Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 16.07.2008, Az.: 4 A 981/06

Rechtsgrundlage für die Heranziehung von Abwassergebühren; Bemessung der Abwassergebühr; Zulässigkeit einer Gebührenerhebung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung; Zulässigkeit der Zuführung zur Gebührenausgleichsrücklage; Inhalt des Kostenüberschreitungsverbot des § 5 Abs. 1 S. 2 niedersächsisches Kommunalabgabengesetz (KAG,NI); Inhalt des Ausgleichsgebot des § 5 Abs. 2 S. 3 KAG,NI

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
16.07.2008
Aktenzeichen
4 A 981/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 21906
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2008:0716.4A981.06.0A

Verfahrensgegenstand

Abwassergebühren

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein Gebührenbescheid verstößt gegen § 5 Abs. 2 S. 2 NKAG und ist nichtig, wenn er aufgrund eines Kalkulationszeitraums erstellt wurde, der den maximalen Kalkulationszeitraum von drei Jahren überschreitet.

  2. 2.

    Die Schaffung einer sog. Gebührenausgleichsrücklage über einen Zeitraum von sechs Jahren als Risikorücklage zur Vermeidung von Gebührenschwankungen verstößt gegen § 5 Abs. 1 und 2 NKAG.

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 4. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2008
durch
die Richterin am Verwaltungsgericht Teichmann als Vorsitzende,
den Richter am Verwaltungsgericht Steffen,
die Richterin Obelode sowie
die ehrenamtlichen Richter F. und G.
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid des Trinkwasserverbandes Stader Land vom 20. März 2006 wird aufgehoben, soweit durch diesen Abwassergebühren festgesetzt werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kostenforderung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu Abwassergebühren.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Wohngrundstückes H. in I.. Das Grundstück befindet sich im Verbandsgebiet des Beklagten. Der Beklagte ist ein Zweckverband, der Träger einer rechtlich selbständigen Anlage zur zentralen Abwasserbeseitigung und einer rechtlich selbständigen Anlage zur dezentralen Abwasserbeseitigung zur Beseitigung des in seinem Entsorgungsgebiet anfallenden Abwassers ist. Er erhebt u.a. Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme der zentralen öffentlichen Abwasseranlage. Der Trinkwasserverband J. ist mit der Festsetzung und Erhebung der Gebühren beauftragt.

3

Der Beklagte und die K. haben zum 01.06.2002 den L. zum Zwecke der gemeinsamen hoheitlichen Aufgabenerledigung im Verbandsgebiet gegründet. Dabei hat der M. die Aufgabe der Abwasserbeseitigung übertragen bekommen, zum einen für das bisherige Verbandsgebiet des Beklagten mit den Samtgemeinden N. und I. sowie der Gemeinde O. und zum anderen für das P. ". Die Abgaben- und Satzungshoheit sowie die Vermögenswerte sind gemäß Vertragskonstruktion bei dem Beklagten verblieben.

4

Der M. bedient sich per öffentlich-rechtlichem Vertrag bei der Aufgabendurchführung der Q.. Die gesetzliche Aufgabe der Abwasserbeseitigung ist bei dem M. verblieben (§ 1 Abs. 1 des öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen dem M. und der Q. unter Zustimmung des Beklagten zur Durchführung der Schmutzwasserbeseitigung auf dem Verbandsgebiet des M. durch die Q.). Die Q. hat sicherzustellen, dass das im Gebiet des M. anfallende Schmutzwasser ordnungsgemäß beseitigt wird. Für den Teil des Verbandsgebietes des Beklagten zahlt bis zum 31.12.2007 der M. der Q. eine Ausgleichszahlung von 1,34 Euro/m³ abgeleiteten und abgerechneten Abwassers für die Durchführung der Schmutzwasserbeseitigung im Bereich der zentralen öffentlichen Abwasseranlagen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 des öff.-rechtl. Vertrages). Die Basis für die Ausgleichszahlung der zentralen Schmutzwasserbeseitigung und die dieser zugrunde liegenden Kosten ergibt sich aus Anlage 2 zu dem öff.-rechtl. Vertrag, die Bestandteil des Vertrages ist. Danach wird das für den Zeitraum von 2002 bis 2008 kalkulierte Gebührenaufkommen von 2,32 Euro/m³ ("Globalkalkulation") so aufgeteilt, dass der Beklagte zur Bedienung der Kapitalkosten, d.h. zur langfristigen Werterhaltung des beim Beklagten verbliebenen Anlagevermögens, 0,98 Euro/m³, der M. zur Begleichung seiner Kosten 0,005 Euro/m³ (in 2003 auf 0,01 Euro/m³ erhöht), sowie die Q. zur Begleichung ihrer Kosten 1,335 Euro/m³ (in 2003 reduziert auf 1,33 Euro/m³) erhält. Die Q. hat im Zuge der Gründung des M. sowie der damit verbundenen Aufgabenübertragung zugesichert, die in ihrer Verantwortung stehenden Aufgaben so zu erledigen, dass die Gebühr auf dem im Jahr 2002 reduzierten Betrag von 2,32 Euro/m³ bis einschließlich 2007 belassen werden kann.

