Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 17.07.2008, Az.: 6 A 292/07

Berechnung von Zahlungsansprüchen eines Betriebsinhabers durch Feststellung eines Referenzbetrages bei fehlender Anpassung der Pachtbedingungen; Entsprechende Geltung der Betriebsprämiendurchführungsverordnung (BetrPrämDurchfV) für Betriebsinhaber eines verpachteten Betriebs oder Betriebsteils; Voraussetzungen für die Zugrundelegung betriebsindividueller Beträge i.R.d. Referenzberechnung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
17.07.2008
Aktenzeichen
6 A 292/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 19159
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2008:0717.6A292.07.0A

Verfahrensgegenstand

Zahlungsansprüche

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2008
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Gärtner,
den Richter am Verwaltungsgericht Fahs,
die Richterin Dr. Drews sowie
die ehrenamtlichen Richter C. und D.
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2007 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger ab dem Jahr 2006 zusätzliche 17,5 Zahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung für Ackerland und 3,31 Zahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung für Grünland zuzuweisen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt weitere Zahlungsansprüche im Rahmen der einheitlichen Betriebsprämienregelung.

2

Der Kläger bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb in E.-F.. Zu den Betriebsflächen gehört seit dem 1. Oktober 2005 auch das Flurstück 56 der Flur 10 der Gemarkung F..

3

Der Landwirt G. Dietrich H., der Schwiegervater des Klägers, erwarb dieses Flurstück durch Vorkaufsrechtsausübungserklärung vom 24. Juli 1998. Das Flurstück wurde ihm am 3. September 1998 aufgelassen. Die Fläche war durch Pachtvertrag vom 13. Mai 1998 bis zum 30. September 2008 an den Tierarzt und Landwirt Dr. I. verpachtet. Durch einen vor dem Amtsgericht J. - Landwirtschaftsgericht - am 23. November 1999 geschlossenen Vergleich wurde die Pachtzeit auf den 30. September 2005 verkürzt.

4

Durch notariellen Übergabevertrag vom 8. Februar 2000 übergab der Schwiegervater des Klägers das Flurstück mit Wirkung vom 1. Dezember 1999 dem Kläger und seiner Ehefrau je zur ideellen Hälfte. In § 5 des Vertrages mit der Überschrift "Gegenleistung" heißt es:

"Die Übernehmer haben dem Überlasser seinerzeit die Mittel für den Erwerb des Grundstücks darlehnsweise vorgestreckt. Anstelle einer Darlehnsrückzahlung wird das Grundstück auf die Übernehmer übertragen. Das Darlehnskapital ist mit dieser Übertragung als getilgt anzusehen. Darüber hinaus überlässt der Überlasser dem Übernehmer alle bisher angefallenen Nutzungen des Grundstücks anstelle einer Verzinsung.

Ein weiterer Leistungsaustausch findet nicht statt."

5

Im Rahmen des Antrags auf Agrarförderung 2003 meldete der damalige Pächter eine Teilfläche des Flurstücks zur Größe von 17,50 ha als Ackerland und eine Teilfläche von 3,53 ha als Dauergrünland an.

6

Am 29. April 2005 beantragte der Kläger bei der Kreisstelle der Landwirtschaftskammer Hannover in K. die Festsetzung von Zahlungsansprüchen und stellte den Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2005. In dem dem Antrag beigefügten Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis (GFN) führte der Kläger Flächen des Flurstücks 56 nicht auf, da dieses noch verpachtet war. Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte für den Kläger Zahlungsansprüche fest.

7

Am 11. Mai 2006 stellte der Kläger bei der Bezirksstelle L. - Außenstelle K. - der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, die am 1. Januar 2006 an die Stelle der Landwirtschaftskammer Hannover getreten ist, den Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2006. In dem beigefügten GFN führte er unter der lfd. Nr. 9 - Feldblockidentifikationsnummer DENILI 0421680393 - zwei Ackerschläge zur Größe von 14,55 ha und 3,70 ha unter der lfd. Nr. 10 - Feldblockidentifikationsnummer DENILI 0421680392 -, Schlag 14, Grünland (Mähweide) zur Größe von 2,56 ha auf. Unter II 4.3 des Antragsformulars beantragte er die Zuweisung von Zahlungsansprüchen bzw. betriebsindividuellen Beträgen aus der nationalen Reserve wegen Pacht oder Kauf von Flächen oder Betrieben bzw. Betriebsteilen zwischen dem 01.01.2003 (nur bei Pacht) und dem 15. Mai 2004 gemäß Art. 22 VO (EG) Nr. 795/2004.

