Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.03.1974, Az.: 11 U 190/73

Klagforderung mit dem Vorbehalt einer Aufrechnung im Rahmen eines Urkundenprozesses; Entscheidung über eine Klagforderung mit dem Vorbehalt der Aufrechnung im Rahmen eines Urkundenprozesses; Aufrechnung mit einer nicht in rechtlichem Zusammenhang stehenden Gegenforderung im Rahmen eines Urkundenprozesses

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
15.03.1974
Aktenzeichen
11 U 190/73
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1974, 14373
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1974:0315.11U190.73.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 22.8.1973 - AZ: 3 O 144/73

Fundstellen

  • NJW 1974, 1956 (amtl. Leitsatz)
  • NJW 1974, 1473-1474

Verfahrensgegenstand

Forderung - Urkundenprozeß

In dem Rechtsstreit
...
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 1974
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ...,
des Richters am Oberlandesgericht ... und
der Richterin am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 22.8.1973 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger gewährte dem Beklagten im Mai und Juni 1972 zwei Darlehen im Betrage von zusammen 20.000 DM, die am 31.12.1972 zur Rückzahlung fällig sein sollten. Der Beklagte stellte dem Kläger über die Darlehen die Urkunde vom 5.6.1972 (Bl. 2 d.A.) aus. In den Jahren 1970 und 1971 war der Kläger als Finanzmakler für mehrere größere Bauvorhaben des Beklagten tätig und erhielt dafür vom Beklagten Provision.

2

Der Kläger hat den Beklagten im Urkundenprozeß auf Rückzahlung der Darlehen in Anspruch genommen und beantragt,

den Beklagten zur Zahlung von 20.000 DM nebst 8% Zinsen seit dem 1. Januar 1973 zu verurteilen.

3

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

4

Er hat gegenüber der unstreitigen Klagforderung eine Gegenforderung zur Aufrechnung gestellt und vorgetragen: Er habe dem Kläger für dessen Tätigkeit Provisionen gezahlt, die er in dieser Höhe nicht verdient habe. Wie die überreichten Urkunden ergäben, belaufe sich der überzahlte Betrag auf mehr als 30.000 DM. Im übrigen beziehe er sich auf Vernehmung des Klägers als Partei.

5

Der Kläger ist dem Vorbringen des Beklagten entgegengetreten.

6

Das Landgericht hat im Urkundenprozeß durch Vorbehaltsurteil gemäß § 302 ZPO der Klage unter Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung des Beklagten stattgegeben. Zur Begründung führt es aus, die Darlehensforderung sei begründet, während über die Aufrechnungsforderung, die nicht in rechtlichem Zusammenhang mit der Klagforderung stehe, noch nicht entschieden werden könne.

7

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf den vorgetragenen Inhalt der Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

8

Gegen dieses am 6.9.1973 bei Gericht abgegangene Urteil hat der Beklagte am 28.9.1973 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 28.11.1973 am 27.11.1973 begründet. Er begehrt weiterhin die Abweisung der Klage und hält das ergangene Vorbehaltsurteil für unzulässig. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor: Im Urkundenprozeß sei nach zutreffender herrschender Meinung die Bestimmung des § 302 ZPO unanwendbar. Da aber die Aufrechnungsforderung aufgrund der Beweismittel des Urkundenprozesses liquide sei, halte er die Entscheidung des Senats für sachdienlich und stelle den Antrag auf Zurückverweisung wegen des Verfahrensfehlers nur hilfsweise.

9

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,

10

hilfsweise,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das Landgericht zur anderweiten Entscheidung zurückzuverweisen,

11

weiter hilfsweise,

dem Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden und dabei als Sicherheit die Bürgschaft einer Großbank oder öffentlichen Sparkasse zuzulassen.

12

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

13

hilfsweise,

Vollstreckungsnachlaß zu gewähren, auch durch Bürgschaft einer deutschen Großbank oder einer deutschen öffentlichen Sparkasse.

14

Er verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt sein bisheriges Vorbringen.

15

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Berufung konnte keinen Erfolg haben. Das angefochtene Urteil hält der Überprüfung stand.

17

Es ist zwar richtig, daß eine verbreitete Meinung, die als die jedenfalls bisher herrschende zu bezeichnen ist, ein Urteil mit dem Vorbehalt der Aufrechnung im Urkundenprozeß für unzulässig, die Vorschrift des § 302 ZPO gegenüber der Sondervorschrift der §§ 598, 599 ZPO für unanwendbar hält (Baumbach-Lauterbach, ZPO, 31. Aufl., Anm. 1 zu § 598; KG in KG-Blätter 1915, S. 14, 15; Bartels in JW 1934, 1348; Stein-Jonas, ZPO, 18. Aufl., Anm. I zu § 598). Dieser Ansicht vermag jedoch der Senat jedenfalls für Fälle wie den vorliegenden nicht zu folgen.