5

Die Q. hat im Auftrag des Beklagten für die Zeiträume 2002 bis 2004 und 2005 bis 2007 Gebührenkalkulationen aufgestellt. Die Kalkulation der Abwassergebühr 2005 - 2007 für die zentrale öffentliche Abwasseranlage weist den Stand Juli 2006 auf. Die Kostenansätze basieren laut der Begründung zur Kalkulation auf den fortgeschriebenen Ist-Werten des Jahres 2005. Die Nachkalkulation für das Jahr 2005 weist eine Überdeckung in Höhe von 129.856 Euro auf. Der erzielte Überschuss soll der Gebührenausgleichsrücklage zugeführt werden. Ausweislich der Kalkulation für die Jahre 2005 - 2007 ergibt sich eine durchschnittlich jährliche Summe der gebührenfähigen Kosten von 3.046.633 Euro. Darin enthalten sind Kosten der Q. in Höhe von durchschnittlich 1.803.000 Euro, des M. in Höhe von durchschnittlich 6.000 Euro und des Beklagten in Höhe von 1.141.300 Euro, sowie Zuführungen zur Gebührenausgleichsrücklage in Höhe von durchschnittlich 96.333 Euro (3,16% der kalkulierten durchschnittlichen Gesamtkosten). Unter Zugrundelegung einer gebührenpflichtigen Menge von durchschnittlich 1.312.966 m³, ergibt sich eine Gebühr von 2,32 Euro/m³. In der Begründung zur Kalkulation heißt es, dass die allgemeine Preisentwicklung dazu führe, dass die Aufgabe in den Jahren 2006 und 2007 mit einem Gebührensatz von 2,32 Euro/m³ nur dann vollständig kostendeckend durchgeführt werden könne, wenn die Abschreibungen auf das Anlagevermögen beim Beklagten angepasst würden. Durch eine Anpassung der Nutzungsdauern könnten die Abschreibungen entsprechend gesenkt werden. Durch diese Maßnahme könne die Gebühr mittelfristig auf dem ursprünglich geplanten Niveau von 2,32 Euro/m³ gehalten werden. Außerdem sei eine Zuführung zur Gebührenausgleichsrücklage auch in den Folgejahren möglich. Damit könne eine konstante Gebühr auch über den Kalkulationszeitraum hinaus erzielt werden.

6

Die Verbandsversammlung des Beklagten hat der Gebührenkalkulation vom Juli 2006 mit Beschluss vom 20.07.2006 zugestimmt und die Abwassergebühr auf Grundlage dieser Gebührenkalkulation für die Jahre 2005 bis 2007 wie bisher auf 2,32 Euro/m³ festgesetzt.

7

Durch Bescheid des Trinkwasserverbandes J. vom 20.03.2006 wurden die Kläger zu Abwassergebühren für die zentrale Abwasseranlage des Beklagten herangezogen, und zwar für den Zeitraum vom 01.03.2005 bis 30.12.2005 in Höhe von 122,96 Euro und für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis 28.02.2006 in Höhe von 25,52 Euro, d.h. insgesamt 148,48 Euro. Es wurde ein Preis von 2,32 pro m³ zugrunde gelegt.

8

Die Kläger haben am 21.04.2006 Klage erhoben.

9

Zur Begründung tragen sie vor:

10

Der streitbefangene Gebührenbescheid beruhe auf einer Kalkulation für den Zeitraum 2002 bis 2004. Der Beklagte habe sich offensichtlich erst aufgrund des vorliegenden Klageverfahrens verpflichtet gesehen, die Gebührenkalkulation für 2005 bis 2007 zu erstellen. Eine Festschreibung von Gebühren durch einen Vertrag mit der Q. für die Jahre 2002 bis 2007 sei unzulässig. Die Bindungen mit der Q. setzten die Bestimmungen des NKAG nicht außer Kraft. Die Zuführung zur Gebührenrücklage in Höhe von jeweils durchschnittlich 96.333,00 Euro in der Kalkulation 2005 bis 2007 verstoße gegen § 5 Abs. 2 NKAG. Kostenüberdeckungen seien immer auszugleichen, Kostenunterdeckungen sollten ausgeglichen werden. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG sei eine Frist zur Durchführung des Ausgleichs von drei Jahren vorgesehen. Es stünde nicht im Ermessen des Beklagten, ob Gebührenüberdeckungen in den folgenden Rechnungsperioden ausgeglichen werden oder ob sie in einer Rücklage "geparkt" werden, um mögliche Zinseinnahmen zu erzielen. Sollte für 2005 eine Überdeckung, wie ausgewiesen, erzielt worden sein, dann könnten für die Jahre 2006 und 2007 nicht weitere Überdeckungen produziert werden. Die Überdeckung aus 2005 müsse auf die Jahre 2006 und 2007 verteilt werden, was einen niedrigern Gebührensatz zur Folge haben müsse. Vor diesem Hintergrund könne die Leistungseinheit allenfalls mit 2,07 Euro abgerechnet werden. Soweit der Beklagte behaupte, die Gebührenrücklage diene dazu, eine Gleichmäßigkeit der Gebühr über mehrere Jahre, hier 7 Jahre, zu gewährleisten, stehe dies im Widerspruch zu der aktuellen Gebührenkalkulation. Danach würde zur Begründung einer Gleichmäßigkeit der Gebühr die Absenkung der Abschreibungssätze genannt.

