Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 02.04.2007, Az.: L 5 V 29/03
Kürzung eines gewährten Berufsschadensausgleichs (BSA) nach anerkannten Gesundheitsstörungen gem. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) nach Vollendung des 65. Lebensjahres; Möglichkeit der Kürzung des Vergleichseinkommens zu einem früheren Zeitpunkt als dem nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) vorgesehenen; Voraussetzungen für eine Aufhebung von Dauerverwaltungsakten nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 02.04.2007
- Aktenzeichen
- L 5 V 29/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 49832
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2007:0402.L5V29.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - 09.09.2003 - AZ: S 7 V 17/99
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 BSchAV
- § 30 Abs. 5 BVG
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitbefangen ist eine Kürzung des dem verstorbenen Ehemann der Klägerin gewährten Berufsschadensausgleichs (BSA) in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2000.
Die Klägerin ist Witwe und Rechtsnachfolgerin des am E. geborenen und zwischen dem 9. und 10. Oktober 2004 verstorbenen F ... Bei diesem waren infolge einer Kriegsverletzung zuletzt folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannt:
- 1)
Verlust des linken Beines in Unterschenkelmitte sowie der Zehen 2 bis 5 rechterseits mit Teilen der dazugehörigen Mittelfußknochen. Leichte Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk durch Narbenzug, umformende Veränderungen im Kahnbein-Keilbeingelenk.
- 2)
Geringe Durchblutungsstörungen des rechten Fußes.
- 3)
Narben und Pulvereinsprengungen auf der Stirn, in beiden Oberlidern, am Hals und an der vorderen Brustwand.
- 4)
Zahlreiche Narben am rechten Bein. Geringgradige Übersplitterung der Hornhaut an beiden Augen ohne Beeinträchtigung des Sehvermögens.
- 5)
Trommelfellnarben beiderseits, geringgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts, geringgradige kombinierte Schwerhörigkeit links.
- 6)
Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule.
Wegen dieser Kriegsverletzungen gewährte der Beklagte bis zum Tode des Kriegsbeschädigten Versorgungsleistungen nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zuletzt 80 v.H. gemäß § 30 Abs. 1 BVG (Bescheid vom 13. Juli 1992) bzw. 90 v.H. gemäß § 30 Abs. 2 BVG (mit Wirkung ab 1. Januar 1996, Bescheid vom 14. Oktober 1996).
Der zuletzt als Filialleiter/Bankbevollmächtigter beschäftigte Ehemann der Klägerin trat nach Vollendung des 60. Lebensjahres und nach Erhalt einer Abfindung von 30.000 DM zum 1. Januar 1996 in den Ruhestand. Seitdem bezog er eine Altersrente für Schwerbehinderte, Berufs- oder Erwerbsunfähige. Wegen der durch das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben eingetretenen Einkommensminderung gewährte der Beklagte ihm ab 1. Januar 1996 BSA i.H.v. zunächst 1.450 DM monatlich. Hierbei ging der Beklagte von einer schädigungsbedingten Aufgabe der Erwerbstätigkeit aus, da die Anspruchsvoraussetzungen für eine Altersrente für Schwerbehinderte (§ 36 Sozialgesetzbuch 6. Buch - SGB VI) allein aufgrund der Schädigungsfolgen erfüllt waren (Bescheide vom 4. September und 14. Oktober 1996).
