Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 11.06.2004, Az.: 2 A 16/98

Abschuss; Abschussplan; Gatterrevier; Hege; Hegeziel; Population; Rotwild; Schalenwild; Totalabschuss; Wildgehege; Wildhege

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
11.06.2004
Aktenzeichen
2 A 16/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 51007
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zur Erstellung des Abschussplans nach dem Bundesjagdgesetz bedarf es einer sorgfältigen Zusammenstellung aller verfügbaren und für die Entscheidung maßgeblichen Daten, um den erforderlichen Interessenausgleich zwischen den volkswirtschaftlichen und landeskulturellen Belangen einerseits und den jagdlichen Belangen andererseits herstellen zu können.

2. Hat die diesbezügliche Tatsachenermittlung, die auch eigene Recherchen der Jagdbehörde erfordern kann, nicht oder in nicht ausreichendem Maße stattgefunden, erweist sich der Abschussplan als rechtswidrig.

Tatbestand:

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Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Klägers, in einem Jagdbezirk das dort vorhandene Rotwild vollständig abzuschießen.

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Am 11.05.1994 schloss der Kläger mit der Beigeladenen - nachdem entsprechende Verträge zuvor mit anderen Pächtern bestanden hatten - einen Jagd-Pacht-Vertrag über den Jagdbezirk G. -H.. Ausweislich des Vertrages beläuft sich die Größe des Jagdbezirkes auf (ca.) 1.001 ha. Als Laufzeit des Pachtvertrages war der Zeitraum vom 01.04.1994 bis zum 31.03.2006 vereinbart. Es handelt sich dabei um ein sog. Gatterrevier, das Anfang des 20. Jahrhunderts angelegt und in dem vor dem Ersten Weltkrieg Rotwild ausgesetzt worden ist. Daneben findet sich als weiteres Schalenwild Rehwild, Schwarzwild und Damwild. Außerdem wurden zum maßgeblichen Zeitpunkt (Jagdjahr 1996/97) in dem Revier Rinder gehalten. Unter Ziff. 9 f. das Jagd-Pacht-Vertrages heißt es wörtlich:

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"... Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass das noch vorhandene Rotwild innerhalb kürzester Frist restlos zu erlegen ist (im Rahmen des genehmigten Abschussplans). ... Der Pächter wird in den nächsten drei Jagdjahren den Totalabschuss des Rotwildes bei der Jagdbehörde beantragen und im Rahmen des genehmigten Abschussplans durchführen. Sollte dann (also nach Ende März 1997) immer noch Rotwild vorhanden sein, so ist die Verpächterin berechtigt, den Jagd-Pacht-Vertrag entweder zum Ende des jeweiligen Jagdjahres zu kündigen ..."

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(Weil der Kläger dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, ist Letzteres mittlerweile durch die Beigeladene geschehen . Diesbezüglich ist ein Rechtsstreit beim Landgericht Osnabrück anhängig - 4 O 241/96 -, der bis zur Entscheidung dieses Verfahrens ausgesetzt ist.)

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Im Abschussplan für das Jagdjahr 1996/97 (01.04.1996 bis 31.03.1997) schlug der Kläger bei einem Bestand von 31 Stück einen Abschuss von 15 Stück Rotwild vor. Dem folgte der Landkreis I. nicht, sondern setzte mit Verfügung vom 14.05.1996 den diese Art betreffenden Totalabschuss mit Ausnahme sog. 1a-Hirsche fest. Diese Verfügung ergänzte er durch Bescheid vom 15.05.1996 dahingehend, dass auch diese Hirsche abzuschießen seien. Auf den Widerspruch des Klägers setzte der Landkreis J. mit Verfügung vom 19.09.1996 den Abschuss für das Rotwild sodann abweichend auf 12 Stück fest.

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Dem wiederum dagegen von der Beigeladenen eingelegten Widerspruch half die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.1996 ab. Sie hob den Bescheid des Landkreises J. vom 19.09.1996 auf und gab gleichzeitig für das Rotwild in dem Jagdbezirk für das Jagdjahr 1996/97 den Totalabschuss auf. Im Wesentlichen wurde die Entscheidung zum einen damit begründet, dass die durch das Rotwild verursachten Schälschäden eine nachhaltige Forstwirtschaft in Frage stellten, weshalb die Beigeladene seit Jahren eine Reduktion bzw. den Totalabschuss des Rotwildbestandes anstrebe. Zum anderen sei bei der Größe des Jagdreviers die Entwicklung einer artgerechten und gesunden Rotwildpopulation nicht möglich. In dem "rotwilddicht" gegatterten 1.000 ha großen Revier sei theoretisch ein Bestand von maximal 20 Stück Rotwild zulässig. Das entspreche aber nicht dem in der wissenschaftlichen Literatur aus genetischen Gründen als Mindestgröße für die Überlebensfähigkeit einer Rotwildpopulation angenommenen Minimalbestand von mindestens 50 Stück.