11

Da die Grundstücksanschlüsse nach der Abwasserbeseitigungssatzung - ABS - des Beklagten nicht zur zentralen Abwasseranlage gehörten, müsse die Gebührenkalkulation erkennbar aufschlüsseln, welche Personalkosten und Sachkosten aus dem Bereich der Grundstücksanschlüsse neutralisiert worden seien, um zu verhindern, dass diese Kosten aus dem Gebührenaufkommen für die zentrale Abwasseranlage finanziert würden. Aus der Tatsache, dass in der Haushaltssatzung seit mehreren Jahren keine Umlagen ausgewiesen worden seien, lasse sich folgern, dass neutrale Kosten aus der zentralen Abwasseranlage finanziert worden seien. Dazu zählten insbesondere Kosten im nicht investiven Bereich der Erstellung von Grundstücksanschlüssen, welche nicht über eine Rechnung mit dem Verursacher abgerechnet würden.

12

Ferner bleibe unklar, nach welchen Kriterien der Beklagte den Zulauf der Abwassermenge in die zentrale Abwasseranlage ermittle, zumal der Trinkwasserverband Messdaten über die gelieferte Trinkwassermenge nicht zur Verfügung stellen könne. Jeder Anschlussnehmer werde zu unterschiedlichen Zeiten vom Trinkwasserverband veranlagt. Auch Zu- und Ablaufmessdaten bei der zentralen Kläranlage fehlten. Nur so könne der Fremdwasseranteil ermittelt und ggf. neutralisiert werden. Ebenso fehlten Angaben zur Fäkalschlammmenge, die in die zentrale Kläranlage eingeleitet werde. Die Ermittlung der korrekten Leistungsmenge sei jedoch von Bedeutung. Schon bei einer unterstellten Leistungseinheit von 1.500.000 m³ würden sich erhebliche Auswirkungen auf den Gebührensatz ergeben.

13

Erheblich Zweifel bestünden auch hinsichtlich der in die Kalkulation für die zentrale Abwasseranlage eingestellten Kostenblöcke. Deren Erforderlichkeit und Betriebsbedingtheit werde bestritten. Der Kostenbegriff "Gesamtaufwand" sei nicht hinreichend aufgeschlüsselt. Auch der Begriff der "sonstigen Erträge" sei zu erläutern. Unter R. seien Steuern in Höhe von 300,00 Euro ausgewiesen. Es sich nicht erkennbar, um welche Steuern es sich handele.

14

Insbesondere würden die abgerechneten und geltend gemachten Personalkosten gerügt. Es sei unverständlich, warum es zu einer Steigerung der Personalkosten gekommen sei. Die Erforderlichkeit werde bestritten. Der Hinweis auf die Tariferhöhung im öffentlichen Dienst sei nicht nachvollziehbar, da es in den letzten Jahren im öffentlichen Dienst zu nicht unerheblichen Einsparungen gekommen sei. Gegen die Richtigkeit der Zahlen spreche, dass der Betriebsingenieur, der Bautechniker und der Bauzeichner in erheblichem Umfange in die Planung und Abwicklung der Investitionen eingebunden seien. Dieser Personalaufwand sei jedoch den Investitionsmaßnahmen zuzuordnen und entlastete die Personalkosten erheblich. Die investiven Kosten seien nicht gebührenrelevant.