18

Ist, wie im vorliegenden Falle, die Klagforderung vom Beklagten nicht bestritten worden, verteidigt er sich vielmehr ausschließlich mit nicht konnexen Aufrechnungsforderungen, die er mit Beweismitteln des Urkundenprozesses zu beweisen gedenkt, so ist kein Grund ersichtlich, der einer Entscheidung über die Klagforderung mit dem Vorbehalt der Aufrechnung im Rahmen des Urkundenprozesses entgegenstünde. Die in der Literatur, soweit ersichtlich, vorgebrachten Argumente treffen für diesen Fall nicht zu. Es ist nicht an dem, daß, wie das Kammergericht (KG-Blätter 1915, 14) meint, infolge des Widerspruchs des Beklagten gegenüber der Klagforderung nunmehr womöglich gleichzeitig zwei Vorbehalte, der der Aufrechnung und der des Urkundenprozesses, ausgesprochen werden müßten. Vielmehr handelt es sich zunächst nur um den Vorbehalt der Aufrechnung, der dem Beklagten die Möglichkeit gibt, seine Aufrechnungsforderung im Rahmen des Urkundenprozesses weiter zu verfolgen. Der Vorbehalt des Urkundenprozesses würde gegebenenfalls erst in das zweite, nach Prüfung der Aufrechnungsforderung im Urkundenprozeß ergehende Urteil aufzunehmen sein. Auch die Überlegungen von Bartels (JW 1934, 1348) vermögen nicht zu überzeugen, wenn er einen Vorbehalt nach § 302 ZPO im Urkundenprozeß für sinnlos hält, weil entweder die Aufrechnungsforderung mit Mitteln des Urkundenprozesses bewiesen werden könne und dann die Anwendung des § 302 ZPO nicht in Betracht komme, oder ein solcher Beweis nicht möglich sei und dann der Aufrechnungseinwand gemäß § 598 ZPO zurückzuweisen sei. Diese Erwägungen sind nicht zwingend. Es sind, wie der vorliegende Fall zeigt, durchaus Fälle denkbar, in denen sich der Beklagte auf die Vernehmung des Klägers als Partei bezieht und diese im ersten Termin nicht durchführbar ist, während über die Klagforderung bereits entschieden werden kann. Es ist nicht einzusehen, warum nicht in solchen Fällen dem Kläger zunächst ein Titel in die Hand gegeben werden soll, während dem Beklagten die Möglichkeit eingeräumt wird, seinen Aufrechnungseinwand im Rahmen des Urkundenprozesses weiter zu verfolgen. Ein solches Urteil enthält lediglich den Vorbehalt der Aufrechnung, nicht aber gleichzeitig den gemäß § 599 ZPO. Dieser letztere Vorbehalt wäre, wie bereits erwähnt, gegebenenfalls erst in dem zweiten im Urkundenprozeß ergehenden Urteil auszusprechen.

19

Mit dieser Auffassung findet sich der Senat in Übereinstimmung mit der neuesten Auflage von Stein-Jonas (19. Aufl., Anm. III 1 zu § 598). Den dort ausgesprochenen Zweifel an der Zweckmäßigkeit eines solchen Urteils, das im übrigen dessen Zulässigkeit nicht berühren würde, vermag der Senat jedoch nicht zu teilen. Der Kläger erhält auf diese Weise rasch einen Titel über seine Forderung, deren Bestand abgesehen von der Aufrechnung unzweifelhaft ist, während die Prüfung der damit nicht in rechtlichem Zusammenhang stehenden Gegenforderung zunächst einem gesonderten Abschnitt des Urkundenprozesses, in der Folge möglicherweise außerdem der Fortsetzung des Rechtsstreits im gewöhnlichen Verfahren überlassen bleibt.

20

Das demnach im Urkundenprozeß zulässige Vorbehaltsurteil gemäß § 302 ZPO durfte das Landgericht erlassen. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 302 ZPO sind gegeben. Der Beklagte hat die Aufrechnung mit einer nicht in rechtlichem Zusammenhang stehenden Gegenforderung erklärt; die Entscheidung über die Gegenforderung war noch nicht zur Entscheidung reif.

21

Die Berufung war daher als unbegründet zurückzuweisen. Das Landgericht wird nunmehr im zweiten Teil des Urkundenprozesses die Aufrechnungsforderung prüfen.

22

Dem Beklagten waren die Kosten der Berufung aufzuerlegen (§ 97 ZPO).

23

Das Urteil war gemäß §§ 708 Ziff. 7, 713 a ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.