Nachdem der Ehemann der Klägerin im Dezember 1998 das 63. Lebensjahr vollendet hatte, kürzte der Beklagte nach vorangegangener Anhörung (Schreiben vom 28. Oktober 1998) zum 1. Januar 1999 den Zahlbetrag des BSA von zuletzt 1.663 DM auf 814 DM monatlich (Bescheid vom 5. Januar 1999). Der Beklagte stützte diese Neufeststellung des Berufsschadensausgleichs auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 8 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV), wonach das in die Berechnung des BSA eingestellte Vergleichseinkommen zum 1. Januar 1999 (1. des Folgemonats nach Vollendung des 63. Lebensjahres) auf 75 v.H. zu kürzen sei. Der Widerspruch gegen die Kürzung des BSA wurde mit der ergänzenden Begründung zurückgewiesen, dass über 80% der gesetzlich Rentenversicherten bei Vollendung des 63. Lebensjahres bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschieden seien. Dementsprechend sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Kürzung des Vergleichseinkommens auf 75% bereits zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen, wenn der Kriegsbeschädigte nicht glaubhaft machen könne, dass er ohne die Schädigungsfolgen seine Erwerbstätigkeit über das 63. Lebensjahr fortgesetzt hätte. Beim Ehemann der Klägerin sei angesichts seiner guten wirtschaftlichen Verhältnisse davon auszugehen, dass auch er vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wäre. Er habe auch noch als Ruheständler das Jurastudium seiner Tochter finanzieren können (Widerspruchsbescheid vom 30. März 1999).
Mit der am 28. April 1999 beim Sozialgericht (SG) Hildesheim erhobenen Klage hat der Ehemann der Klägerin geltend gemacht, ausschließlich wegen der Schädigungsfolgen seine berufliche Tätigkeit aufgegeben zu haben. Bereits im Jahre 1994 habe seine Arbeitgeberin ihm wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen eine Aufhebung des Arbeitsvertrages angeboten. Seine Kündigung vom 21. August 1995 sei dann auch ausdrücklich aus gesundheitlichen Gründe erfolgt (vgl. die ärztliche Bescheinigung des behandelndes Arztes Dr. G. vom 24. Dezember 1995). Durch die Kündigung habe er der "gesundheitlichen Quälerei" ein Ende gesetzt. Ohne die Schädigungsfolgen hätte er gerne weiter gearbeitet, zumal mit dem Eintritt in den Ruhestand die innere Befriedigung durch die Arbeit sowie das soziale Ansehen als Bankfilialleiter und -bevollmächtigter weggefallen seien. Wegen der Kosten des Studiums der Tochter hätte er die Erwerbstätigkeit in den Jahren 1999/2000 eigentlich fortsetzen müssen, da das Renteneinkommen deutlich unter dem Erwerbseinkommen gelegen habe. So hätte er beispielsweise im Jahre 2002 bei Forstsetzung der Erwerbstätigkeit 49.798 EUR brutto (zuzüglich Prämien) verdient sowie Versorgungsleistungen i.H.v. 6.972 EUR erhalten (Beschädigtengrundrente und Pauschbetrag für Kleider- und Wäscheverschleiß), während die tatsächlichen Einnahmen aus Renten und Versorgungsleistungen im Jahr 2002 nur ca. 32.412 EUR betragen hätten. Er unterstütze seine Tochter mit 1.300 DM/850 EUR monatlich (zuzüglich der Kosten für das juristische Repetitorium i.H.v. 163,61 EUR monatlich, der Krankenversicherung i.H.v. 52,11 EUR monatlich sowie einmaliger Unterstützungen z.B. für Studienfahrten, Fachliteratur, Geburtstag usw.).
Das SG hat der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, den BSA in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2000 ungekürzt zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach der neueren Rechtsprechung des BSG die vom Beklagten vorgenommene Herabsetzung der in § 8 BSchAV vorgesehenen Altersgrenze von 65 Jahren auf 63 Jahre dann nicht zulässig sei, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nur wegen der Schädigungsfolgen möglich gewesen sei. Ohne die Schädigungsfolgen hätte der Ehemann der Klägerin (mangels anderweitiger Schwerbehinderung) vor Vollendung des 65. Lebensjahres keine Rente aus medizinischen Gründen beziehen können. Unabhängig davon lägen auch die in der älteren Rechtsprechung des BSG geforderten Voraussetzungen für eine Kürzung des Vergleichseinkommens auf 75% bei Vollendung des 63. Lebensjahres nicht vor: Wegen der Unterhaltspflicht gegenüber der Tochter erscheine es glaubhaft, dass der Ehemann der Klägerin bei Hinwegdenken der Schädigungsfolgen bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze von 65 Jahren weitergearbeitet hätte. Dass das Studium der Tochter mit Beträgen weit oberhalb der BAföG-Sätze unterstützt worden sei, spreche lediglich für eine überdurchschnittliche finanzielle Leistungsfähigkeit, nicht dagegen für eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Aufgabe der Berufstätigkeit bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres (Urteil vom 9. September 2003).
