Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.04.2024, Az.: 10 K 70/21

Hinreichende Bestimmtheit von Satzungsbestimmungen zur Vermögensbindung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
25.04.2024
Aktenzeichen
10 K 70/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 20381
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2024:0425.10K70.21.00

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: V R 10/24

Amtlicher Leitsatz

Die in § 61 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO gesetzlich vorgeschriebene Festschreibung der (künftigen) Vermögensverwendung hat wie § 60 Abs. 1 AO die Funktion eines Buchnachweises. Die hinreichende Bestimmtheit von Satzungsbestimmungen zur Vermögensbindung erfordert deshalb nach Maßgabe der Mustersatzung klare Angaben dazu, an welche konkrete Empfangskörperschaft (sog. Destinatär) das steuerbegünstigt angesammelte Vermögen später übergehen und/oder zur Verwirklichung welcher konkreten steuerbegünstigten Zwecke der (unbenannt bleibende) Destinatär das übergegangene Vermögen im Anschluss ausschließlich und unmittelbar einsetzen soll. Die Zwecke sind dabei jedenfalls, soweit ihnen kein jedermann bekanntes, begrifflich fest umrissenes gedankliches Konzept zugrunde liegt so weit wie möglich zu konkretisieren, wofür die allgemeine Wiedergabe der Gesetzesbegriffe gemeinnützig und mildtätig nicht genügt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die formelle Satzungsmäßigkeit des Gesellschaftsvertrages der Klägerin.

Die Klägerin wurde im Juni 2009 als Unternehmergesellschaft gegründet und im Dezember 2009 als solche in das Handelsregister eingetragen. Gesellschafter waren und sind neben einem regionalen Krankenhaus zwei ortsansässige Ärzte, ein Apotheker und eine als Geschäftsführerin der Klägerin in Teilzeit tätige Krankenschwester. Gegenstand des Unternehmens war und ist nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages die Erbringung spezialisierter ambulanter medizinischer Dienstleistungen für Schwerstkranke und Sterbende sowie aller damit im Zusammenhang stehender Dienstleistungen. Im Jahr 2016 beschlossen die Gesellschafter der Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 2017 eine Aufstockung des Stammkapitals sowie - unter Beibehaltung des bisherigen Gesellschaftszwecks - die Umwandlung der Klägerin in eine gemeinnützige GmbH (gGmbH). Die Änderungen wurden im Oktober 2017 in das Handelsregister eingetragen.

Nach § 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vom 13. Oktober 2016 soll der Gesellschaftszweck der Klägerin insbesondere durch die Unterhaltung und den Betrieb ambulanter, nachstationärer und stationärer Behandlungspflege und Krankenpflege mit ergänzenden Nebenbetrieben und flankierenden Diensten, beispielsweise einem Menüservice, Reinigungsdienst oder Begleitdienst verwirklicht werden. Dazu wäre das Unternehmen berechtigt, Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen, stationäre Pflegeeinrichtungen sowie mobile Hilfsdienste zu errichten, zu unterhalten und zu betreiben.

Unter § 3 des Gesellschaftsvertrages heißt es unter der Überschrift "Steuerbegünstigte Zwecke" weiter:

"(1) Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung.

(2) Die Gesellschaft ist selbstlos tätig. Sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.

(3) Mittel der Gesellschaft dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden, die Gesellschafter dürfen keine Gewinnanteile und auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft erhalten.

(4) Die Gesellschafter erhalten bei ihrem Ausscheiden oder bei Auflösung der Gesellschaft nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert ihrer geleisteten Sacheinlagen zurück.

(5) Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Gesellschaft fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden."

Im Fall der Auflösung sieht der Gesellschaftsvertrag der Klägerin unter § 5 Abs. 2 folgende Regelung vor:

"(2) Bei Auflösung oder Aufhebung der Gesellschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke fällt das Vermögen der Körperschaft soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Gesellschafter und den gemeinen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, an eine juristische Person des öffentlichen Rechts [oder] an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft die es unmittelbar und ausschließlich für gemeinnützige und mildtätige Zwecke zu verwenden hat."

Trotz der beschlossenen Umwandlung in eine gGmbH gab die Klägerin bis 2018 Steuererklärungen und Gewinnermittlungen ab und wurde entsprechend zur Körperschaftsteuer veranlagt. Die Bescheide wurden bestandskräftig.