15

Von dem Beklagten würden des Weiteren satzungsfremde Leistungen in Abrechnung gebracht. Der Beklagte betreibe eine Annahmestelle für Abwasser aus Chemietoiletten aus Wohnmobilen. Das anfallende Abwasser würde mittels Stichleitung direkt in die zentrale Kläranlage geleitet. Es bestünde keine Notwendigkeit für die Errichtung der Annahmestelle. Eine Ermächtigung zum Betrieb einer solchen Einrichtung sei satzungsmäßig nicht vorgesehen. Nach § 6 b Abs. 1 Satz 1 h ABS sei die Einleitung des Inhalts von Grundstücksabwasseranlagen und Chemotoiletten verboten. Zudem würden die mit der Annahmestelle verbundenen Kosten faktisch auf die übrigen Nutzer der zentralen Abwasseranlage umgelegt. Denn die Benutzer zahlten unabhängig von der Menge des zu entsorgenden Abwassers einen Pauschalbetrag von 1 Euro. Die eingeleitete Abwassermenge werde nicht als Maßstab angelegt, obwohl dies in § 12 Abs. 1 der Entwässerungsabgabensatzung (EAS) vorgesehen sei. Die ungedeckten betriebsbedingten Kosten würden aus dem Gebührenhaushalt der Einrichtung der zentralen Abwasseranlage gedeckt.

16

Der Fäkalschlamm aus den Hauskläranlagen der dezentralen Abwasseranlage würde in der zentralen Kläranlage gereinigt und entsorgt. Der Verschmutzungsgrad liege jedoch erheblich höher als der Aufwand für die Reinigung des Abwassers aus der zentralen Abwasseranlage. Der jeweilige Aufwand werde nicht differenziert ermittelt und gehe zu Lasten der Nutzer der zentralen Abwasseranlage. Damit dürfte auch die Kalkulation für die dezentrale Abwasseranlage überholt sein.

17

Es liege zudem ein Verstoß gegen §§ 16 Abs. 1 Satz 1 und 17 Abs. 2 EAS vor.

18

Die Kläger beantragen,

den Bescheid des Trinkwasserverbandes J. vom 20. März 2006 aufzuheben, soweit hierdurch Abwassergebühren festgesetzt worden sind.

19

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

20

Der Beklagte habe für die Zeiträume 2002 bis 2004 und 2005 bis 2007 Gebührenkalkulationen gemäß den Vorschriften des NKAG aufgestellt und führe für die abgeschlossenen Wirtschaftsjahre jeweils die entsprechenden Nachkalkulationen durch. Die kalkulierten Gebühren seien im öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der S. bis 2007 festgeschrieben. Die von den Klägern beanstandete Gebührenrücklage bestehe zu Recht. Der Gründung des M. habe die Idee zugrunde gelegen, durch Rationalisierung und Ausnutzung von Synergieeffekten eine langfristige Gebührenstabilität zu erreichen. Es sei eine kostendeckende Durchschnittsgebühr für den Zeitraum 2002 bis 2007 kalkuliert worden. Mit den so in den ersten Jahren erzielten Überschüssen habe die Gebührenausgleichsrücklage zunächst aufgefüllt werden und später gebührenstabilisierend aufgelöst werden sollen. Da er - der Beklagte - in einem geschlossenen Rechnungskreislauf agiere, entstünden dem Benutzer der öffentlichen Einrichtung keine Nachteile. Die aus der Anlage erzielten Zinsen kämen dem Gebührenzahler zugute. Die Beteiligten sowie der Vorstand und die Verbandsversammlung des Beklagten hätten in Auslegung des NKAG den Kalkulationszeitraum zum Wohle des Gebührenzahlers und zur Erreichung einer Gebührenkonstanz wie beschrieben festgelegt und so die ihm zustehenden Ermessensspielräume ausgenutzt. Dem Risiko langer Kalkulationszeiträume begegne er mit einem zeitnahen Controlling-System. Am Ende der Vertragslaufzeit würden eventuell verbleibende Überdeckungen ausgeschüttet.

21

Die Kosten für die Grundstücksanschlüsse seien in der Gebührenkalkulation neutralisiert worden, d.h. nicht in die Kalkulation der Schmutzwassergebühren eingeflossen. Neutrale Kosten, wie die Kosten für Grundstücksanschlüsse, würden von dem jeweiligen Verursacher erhoben. Diejenigen Kosten, die nicht von den Grundstückseigentümern getragen würden oder durch Umlagen gedeckt seien, würden von der Q. getragen.

22

Es sei ein allgemein anerkanntes Verfahren, dass die Endabnehmer jährlich revolvierend über den Trinkwasserverband J. abgerechnet würden. Die jährlich nahezu gleichen Frischwassermengen zeigten, dass durch eine potentielle Abgrenzung der noch nicht abgerechneten Mengen am Jahresende per Hochrechnung der Verbräuche keine bedeutsame Verbesserung der Genauigkeit erzielt werde. Der in diesem Zusammenhang erhobene Zweifel am Gebührenmaßstab sei nicht nachvollziehbar. Der Abgabenschuldner zahle nach dem bundesweit für Schmutzwasser gültigen und anerkannten Frischwassermaßstab die Kosten für die Entsorgung seines Abwassers. Die Kosten der Niederschlagswassergebühr würden hiervon unabhängig getragen und seien in der beanstandeten Gebühr gerade nicht enthalten. Gegebenenfalls zusätzlich ins System eindringendes Fremdwasser führe nur zu unverhältnismäßig geringen Kosten der Ableitung. Für das Verbandsgebiet des Beklagten sei eine flächendeckende Kanaluntersuchung vorgenommen worden, bei der nur geringe Fremdwassereintritte festgestellt worden seien. Die Vermutung, dass Fäkalschlamm in die zentrale Kläranlage T. eingeleitet werde, sei unzutreffend. Der gesamte im Verbandsgebiet anfallende Fäkalschlamm werde bei der Q. angeliefert und im Klärwerk U. entsorgt. Die von den Klägern unterstellte Leistungseinheit von 1.500.000 m³ für die anfallende Abwassermenge sei nicht nachvollziehbar.