8

Er fügte dem Antrag den Vordruck L (Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen und betriebsindividuellen Beträgen aus der nationalen Reserve aufgrund Kauf von Pachtflächen gemäß Art. 22 Abs. 2 VO [EG] Nr. 795/2004) bei. Darin erklärte er: Er habe bis spätestens zum 15. Mai 2004 - nämlich mit Kaufvertrag vom 8. Februar 2000 - einen Betrieb oder Betriebsteil gekauft. Dieser stehe ihm erst nach dem 17. Mai 2005 zur Verfügung. Die Flächen dieses Betriebes oder Betriebsteiles seien zum Zeitpunkt des Kaufes an einen Dritten, den Pächter Dr. I., verpachtet worden. Der Pachtvertrag datiere vom 13. Mai 1998. Datum des Pachtbeginns sei der 1. Oktober 1998 gewesen, Datum des Pachtendes der 30. September 2005. Er habe den Pachtvertrag nicht verlängert und die Flächen nach Ablauf des Pachtvertrages nicht mehr verpachtet. Er beantrage die Zuweisung von Zahlungsansprüchen für die in der anliegenden Tabelle aufgelisteten Flächen (Lfd. Nr. GFN 2006: 9 und 10) zur Größe von 14,55 ha, 3,70 ha und 2,56 ha (insgesamt 20,81).

9

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen und betriebsindividuellen Beträgen aus der nationalen Reserve aufgrund des Kaufes einer Pachtfläche gemäß Art. 22 Abs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004 mit Bescheid vom 7. Februar 2007, abgesandt am 9. Februar 2007, ab und führte zur Begründung aus: Die Voraussetzungen für die Anerkennung der besonderen Lage seien nicht erfüllt. Gemäß Art. 13 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 könne nur der Betriebsinhaber, der den Betrieb oder einen Betriebsteil erhalten habe, im eigenen Namen die Berechnung der Zahlungsansprüche für den erhaltenen Betrieb oder Betriebsteil beantragen. Der Kläger sei jedoch nicht Käufer des Flurstücks 56. Vielmehr habe sein Schwiegervater das Flurstück gekauft. Dieser habe es mit notariellem Vertrag vom 8. Februar 2000 je zur ideellen Hälfte auf den Kläger und seine Ehefrau übertragen. Damit sei der Kläger als Antragsteller nicht Flächeninhaber und erfülle die Antragsvoraussetzungen nicht.

10

Daraufhin hat der Kläger am 2. März 2007 die vorliegende Klage erhoben.

11

Zur Begründung macht er geltend:

12

Ihm stehe ein Anspruch auf Zuweisung von 17,5 weiteren Zahlungsansprüchen für Ackerland und 3,31 Zahlungsansprüchen für Grünland gemäß Art. 22 Abs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004 i.V.m. § 16 der Betriebsprämiendurchführungsverordnung - BetrPrämDurchfV - zu. Die entsprechende Fläche sei ihm und seiner Ehefrau durch einen Übergabevertrag übertragen worden. Sie hätten als Gegenleistung auf den Anspruch auf Rückgewähr eines Darlehens verzichtet. Mithin liege ein Kaufvertrag vor. Jedenfalls aber wäre die Ausübung des Vorkaufsrechts durch seinen Schwiegervater dem Kläger und seiner Ehefrau zuzurechnen, da diese die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt hätten und von Anfang an festgestanden habe, dass der Kläger die Flächen bewirtschaften sollte. Die Beklagte habe den Antrag zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger nicht mit dem Flächeninhaber identisch sei. Die Beklagte stütze sich offenbar auf Art. 22 Abs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004. Danach müsse die Aufnahme einer landwirtschaftlichen Tätigkeit beabsichtigt sein. Die Regelung müsse nach Sinn und Zweck ausgelegt werden. Sie diene dem nach der EuGH-Rechtsprechung erforderlichen Vertrauensschutz. Dieser Vertrauensschutz sei nur gewährleistet, wenn die erworbene Fläche nicht als bloßes Spekulationsobjekt dienen solle, sondern beabsichtigt sei, diese tatsächlich landwirtschaftlich zu nutzen. Eine Einschränkung dergestalt, dass bei einer Eigentümergemeinschaft diese gemeinsam Antragsteller seien und die Fläche gemeinsam beantragen müsse, enthalte Art. 22 Abs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004 gerade nicht. Dies würde auch dem bezweckten Vertrauensschutz widersprechen. Aber selbst wenn man der Auslegung der Beklagten folgen wollte, erfülle er die Anforderungen. Die Ehegatten übten nämlich die landwirtschaftliche Tätigkeit bezogen auf das streitige Grundstück gemeinsam aus. Seine Ehefrau und er seien zu gleichen Teilen Eigentümer der Fläche. Beide stellten zu gleichen Teilen ihre Arbeitskraft zur Verfügung. Nach außen trete jedoch nur der Kläger auf. Mithin bildeten die Eheleute eine BGB-Innengesellschaft. Sie würden steuerlich folgerichtig als BGB-Innengesellschaft geführt. Somit habe der Kläger den Antrag für die mit seiner Ehefrau geführte BGB-Innengesellschaft gestellt. Daher bewirtschafteten die "Erwerber" der Fläche diese nunmehr auch und seien zur wirtschaftlich vertretbaren weiteren Bewirtschaftung auf die Zuweisung von Zahlungsansprüchen angewiesen.