Gegen das dem Beklagten am 12. November 2003 zugestellte Urteil richtet sich seine am 4. Dezember 2003 eingelegte Berufung. Er trägt vor, dass sich die finanzielle Situation des Ehemanns der Klägerin auch nach seiner Berentung als sehr günstig dargestellt habe (u.a. infolge der Gewährung von BSA). Damit sei hinreichend wahrscheinlich, dass der Ehemann der Klägerin auch ohne die Schädigungsfolgen - wie die weit überwiegende Anzahl aller gesetzlich Rentenversicherten - bereits mit Vollendung des 63. Lebensjahres aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wäre.
Der Beklagte beantragt,
- 1.
das Urteil des SG Hildesheim vom 9. September 2003 aufzuheben, 2. die Klage gegen den Bescheid vom 5. Januar 1999 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1999 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt ergänzend vor, dass ihr Ehemann eine herausgehobene berufliche Stellung erreicht habe. Arbeitnehmer in leitender Position würden regelmäßig nicht bereits mit 63, sondern erst mit 65 Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Die vorzeitige Aufgabe der Erwerbstätigkeit habe zu einem Einkommensverlust von ca. 30,5% geführt. Zudem wäre bei Fortsetzung der Erwerbstätigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres eine um 3,2 Renten-Entgeltpunkte bzw. 138,69 DM pro Monat höhere Rente erzielt worden. Gerade im Hinblick auf die finanziellen Belastungen durch das Studium der Tochter hätte ihr Ehemann noch bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze gearbeitet, wenn ihn nicht die Schädigungsfolgen daran gehindert hätten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die den verstorbenen Ehemann der Klägerin betreffenden Beschädigten- und Schwerbehinderten-Akten des Beklagten sowie die erst- und zweitinstanzliche Gerichtsakte verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG Hildesheim, mit dem die zum 1. Januar 1999 erfolgte Kürzung des Vergleichseinkommens auf 75% für die Zeit bis zum 31. Dezember 2000 aufgehoben worden ist, erweist sich als rechtmäßig.
Streitbefangen ist ausschließlich der Leistungszeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2000, da das SG mit dem angefochtenen Urteil nur insoweit die vom Beklagten vorgenommene Kürzung des BSA aufgehoben hat. Als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes (§ 56 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) verfügt die Klägerin über die für die Fortführung des Berufungsverfahrens erforderliche Prozessführungsbefugnis.
Das SG hat im angefochtenen Urteil zutreffend entschieden, dass es der Entscheidung des Beklagten an der erforderlichen Rechtsgrundlage für eine Kürzung des Berufsschadensausgleichs in dem Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2000 fehlt.
Eine Herabsetzung des Zahlbetrages zum 1. Januar 1999 von zuletzt 1.663 DM auf 814 DM kommt nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X in Betracht. Nach dieser Vorschrift können Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (hier: Bescheide vom 4. September und 14. Oktober 1996) bei Eintritt einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden. Eine solche wesentliche Änderung ist nicht bereits zum 1. Januar 1999 (1. des Monats nach Vollendung des 63. Lebensjahres des verstorbenen Ehemanns der Klägerin), sondern erst zum 1. Januar 2001 (1. des Monats nach Vollendung des 65. Lebensjahrs) eingetreten. Dementsprechend erweist sich die bereits zum 1. Januar 1999 durchgeführte Kürzung des BSA als rechtswidrig.
