Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 29.09.2010, Az.: 1 B 235/10
Vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst zum Zwecke der Aufnahme eines Medizinstudiums; Zusätzlicher Zeitverlust von mehr als sechs Monaten zwischen der vorgesehenen Dienstzeit eines Zivildienstleistenden und dem nächstmöglichen Ausbildungsbeginn als besondere Härte
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 29.09.2010
- Aktenzeichen
- 1 B 235/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 32242
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2010:0929.1B235.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 11 Abs. 4 S. 1 ZDG
- § 43 Abs. 2 Nr. 1 ZDG
Verfahrensgegenstand
Entlassung aus dem Zivildienst
hier: Antrag nach § 123 VwGO
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 1. Kammer -
am 29. September 2010
beschlossen:
Tenor:
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller mit Wirkung zum 01. Oktober 2010 aus dem Zivildienst zu entlassen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst zum Zwecke der Aufnahme eines Medizinstudiums.
Er trat am 1. September 2010 seine Zivildienststelle im D., E., an.
Mit Schreiben vom 07. September 2010 beantragte der Antragsteller die vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst. Zur Begründung trug er vor, er habe die Möglichkeit, ab dem 01. Oktober 2010 ein Medizinstudium an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel anzufangen. Er legte seinem Antrag den Zulassungsbescheid vom 02. September 2010 bei. Ein Verbleiben im Zivildienst würde zu einem unnötigen Zeitverlust führen, weil er ansonsten erst zum Wintersemester 2011/12 ein Medizinstudium in Kiel aufnehmen könnte. Da sein Zivildienst am 28.02.2011 regulär beendet wäre, könne er die Wartezeit nicht sinnvoll für das angestrebte Medizinstudium nutzen. Er hätte in dieser Zeit auch keine Einkünfte. Außerdem sei mit einem erheblichen Anstieg der Studienbewerber und einer Verschlechterung der Studienbedingungen zu rechnen, da zum nächsten Wintersemester aufgrund der Verkürzung der gymnasialen Oberstufe in vielen Bundesländern zwei Abiturjahrgänge an die Universitäten drängen würden. Im Übrigen müsse er sich wegen der familiären Verhältnisse um einen schnellen Abschluss seines Studiums bemühen, weil sein Bruder 2011 und seine Schwester voraussichtlich in fünf Jahren das Abitur machten und ebenfalls studieren wollten. Die Unterstützung von drei Kindern würde aber eine unzumutbare Belastung für seine Eltern darstellen.
Das F. lehnte den Antrag auf vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst mit Bescheid vom 09. September 2010 ab. Zur Begründung führte es aus, der vorliegende Sachverhalt begründe für den Antragsteller keine besondere Härte. Eine solche Härte wäre erst nach einem nicht mehr nutzbaren Zeitverlust von mehr als sechs Monaten gegeben. Hier liege der im Falle der vollständigen Ableistung des Zivildienstes nächstmögliche Zeitpunkt für den Studienbeginn zwölf Monate nach dem vom Antragsteller begehrten Studienanfang. Nach dem Abzug der Zivildienstdauer von sechs Monaten verbleibe somit ein Zeitverlust von (nur) sechs Monaten.
Mit Schreiben vom 20. September 2010 legte der Antragsteller Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, der Zeitverlust betrage mindestens sieben Monate, da er am 28. Februar 2011 regulär aus dem Zivildienst entlassen werde und er sodann frühestens im Oktober 2011 das begehrte Studium beginnen könne.
Mit Bescheid vom 24. September 2010 wies das F. den Widerspruch zurück. Der Antragsteller könne sich nicht auf einen unverhältnismäßig großen Zeitverlust berufen. Es sei zu berücksichtigen, dass ein Zeitverlust, der regelmäßig mit der Heranziehung zum Zivildienst verbunden sei, lediglich eine allgemeine mit dem Gesetzvollzug verbunden Härte darstelle. Ein Zeitverlust könne daher nur dann eine besondere Härte begründen, wenn er deutlich über die normale Zeit hinausgehe.