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Der Kläger hat rechtzeitig Klage erhoben und ursprünglich die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 11.11.1996 angestrebt. Er hat - nachdem mit dem 31.01.1997 die Jagdzeit auf Rotwild für das fragliche Jagdjahr 1996/97 beendet war - seine Klage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. Sein Feststellungsinteresse begründet er damit, dass Wiederholungsgefahr bestehe, nämlich dahingehend, dass der Landkreis Emsland auch in Zukunft einen Totalabschuss festsetzen werde, was für die folgenden Jagdjahre auch geschehen sei. - In der Sache trägt der Kläger vor: Die Anordnung des Totalabschusses widerspreche geltendem Jagdrecht. Daraus ergäbe sich nämlich, dass das Rotwild - wie anderes Schalenwild auch - als Natur- und Kulturgut für künftige Generationen innerhalb seiner Lebensräume zu erhalten sei. Dass der fragliche Jagdbezirk G. -H. ein Lebensraum des Rotwildes sei, könne keinen Zweifeln unterliegen. Daran ändere auch nichts die Tatsache, dass es sich bei diesem Eigenjagdbezirk um ein sog. Gatterrevier handele. Das Rotwild ziehe in diesem Revier seit etwa 100 Jahren und habe den angestammten Lebensraum angenommen. Die Anordnung des Totalabschusses einer Wildart in einem Jagdbezirk aber sei rechtswidrig, nämlich eine Verletzung des in den Jagdgesetzen niedergelegten Hegezieles. Dies folge darüber hinaus auch aus vom Fachministerium des Landes Niedersachsen herausgegebenen Hegerichtlinien, weil gerade die Erhaltung der Schalenwildarten ausdrücklich angeordnet sei. Die Ausrottung einer bestimmten Wildart in ihrem Lebensraum gehöre nicht zu den von den Jagdgesetzen in Betracht gezogenen Möglichkeiten, Wildschäden zu vermeiden. Darüber hinaus verstoße der Totalabschuss auch gegen das Tierschutzgesetz, weil es keinen vernünftigen Grund gebe, das Rotwild im streitgegenständlichen Jagdbezirk auszurotten. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten sei nicht nachvollziehbar. Es treffe nicht zu, dass die Ausrottung des Rotwildes in diesem Bezirk aus forstbetrieblichen, waldökologischen und landeskulturellen Gründen unbedingt erforderlich und unerlässlich sei. Auch sei nicht richtig, dass die Größe von ca. 1.000 ha für den vorgegebenen Lebensraum des Rotwildes zu klein sei, um die Überlebensfähigkeit der Rotwildpopulation zu gewährleisten. Das Gegenteil treffe zu. Der vorhandene Rotwildbestand sei erkennbar gesund, die Sozialstruktur der Rudel sei ungestört. Die Hirsche trügen kräftige, keineswegs degenerierte Geweihe. Auch vom körperlichen Zustand her sei ein gesundes Erscheinungsbild durchgehend vorhanden. Dies spreche gerade dafür, dass Rotwild entgegen aller Theorien durchaus in einem Gatterrevier von ca. 1.000 ha, in dem es von menschlichen Störungen im Wesentlichen unbehelligt sei, ausgezeichnet biologisch "funktionieren" könne. Über Jahrzehnte, fast annähernd ein ganzes Jahrhundert habe das in dem Revier einstehende Rotwild die Richtigkeit und die wildbiologische Ordnung seiner Existenz bewiesen. Soweit die Beklagte ihre Verfügung auch mit den von der Beigeladenen behaupteten Schälschäden begründe, sei zu berücksichtigen, dass diese völlig übertrieben dargestellt worden seien. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene bis zum Beginn der Pachtperioden ab 01.04.1994 keine Wildschäden durch Rotwild geltend gemacht habe. Erst danach seien in zwei bis drei Fällen Wildschäden behauptet worden, die sich in aller Regel aber lediglich um 500 DM pro Jahr bewegt hätten. Daraus aber folge, dass aufgrund der bisherigen Wildschadenssituation ein Totalabschuss völlig ungerechtfertigt gewesen und nicht in Betracht gekommen sei.