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 BSchAV ist das in die Berechnung des BSA eingestellte Vergleichseinkommen mit Ablauf des Monats, in dem der Kriegsbeschädigte das 65. Lebensjahr vollendet hat (hier: 1. Januar 2001), auf 75 v.H. des nach § 30 Abs. 5 letzter Satz BVG bekannt gemachten Betrages zu kürzen. Eine Kürzung des Vergleichseinkommens zu einem früheren Zeitpunkt kommt nur dann in Betracht, wenn - der Kriegsbeschädigte wegen Erreichens oder Inanspruchnahme einer gesetzlichen Altersgrenze aus dem Erwerbsleben ausscheidet oder ausscheiden müsste (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 BSchAV) oder - aufgrund eines Gesetzes, eines Tarifvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber von der Möglichkeit des vorzeitigen Übergangs in den Ruhestand unter Verzicht auf Erwerbseinkommen Gebrauch macht und deswegen seine Erwerbstätigkeit aufgibt (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 BSchAV).
Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. So schied der Ehemann der Klägerin nicht zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der streitbefangenen Kürzung des BSA (1. Januar 1999) aus dem Erwerbsleben aus, sondern aus schädigungsbedingten Gründen bereits am 1. Januar 1996. Damit kann die Kürzung des Vergleichseinkommens mit Wirkung ab 1. Januar 1999 weder auf § 8 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt. noch auf § 8 Abs. 1 Nr. 3 BSchAV gestützt werden. Ebenso wenig musste der Ehemann der Klägerin wegen Erreichens einer gesetzlichen Altersgrenze zum 1. Januar 1999 aus dem Erwerbsleben ausscheiden (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 2. Alt. BSchAV). Vielmehr hätte er noch bis Ende des Jahres 2000 (Vollendung des 65. Lebensjahres) weiterarbeiten können.
Eine Kürzung des BSA zum 1. Januar 1999 kann auch nicht auf die vom Beklagten angeführte Rechtsprechung des BSG gestützt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist bei Kriegsbeschädigten, die - wie im vorliegenden Fall - schädigungsbedingt bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Erwerbsleben ausscheiden, bei Vollendung des 63. Lebensjahres eine Kürzung des Vergleichseinkommens auf 75 v.H. zu prüfen (vgl. etwa: BSG, Urteile vom 8. Oktober 1987 und 9. März 1988 - 4b RV 15/86 und 9/9a RV 28/86, SozR 3642 § 8 Nr. 1 und 3). Inhaltlich handelt es sich hierbei um die Prüfung, ob weiterhin glaubhaft ist, dass der Kriegsbeschädigte - bei Hinwegdenken der Schädigungsfolgen - noch erwerbstätig wäre. Zur Begründung hat das BSG ausgeführt, dass bei Vollendung des 63. Lebensjahres für viele Versicherte unabhängig von einer Schwerbehinderung die Möglichkeit bestehe, vorzeitiges Altersruhegeld zu beziehen (vgl. für das vorliegende Verfahren: § 36 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung - Altersrente für langjährig Versicherte). Auch tatsächlich sei die weit überwiegende Zahl der gesetzlich Rentenversicherten bereits mit 63 Jahren aus dem Erwerbsleben ausgeschieden, während "nur noch ganz wenige Erwerbstätige" bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres arbeiten würden (BSG, Urteil vom 9. März 1988, a.a.O.). Rechtsdogmatisch hat das BSG diese Rechtsprechung auf eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BSchAV gestützt (Urteil vom 13. August 1997 - 9 RV 26/95, SozR 3-3642 § 8 Nr. 8). Wie in den gesetzlich geregelten Fällen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BSchAV hat auch bei dieser analogen Rechtsanwendung eine Kürzung des Vergleichseinkommens dann zu unterbleiben, wenn der Kriegsbeschädigte glaubhaft macht, dass er ohne die Schädigung über den maßgeblichen Zeitpunkt (hier: Vollendung des 63. Lebensjahres) hinaus noch erwerbstätig gewesen wäre (§ 8 Abs. 1 Satz 3 BSchAV, vgl. BSG, a.a.O.).