Am 28. September 2010 hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 09. September 2010 erhoben.
II.
Der an § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu messende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Ziel der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorzeitigen Entlassung des Antragstellers aus dem Zivildienst ist zulässig und begründet.
Das Gericht legt dabei den Antrag des Antragstellers, ihn bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache ab dem 01.10.2010 von der Verpflichtung zur Dienstleistung freizustellen, als Antrag auf vorzeitige Entlassung aus. Es handelt sich um eine sprachliche Ungenauigkeit. Der Antragsteller hat als Antragsgegenstand selbst die vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst genannt und sich in der Antragsbegründung mit der entsprechenden Rechtsgrundlage in § 43 Gesetz über den Zivildienst der Kriegsdienstverweigerer (ZDG) auseinandergesetzt. Für eine "Freistellung" ist eine Rechtsgrundlage dagegen nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat auch ausdrücklich bei dem G. die Entlassung beantragt, so dass das Ziel seiner einstweiligen Anordnung eindeutig auf die vorzeitige Entlassung gerichtet ist.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Da die beantragte einstweilige Anordnung aber die Hauptsache vorwegnimmt, kommt sie nur dann in Betracht, wenn es für den Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung muss mithin für den Antragsteller besonders dringlich sein. Von einer besonderen Dringlichkeit ist, wenn - wie hier - die vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO begehrt wird, nur dann auszugehen, wenn für den Antragsteller eine hohe Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache besteht und ihm ohne die begehrte Entlassung schwerwiegende Nachteile drohen, die ihm nicht zuzumuten sind. Der Antragsteller hat die ihm drohenden schwerwiegenden Nachteile nach§ 123 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend die Antragsgegnerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu verpflichten, den Antragsteller mit Wirkung zum 01.10.2010 aus dem Zivildienst zu entlassen, da sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund gegeben ist.
Der Anordnungsanspruch ergibt sich für den Antragsteller daraus, dass bei ihm die Voraussetzungen für die Entlassung aus dem Zivildienst gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 1 Zivildienstgesetz (ZDG) vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann ein Dienstleistender auf seinen Antrag aus dem Zivildienst entlassen werden, wenn das Verbleiben im Zivildienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere beruflicher oder wirtschaftlicher Gründe, die nach dem für den Diensteintritt festgesetzten Zeitpunkt entstanden sind, eine besondere Härte bedeuten würde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteile vom 13. November 1969 - VIII C 92.69 -, BVerwGE 34, 188 ff., 28. November 1973 - 8 C 166.71 -, 25. Oktober 1978 - VIII C 25.77 -, [...]) kann ein zusätzlicher Zeitverlust von mehr als sechs Monaten zwischen der vorgesehenen Dienstzeit und dem nächstmöglichen Ausbildungsbeginn eine besondere Härte darstellen.
Unter Zugrundelegung der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt vorliegend ein nach dem Dienstantrittszeitpunkt des Antragstellers (01.09.2010) eingetretener Grund vor, der eine besondere Härte im Sinne von § 43 Abs. 2 Nr. 1 ZDG begründet. So hat der Antragsteller mit Zulassungsbescheid vom 02.09.2010 einen Studienplatz für Medizin an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel zum Wintersemester 2010/11 erhalten, was er durch Vorlage des Bescheides glaubhaft gemacht hat. Das Semester beginnt am 01.10.2010. Der nächste Studienbeginn ist erst im Oktober 2011. Ohne die vom Antragsteller zum 01.10.2010 begehrte vorzeitige Entlassung aus dem noch bis zum 28.02.2011 dauernden Zivildienst könnte er das beabsichtigte Medizinstudium erst zum 01.10.2011 aufnehmen, wodurch ihm ein übergebührlicher - d.h. außer Verhältnis zur Dauer der Ausbildung und zur Dauer des Zivildienstes stehender - zivildienstbedingter Zeitverlust von sieben Monaten (= Zeitraum zwischen dem Ende des Zivildienstes und dem nächstmöglichen Studienbeginn) entstehen würde. Damit ist es gerade die begehrte vorzeitige Entlassung, die in der Lage ist, hier einer besonderen Härte zu begegnen.