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Der Kläger beantragt,

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festzustellen, dass der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 11.11.1996 rechtswidrig gewesen sei.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie führt aus: Der Abschuss des Wildes sei so zu regeln, dass zum einen die berechtigten Ansprüche der Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt blieben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt würden. Zum anderen solle ein gesunder artenreicher Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleiben. In diesem Rahmen seien gewisse Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Nutzung der Grundstücke durch frei lebendes Wild vom Eigentümer hinzunehmen. Für die Frage des Maßes der tragbaren Wilddichten orientiere sie sich an einem Runderlass des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der für Rotwild eine Obergrenze von ein bis zwei Stück pro 100 ha, mithin bei dem in Rede stehenden Revier von 1.000 ha einen Bestand von 20 Stück erlaube. Nach der Hegerichtlinie sei dieser Wert wegen des Vorkommens anderen Schalenwildes noch zu reduzieren. Nach wildbiologischen Erkenntnissen könne aber bei einer solchen Populationsgröße keine ausgewogene Altersstruktur und keine artgerecht ausgeprägte Sozialstruktur der Population erreicht werden. Darüber hinaus seien nach heutigen Erkenntnissen isolierte und kleine Tierbestände aus genetischer Sicht problematisch, weil gravierende Erbdefekte schon zu erwarten seien, wenn die Populationsgröße nur kurzfristig die Zahl von 50 Individuen unterschreite. Dies gelte insbesondere für isolierte Populationen, die keinen Austausch mit anderen Vorkommen unterhielten. Der Beigeladene brauche aber eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Nutzung seiner Grundstücke durch eine frei lebende und nicht artgerecht existierende Rotwildpopulation nicht hinzunehmen. Eine Duldung solcher Rotwildschäden falle nicht in den Rahmen der zulässigen Sozialbindung des Eigentums.

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Die Beigeladene stellt keinen Antrag und führt aus: Es treffe nicht zu, dass Rotwild in dem Revier seit etwa 100 Jahren vorkomme. Das Gatter sei um 1910 angelegt worden. Erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg habe man Rotwild ausgesetzt. Dieses sei bis Anfang der 90er-Jahre mit Duldung der Jagdbehörde ohne Abschussplan bejagt worden. Daraus folge, dass alle betroffenen Beteiligten sich über Jahrzehnte darüber einig gewesen seien, dass es sich hier um eine privat-rechtliche Haltung von Gatterwild handele, jedoch kein öffentliches Interesse an der Bejagung und dem Erhalt des Rotwildes bestanden habe. Dass Rotwild hier keinen angestammten Lebensraum gehabt habe und auch nicht habe, folge daraus, dass es im Emsland und auf dem Hümmling keine ihm gerecht werdenden Lebensbedingungen vorfinde. Entferne man das Gatter, würde auf dem Hümmling weit und breit bald kein Rotwild mehr vorkommen. Soweit sich der Kläger darauf berufe, dass auch kleinere Populationen durchaus überlebensfähig seien, verkenne er, dass es sich hier um ein Gatterrevier handele, das eine Blutauffrischung nicht zulasse. Zu Unrecht bestreite der Kläger nennenswerte Wildschäden. Es sei lediglich richtig, dass sie gegenüber dem Kläger Wildschäden erst angemeldet habe, als festgestanden habe, dass dieser sich an den im Pachtvertrag vereinbarten Totalabschuss nicht halten werde.

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Das Gericht hat durch die Beschlüsse vom 18.03.2003 sowie 16.05.2003 Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Leiters des Dezernats Forschungsstelle für Jagdkunde und Wildschadenverhütung bei der Landesanstalt für Ökologie, Bodenkunde und Forsten in K. -L., Dr. M.. Es sollte danach insbesondere geklärt werden, ob der Eigenjagdbezirk G. -H. die Mindestanforderungen an den natürlichen Lebensraum für eine Rotwildpopulation von maximal 20 Tieren erfüllt, ob es sich bei dem bestehenden Rotwildbestand um eine artgerechte und gesunde, angemessene Population handelt, ob bei einem Rotwildbestand von maximal 20 Tieren eine artgerechte Sozial- und Altersstruktur erreicht werden kann, ob bei einem Bestand von maximal 20 Tieren gravierende Erbdefekte zu erwarten sind und ob bei einer derartigen Population Forstschäden zu erwarten sind, die über das von einem ordentlichen Forstwirt hinzunehmende Maß hinausgehen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des Dr. M. vom 23.07.2003.

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Der Kläger sieht seine Auffassung - unter Hinweis auf einige nach seiner Auffassung darin enthaltene Mängel - durch das Gutachten bestätigt. Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Gutachten die Richtigkeit ihrer Entscheidung nicht widerlege. Die Beigeladene hat sich mit dem Gutachten nicht weiter auseinandergesetzt.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig.