13

Die Regelungen des § 16 BetrPrämDurchfV stünden dem Begehren nicht entgegen. Zwar werde nach § 16 Abs. 1 BetrPrämDurchfV in den Fällen der Pacht oder des Kaufes eines Betriebes oder Betriebsteiles im Sinne des Art. 22 VO (EG) Nr. 795/2004 bei der Ermittlung des Referenzbetrages nur dann ein betriebsindividueller Betrag zugrunde gelegt, wenn Gegenstand des Pacht- oder Kaufvertrages nicht ausschließlich Flächen seien. Die Verordnung unterscheide jedoch zwischen der Zuweisung eines flächenbezogenen Betrages und der Zuweisung eines betriebsindividuellen Betrages. Der Kläger begehre aber keinerlei betriebsindividuelle Beträge. Er erstrebe lediglich die Zuweisung eines flächenbezogenen Betrages für die in die Bewirtschaftung übernommenen Flächen. Der Erwerb von Flächen, die im Referenzzeitraum bzw. am 17. Mai 2005 verpachtet waren, sei der klassische Fall des Art. 22 VO (EG) Nr. 795/2004. Dieses sei auch der Begründung der Betriebsprämiendurchführungsverordnung (Bundesratsdrucksache 728/04) zu entnehmen. Darin werde bei § 16 auf die Begründung zu § 14 verwiesen. Dort gehe es ausdrücklich um die Zuweisung von flächenbezogenen Beträgen. Die Broschüre des Bundeslandwirtschaftsministeriums "Die EU-Agrarreform-Umsetzung in Deutschland" (Seiten 23 f.) sehe genau diese Unterscheidung vor. Dort werde ausgeführt, dass in den Fällen des Flächenkaufes oder der langfristigen Flächenpacht der Referenzbetrag allein auf der Grundlage der flächenbezogenen Beträge berechnet werde. Mithin sei es hier nicht erforderlich, dass neben Flächen auch andere Produktionseinheiten miterworben würden. Auch der Erwerb von Prämienrechten nach § 16 Abs. 1 Satz 2 BetrPrämDurchfV sei nicht erforderlich. Diese Regelung beziehe sich lediglich auf den betriebsindividuellen Betrag und im Übrigen nur auf die Art von Direktzahlungen, für die auch Prämienrechte o.ä. zugewiesen worden seien. Ansonsten bestünde eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Mutterkuhhaltern und Bullenmästern. Eine anderweitige Auslegung wäre auch mit dem sekundären Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar. Nach Art. 22 VO (EG) Nr. 795/2004 sollten für den Erwerb von Betrieben oder Betriebsteilen Referenzbeträge aus der nationalen Reserve zugewiesen werden. Diese Regelung müsse gemeinschaftsrechtskonform in nationales Recht umgesetzt werden. Es müssten also sowohl flächenbezogene als auch betriebsindividuelle Beträge - sofern diese begehrt werden - zugewiesen werden, wenn sich in der nationalen Umsetzung der Betriebsprämienregelung - wie im deutschen Kombinationsmodell - der Zahlungsanspruch aus einem flächenbezogenen und einem betriebsindividuellen Betrag zusammensetze. Andernfalls liege eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung mit Mitgliedstaaten vor, die das historische Modell umgesetzt hätten. Hier ergebe sich aus Art. 22 VO (EG) Nr. 795/2004, dass die gewährten Flächenprämien in den Referenzbetrag, der aus der nationalen Reserve zugewiesen wird, mit einflössen.

