigungsbedürftig ist oder nicht. Außerdem soll vermieden werden, dass eine nachgeordnete Behörde das vertragliche Verhalten des Bundes oder eines Landes überprüft (BT-Drucksache 3/119, S. 17 und BT-Drucksache 3/2635, S. 6). Diese beiden Gesetzeszwecke sind indes auch dann angesprochen, wenn - wie hier - lediglich eine vergleichsweise geringe Beteiligung eines Landes oder des Bundes an einer Erbengemeinschaft besteht. Der Auffassung des Landwirtschaftsgerichts folgend könnte der Grundbuchbeamte eben nicht sofort erkennen, ob das jeweilige Grundstücksgeschäft nach §§ 1, 2 GrdstVG genehmigungsbedürftig ist. Vielmehr müsste er in Fällen, in denen der Bund oder ein Land neben einer anderen Person Partei eines Grundstückskaufvertrages ist, der Frage nachgehen, ob die jeweilige Beteiligung hinreichendes Gewicht hat, um die gesetzlich (eigentlich) vorgesehene Genehmigungsfreiheit auszulösen. Dies läuft dem Gesetzeszweck ebenso entgegen wie der Umstand, dass bei einer geringen Beteiligung - wo immer man die Grenze ziehen würde - eben jene Kontrollmöglichkeit einer nachgeordneten Behörde bestünde, die durch § 4 Nr. 1 GrdstVG gerade vermieden werden soll. Es besteht daher kein Anlass für eine teleologische Reduktion des § 4 Nr. 1 GrdstVG.

Weil nach alledem der verfahrensgegenständliche notarielle Kaufvertrag keiner Genehmigung nach §§ 1, 2 GrdstVG bedarf, steht der Beteiligten zu 5) das Vorkaufsrecht nach § 4 RSiedlG nicht zu. Die Antragsteller haben danach mit ihren Einwendungen gegen das Vorkaufsrecht (§§ 10 S. 2 und 3 RSiedlG, 22 GrdstVG) Erfolg. Von der Möglichkeit, aus Gründen der Klarstellung in den Tenor der landwirtschaftsgerichtlichen Entscheidung die Feststellung aufzunehmen, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts im konkreten Fall keine Wirkung entfaltet (Senat, Beschluss vom 08.11.2012 - 10 W 23/12 -, Rn. 33, juris; Senat, Beschluss vom 02.07.2009 - 10 W 2/09 -, Rn. 27, juris), macht der Senat Gebrauch.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44 Abs. 1, 45 Abs. 1 LwVG. Die Gerichtskosten sind der Beteiligten zu 5) aufzuerlegen, weil diese mit der Ausübung des Vorkaufsrechts keinen Erfolg hat und mithin unterlegen ist. Die außergerichtlichen Kosten haben die Beteiligten nach dem Grundsatz, der § 45 Abs. 1 S. 1 LwVG zugrunde liegt, selbst zu tragen. Eine Ausnahme ist hier nicht geboten. Da die Beschwerde Erfolg hat, kommt auch eine Kostenerstattung nach § 45 Abs. 1 S. 2 LwVG nicht in Betracht. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats in vergleichbaren Fällen (vgl. Senat, Beschluss vom 08.11.2012 - 10 W 23/12 -, Rn. 34, juris; Senat, Beschluss vom 02.07.2009 - 10 W 2/09).

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 9 LwVG i. V. m. § 70 Abs. 2 FamFG).