Am 15. Oktober 2019 beantragte die Klägerin unter Vorlage ihres Gesellschaftsvertrages (Stand 10/2016) erstmals die Anerkennung als gemeinnützig, was der Beklagte jedoch mit ablehnendem Feststellungsbescheid vom 6. November 2019 versagte. Der Gesellschaftsvertrag entspreche nicht den inhaltlichen Anforderungen der Mustersatzung (vgl. Anl. 1 zu § 60 Abgabenordnung -AO-) und erfülle deshalb nicht die satzungsmäßigen Voraussetzungen der §§ 51, 59, 60 und 61 AO. Weder der angegebene Unternehmens-/Satzungszweck (§ 2) noch die geregelte Vermögensbindung (§ 5) seien hinreichend klar und umfassend formuliert.

Dem trat die Klägerin mit ihrem Einspruch entgegen. Die nach ihrer Auffassung präzise Beschreibung des Gesellschaftszwecks und der zu dessen Verwirklichung zu erbringenden Tätigkeiten in § 2 lasse mehr als deutlich erkennen, dass die Klägerin sowohl gemeinnützige als auch mildtätige Zwecke verfolge, nämlich mit ihrer palliativen Tätigkeit das öffentliche Gesundheitswesen (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO) und das Wohlfahrtswesen (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 AO) fördere sowie persönlich hilfebedürftige Schwerstkranke selbstlos unterstütze (§ 53 Nr. 1 AO). Dass bei der gewählten Formulierung auf die ausdrückliche Nennung der Gesetzesbegriffe verzichtet worden sei, ändere daran nichts. Auch die unbestimmte Bezeichnung der übernehmenden Körperschaft in § 5 entspreche dem Gesetzeszweck, da sie die ausreichende Festlegung enthalte, dass diese Gesellschaft ihrerseits steuerbegünstige Zwecke verfolgen müsse und das übernommene Vermögen nur dafür einsetzen dürfe.

Der Beklagte hielt im weiteren Verfahrensgang an seiner Rechtsauffassung fest und wies den Einspruch am 22. Februar 2021 als unbegründet zurück. Dabei ging der Beklagte nunmehr davon aus, dass der in § 2 des Gesellschaftsvertrages der Klägerin angegebene Zweck wegen der offenbar beabsichtigten individuellen Hilfe in Krankheitsfällen ggf. als (gemeinnützige) Förderung des Wohlfahrtswesens (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 AO) ausgelegt werden könne, es aber unverändert an den Voraussetzungen für die Annahme mildtätiger Zwecke (§ 53 AO) fehle, weil der Gesellschaftsvertrag keine ausdrückliche, d.h. wörtliche, Wiedergabe dieses Förderzwecks enthalte. Die bloße Erwähnung der Mildtätigkeit in § 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages genüge nicht. All dies könne letztlich aber dahinstehen, weil die Anerkennung jedenfalls an einem Verstoß gegen den satzungsmäßigen Ausschließlichkeitsgrundsatz (§ 56 AO) scheitere. Bei den in § 2 angegebenen "flankierenden" Diensten (bspw. Menüservice, Reinigungsdienst oder Begleitdienst) handele es sich eindeutig nicht um gemeinnützige Zwecke. Es sei auch nicht dargelegt worden, dass diese Leistungen lediglich als unvermeidliche Begleiterscheinungen bei der Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke anzusehen seien. Bezüglich der Vermögensbindung genüge § 5 des Gesellschaftsvertrages nach nochmaliger Prüfung zwar den formellen Anforderungen, nicht aber § 3 Abs. 4, weil dieser die in der Mustersatzung für Kapitalgesellschaften vorgegebene Ergänzung "oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke" nicht enthalte.