23

Der Gesamtaufwand der M. sei in der Kalkulation nicht gesondert aufgeschlüsselt worden, weil der Anteil mit rd. 0,4% an den gebührenfähigen Gesamtkosten sehr gering sei. Berücksichtigt worden seien Organkosten und Sachkosten, abzüglich sonstiger Erträge. Personalkosten würden nicht anfallen, da beim M. keine eigenen Mitarbeiter beschäftigt würden. Die durchschnittlichen Erträge von 3.000 Euro würden bei dem Beklagten anfallen. Diese beträfen Erträge aus Nebenforderungen (Mahngebühren, Säumniszuschläge). Bei den beanstandeten Steuern handele es sich um Kraftfahrzeugsteuern.

24

Die Steigerung der Personalkosten für die zentrale Abwasserentsorgung beruhe auf einer verursachungsgerechten Verteilung der Personalkosten zwischen zentraler und dezentraler Abwasserentsorgung, die sich aufgrund des erhöhten Grades des Anschlusses an die zentrale Abwasserentsorgung in den letzten Jahren ergeben habe. Zudem sei die Steigerung auf zu erwartende Tariferhöhungen zurückzuführen. Zahlungen an die Mitarbeiter der Q. seien ausschließlich aus Ansprüchen der geltenden Tarifverträge geflossen. Hinsichtlich der Planung und Herstellung von Anlagen handele die Q. im Namen und für Rechnung des Beklagten. Die Ingenieurleistungen würden auf der Basis von Selbstkostenpreisen abgerechnet. Für ihn - den Beklagten - handele es sich um Fremdleistungen. Für den Gebührenzahler sei es im Ergebnis ohne Relevanz, ob diese Kosten direkt über die Personalkosten von der Q. oder wie in der Vergangenheit langfristig über Abschreibungen und Zinsen der getätigten Investitionen refinanziert würden.

25

Er - der Beklagte - bringe keine satzungsfremden Leistungen in Abrechnung. Die Annahmestellen für Abwasser aus Chemietoiletten aus Wohnmobilen stellten Abwasserbehandlungsanlagen im Sinne des § 1 Abs. 2 der Abwasserbeseitigungssatzung (ABS) des Beklagten dar. Es bestehe auch eine Notwendigkeit für eine solche Annahmestelle, denn die Abwasserbeseitigungspflicht des Beklagten beziehe sich nicht nur auf das Abwasser der im Verbandsgebiet wohnenden, sondern auf das gesamte, im Verbandsgebiet anfallende Abwasser. Der Beklagte sei daher verpflichtet, auch das von Gästen und Touristen im Verbandsgebiet erzeugte Abwasser zu beseitigen. Der von dem Beklagten erhobene Pauschalbetrag entspreche in jedem Fall den Gebührensätzen in § 12 Abs. 1 EAS, denn die aus Wohnmobilen eingeleiteten Abwässer betrügen mengenmäßig immer weniger als 1 m³. Ein eigener Gebührenmaßstab sei nicht erforderlich, da die hierfür entstehenden Kosten unmaßgeblich und als Annex-Geschäft einzustufen seien. Die Kosten für die Annahmestation seien in der Gebührenkalkulation mit in die Anlagebewertung eingeflossen und nähmen über die kalkulatorischen Kosten (Abschreibungen) unwesentlichen Einfluss auf die Höhe der Abwassergebühr.

26

Die dezentrale Abwasserbeseitigungsanlage bzw. die insoweit festgelegte Gebühr habe für den streitgegenständliche Fall keine Bedeutung. Die Kläger seien zu Gebühren für die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage herangezogen worden.