Soweit die Antragsgegnerin demgegenüber einen Zeitverlust von (nur) sechs Monaten errechnete, stellt sich diese Berechnung des Zeitverlustes als fehlerhaft dar. Nach der Auffassung der Antragsgegnerin sei ausgehend von dem ohne den Zivildienst möglichen Studiumsbeginn (hier: 01.10.2010) darauf abzustellen, wann der nächstmögliche Termin für den Studienbeginn nach Ableistung des Zivildienstes sei (hier: 01.10.2011). Dieser sich dabei ergebende Zeitverlust (hier: zwölf Monate) sei dann um die volle Dauer des Zivildienstes von sechs Monaten zu kürzen, wodurch im Fall des Antragstellers sich ein Zeitverlust von dann nur sechs Monaten errechnet. Zur Begründung dieser Berechnungsmethode beruft sich die Antragsgegnerin auf den als ermessensbindende Verwaltungsvorschrift zu qualifizierenden Erlass des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 21. Dezember 2009 betreffend die Berechnung des Zeitverlustes als besondere Härte nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 ZDG (in der Folge: Ministerialerlass).
Gemäß diesem Ministerialerlass ist für die Ermittlung des eine besondere Härte im Sinne von §§ 11 Abs. 4 Satz 1 bzw. 43 Abs. 2 Nr. 1 ZDG begründenden Zeitverlustes der Zeitraum zwischen dem ohne den Zivildienst möglichen Studien- oder Ausbildungsbeginn und dem nächstmöglichen Termin nach Ableistung des Zivildienstes maßgebend. Erst wenn dieser Zeitraum nach Abzug der abzuleistenden Zivildienstdauer neun Monate oder - wie hier - zumindest sechs Monate übersteigt, ist grundsätzlich von einer besonderen Härte auszugehen oder eine Entscheidung nach der Billigkeitsregelung zu treffen.
Dieser Ministerialerlass wird nach Ansicht des Gerichts von der Antragsgegnerin jedoch fehlerhaft angewendet. Insoweit folgt das Gericht den Ausführungen des VG Neustadt in dessen Beschluss vom 27. Juli 2010 (Az.: 3 L 701/10.NW, [...] Rn. 7 ff.; ebenso VG Koblenz, Beschluss vom 30.08.2010 - 1010/10.KO -, [...] Rn. 10; VG Oldenburg, Beschluss vom 01.09.2010 - 7 B 2151/10 -, [...] Rn. 16 f.; a. A. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 30. Juli 2010 - 11 L 1187/10 - und vom 11. August 2010 - 11 L 1192/10 - allerdings ohne Begründung, nicht veröffentlicht). Dort heißt es:
"Dass mit dem darin enthaltenen Passus "Abzug der abzuleistenden Zivildienstdauer" - wie aber die Antragstellerin meint - stets die volle, also die gesetzliche Dauer des Zivildienstes von 9 Monaten (§ 24 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 5 Abs. 1a Wehrpflichtgesetz - WPflG -) gemeint ist, kann im Hinblick auf die mit diesem Ministerialerlass bezweckte einheitliche, auf eine gleichartige Behandlung dieser Fälle abzielende sachgerechte Ermessensausübung der Behörde bei der Prüfung des Vorliegens einer besonderen Härte wegen Zeitverlustes nicht angenommen werden. Denn würde man der Berechnungsmethode der Antragsgegnerin folgen, so käme man in den Fällen, in denen der Dienstpflichtige - wie auch im Fall des Antragstellers - seinen Dienst bereits angetreten hat und deshalb wegen einer vor dem Ende der