Im Klageverfahren verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vorbringens weiter. Das Ausschließlichkeitsgebot betreffe nach dem Wortlaut des § 56 AO nur die Qualität der verfolgten Zwecke, nicht aber die Mittel, derer sich die Körperschaft zur Erfüllung der Zwecke bediene. Es sei nicht realitätsgerecht und nicht umsetzbar, palliative Pflege insbesondere ambulant anzubieten, die Patienten im Hinblick auf Verpflegung, Reinigung und Begleitdienste aber nicht versorgen zu dürfen/zu können. Die erwähnten flankierenden Dienstleistungen seien vielmehr zwangsläufig mit dem Angebot ambulanter palliativer Pflege verbunden und damit zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens als auch des Wohlfahrtswesens unvermeidbar. Entgegen der Auffassung des Beklagten bestehe nach dem Wortlaut des Gesellschaftsvertrages auch kein Risiko einer Vermögenszweckentfremdung. § 3 Abs. 4 gebe zwar nur den (den Zweckwegfall nicht erwähnenden) Gesetzeswortlaut des § 55 Abs. 1 Nr. 2 AO wieder, sei aber im Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages zu sehen, der die Auflösung oder Aufhebung der Gesellschaft in Übereinstimmung mit § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO ausdrücklich dem Wegfall steuerbegünstigter Zwecke gleichstelle und die auch dann auf eine Einlagenrückgewähr beschränkten Ansprüche der Gesellschafter abschließend regele. Die vom Beklagten beanstandete Abweichung des im Gesellschaftsvertrag wiedergegebenen Gesetzeswortlauts zur Formulierung der Mustersatzung genüge deshalb allein nicht, um der Klägerin die Selbstlosigkeit nach § 55 AO zu versagen.

Seit Juni 2023 firmiert die Klägerin nach entsprechender Änderung des Gesellschaftsvertrages wieder ohne den auf die Gemeinnützigkeit hinweisenden Zusatz "gGmbH".

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

den Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Feststellungsbescheides vom 6. November 2019 und der Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2021 zu verpflichten, nach § 60a Abs. 1 AO gesondert festzustellen, dass die Satzung der Klägerin in ihrer Fassung vom 13. Oktober 2016 die satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO einhält.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Soweit es die in § 2 Abs.2 des Gesellschaftsvertrages verankerten "flankierenden Dienstleistungen Menüservice, Reinigungsdienst oder Begleitdienst" betreffe, sei im Übrigen unverändert nicht ersichtlich, dass die (möglicherweise gemeinnützigen) Zwecke der Klägerin nur durch diese Betätigungen verwirklicht werden könnten.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die der Senat auch in Abwesenheit der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden kann, ist unbegründet.

Die Ablehnung der Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 1 AO ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.

1. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AO wird die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO - wie hier - auf Antrag der Körperschaft gesondert festgestellt. Grundlage der Feststellung gem. § 60a AO ist die "Satzung der Körperschaft", im Streitfall mithin ausschließlich der geänderte Gesellschaftsvertrag der Klägerin vom 13. Oktober 2016 (vgl. BFH-Urteil vom 26. August 2021 V R 11/20, BStBl. II 2022, 202). Außerhalb der Satzung getroffene Vereinbarungen, Regelungen in anderen Satzungen oder eine ggf. den steuerbegünstigten Zwecken tatsächlich entsprechende Geschäftsführung (§ 63 AO) müssen hingegen unberücksichtigt bleiben, denn die Einbeziehung außerhalb der Satzung liegender Begleitumstände oder des nicht in der Satzung manifestierten Willens der Gesellschafter würde dem Gebot des Buchnachweises widersprechen. Danach sind der Satzungszweck und die Art der Verwirklichung soweit wie möglich in der Satzung bzw. dem Gesellschaftsvertrag zu konkretisieren, um der Finanzbehörde leicht und einwandfrei eine Überprüfung der Voraussetzungen der Steuervergünstigung zu ermöglichen (BFH-Urteil vom 26. Februar 1992 I R 47/89, BFH/NV 1992, 695); dies gilt gleichermaßen für die satzungsmäßige Vermögensbindung (BFH-Beschluss vom 3. September 1999 I B 75/98, BFH/NV 2000, 301).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen für die Feststellung der formellen Satzungsmäßigkeit im Ergebnis zutreffend verneint.

a) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob - wie der Beklagte meint - bereits die im Vergleich zur Mustersatzung unvollständige Formulierung der Rückzahlungsregelung in § 3 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages - in dem für Kapitalgesellschaften aufzunehmenden Absatz fehlt der Passus "oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke" - einen der Feststellung entgegenstehenden Satzungsmangel darstellt, oder ob - so die Klägerin - auch insoweit ergänzend auf die weiteren Satzungsbestimmungen (hier in § 5 Abs. 2) zurückgegriffen werden kann.