27

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

29

Der Gebührenbescheid des Trinkwasserverbands J. vom 20.03.2006 betreffend die Heranziehung zu Abwassergebühren für den Zeitraum 01.03.2005 bis 28.02.2006 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

30

Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu Abwassergebühren ist die Satzung über die Erhebung von Beiträgen, Gebühren und Grundstücksanschlusskosten für die Abwasserbeseitigung des V. vom 26.08.1992 in der Fassung der 9. Änderungssatzung vom 05.12.2001 - Entwässerungsabgabensatzung (EAS). Der Beklagte erhebt nach § 1 Abs. 2 b) i.V.m. § 11 EAS Benutzungsgebühren für die Inanspruchnahme der zentralen öffentlichen Abwasseranlage. Die Abwassergebühr wird nach der Abwassermenge bemessen, die in die öffentliche Abwasseranlage gelangt. Berechnungseinheit für die Gebühr ist 1 m³ Abwasser, § 12 Abs. 1 EAS. Der Gebührensatz beträgt nach § 13 EAS 2,32 Euro/m³. Der Trinkwasserverband J. ist mit der Festsetzung und Erhebung der Gebühren beauftragt, § 17 Nr. 4 EAS.

31

Vorliegend hat der Beklagte den Gebührensatz für die Jahre 2005 bis 2007 rückwirkend beschlossen und damit zum Bestandteil seiner Entwässerungsabgabensatzung gemacht (1). Der festgesetzte Gebührensatz ist jedoch fehlerhaft und damit nichtig (2).

32

1.

Gebühren für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung dürfen nur erhoben werden, wenn der Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Gebührenpflicht im zeitlichen Geltungsbereich einer gültigen Gebührensatzung liegt. Der Gebührensatz ist notwendiger Bestandteil der Satzung, § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG. Der Gebührensatz muss auf einer vom Ortsgesetzgeber beschlossenen stimmigen Gebührenkalkulation beruhen; anderenfalls ist er ungültig (Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 721). Besteht im Zeitpunkt der Verwirklichung des Gebührentatbestandes keine oder keine gültige Satzung, bleibt die Benutzung der öffentlichen Einrichtung gebührenfrei, es sei denn, dieser Zeitpunkt wird nachträglich in den zeitlichen Geltungsbereich einer späteren Satzung einbezogen, die sich in zulässiger Weise Rückwirkung beimisst. Um eine Gebührenerhebung zu rechtfertigen, reicht es nicht aus, dass eine Gebührensatzung ohne Rückwirkung der Verwirklichung des Gebührentatbestandes nachfolgt oder etwa nur den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Gebührenbescheides erfasst. Hat der Ortsgesetzgeber keinen Beschluss speziell zur Rückwirkung gefasst, kann dieser Mangel nicht geheilt werden (Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 723).

33

Vorliegend hat die Verbandsversammlung des Beklagten der Kalkulation der Abwassergebühr 2005 - 2007 erst in der Sitzung vom 20.07.2006 zugestimmt und beschlossen, dass die Abwassergebühr auf Grundlage dieser Gebührenkalkulation für die Jahre 2005 - 2007 wie bisher auf 2,32 Euro festgesetzt wird. Die Festsetzung des Gebührensatzes erfolgte damit zwar erst im Juli 2006. Jedoch lässt sich aus dem Beschluss hinreichend deutlich erkennen, dass der Festsetzung Rückwirkung für die Jahre 2005 - 2007 zukommen sollte.

34

2.

Der in der Satzung festgesetzte Gebührensatz ist jedoch fehlerhaft und damit nichtig. Er verstößt gegen § 5 NKAG, und zwar sowohl gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 5 Abs. 1 Satz 2 NKAG als auch gegen das Ausgleichsgebot des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG. Dazu im Einzelnen:

35

Die Gemeinden und Landkreise erheben als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen Benutzungsgebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Das Gebührenaufkommen soll die Kosten der jeweiligen Einrichtung decken, jedoch nicht übersteigen, § 5 Abs. 1 Satz 2 NKAG. Die Kosten der Einrichtung sind nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu ermitteln. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 NKAG kann der Gebührenberechnung ein Kalkulationszeitraum zugrunde gelegt werden, der drei Jahre nicht übersteigen soll. Weichen am Ende eines Kalkulationszeitraums die tatsächlichen von den kalkulierten Kosten ab, so sind Kostenüberdeckungen innerhalb der nächsten drei Jahre auszugleichen, § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG.