regulären Dienstzeit beginnenden Ausbildung nur eine vorzeitige Entlassung nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 ZDG in Betracht kommt, unter keiner vorstellbaren Konstellation zu einem Zeitverlust, der 6 Monate übersteigt. Mithin käme man in diesen Fällen auch nie zum Vorliegen einer nach diesem Ministerialerlass ab einem Zeitverlust von mehr als 6 Monaten anzunehmenden besonderen Härte. Bei der Berechnungsmethode der Antragstellerin wird derjenige, der seinen Dienst angetreten und damit im Zeitpunkt der nach § 43 Abs. 2 Nr. 1 ZDG erfolgten Antragstellung auf vorzeitige Entlassung schon eine gewisse Dienstzeit abgeleistet hat, gegenüber demjenigen benachteiligt, der seinen Dienst erst noch anzutreten hat, also noch die volle Zivildienstdauer abzuleisten hat. Denn dem den Dienst bereits ableistenden Zivildienstleistenden wird bei der Berechnungsmethode der Antragsgegnerin die Zivildienstzeit bei der Ermittlung des Zeitverlustes praktisch "doppelt" in Abzug gebracht, denn zum einen hat dieser bereits eine gewisse Dauer Zivildienst geleistet - womit bereits ein - allerdings hinzunehmender - Zeitverlust bei seiner Ausbildung entsteht, und zum anderen muss er sich nochmals die volle gesetzliche Zivildienstdauer bei der Berechnung des Zeitverlustes in Abzug bringen lassen, wodurch sich dann rein rechnerisch sein Zeitverlust erheblich - nämlich stets um 9 Monate - reduziert, obwohl er nach dem regulären Ende seines Zivildienstes tatsächlich aber einen über 6 Monate betragenden Zeitverlust bis zum Beginn seiner Ausbildung hat. Der Passus "nach Abzug der abzuleistenden Zivildienstdauer" kann deshalb sachgerechterweise nur die noch abzuleistende Zivildienstdauer meinen, die bei einem den Dienst noch nicht angetretenen Zivildienstleistenden mit den vollen 9 Monaten und bei einem den Dienst bereits ableistenden Zivildienstleistenden - wie auch dem Antragsteller - mit der von diesem noch abzuleistenden Restdauer des Zivildienstes anzusetzen ist. Nur bei einem solchen Verständnis macht der sich nicht nur auf die Zurückstellung vom, sondern auch auf die vorzeitige Entlassung aus dem Zivildienst wegen besonderer Härte nach §§ 11 Abs. 4 Satz 1 bzw. 43 Abs. 2 Nr. 1 ZDG beziehende Ministerialerlass als ermessensbindende Verwaltungsvorschrift Sinn."
Im vorliegenden Fall des Antragstellers ergibt sich bei dieser - eine Gleichbehandlung aller Dienstleistenden gewährenden - Anwendung des Ministerialerlasses ein Zeitverlust von sieben Monaten. Zu diesem Zeitverlust gelangt man, wenn man vom Zeitraum zwischen dem ohne den Zivildienst möglichen Ausbildungsbeginn (hier: 01.10.2010) und dem nächstmöglichen Termin nach Ableistung des Zivildienstes (hier: 01.10.2011) von zwölf Monaten die vom Antragsteller ab 01.10.2010 noch abzuleistende Zivildienstdauer (bis 28.02.2011) von fünf Monaten abzieht. Damit liegt im vorliegenden Einzelfall eine besondere Härte i. S v. § 43 Abs. 2 Nr. 1 ZDG vor. Der drohende Zeitverlust steht außer Verhältnis zur Dauer der Ausbildung und zur Dauer des Zivildienstes.