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Dem Kläger fehlt es nicht etwa deshalb am Rechtsschutzinteresse, weil er sich selbst unter Ziff. 9 f des Pachtvertrages vom 11.05.1994 verpflichtet hat, das Rotwild innerhalb einer Frist von drei Jagdjahren restlos zu erlegen. Denn gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 BJagdG darf Schalenwild, zu dem gemäß § 2 Abs. 3 BJagdG auch das Rotwild gehört, nur aufgrund und im Rahmen eines Abschussplanes erlegt werden, der von der zuständigen Behörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat zu bestätigen oder festzusetzen ist. Diese Abschussregelung stellt ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt dar (vgl. Tessmer, Jagdrecht in Niedersachsen, 14. Aufl., Erl. zu § 21 BJagdG), wobei der Abschussplan ein anfechtbarer Verwaltungsakt ist (vgl. BVerwG, U. v. 19.03.1992 - 3 C 62.89 -, RdL 1993, S. 288). Damit aber ist eine Abschussplanung der privat-rechtlichen Parteidisposition entzogen, so dass die diesbezügliche Regelung in dem Vertrag unwirksam ist. Die demzufolge unter Rechtsschutzgesichtspunkten ursprünglich zulässige Anfechtungsklage hat der Kläger zu Recht, nachdem die Jagdzeit auf das hier in Rede stehende Rotwild im fraglichen Jagdjahr 1996/97 beendet war, auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt, für die er das notwendige Feststellungsinteresse hat. Dies gründet sich auf eine Wiederholungsgefahr, weil der Pachtvertrag noch bis zum Jahre 2006 läuft und zu erwarten ist - in der Vergangenheit hat sich dies bereits bestätigt -, dass dem Kläger weiterhin aufgegeben wird, das Rotwild vollständig abzuschießen. Auch dieser Klage mangelt es nicht etwa am Rechtsschutzbedürfnis deshalb, weil der Pachtvertrag seitens der Beigeladenen gekündigt worden ist. Ob das wirksam geschehen ist, ist nämlich noch offen.

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Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.

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Rechtsgrundlage für den von der Beklagten verfügten Totalabschuss ist § 21 BJagdG. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 ist der Abschuss des Wildes so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche u.a. der Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Innerhalb der dadurch gezogenen Grenzen soll die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibt und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert ist, deren Bestand bedroht erscheint. Soweit es Schalenwild, also auch Rotwild, angeht, darf dieses nur aufgrund und im Rahmen eines Abschussplanes erlegt werden, der von der zuständigen Behörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat zu bestätigen und festzusetzen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 BJagdG) und in dem der Abschuss der Tiere zahlenmäßig getrennt nach Wildart und Geschlecht, nach Altersstufen und bei männlichem Rotwild auch nach Stärkeklassen zu regeln ist (Art. 30 Abs. 1 LJagdG i. d. hier maßgebl. Fassung). Die Abschussregelung ist Wildhege, wobei das Verhältnis forstwirtschaftlicher Belange zu denen der Wildhege in § 1 Abs. 2 BJagdG grundsätzlich geregelt ist. Danach hat die Hege zum Ziel die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen. Sie muss so durchgeführt werden, dass Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden. Aus dieser Regelung ergibt sich zunächst grundsätzlich, dass die Hege ihre Grenzen an den Belangen der Forstwirtschaft findet. Es besteht insoweit kein Gleichgewicht von Hege und Forstwirtschaft, deren widerstreitende Belange gegeneinander abzuwägen wären, vielmehr genießt in dem Spannungsverhältnis Letztere grundsätzlichen Vorrang (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 10.08.1989 - 3 L 21/89 -, RdL 1990, S. 20). Dies konkretisiert sich in der Abschussregelung darin, dass - wie erwähnt - der Gesetzgeber in § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG die volle Wahrung der berechtigten Ansprüche der Forstwirtschaft ausdrücklich festschreibt. Erst innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen soll die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein Wildbestand in angemessener Zahl erhalten bleibt (§ 21 Abs. 1 Satz 2 BJagdG).