36

Die Gebührenpflichtigen dürfen nur mit denjenigen Kosten belastet werden, die den Nutzungen in der betreffenden Kalkulationsperiode entsprechen. Aus dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit folgt, dass sich der Kalkulationszeitraum im Grundsatz mit dem Veranlagungszeitraum decken muss (Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 92 f.). Mit Wirkung vom 01.01.1992 hat der niedersächsische Landesgesetzgeber in § 5 Abs. 2 Satz 2 NKAG bestimmt, dass der Gebührenberechnung ein Kalkulationszeitraum zugrunde gelegt werden kann, der drei Jahre nicht überschreiten soll; einen von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen gewünschten längeren Zeitraum von fünf Jahren hat er ausdrücklich abgelehnt (LT-Drs. 12/2275 S. 12; zitiert nach Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 726a). In der Begründung des Gesetzes zur Änderung des NKAG vom 17. Dezember 1991, mit dem die Vorgabe eines solchen Kalkulationszeitraums eingefügt wurde, wurde hierzu ausgeführt, dass das bisher für den betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff geltende Jahresprinzip gelockert und den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt werden solle, der Gebührenkalkulation einen (Kalkulations-)Zeitraum von bis zu drei Jahren zu Grunde zu legen. Bei Wahl eines - beispielsweise - dreijährigen Kalkulationszeitraums ist die Kommune damit berechtigt, prognostisch die voraussichtlichen Kosten dieses Zeitraums durch die Summe der zu erwartenden Maßstabseinheiten dieses Zeitraumes zu dividieren und dann einen einheitlichen Abgabensatz für drei Jahre zu ermitteln. Wenn bei der Veranlagung im ersten Jahr des dreijährigen Kalkulationszeitraums auch solche Kosten anteilig auf die Abgabenschuldner umgelegt werden, die erst für die folgenden beiden Jahre der Kalkulationsperiode veranschlagt worden sind, so handelt es sich hierbei um eine zwingende Konsequenz der vom Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 Satz 2 NKAG mit dem Ziel eröffneten mehrjährigen Kalkulation, Abgaben über mehrere Jahre konstant zu halten (vgl. dazu: Verwaltungsgericht Oldenburg, Urteil vom 22.06.2006 - 2 A 3746/02 -; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 27.01.2000 - 2 S 1621/97 - zitiert nach [...]).

37

Vorliegend bestehen schon Zweifel an der Einhaltung des maximalen dreijährigen Kalkulationszeitraums, wie er in § 5 Abs. 2 Satz 2 NKAG vorgeschrieben ist. Durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Q. und M. unter Zustimmung des Beklagten sind die Gebühren für einen Zeitraum von sechs Jahren faktisch festgeschrieben worden. Es hat eine Globalkalkulation zum Zwecke der Aufteilung des Gebührenaufkommens stattgefunden. Diese Kalkulation hat für die Jahre 2002 bis 2007 eine kostendeckende Durchschnittsgebühr von 2,32 Euro/m³ ergeben. An diesen festgeschriebenen Werten orientieren sich ganz offensichtlich die Kalkulationen der Q. für die Jahre 2002 - 2004 und 2005 - 2007, die jeweils eine kostendeckende Gebühr von 2,32 Euro/m³ aufweisen. Die vorstehenden dreijährigen Kalkulationen stellen sich in Anbetracht der Regelung in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag jedoch als bloße Formalie dar. Die eigentliche Kalkulation bezog sich auf einen Zeitraum von sechs Jahren. So führt auch der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 01.08.2006 auf Seite 3 aus, dass die kalkulierten Gebühren im öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Q. bis 2007 festgeschrieben seien. Im Schriftsatz vom 23.11.2006 heißt es auf Seite 4, dass eine kostendeckende Durchschnittsgebühr für den Zeitraum 2002 bis 2007 kalkuliert worden sei. Ziel sei eine langfristige Gebührenstabilität. Das Ziel einer langfristigen Gebührenstabilität darf jedoch nach der ausdrücklichen Entscheidung des niedersächsischen Landesgesetzgebers nur insoweit Vorrang vor dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit haben, als ein Zeitraum von maximal drei Jahren betroffen ist. Dies ist hier augenscheinlich nicht der Fall.

38

Jedenfalls ist die über einen Zeitraum von sechs Jahren (2002 bis 2007) praktizierte Zuführung zur Gebührenausgleichsrücklage mit § 5 Abs. 1 und 2 NKAG nicht vereinbar. Der Beklagte führt auf Seite 4 seines Schriftsatzes vom 23.11.2006 aus, dass die Gebührenausgleichsrücklage mit den in den ersten Jahren erzielten Überschüssen zunächst aufgefüllt werden und später gebührenstabilisierend aufgelöst werden sollte. So könne für den Zeitraum von 2002 bis 2007 eine Durchschnittsgebühr von 2,32 Euro/m³ erreicht werden. Da er - der Beklagte - in einem geschlossenen Rechnungskreislauf agiere, entstünden dem Benutzer keine Nachteile. In dem Schriftsatz vom 01.03.2007 heißt es, dass nach Ende der Vertragslaufzeit die verbleibenden Überdeckungen ausgeschüttet würden. In der textlichen Begründung zur Kalkulation 2005 - 2007 wird ausgeführt, dass eine Zuführung zur Gebührenausgleichsrücklage auch in den Folgejahren möglich sei. Damit könne eine konstante Gebühr auch über den Kalkulationszeitraum hinaus erzielt werden.