14

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger ab dem Jahr 2006 zusätzliche 17,5 Zahlungsansprüche für Ackerland mit einem Wert von 255,12 EUR/ha und 3,31 Zahlungsansprüche für Grünland mit einem Wert von 99,75 EUR/ha zuzuweisen.

15

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Sie erwidert:

17

Gemäß Art. 22 Abs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004 erhalte ein Betriebsinhaber Zahlungsansprüche für im Bezugszeitraum verpachtete Flächen, die er mit der Absicht gekauft habe, die landwirtschaftliche Tätigkeit innerhalb eines Jahres nach Auslaufen der Pacht aufzunehmen oder auszuweiten. Hier habe jedoch nicht der Kläger die Flächen gekauft, sondern sein Schwiegervater, der den Kaufgegenstand anschließend mit Übertragungsvertrag auf den Kläger und seine Ehefrau je zur ideellen Hälfte übertragen habe. Selbst wenn man der Auffassung des Klägers folge und den Übergabevertrag aufgrund der Regelungen in § 5 als Kaufvertrag ansehe, scheitere die Zuweisung von Zahlungsansprüchen an der fehlenden Betriebsinhabereigenschaft des Klägers. Als Betriebsinhaber gälten gemäß Art. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 alle natürlichen und juristischen Personen, deren Betrieb sich im EG-Gebiet befindet und die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübten. Der Betrieb werde dabei als Gesamtheit der vom Betriebsinhaber verwalteten Produktionseinheiten (z.B. beihilfefähige Flächen) definiert. Die landwirtschaftlichen Flächen müssten dem Betriebsinhaber nach Art. 44 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 für mindestens 10 Monate zur Verfügung stehen. Ausweislich des Übergabevertrages besitze der Kläger nicht die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über das auch seiner Ehefrau anteilig übertragene Grundstück.

18

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Außerdem haben der Kammer die Gerichtsakten 13 Lw 35/99 Amtsgericht J. - Landwirtschaftsgericht - vorgelegen.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage ist begründet.

20

Der Kläger hat Anspruch auf die Zuweisung der begehrten Zahlungsansprüche ab dem Jahr 2006.

21

Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers kommt § 16 der Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsverordnung - BetrPrämDurchfV - vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3204) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I. S. 2376), zuletzt geändert Art. 1 der Verordnung vom 8. Mai 2008 (BGBl. I S. 801), in Verbindung mit Artikel 22 der VO (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. L 141 S. 1) - mit späteren Änderungen (jetzt in der Fassung der VO (EG) Nr. 1522/2007 vom 19. Dezember 2007) - in Betracht.

22

Gemäß Art. 22 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 erhält ein Betriebsinhaber, der zwischen dem Ende des Bezugszeitraums und spätestens dem 15. Mai 2004 für mindestens sechs Jahre einen Betrieb oder einen Betriebsteil, dessen Pachtbedingungen nicht angepasst werden können, gepachtet hat, Zahlungsansprüche, die berechnet werden, indem der vom Mitgliedsstaat nach objektiven Kriterien unter Gewährleistung der Gleichbehandlung der Betriebsinhaber und unter Vermeidung von Markt- und Wettbewerbsverzerrungen festgestellte Referenzbetrag durch eine Hektarzahl geteilt wird, die die gepachtete Hektarzahl nicht übersteigt.

23

Gemäß Art. 22 Abs. 2 Unterabsatz 1 VO (EG) Nr. 795/2004 gilt Abs. 1 auch für Betriebsinhaber, die im Bezugszeitraum oder davor oder bis spätestens 15. Mai 2004 einen Betrieb oder Betriebsteil, dessen Flächen im Bezugszeitraum verpachtet waren, mit der Absicht gekauft haben, die landwirtschaftliche Tätigkeit innerhalb eines Jahres nach Auslaufen der Pacht aufzunehmen oder auszuweiten.