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Der Vorrang der Forstwirtschaft vor der Wildhege ist gleichwohl nicht schrankenlos. Bereits der Wortlaut schränkt den Vorrang der Belange der Forstwirtschaft ein, wenn es in dem erwähnten § 1 Abs. 2 Satz 1 BJagdG heißt, dass die Beeinträchtigung einer "ordnungsgemäßen" Nutzung vermieden werden müsse. Insoweit wird die zu schützende forstwirtschaftliche Nutzung also durch dieses Attribut begrenzt. Darunter sind sowohl die Anerkennung der fachlichen Regeln der Forstwirtschaft wie auch die Berücksichtigung der allgemeinen Funktion des Waldes für die Allgemeinheit zu subsumieren. Der Forstwirt darf zwar wie jeder Unternehmer in erster Linie auf Gewinnerzielung bedacht sein, jedoch handelt er nur ordnungsgemäß, wenn er seine Verantwortung vor der Allgemeinheit in Rechnung stellt, also nicht rücksichtslos vorgeht (vgl. Mitzschke/Schäfer, BJagdG, Kommentar, 4. Aufl., § 1, Rn. 13). Eine weitere Einschränkung erhält der Vorrang der Forstwirtschaft dadurch, dass Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung der ordnungsgemäßen forstwirtschaftlichen Nutzung "möglichst" vermieden werden sollen. Durch Verwendung dieses Wortes ist der Umstand berücksichtigt, dass Wildschäden trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten unvermeidbar und damit hinzunehmen sind. Da der totale Ausschluss von Wildschäden nur durch die Ausrottung aller schädigenden Tiere vermieden werden könnte, ergibt sich aus der Verwendung dieses Begriffs, dass eine solche Ausrottung grundsätzlich nicht zu den vom Bundesjagdgesetz in Betracht gezogenen Möglichkeiten gehört, Wildschäden zu vermeiden. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass ein gewisses Maß an Wildschäden zu dulden ist und aufgrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums hingenommen werden muss. Diese Einschränkungen des Vorrangs der Forstwirtschaft schlagen sich bei der Abschussregelung darin nieder, dass nur die "berechtigten" Ansprüche der Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll zu wahren sind. Dieses Attribut ist durch die erwähnte Regelung des § 1 Abs. 2 BJagdG dahin auszufüllen, dass ein Anspruch auf Schutz nur dann berechtigt ist, wenn der Wildschaden bei ordnungsgemäßer Forstwirtschaft das allgemein hinzunehmende Maß übersteigt.

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Aus dieser grundsätzlichen Pflicht, in gewissem Umfange Wildschäden hinzunehmen, und aus der auch den Grundeigentümer treffenden Hegepflicht folgt, dass zum extremen Mittel des Totalabschusses nur gegriffen werden darf und muss, wenn sichergestellt ist, dass andere zumutbare Maßnahmen (wie etwa weitere Reduktionsabschüsse) die Wildschäden nicht ausreichend eindämmen.

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Diesen Aspekt greifen auch die Grundsätze und Richtlinien für die Hege und Bejagung des Schalenwildes in Niedersachsen (Hegerichtlinien) auf (RdErl. d. ML v. 16.05.1986 - Nds. MBl. 86, S. 556). Diese beruhen ausweislich des Vorspanns auf langjährigen Erfahrungen in der Hege und Bejagung des Schalenwildes nach bisherigen Richtlinien, auf wildbiologischen Untersuchungen und dem Ergebnis jagdwissenschaftlicher Forschung. In diesem Vorspann heißt es, dass die Hegerichtlinien vorrangig das Ziel haben, dem Schalenwild in der freien Wildbahn seinen Platz zu erhalten, die Qualität des Wildes zu verbessern und durch zahlen- und flächenmäßige Begrenzung der Wildbestände Wildschäden möglichst zu vermeiden. Dieses Ziel ist unter A. 1.1 zunächst allgemein dahin definiert, dass die Hege des Schalenwildes die Aufgabe hat, gesunde Wildtiere zu erhalten sowie deren Lebensräume zu sichern und zu pflegen, wobei die Höhe der Bestände den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen anzupassen ist und Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen Land- und Forstwirtschaft im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zu vermeiden sind. Bezüglich des hier interessierenden Rotwildes erfolgt unter B. 1.2 eine Konkretisierung des Hegeziels dahingehend, dass das größte frei lebende Wildtier in unserem Land als Glied natürlicher Lebensgemeinschaft in zahlreichen begrenzten, qualitativ hochwertigen Beständen zu erhalten ist, wobei naturnahe Strukturen - Geschlechterverhältnisse und Altersklassenanteile - anzustreben und zu wahren sind. Um diese Hegeziele zu erreichen, geben die Hegerichtlinien "tragbare Wilddichten" an, wobei unter Wilddichte der Frühjahrswildbestand am 01.04. eines jeden Jahres - jeweils bezogen auf eine Fläche von 100 ha - verstanden wird (A. 5.). Für das Rotwildvorkommen gilt nach Ziff. B. 1.3 - abgesehen von vier ausdrücklich erwähnten Wildgebieten - für alle übrigen Rotwildvorkommen im Lande Niedersachsen eine Wilddichte von ein bis zwei Stück pro 100 ha. Dies würde bedeuten, dass für das hier in Rede stehende rd. 1.000 ha große Revier 20 Stück Rotwild als tragbar erscheinen.

