Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 20.09.1993, Az.: 7 W 47/93
Wegfall der Geschäftsgrundlage eines Hofübergabevertrages bei Versterben des Hofübernehmers vor Vertragsdurchführung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 20.09.1993
- Aktenzeichen
- 7 W 47/93
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1993, 17369
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1993:0920.7W47.93.0A
Verfahrensgegenstand
Feststellung der Unwirksamkeit eines Hofübergabevertrages
In der Landwirtschaftssache
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Celle
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ...
des Richters am Oberlandesgerichts ...
und der Richterin am Oberlandesgericht ... als Berufsrichter
sowie der Landwirtin ... und des Landwirtes ... als ehrenamtliche Richter
am 20. September 1993
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Beteiligten zu 4 vom 12. Juli 1993 auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Beschwerdeinstanz wird gerichtsgebührenfrei zurückgewiesen, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe war wegen mangelnder Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu versagen. Das Landwirtschaftsgericht hat mit zutreffender Begründung dem Antrag der Beteiligten zu 1-3, 6 und 7 auf Feststellung der Unwirksamkeit des Hofübergabevertrages vom 06.06.1992 stattgegeben. Der Senat tritt dem bei.
Mit dem vorgenannten Hofübergabevertrag hatten die Beteiligten zu 1 und 2, die Großeltern der Beteiligten zu 4, ihren Hof an ihren ältesten Sohn ..., den Vater der Beteiligten zu 4 und 5, übertragen und die Grundstücke an ihn aufgelassen. Der Hof wurde am 01.07.1992 an den Sohn übergeben. Die landwirtschaftsgerichtliche Genehmigung erfolgte am 15.07.1992. Die Eigentumsumschreibung war noch nicht vollzogen, als der Sohn der Beteiligten zu 1 und 2 ... am 10.12.1992 tödlich verunglückte.
Durch den von den Parteien des Hofübergabevertrages vom 06.06.1992 nicht vorhergesehenen frühen Tod des Übernehmers nur ca. 15 Wochen nach der tatsächlichen Übernahme des Hofes ist die Geschäftsgrundlage des Vertrages entfallen. Eine Anpassung kommt nicht in Betracht, so daß ausnahmsweise Rechtsfolge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage die Auflösung des Vertrages ist.
Es ist in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt, daß die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 242 BGB auf einen Hofübergabevertrag Anwendung finden können, wenn der Hofübernehmer vor vollständiger Durchführung des Vertrages verstirbt (BGH RdL, 1953, 54. Wöhrmann/Stöcker, HöfeO § 17 Rn. 165 f; Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, HöfeO § 17 Rn. 122). Dies ist für den vorliegenden Fall zu bejahen. Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat sich ausführlich mit der gemeinsamen Motivationslage der Vertragsparteien bei Abschluß des Hofübergabevertrages vom 06.06.1992 auseinandergesetzt. Dem ist aus Sicht des Senats nichts hinzuzufügen. Tatsächlich ist nämlich davon auszugehen, daß der Eigentümer mit der Hofübergabe u. a. das Interesse verfolgt, sein bisheriges Lebenswerk an dasjenige seiner Kinder abzugeben, von dem er annimmt, daß es am ehesten in der Lage ist, den Hof zu erhalten und die laut Übergabevertrag zu übernehmenden Versorgungsleistungen zu erwirtschaften und aufgrund persönlicher Verbundenheit mit den Altenteilern auch mit der notwendigen persönlichen Fürsorge verbunden zu erbringen.
Der Rücktritt der Beteiligten zu 1 und 2 von dem Hofübergabevertrag vom 06.06.1992 ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil dieser Vertrag bereits landwirtschaftsgerichtlich genehmigt und die Auflassung des Grundbesitzes bereits in dem notariellen Vertrag erklärt worden war. Die Wirkungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage können nicht davon abhängig sein, wie weit die Durchführung eines Übergabevertrages bereits gediehen ist. Selbst nach der grundbuchrechtlichen Vollziehung eines Übergabevertrages ändert sich nichts an der dem Vertragsschluß zugrunde liegenden gemeinsamen Willensrichtung der Vertragschließenden. Entfällt diese den gemeinsamen Vorstellungen zugrunde liegende tatsächliche Gegebenheit, so können die Rechtsfolgen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auch noch nach Erteilung der landwirtschaftsgerichtlichen Genehmigung oder der Auflassung des Grundbesitzes eintreten. Dem widerspricht insbesondere nicht die lediglich in ihrem Leitsatz in RdL 1953, 54 abgedruckte Entscheidung des Bundesgerichtshofes, in der er zum Ausdruck bringt, daß es u.U. dem Willen der Vertragsparteien entsprechen könne, daß ein Übergabevertrag gegenstandslos werden soll, wenn der Übernehmer vor der Auflassung stirbt. Zwar vertreten im Anschluß an diese Entscheidung Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery die Auffassung, daß der Tod des Übernehmers einen Hofübergabevertrag lediglich bis zum Zeitpunkt der Auflassung gegenstandslos werden läßt, tatsächlich ist dies jedoch aus der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht herzuleiten. Der BGH hat sich lediglich zu der Frage geäußert, daß jedenfalls bis zur Auflassung ein Übergabevertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage wirkungslos werden kann, er hat jedoch keine Aussage dazu getroffen, ob dies auch noch nach diesem Zeitpunkt möglich ist.
Nach alledem war der Beteiligten zu 4 die nachgesuchte Prozeßkostenhilfe zu versagen.