24

Gemäß § 16 Abs. 1 BetrPrämDurchfV wird in Fällen der Pacht oder des Kaufes eines Betriebes oder Betriebsteiles im Sinne des Art. 22 VO (EG) Nr. 795/2004 bei der Ermittlung des Referenzbetrages nur dann ein betriebsindividueller Betrag zugrunde gelegt, wenn Gegenstand des Pacht- oder Kaufvertrages nicht ausschließlich Flächen sind (Satz 1). Ein betriebsindividueller Betrag wird nur in dem Umfang zugrunde gelegt, in dem Prämienansprüche, Lieferrechte, Zuckerrübenlieferrechte oder Produktionsquoten im Rahmen des Verkaufs oder der Verpachtung des Betriebes oder Betriebsteiles mit übertragen worden sind (Satz 2). § 14 Abs. 2 gilt entsprechend (Satz 3). Ein Referenzübertrag für die Zuweisung von Zahlungsansprüchen wird also nur festgesetzt, wenn sich der Referenzbetrag des Betriebsinhabers, der vor Anwendung dieser Vorschrift für ihn ermittelt worden ist, entweder mindestens um 5 vom Hundert, mindestens aber um 500 Euro, oder mindestens um 5.000 Euro erhöht. Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 BetrPrämDurchfV wird bei Beantragung von Zahlungsansprüchen im Jahr 2005 bei der Ermittlung des Referenzbetrages der betriebsindividuelle Betrag entsprechen § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 3 des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes berechnet. Maßgeblich ist nach Satz 2 unbeschadet des Abs. 1 Satz 2 die dem Pachtvertrag oder dem Kaufvertrag zugrunde liegende Produktionskapazität. Ist Gegenstand des Pachtvertrages oder Kaufvertrages auch eine einzelbetriebliche Milchreferenzmenge, so wird hierfür nach Satz 3 ein betriebsindividueller Betrag entsprechend § 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes berechnet, sofern diese dem Betriebsinhaber nicht bereits am 31. März 2005 zur Verfügung steht.

25

Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 BetrPrämDurchfV wird der Referenzbetrag bei Beantragung von Zahlungsansprüchen ab dem Jahr 2006 - wie hier - ermittelt, indem der betriebsindividuelle Betrag nach Abs. 2 Satz 1 bis 3 einschließlich des aus § 5 Abs. 4 Nr. 1 des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes ergebenden Betrages errechnet wird. Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 4 BetrPrämDurchfV wird für die flächenbezogenen Beträge § 12 BetrPrämDurchfV zugrunde gelegt. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift entspricht für die Anwendung der §§ 14 bis 18 der flächenbezogene Betrag je Hektar für Dauergrünland dem Betrag, der in der jeweiligen Region im Sinne des § 2 Abs. 2 des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes im Jahr 2005 nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes oder aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes für beihilfefähige Flächen, die am 15. Mai 2003 als Dauergrünland genutzt wurden, angewendet wurde. Gemäß § 12 Abs. 2 BetrPrämDurchfV entspricht für die Anwendung der §§ 14 bis 18 der flächenbezogene Betrag je Hektar für sonstige beihilfefähige Flächen dem Betrag, der in der jeweiligen Region im Sinne des § 2 ABs. 2 des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes im Jahr 2005 nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes oder aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 des Betriebsprämiendurchführungsgesetzes für sonstige beihilfefähige Flächen angewendet wurde.

26

Nach diesen Vorschriften stehen dem Kläger die begehrten zusätzlichen 17,5 Zahlungsansprüche für Ackerland und 3,31 Zahlungsansprüche für Grünland ab dem Jahr 2006 wegen einer besonderen Lage im Sinne des Art. 22 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004 - Kauf eines Betriebes oder Betriebsteiles, dessen Flächen im Bezugszeitraum verpachtet waren - zu.