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Unter Berücksichtigung dieser erörterten gesetzmäßigen Vorgaben, der erwähnten Verwaltungsrichtlinien sowie des Vortrags der Beteiligten und des Sachverständigengutachtens ergibt sich, dass der angegriffene Abschussplan der Beklagten für das Jagdjahr 1996/97 mit dem darin verfügten Totalabschuss von Rotwild in dem Eigenjagdrevier G. -H. nicht gerechtfertigt ist.

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Bei der jagdbehördlichen Entscheidung über den Abschussplan sind die - oben erörterten - in § 21 Abs.1 BJagdG enthaltenen unterschiedlichen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Belange zu berücksichtigen; es ist ein Interessenausgleich zwischen den volkswirtschaftlichen und landeskulturellen Belangen einerseits und den jagdlichen Intentionen andererseits herzustellen. Insoweit ist die Behörde zu einer Abwägung der unterschiedlichen Interessen verpflichtet. Bereits ein Verstoß gegen diese Verpflichtung macht den Abschussplan rechtswidrig (vgl. BVerwG, a.a.O.). Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass im Abschussplan prognostische Elemente für den weiteren Verlauf der Bestandsentwicklung in dem fraglichen Revier enthalten sind. Dies bedeutet, dass die Entscheidung (erst) dann rechtmäßig ist, wenn die Prognose unter Berücksichtigung aller verfügbaren Daten in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist. Das wiederum hat zur Konsequenz, dass bei der Bestimmung der Wilddichte, um die es ja letztlich geht, die behaupteten und nachgewiesenen Wildschäden mit besonderem Gewicht in Rechnung zu stellen sind, diesbezüglich die Behörde aber gehalten sein kann, von den Angaben des Revierinhabers unabhängige Ermittlungen anzustellen (vgl. OVG Lüneburg, a.a.O.). An der Ausfüllung dieser Vorgaben hat es die Beklagte fehlen lassen.

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Soweit sie sich darauf beruft, der in dem angegriffenen Verwaltungsakt verfügte Totalabschuss sei notwendig gewesen, um Schälschäden zu vermeiden, sich mithin auf die eingangs dargestellten Überlegungen zum Vorrang der ordnungsgemäßen forstwirtschaftlichen Nutzung vor einer zahlenmäßigen Hege der den Waldaufbau schädigenden Wildarten bezieht, ist rein tatsächlich festzustellen, dass der Umfang etwaiger Waldschäden weder in den Verwaltungsvorgängen noch im Klagverfahren auch nur in irgendeiner nachvollziehbaren Form dokumentiert ist. Insoweit zieht sich die Beklagte auf die (nur allgemein, ohne Bezug auf einen konkreten Fall, richtige) Aussage zurück, dass Wildschäden zwar in einem gewissen Maß hinzunehmen seien, die Grenze der Zumutbarkeit jedoch nicht überschritten werden dürfe. Dass das für den Fall der Beigeladenen zutreffe, wird aber nicht dargestellt. Insoweit hat der Vertreter der Beklagten auch in der mündlichen Verhandlung keine näheren Angaben machen können, sich vielmehr darauf berufen, dass es umfangreiche Schäden wohl habe geben müssen. Dass dies nicht den oben dargestellten Anforderungen an eine eine sachgerechte Entscheidung tragende Sachverhaltsaufklärung genügt, bedarf keiner vertiefenden Erläuterungen. Auch das Vorbringen der Beigeladenen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es ist darauf beschränkt, sowohl im Vorverfahren wie im Klagverfahren im Wesentlichen darauf hinzuweisen, dass im G. -H. ein bestimmter (relativ hoher) Prozentsatz schälgefährdeter Bestände vorhanden sei, ohne darzulegen, dass Schälschäden tatsächlich aufgrund des dortigen Rotwildbestandes entstanden sind. Insoweit bleibt die Beigeladene mit ihrem Vortrag im Allgemeinen, ohne die Behauptung eines durch den Rotwildbestand tatsächlich entstandenen Schadens zu substantiieren. Die Vertreter der Beigeladenen haben in der mündlichen Verhandlung letztlich auch eingeräumt, dass sie zu einer Substantiierung nicht in der Lage sind, weil sie wegen des damit verbundenen personellen und zeitlichen Aufwands eine exakte Schadensermittlung nicht betrieben haben. Dann aber hatte die Beklagte nicht einmal vom Reviereigentümer zur Verfügung gestelltes gesichertes Material, aus dem sich hätte ergeben können, dass zu hoher Wildschaden den Totalabschuss rechtfertige. Es hätte sich also aufdrängen müssen, weitere diesbezügliche Ermittlungen anzustellen.