b) Der Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom 13. Oktober 2016 genügt jedenfalls deshalb nicht den gesetzlichen Voraussetzungen, weil die von der Klägerin in § 5 Abs. 2 des Vertrages gewählte Formulierung nicht den formellen Anforderungen der satzungsmäßigen Vermögensbindung (§ 61 Abs. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) entspricht. Es fehlt an hinreichend konkretisierten Bestimmungen zur abschließenden bzw. künftigen Mittelverwendung.

aa) Der in § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO als Ausprägung selbstloser Tätigkeit definierte Grundsatz der Vermögensbindung wird durch § 61 Abs. 1 AO ergänzt, der formelle Bestimmungen zur Sicherstellung der Selbstlosigkeit aufstellt (BFH-Beschluss vom 12. August 1997 I B 134/96, BFH/NV 1998, 146). Danach liegt eine steuerlich ausreichende Vermögensbindung vor, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verwendet werden soll, in der Satzung so genau bestimmt ist, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Die gesetzlich vorgeschriebene Festschreibung der (künftigen) Vermögensverwendung hat - wie § 60 Abs. 1 AO - die Funktion eines Buchnachweises. Das hat zur Folge, dass auch hier weder auf außerhalb der Satzung getroffene Vereinbarungen oder auf Regelungen in anderen Satzungen Bezug genommen werden darf noch auf die steuerbegünstigten Zwecken tatsächlich entsprechende Geschäftsführung verwiesen werden kann (BFH-Urteil vom 21. Juli 1999 I R 2/98, BFH/NV 2000, 297). Die Regelungen über die Vermögensbindung bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks müssen vielmehr in der Satzung selbst getroffen werden (BFH-Urteil vom 23. Juli 2009 V R 20/08, BStBl. II 2010, 719), indem genau bestimmt wird, wer das Vermögen zur Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke erhalten (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO) oder für welchen konkreten Zweck das Vermögen in diesen Fällen verwendet werden soll (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 AO).

bb) Diesen inhaltlichen Vorgaben wird die in doppelter Hinsicht unbestimmte Regelung der Klägerin in § 5 Abs. 2 ihres Gesellschaftsvertrages nicht gerecht. Denn anders als in einem späteren - nicht umgesetzten - Vertragsentwurf (vgl. Bl. 56 der Beiakte Gemeinnützigkeit) ließ die Klägerin im gegenständlichen Vertrag vom 13. Oktober 2016 gänzlich offen, an welche konkrete Empfangskörperschaft (sog. Destinatär) das steuerbegünstigt angesammelte Vermögen später übergehen und/oder zur Verwirklichung welcher konkreten steuerbegünstigten Zwecke der (unbenannte) Destinatär das übergegangene Vermögen im Anschluss ausschließlich und unmittelbar einsetzen soll. Eine künftige steuerbegünstigte Vermögensverwendung lässt sich allein mit diesen Angaben nicht sicher oder gar abschließend feststellen, weder bei Betrachtung der einzelnen Regelungsteile noch im Rahmen einer Gesamtschau.