Der erkennende Senat vermag - anders als das SG - nicht zu erkennen, dass sich das BSG von seiner Rechtsprechung zur analogen Anwendung des § 8 BSchAV auf die hier vorliegende Fallkonstellation abgewandt hat. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der vom SG zitierten BSG-Entscheidung vom 13. August 1997 (9 RV 26/95 - SozR 3-3642 § 8 Nr. 8). Vielmehr wurde in der genannten Entscheidung die frühere Rechtsprechung des BSG nochmals zusammengefasst und bezüglich ihrer rechtsdogmatischen Grundlage konkretisiert (Rechtsfortbildung mittels Analogie). Darüber hinaus hat das BSG in dieser Entscheidung eine Ausweitung der analogen Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 BSchAV auf die Fälle abgelehnt, in denen - anders als im vorliegenden Fall - der Kriegsbeschädigte bei Vollendung des 63. Lebensjahres mangels Erfüllung der Wartezeit noch überhaupt keinen Anspruch auf Altersrente für langjährig Versicherte hatte (vgl. BSG, SozR 3-3642 § 8 Nr. 8, S. 21f.). Da jedoch der Ehemann der Klägerin zum 1. Januar 1999 sämtliche Anspruchsvoraussetzungen der Altersrente für langjährig Versicherte erfüllte (insbesondere auch die Wartezeit nach § 50 Abs. 5 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung), kommt der Tatsache, dass er am 1. Januar 1999 nicht auch noch wegen schädigungsunabhängiger Schwerbehinderung die Voraussetzungen einer vorgezogenen Altersrente nach § 37 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung erfüllte (vgl. hierzu: S. 9 des angefochtenen Urteils), keine entscheidende Bedeutung zu.
Im vorliegenden Fall kann der Senat offen lassen, ob - auch im Hinblick auf die vom SG dargestellten rechtlichen Bedenken (vgl. S. 9 des angefochtenen Urteils) - der Rechtsprechung des BSG zur analogen Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 BSchAV weiterhin zu folgen ist. Denn selbst bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung darf - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - eine Kürzung des BSA zum 1. Januar 1999 nicht erfolgen. Es ist glaubhaft, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin ohne die Schädigungsfolgen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erwerbstätig gewesen wäre.
Für diese Glaubhaftmachung ist ausreichend, dass zugunsten des Kriegsbeschädigten eine Fortsetzung der Erwerbstätigkeit (bei Hinwegdenken der Schädigungsfolgen) über die Vollendung des 63. Lebensjahres hinaus überwiegend wahrscheinlich gemacht worden ist (BSG, Urteil vom 8. Oktober 1987 - 4b RV 15/86, SozR 3642 § 8 Nr. 1) bzw. die "gute Möglichkeit" besteht, dass es sich so zugetragen hat, wie es der Kriegsbeschädigte behauptet (BSG, Urteil vom 9. März 1988 - 9/9a RV 28/86, SozR 3642 § 8 Nr. 3). Kriterien für die Prüfung, ob der Kriegsbeschädigte bei Hinwegdenken der Schädigungsfolgen seine Erwerbstätigkeit über den maßgeblichen Stichtag hinaus (hier: Vollendung des 63. Lebensjahres) fortgesetzt hätte, sind u.a. die konkreten Umstände des letzten Beschäftigungsverhältnisses und insbesondere die wirtschaftliche Lage des Beschädigten (z.B. familiäre Unterhaltslasten), vgl. BSG, Urteil vom 9. März 1988, a.a.O.