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Ist demzufolge schon davon auszugehen, dass nicht hinreichend geklärt war, ob der Umfang des Wildschadens einen Totalabschuss zur Verhinderung von nicht von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums gedeckten Nachteilen rechtfertigte, wird die Auffassung, dass dies nicht der Fall war, durch das vom Gericht eingeholte Gutachten bestätigt. Auf die Frage (Ziff. 6 des Beweisbeschlusses vom 18.03.2003), ob im maßgeblichen Jagdjahr 1996/97 - soweit es jetzt noch beurteilt werden kann - durch das Rotwild hervorgerufene Waldschäden entstanden waren, die über das von einem ordentlichen Forstwirt hinzunehmende Maß hinausgingen und ob solche Schäden unter Berücksichtigung der Struktur des Jagdbezirkes bei einem maximalen Bestand von 20 Tieren (vgl. Hegerichtlinien) zu erwarten seien, weist der Gutachter zwar - erwartungsgemäß - darauf hin, dass eine retrospektive exakte Einschätzung der Schäden nicht möglich sei. Er vertritt aber die Auffassung, dass bei einem Rotwildbestand zwischen 20 und 30 Stück gravierende Schäden - wenn die Lebensraumkonstellation insgesamt entsprechend gestaltet wird - und intensive Schwarzwildfütterungen sowie intensives Jagen in verschiedenen Bereichen und intensive Rinderbeweidung im Wald unterbleiben, auf ein tragbares Maß reduziert werden können und über das hinnehmbare Maß hinausgehende Schäden bei einem Rotwildbestand von 20 Stück nicht zu erwarten sind. Der Gutachter führt weiter aus, dass, selbst wenn das Rotwild Auslöser für Schäle und Verbiss sei, die Gesamtsituation eindeutig dafür spreche, dass das Rotwild nicht die alleinige Ursache sei. Daraus aber folgt zwanglos, dass, selbst wenn Schälschäden aufgetreten sein sollten, dies insbesondere unter Berücksichtigung der an anderer Stelle dargestellten Hegeziele in den Hegerichtlinien des Landes (vgl. insbes. B. 1.2) jedenfalls den Totalabschuss des Rotwildes nicht rechtfertigte, da diese Wildart allein nicht für etwaige Schälschäden verantwortlich gemacht werden kann. Diesbezüglich hilft die Argumentation der Beklagten nicht weiter, bei der Aufstellung des Abschussplans sei eine Prognose für das kommende Jagdjahr zu treffen. Dies trifft zwar - wie oben erörtert - der Sache nach zu, hätte die Beklagte aber veranlassen müssen, zu berücksichtigen, dass nicht allein das Rotwild etwaige zukünftige Schäden verursachen würde, sondern dass der gesamte Wildbestand im Revier in den Blick genommen werden muss; sie hätte dann unter Berücksichtigung des Erhaltes der Arten und der Artenvielfalt eine entsprechende Abschussregelung treffen müssen, ohne sich (insbesondere unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes) allein auf eine Art zu konzentrieren, die bei der von ihr tatsächlich getroffenen Entscheidung endgültig und auf Dauer aus dem Revier verbannt würde.