27

Der Kläger ist Betriebsinhaber im Sinne von Art. 22 Abs. 2 (EG) Nr. 795/2004. Diese Verordnung enthält Durchführungsbestimmungen zur Betriebsprämienregelung gemäß der VO (EG) Nr. 1782/2003. Gemäß Art. 2 Buchstabe a) VO (EG) Nr. 1782/2003 bezeichnet der Ausdruck "Betriebsinhaber" eine natürliche oder juristische Person oder eine Vereinigung natürlicher oder juristischer Personen, unabhängig davon, welchen rechtlichen Status die Vereinigung und ihre Mitglieder aufgrund nationalen Rechts haben, deren Betrieb sich im Gebiet der Gemeinschaft im Sinne des Art. 299 des Vertrags befindet und die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübt. "Betrieb" im Sinne der VO(EG) Nr. 1782/2003 ist gemäß Art. 2 Buchstabe b) dieser Verordnung die Gesamtheit der vom Betriebsinhaber verwalteten Produktionseinheiten, die sich im Gebiet eines Mitgliedstaates befinden. Gemäß Art. 2 Buchstabe c) VO (EG) Nr. 1782/2003 bezeichnet der Ausdruck "landwirtschaftliche Tätigkeit" im Sinne dieser Verordnung die Erzeugung, die Zucht oder den Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse, einschließlich Ernten, Melken, Zucht von Tieren und Haltung von Tieren für landwirtschaftliche Zwecke, oder die Erhaltung von Flächen und gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand gemäß Art. 5.

28

Der Kläger bewirtschaftet in der Bundesrepublik Deutschland - in der Ortschaft F. im Land Niedersachsen - einen landwirtschaftlichen Betrieb.

29

Auch die weiteren Voraussetzungen des Art. 22 Abs. 2 Vo (EG) Nr. 795/2004 liegen vor.

30

Der Kläger hat im Bezugszeitraum (200 bis 2002) einen Betriebsteil, dessen Flächen im Bezugszeitraum verpachtet waren, mit der Absicht gekauft, die landwirtschaftliche Tätigkeit innerhalb eines Jahres nach Auslaufen der Pacht auszuweisen.

31

Mit notariellem Übertragungsvertrag vom 8. Februar 2000 hat der Schwiegervater des Klägers das Flurstück 56 der Flur 10 der Gemarkung F. zur Größe von 25,4654 ha auf den Kläger und seine Ehefrau je zur ideellen Hälfte übertragen. Das übertragene Grundstück war zum Zeitpunkt des Übertragungsvertrages und im gesamten Bezugszeitraum (2000 bis 2002) verpachtet. Der Pachtvertrag ist nie verlängert worden (vgl. Art. 22 Absatz 2 Unterabsatz 2 VO (EG) Nr. 795/2004, eingefügt durch die VO (EG) Nr. 394/2005).

32

Der Übertragungsvertrag vom 8. Februar 2000 ist als "Kauf" im Sinne von Art. 22 Abs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004 zu werten. Gemäß Art. 2 Buchstabe g) VO (EG) Nr. 795/2004 gilt als "Verkauf" im Sinne des Titels III VO (EG) Nr. 1782/2003 und der VO (EG) Nr. 795/2004 der Verkauf oder jede andere endgültige Übertragung des Eigentums an Flächen oder Zahlungsansprüchen. Nicht einbezogen ist der Verkauf von Flächen an die öffentliche Hand und/oder zur öffentlichen Nutzung für nichtlandwirtschaftliche Zwecke. Diesen Anforderungen genügt der Übertragungsvertrag vom 8. Februar 2000. Damit ist das Eigentum an Flächen - Flurstück 56 - endgültig auf den Kläger und seine Ehefrau - je zur ideellen Hälfte - übertragen worden. Das Fehlen eines Kaufpreises steht der Annahme eines "Verkaufs" bzw. "Kaufs" im Sinne des Gemeinschaftsrechts nicht entgegen. Vielmehr genügt dafür die endgültige Übertragung des Eigentums an Flächen. Im Übrigen liegt der Übertragung eine Gegenleistung zugrunde. Gemäß § 5 des Übertragungsvertrages (mit der Überschrift "Gegenleistung") haben der Kläger und seine Ehefrau dem Überlasser - dem Schwiegervater des Klägers - seinerzeit die Mittel für den Erwerb des Grundstücks darlehensweise vorgestreckt. Anstelle einer Darlehensrückzahlung wird das Grundstück auf sie übertragen.

33

Der Kläger ist Käufer der Flächen im Sinne von Art. 22 Abs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004. Es ist nicht erforderlich, dass der Kläger, der Betriebsinhaber, Alleineigentümer der Flächen wird. Vielmehr reicht es aus, dass dem Kläger die Flächen durch den Übertragungsvertrag vom 8. Februar 2000 zur ideellen Hälfte endgültig übertragen worden sind und seine Ehefrau ihm die Nutzung ihres ideellen Miteigentumsanteils überlassen hat.