39

Diese von dem Beklagten gewählte Methode der Schaffung einer sog. Gebührenausgleichsrücklage über einen Zeitraum von (mindestens) sechs Jahren als Risikorücklage zur Vermeidung von Gebührenschwankungen ist mit dem Grundsatz der Periodengerechtigkeit und dem Kostenüberschreitungsverbot nicht zu vereinbaren. Die Unzulässigkeit einer Rücklagenbildung, die allein dem Zweck des Ausgleichs unerwarteter Kostensteigerungen und damit der Gebührenstabilität dient, erklärt sich aus dem Zusammenspiel von Kostenüberschreitungsgebot des § 5 Abs. 1 Satz 2 NKAG und Ausgleichsgebot des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG, dem Gebührenschwankungen immanent sind. Die Rücklagen führen dazu, dass der die Gebühren aufbringende Personenkreis in wachsendem Umfang nicht (mehr) identisch mit dem Kreis der Benutzer ist. Gebührenstabilität mag zwar ein kommunalpolitisch erstrebenswertes Ziel sein, wird aber durch das Gesetz nicht zu einem Gebührenbemessungsgrundsatz erhoben und hat sich daher den in § 5 NKAG genannten Prinzipien unterzuordnen (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 02.04.2004 - 4 N 00.1645 - zitiert nach [...]). Der Satzungsgeber kann die Gebührenstabilität nur durch eine vorausschauende Planung und im Rahmen seines Ermessens - z.B. durch die sachgerechte Festlegung des Kalkulationszeitraums - verwirklichen. Sofern diese planerischen Instrumente nicht ausreichen, sind Gebührenschwankungen als unvermeidlich hinzunehmen. Eine durch das Ausgleichsgebot des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG innerhalb der nächsten 3 Jahre gebotene Gebührensenkung darf jedenfalls nicht im Interesse der Gebührenkontinuität unterlassen werden, etwa weil künftige Kostensteigerungen drohen. Die dahingehende Ausübung des Ermessens durch den Satzungsgeber hat aufgrund der sachfremden, nicht mit § 5 NKAG zu vereinbarenden Erwägungen die Unwirksamkeit der festgelegten Gebührensätze zur Folge (Verwaltungsgericht Osnabrück, Urteil vom 15.11.2005 - 1 A 88/05 - zitiert nach [...]).

40

Die Dreijahresgrenze des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG ist, da sie eine Durchbrechung des bei Benutzungsgebühren grundsätzlich geltenden Grundsatzes der Periodengerechtigkeit darstellt, die absolute Obergrenze für den Ausgleich von Über- und Unterdeckungen. Kostenüberdeckungen aus dem vorangegangenen Abrechnungszeitraum müssen den Gebührenschuldnern so zeitnah wie möglich zugute gebracht werden. Ihr Abbau darf nicht auf spätere Abrechnungszeiträume verschoben werden. Unter Berücksichtigung gewisser Spielräume für den Satzungsgeber führen zwar geringfügige Kostenüberdeckungen nicht zur Nichtigkeit der Gebührensatzung. Doch selbst wenn man im vorliegenden Fall nur eine geringfügige Kostenüberdeckung durch Bildung der Gebührenausgleichsrücklage annehmen würde, hätte diese eine Nichtigkeit der Gebührensatzung zur Folge. Die Kostenüberdeckung durch Bildung der Gebührenausgleichsrücklage ist nämlich keine Folge fehlerhafter Haushaltsanschläge als solcher. Der Beklagte hat vielmehr bewusst eine Kostenüberdeckung herbeigeführt. Er hat die Gebühren für die Jahre 2005 - 2007 denjenigen des vorhergehenden Kalkulationszeitraums angepasst und die Einnahmen- und Ausgabenrechnung auf die Erreichung dieses Ziels abgestellt. Werden Gebührenkalkulationsergebnisse von Umständen bestimmt, die ihre Wurzeln nicht im Haushalt des Kalkulationszeitraums haben, so liegen sie außerhalb des durch die Sollbestimmung des § 5 Abs. 1 Satz 2 NKAG umrissenen Spielraums. Auf solchen Kalkulationen beruhende Satzungen sind nichtig. Sie widersprechen der Normqualität der Gebührensatzung, wonach die Prognose nur für den Kalkulationszeitraum anzustellen ist. Die Ausrichtung der Gebühren nach denjenigen des vorhergehenden Bemessungszeitraums verstößt zugleich gegen die in Art. 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG vorgeschriebene Verpflichtung, Kostenüberdeckungen, die sich am Ende des Bemessungszeitraums ergeben, innerhalb der nächsten drei Jahre auszugleichen. Die Verpflichtung einzuhalten ist zwingend (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25.02.1998 - 4 B 97.399 - zitiert nach [...]).

41

Die von dem Beklagten vorgenommene Gebührenermittlung ist aus diesen Aspekten heraus nicht haltbar.

42

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

43

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

44

...

45

Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

46

...

47

...

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf

148,48 Euro

festgesetzt.

...

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.

Teichmann
Steffen
Obelode