Selbst bei der Anwendung des Ministererlasses i.S.d. Antragsgegnerin führt dies hier zu keinem anderen Ergebnis, da eine unzumutbare Härte noch aus weiteren Gründen vorliegt. Die Dauer der Wartezeit von sieben Monaten übersteigt nämlich die Dauer des Zivildienstes von sechs Monaten. Eine Wartezeit, die die Dienstzeit als solche übersteigt, steht jedenfalls außer Verhältnis zur letztgenannten (vgl. VG Koblenz a.a.O. Rn.12). Unzumutbar ist eine solche Wartezeit im Fall des Antragstellers auch deshalb, weil er in dieser Zeit nicht finanziell abgesichert ist, wie er unwidersprochen vorgetragen hat. Es ist ferner nicht zu erkennen, wie der Antragsteller die gesamten sieben Monate sinnvoll und zumutbar zur Vorbereitung auf sein Studium nutzen könnte. Schließlich ist zu bedenken, dass nach Auffassung des Gerichts mit der Verkürzung der Zivildienstzeit auf sechs Monate die ursprünglichen Überlegungen, aus denen eine über die reine Dienstzeit hinausgehende Wartezeit gerechtfertigt erschien, zumindest fragwürdig geworden sind. Es ist kein Grund erkennbar, weshalb die Antragsgegnerin die Dienstpflichtigen im Regelfall nicht so einziehen können sollte, dass ihnen nach Ableistung der Regeldienstzeit keinerlei weitere Wartezeiten bis Ausbildungs- oder Studienbeginn entstehen, wie dies Praxis der Kreiswehrersatzämter ist. Nachdem die Bundesregierung die Aussetzung der Wehrpflicht und des Zivildienstes zum nächsten Jahr beschlossen hat, besteht erst recht keine Rechtfertigung für eine über die Dienstzeit hinausgehende Wartezeit.
Die Argumente der Antragsgegnerin dafür, dass dem Antragsteller die Wartezeit bis zum nächstmöglichen Studienbeginn zumutbar sei, überzeugen nicht. Sie beruhen auf der - wie dargelegt - fehlerhaften Berechnung der Wartezeit. Auf die vom Antragsteller vorgetragenen individuellen Gründe geht die Antragsgegnerin gar nicht ein. Schließlich überzeugen die von der Antragsgegnerin zitierten Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Düsseldorf nicht. Einerseits beziehen sie sich auf den vorgenannten ministeriellen Erlass, ohne sich allerdings mit der Problematik auseinanderzusetzen. Andererseits berücksichtigen die Entscheidungen nicht ausreichend das Verhältnis der Wartezeit zur gesamten Dienstzeit und die neue Beschlusslage der Bundesregierung zur Wehrpflicht und dem Zivildienst.
Das in § 43 Abs. 2 Nr. 1 ZDG der Antragsgegnerin eröffnete Ermessen ist hier bereits deshalb in Richtung Entlassung des Antragstellers reduziert, weil der Erlass des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 21. Dezember 2009 bei verfassungskonformer Auslegung dies so vorsieht. Denn unter Abzug lediglich der noch abzuleistenden Dienstzeit verbleibt dem Antragsteller eine Wartezeit von sieben Monaten und damit mehr als die sechs Monate, bei denen der Erlass von einer besonderen Härte ausgeht.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Da das von ihm angestrebte Medizinstudium bereits vor dem regulären Ende des Zivildienstes, nämlich schon am 01.10.2010 beginnt und ein nächstmöglicher Ausbildungsbeginn für ihn erst wieder am 01.10.2011 möglich wäre, war hier die vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile zu treffen. Der Antragsteller hat unwidersprochen vorgetragen, dass er sich zum Wintersemester 2011/12 wieder neu um einen Medizinstudienplatz bewerben müsse. Der Ausgang des Bewerbungsverfahrens ist vor allem unter Berücksichtigung der doppelten Abiturjahrgänge äußerst ungewiss.
Damit ist auch die Vorwegnahme der Hauptsache gerechtfertigt, denn dem Antragsteller drohen - wie bereits ausgeführt - im Falle des Abwartens bis zum Abschluss der Hauptsache schwerwiegende Nachteile.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Eine Reduzierung des Auffangstreitwertes entsprechend der Empfehlung Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327) war hier nicht vorzunehmen, da die beantragte einstweilige Anordnung die Hauptsache vorwegnimmt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 75 Satz 1 ZDG).