Auch nach Überzeugung des Senats hätte (bei Hinwegdenken der Schädigungsfolgen und der bereits zum 1. Januar 1996 erfolgten Aufgabe der Erwerbstätigkeit) zumindest die "gute Möglichkeit" bestanden, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin bis zum Erreichen des gesetzlichen Rentenalters von 65 Jahren seine Erwerbstätigkeit bei der H. fortgeführt hätte. Als Filialleiter/Bankbevollmächtigter verfügte er über eine herausgehobene Position im Erwerbsleben, die ihm u.a. weit reichende Möglichkeiten zur Delegation von Aufgaben bot. Die Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass derartige herausgehobene berufliche Tätigkeiten (anders als etwa körperlich anstrengende Tätigkeiten) oftmals bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres ausgeübt werden. Dies beruht auf wirtschaftlichen Gründen (hohes Erwerbseinkommen), auf den i.d.R. geringeren körperlichen Anforderungen der Tätigkeit, auf der von den Beschäftigten oftmals aus der Berufstätigkeit hergeleiteten inneren Befriedigung und nicht zuletzt auch aus dem mit der Tätigkeit verbunden sozialen Ansehen. So spricht im vorliegenden Fall für eine Fortsetzung der Berufstätigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, dass die Einkünfte nach erfolgter Berentung ca. 30,5% unter dem letzten Einkommen aus Erwerbstätigkeit lagen. Da jedoch auch nach Eintritt in den Ruhestand zumindest bis zum Jahr 2002/2003 unverändert das Studium der Tochter in vollem Umfang zu finanzieren war, sprechen die wirtschaftlichen Verhältnisse für eine Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit. Auch der Vortrag des Klägers, seit dem Eintritt in den Ruhestand die Befriedigung aus seiner beruflichen Tätigkeit zu vermissen, ist überzeugend und konnte durch den Vortrag des Beklagten nicht erschüttert werden. Letztlich hat der Beklagte den nachvollziehbaren Argumenten der Klägerseite für eine (hypothetische) Fortführung der Erwerbstätigkeit über die Vollendung des 63. Lebensjahres hinaus lediglich Daten aus der Rentenstatistik entgegenhalten. Diese statistischen Erkenntnisse stellen jedoch lediglich die Begründung dafür dar, dass in bestimmten Fallkonstellationen überhaupt eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BSchAV bereits bei Vollendung des 63. (anstatt des 65.) Lebensjahres in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 9. März 1988 - 9/9a RV 28/86, SozR 3642 § 8 Nr. 3). Bei der Prüfung der Glaubhaftmachung nach § 8 Abs. 1 Satz 3 BSchAV ist dagegen eine individuelle Prüfung erforderlich (BSG, Urteil vom 6. Dezember 1989 - 9 RV 31/88, SozR 3642 § 8 Nr. 7 unter Hinweis auf BSG SozR 3642 § 8 Nr. 3; Hervorhebung durch den Senat).
Nach alledem ist bei einer Gesamtschau (Einkommenseinbuße durch vorzeitigen Ruhestand; erhebliche, jedoch zeitlich befristete finanzielle Belastungen durch das Studium der Tochter; Freude, innere Befriedigung und soziales Prestige bei Fortführung der Erwerbstätigkeit; keine gravierenden schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen, die zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit gezwungen hätten) überwiegend wahrscheinlich, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin auch in den Jahren 1999 bis 2000 seine berufliche Tätigkeit fortgesetzt hätte, wenn er hieran nicht durch die Schädigungsfolgen gehindert gewesen wäre. Dementsprechend durfte die Herabsetzung des in die Berechnung des BSA eingestellten Vergleichseinkommens auf 75 v.H. des ursprünglichen Vergleichseinkommens nicht bereits zum 1. Januar 1999, sondern erst ab 1. Januar 2001 (1. des Monats nach Vollendung des 65. Lebensjahres) erfolgen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 BSchAV).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.