Während sich die fehlende Überprüfungsmöglichkeit bezüglich der im Vertrag unbenannt gebliebenen und damit unbekannten Empfangskörperschaft aufdrängt (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 12. Januar 2011 I R 91/09, BFH/NV 2011, 1111; BFH-Beschluss vom 12. August 1997 I B 134/96, BFH/NV 1998, 146), bezeichnet die Klägerin auch mit der allgemeinen Wiedergabe der Gesetzesbegriffe "gemeinnützig" und "mildtätig" allenfalls eine grobe Orientierung, jedoch keine individualisierte (und damit einer satzungsmäßigen Überprüfung zugängliche) Zweckbindung des übergehenden Vermögens. Sinn und Zweck der satzungsmäßigen Vermögensbindung ist aber gerade, dass (ausschließlich) aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob der (künftige) Verwendungszweck steuerbegünstigt ist und die Bindung des steuerbegünstigt gebildeten Vermögens im Dritten Sektor satzungsmäßig dauerhaft gewährleistet bleibt (BFH-Urteil vom 26. August 2021 V R 11/20, BStBl. II 2022, 202; Gosch/Jachmann/Unger, AO, § 61 Rz 10). Dies erfordert auch im Hinblick auf die Vermögensbindung eine an den Maßstäben des § 60 Abs. 1 AO zu messende Festlegung des Satzungszweckes (vgl. BFH-Urteil vom 12. Januar 2011 I R 91/09, BFH/NV 2011, 1111; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Musil, AO/FGO, § 61 AO Rz. 4; Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl., § 6 Rz. 102). Der Zweck oder - wie hier - die Zwecke sind folglich - jedenfalls, soweit ihnen kein jedermann bekanntes, begrifflich fest umrissenes gedankliches Konzept zugrunde liegt - so weit wie möglich zu konkretisieren (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 2022 V R 1/20, BStBl. II 2022, 629).

Diesen Bestimmtheitsanforderungen genügt § 5 Abs. 2 des Vertrages nicht, und zwar auch nicht dadurch, dass die Klägerin die unbestimmten Gesetzesbegriffe mit einem "UND" verknüpft. Denn durch die Zusammenfassung zweier unbestimmter Begriffe wird nicht klarer, was gemeinnütziges bzw. mildtätiges Tätigwerden aus Sicht der Klägerin genau meint. Ohne nähere Umschreibung bleibt die Formulierung der Klägerin letztlich konturenlos und in gewisser Hinsicht auch beliebig und damit insgesamt zu unbestimmt, um aufgrund des Gesellschaftsvertrages beurteilen zu können, ob durch die spätere Verwirklichung der angegebenen Zwecke ausschließlich die Allgemeinheit (gemeinnützig) und hilfebedürftige Personen (mildtätig) selbstlos gefördert werden. Solche Regelungen sind nicht mit dem Erfordernis der Satzung als Buchnachweis und wegen ihrer Unbestimmtheit auch nicht mit dem Ziel einer einfachen und vorhersehbaren Steuerrechtsanwendung zu vereinbaren.

Nicht ohne Grund verlangt auch die - seit dem Jahressteuergesetz 2009 (BGBl I 2008, 2794) mit Gesetzeskraft ausgestattete - Mustersatzung (Anlage 1 zu § 60 AO) in § 5, dass bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall steuerbegünstigter Zwecke entweder der steuerbegünstigte Destinatär namentlich bezeichnet (Nr. 1) oder - bei nicht konkretisierter Empfangskörperschaft - ein bestimmter gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zweck angegeben wird (Nr. 2). Andere Satzungsgestaltungen sind nicht vorgesehen; diesbezügliche Abweichungen stehen mithin entgegen § 60 Abs. 1 Satz 2 AO (auch) im Widerspruch zu den (verbindlichen) Festlegungen der Mustersatzung (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Februar 2018 V B 119/17, BFH/NV 2018, 544; Tipke/Kruse/Seer, AO/FGO, § 55 AO Rn. 23 und § 61 Rn. 1; Gosch/Jachmann/Unger, AO/FGO, § 61 AO Rn. 11ff.; Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl., § 6 Rz. 97).

cc) Nach alldem ist eine steuerschädliche Verwendung des bei Auflösung, Aufhebung oder Zweckänderung vorhandenen und steuerbegünstigt gebildeten Restvermögens der Klägerin allein aufgrund der Vertragsbestimmung in § 5 Abs. 2 nicht ausgeschlossen. Ob die Tätigkeit der Empfangskörperschaft auf eine "unmittelbar und ausschließlich [...] gemeinnützige und mildtätige" Zweckverwirklichung ausgerichtet ist, könnte und müsste erst im Zeitpunkt des Vermögensanfalls anhand des konkreten Satzungszwecks des Destinatärs geprüft werden. Die daraus erwachsende satzungsmäßige Unklarheit geht zu Lasten der Klägerin, die sich auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuervergünstigung beruft (vgl. BFH-Urteil vom 15. November 2017 I R 39/15, BFH/NV 2018, 611 [BFH 12.12.2017 - VIII R 6/14]).

c) Ohne die formellen Voraussetzungen der satzungsmäßigen Vermögensbindung nach § 61 Abs. 1 AO entspricht der Gesellschaftsvertrag der Klägerin vom 13. Oktober 2016 nicht den gesetzlichen Bestimmungen des Gemeinnützigkeitsrechts; der Klägerin war deshalb die begehrte Feststellung der formellen Satzungsmäßigkeit zu versagen.