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Das vom Gericht eingeholte Sachverständigengutachten widerlegt aber auch das zweite Argument, mit der die Beklagte den Totalabschuss rechtfertigt, nämlich die Annahme, dieser sei erforderlich, weil bei einer Populationsgröße von 20 Tieren nach wildbiologischen Erkenntnissen keine ausgewogene Altersstruktur der Population erreicht werden könne, die für das "Rudeltier" Rotwild mit seinen ausgeprägten Sozialstrukturen zum artgerechten Wohlbefinden entscheidend sei. Die Hegerichtlinien verhalten sich zur Frage der Mindestgrößen in Jagdbezirken für Rotwild nicht. Es heißt unter B. 1.1 allerdings, dass die Rotwildvorkommen in Niedersachsen inselartig verteilt seien, wobei ein starkes Gefälle zwischen Gebieten mit großen Beständen und anderen Räumen, in denen kleine Populationen beheimatet seien, bestehe. Es wird ferner darauf hingewiesen, dass eine Verbindung zwischen den Vorkommen in der Mehrzahl der Fälle nicht existiere, was einen Verlust an genetischer Vielfalt befürchten lasse. Trotz dieses Aspektes und der Erkenntnis, dass eine Ausweitung der vorhandenen Rotwildgebiete oder die Gründung neuer aus landeskulturellen Gründen nicht vertretbar sei, verschreiben sich die Hegerichtlinien - wie an anderer Stelle erläutert - dem Erhalt zahlenmäßig begrenzter, qualitativ hochwertiger Bestände. Aus dem vom Gericht eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die Einhaltung dieses Hegezieles auch im hier fraglichen Revier möglich ist. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass - was in der Diskussion der Beteiligten wiederholt eine Rolle spielt - es für eine gesunde Population keine Rolle spielt, dass es sich hier um ein Gatterrevier handelt, ein Austausch mit Tieren aus anderen Gebieten, also nicht stattfindet (stattfinden kann). Davon gehen - wie soeben dargelegt - im Übrigen auch die Hegerichtlinien aus, wenn sie darauf hinweisen, dass eine Verbindung zwischen den verschiedenen Vorkommen nicht existiert. Im Beweisbeschluss des Gerichts ist ausdrücklich auf diese Art des Reviers hingewiesen worden (gegattert), und der Gutachter hat dies - wie sich aus seinen Ausführungen ergibt - auch nicht verkannt. Unter Berücksichtigung dessen kommt er zu dem Ergebnis, dass der Eigenjagdbezirk G. -H. die Mindestanforderungen für eine Rotwildpopulation bei einem Maximalbestand von 20 Tieren erfüllt und dass bei einer stark am Bestand orientierten Bejagung unter Berücksichtigung der Altersklassen und Sozialstruktur bei einem solchen Bestand eine artgerechte Sozialstruktur (gerade) erreichbar ist. Es treffe zwar zu, dass es - worauf sich die Beklagte immer wieder beruft - sachgerecht sei, für frei lebenden Populationen Mindeststückzahlen von 50 festzulegen. Damit sei nach derzeitigem Kenntnisstand eine genetische Verarmung in jedem Fall ausgeschlossen. Allerdings sei daraus nicht der Umschluss zulässig, kleinere Populationen müssten aufgelöst werden, da sie zwangsläufig Defekte aufzeigten. Es gebe in Nordrhein-Westfalen, durch Isolierungseffekte ausgelöst, vielfach Populationen in einer Größenordnung von z.T. 20 bis 30 Tieren, für die keine Inzuchterscheinungen festzustellen seien. Allerdings könne dies bei etwaigen Lebensveränderungen für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden. Unter Tierschutzaspekten seien aber genetische Defekte erst ein Problem, wenn sie das Tier an der artgemäßen Lebensweise beeinträchtigten. Dafür gebe es im hier zu entscheidenden Fall keinerlei Anzeichen. Wenn den diesbezügliche Laien auch die Diskrepanz zwischen den wünschenswerten (50) und vertretbaren (20) Größenordnungen überrascht, hat die Kammer keinen Anlass an der Richtigkeit der Aussagen des Gutachters zu zweifeln, da er - wie dargelegt - auf entsprechende Erfahrungen in Nordrhein-Westfalen hinweist. Zwar anerkennt die Beklagte selbst, dass Defekte beim Rotwild im hier in Rede stehenden Revier bisher nicht aufgetreten seien (der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass bei den von ihm erlegten Tieren keinerlei Degenerationserscheinungen erkennbar gewesen seien), stellt sich aber auch diesbezüglich auf den Standpunkt, dass bei dem Abschussplan eine Prognose zu stellen und deshalb der Blick in die Zukunft zu richten sei. Demgegenüber gilt auch hier, dass die Beklagte sich in reiner Spekulation ergeht, ohne konkrete Anhaltspunkte für ihre Besorgnis aufzeigen zu können. Darüber hinaus ist auch diesbezüglich der Beklagten entgegenzuhalten, dass bei der Frage des Abschussplanes nicht eine Wildart isoliert betrachtet werden darf, sondern die Gesamtsituation im Revier in den Blick genommen werden muss. Dass dies von ausschlaggebender Bedeutung ist, folgt aus der abschließenden Gesamtbewertung des Gutachters, in der er noch einmal darauf hinweist, dass die Wildsituation im G. -H. nicht primär im Rotwildbestand begründet sei, sondern in einem insgesamt zu hohen Tierbestand und in einer zu intensiven Fütterung. Daraus aber folgt, dass ein etwaiger Totalabschuss einer Art erst in Betracht kommt, wenn auch bezüglich anderer Tierarten ein ausgewogenes Verhältnis hergestellt worden ist und sich danach (gleichwohl immer noch) die Frage stellt, ob eine artgerechte Haltung ohne genetische Veränderungen einer ganz bestimmten Tierart überhaupt noch möglich erscheint. Davon aber kann für das maßgebliche Jagdjahr 1996/97 unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen nicht gesprochen werden, so dass sich die Aufforderung der Beklagten an den Kläger, das Rotwild vollständig abzuschießen, als rechtswidrig erweist.