34

Der Kläger hat die Flächen - zusammen mit seiner Ehefrau - im Sinne von Art. 22 Abs. 2 Unterabsatz 1 VO (EG) Nr. 795/2004 - "mit der Absicht gekauft, die landwirtschaftliche Tätigkeit innerhalb eines Jahres nach Auslaufen der Pacht [...] auszuweiten." Der Kläger bewirtschaftete zum Zeitpunkt des Übertragungsvertrages - 8. Februar 2000 - einen landwirtschaftlichen Betrieb. Er beabsichtigte, die übertragene Fläche, die damals noch verpachtet war, unmittelbar nach Auslaufen der Pacht (30. September 2005) - mit Einverständnis seiner Ehefrau - in die eigene Bewirtschaftung zu übernehmen und die landwirtschaftliche Tätigkeit damit im Sinne von Art. 22 Abs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004 auszuweiten. Der Kläger hat diese Absicht auch verwirklicht. Er bewirtschaftete im Jahr 2005 Flächen zur Gesamtgröße von 60,76 ha (Ackerland). Mit Bescheid vom 7. April 2006 hat die Beklagte für den Kläger 56,29 normale Zahlungsansprüche für Ackerland ohne OGS-Genehmigung und 4,47 Stilllegungs-Zahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung festgesetzt. Demgegenüber hat der Kläger im Jahr 2006 Flächen zur Gesamtgröße von 81,57 ha bewirtschaftet; die zusätzlichen 20,81 ha sind Flächen, die mit Vertrag vom 8. Februar 2000 übertragen worden sind.

35

Der Kläger besitzt die erforderliche Verfügungsgewalt über die streitigen Flächen zur Gesamtgröße von 20,81 ha. Denn diese Flächen stehen ihm im Sinne von Art. 44 Abs. 3 Satz 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 für den dort geregelten Zeitraum von mindestens 10 Monaten zur Verfügung. Zwar ist der Kläger nicht Alleineigentümer der Flächen. Seine Ehefrau hat ihm jedoch die Nutzung ihres ideellen Miteigentumsanteils überlassen. Gleichzeitig setzt sie ihre Arbeitsleistung in dem landwirtschaftlichen Betrieb ein, um das gemeinsame Familieneinkommen zu erwirtschaften. In dem Sammelantrag Agrarförderung und Agrar-Umweltmaßnahmen 2006 wird sie unter "I.1.1 Vollmacht" als "Verantwortliche Leiterin des Unternehmens bzw. Vertretungsberechtigte" bezeichnet.

36

Dem Klagebegehren steht nicht die Vorschrift des § 16 BetrPrämDurchfV entgegen.

37

Die Regelungen in Abs. 1 Satz 1 und 2 und Abs. 3 Satz 1 beziehen sich lediglich auf den betriebsindividuellen Betrag. Der Kläger macht einen betriebsindividuellen Betrag nicht geltend. Vielmehr begehrt er flächenbezogene Beträge. Für diese wird bei Beantragung von Zahlungsansprüchen ab dem Jahr 2006 - wie hier - gemäß § 16 Abs. 3 Satz 5 BetrPrämDurchfV die Vorschrift des § 12 BetrPrämDurchfV zugrunde gelegt. Mit dieser Vorschrift steht das Klagebegehren in Einklang. Der ehemalige Flächenpächter hat die Pachtflächen nach seinen Angaben im Rahmen der Agrarförderung 2003 am 15. Mai 2003 zur Größe von 3,53 ha als Dauergrünland und zur Größe von 17,50 ha als Ackerland genutzt (insgesamt 21,03 ha). Der Kläger hat im Antrag auf Agrarförderung 2006 ehemalige Pachtflächen zur Gesamtgröße von 20,81 ha angemeldet. Dementsprechend begehrt der Kläger zusätzliche 17,5 Zahlungsansprüche für Ackerland und 3,31 Zahlungsansprüche für Grünland.

38

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

39

Die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

40

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO) liegen nicht vor.

41

Beschluss

42

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf

43

3.596,08 EUR

44

(75% der streitigen Zahlungsansprüche - hier: 4.794,77 EUR (4.464,60 EUR [17,5 ha x 255,12 EUR] + 330,17 EUR [3,31 ha x 99,75 EUR]) -, vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 16. November 2006 - 10 OA 198/06 -)

45

festgesetzt.

RiVG Fahs hat Urlaub und kann daher nicht unterschreiben, Gärtner
Gärtner
Dr. Drews