2. Soweit zwischen den Beteiligten darüber hinausgehend über den nach § 59 AO gemeinnützigkeitsrechtlich notwendigen Satzungsinhalt und das satzungsrechtliche Bestimmtheitsgebot des § 60 Abs. 1 AO gestritten wird, weist der Senat ergänzend - und ohne dass es darauf für die Entscheidung des Streifalls ankommt - auf folgendes hin:

Entgegen der Auffassung des Beklagten wäre der Klägerin die formelle Satzungsmäßigkeit nicht wegen einer unzureichenden Bestimmung des Satzungszwecks oder der Art seiner Verwirklichung zu versagen. Vielmehr lassen die - durch Auslegung zu konkretisierenden - Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages hinreichend erkennen, dass die Klägerin mit der ambulanten Pflege und Versorgung persönlich hilfebedürftiger, weil schwerstkranker und sterbender Menschen gemeinnützige (§ 52 Abs. 2 Nr. 9 AO) sowie mildtätige (§ 53 Satz 1 Nr. 1 AO), somit insgesamt steuerbegünstigte Zwecke verfolgt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die palliative Versorgung als Ausprägung der Krankenbehandlung und der häuslichen Krankenpflege seit längerem begrifflich in der gesetzlichen Krankenversicherung festgeschrieben (§ 27 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2b Satz 1 Sozialgesetzbuch - SGB - V) und die (palliative) Sterbebegleitung als Teil des von der gesetzlichen Pflegeversicherung gedeckten Leistungsspektrums definiert ist (§ 28 Abs. 4 SGB XI). Hinzu kommt, dass Satzungen bzw. Gesellschaftsverträge nicht lediglich den Zweck haben, die satzungsmäßigen Voraussetzungen der begehrten Steuervergünstigung zu schaffen, sondern auch praktischen Bedürfnissen genügen müssen (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2002 I R 15/02, BStBl. II 2003, 384; Tipke/Kruse/Seer, AO/FGO, § 55 AO Rn. 23 und § 59 Rn. 3). Sie entsprechen deshalb schon dann den formellen Anforderungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AO, wenn sie - wie hier - unabhängig vom Aufbau und vom genauen Wortlaut der Mustersatzung deren inhaltliche Festlegungen, d.h. die selbstlose Verpflichtung zur ausschließlichen (und unmittelbaren) Verfolgung bestimmter (bzw. aufgrund der Satzung bestimmbarer) förderungswürdiger Zwecke enthalten (vgl. Koenig/Koenig, AO, 5. Aufl., § 60 Rn. 7 m.w.N.).

Da der auf "flankierende Dienste" bezogene Verweis in § 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages für den Senat ferner keine - eigenwirtschaftliche - Erweiterung des in § 2 Abs. 1 geregelten Gesellschaftszwecks bewirkt, sondern in der Gesamtschau nur mögliche Modalitäten der Zweck-Verwirklichung beschreibt, liegt auch kein satzungsmäßiger Verstoß gegen das Gebot der Ausschließlichkeit (§ 56 AO) oder das der Selbstlosigkeit (§ 55 AO) vor. Ob die Klägerin die satzungsmäßigen Vorgaben in ihrer tatsächlichen Geschäftsführung umsetzt bzw. einhält (§ 63 AO) oder - wie der Beklagte offenbar ohne substantiierte Erkenntnisse annimmt - über diesen Umfang hinaus tätig wird, muss bei der Beurteilung der formellen Satzungsmäßigkeit außer Acht bleiben (vgl. Tipke/Kruse/Seer, AO/FGO, § 60a Rz. 2).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen, da die höchstrichterliche Klärung der im Streit stehenden Rechtsfrage hinreichender Bestimmtheit von Satzungsbestimmungen zur Vermögensbindung angesichts der Vielzahl gemeinnütziger und mildtätiger Körperschaften über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt.