Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 29.03.1974, Az.: 4 Wx 2/74

Voraussetzungen für die Statthaftigkeit einer sofortigen weiteren Beschwerde; Umfang der Rechte und Pflichten des Verwalters einer Wohnungseigentumsanlage; Anforderungen an den Beschluss im Rahmen einer Eigentümergemeinschaft

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.03.1974
Aktenzeichen
4 Wx 2/74
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1974, 13872
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1974:0329.4WX2.74.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 22.01.1974 - AZ: 2 T 348/73

Fundstellen

  • DNotZ 1975, 42-45
  • MDR 1974, 669-670 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1974, 1909-1910 (Volltext mit amtl. LS)

In der Grundbuchsache
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 1. Februar 1974
gegen den Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 22. Januar 1974
durch
seine Mitglieder S., K. und Dr. D.
am 29. März 1974 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß sowie der Beschluß des Amtsgerichts (Grundbuchamt) Cuxhaven vom 13. August 1973 werden aufgehoben.

Das Amtsgericht (Grundbuchamt) wird angewiesen, über den Eintragungsantrag der Beteiligten vom 10. August 1973 nach Maßgabe der folgenden Gründe neu zu entscheiden.

Gründe

1

Die Beteiligten zu 1 sind im Wohnungsgrundbuch von D. Band ... Blatt ... als Wohnungseigentümer eingetragen. Ihr Wohnungseigentum umfaßt einen Miteigentumsanteil am Grundstück D. S. sowie - als Sondereigentum - eine Wohnung nebst Garage. Im Aufteilungsplan ist die Wohnung mit Nummer ... und die Garage mit Nummer ... verzeichnet. Eine Veräußerung des Wohnungseigentums bedarf (mit einer Reihe von Ausnahmen) der Zustimmung des Verwalters.

2

Mit notariellem Vertrag vom 26.7.1973 veräußerten die Beteiligten zu 1 die vorstehend genannte Garage an die Beteiligte zu 2, die ebenfalls im Wohnungsgrundbuch von D. (Band ... Blatt ...) als Wohnungseigentümerin eingetragen ist. Zugleich bewilligten sie zur Sicherung des Anspruchs auf Übereignung der Garage die Eintragung einer Vormerkung zugunsten der Beteiligten zu 2. Ferner stellten alle Beteiligten den Antrag (den der beurkundende Notar unter dem 10.8.1973 an das Grundbuchamt weiterleitete), die Vormerkung im Grundbuch einzutragen. Die Veräußerung der Garage erfolgte ohne Mitübertragung eines Miteigentumsanteils an dem Gemeinschaftseigentum.

3

Mit Beschluß vom 13.8.1973 hat das Amtsgericht (Grundbuchamt) den Antrag auf Eintragung der Vormerkung zurückgewiesen. Die hiergegen von den Beteiligten eingelegte Beschwerde ist durch Beschluß des Landgerichts vom 22.1.1974 zurückgewiesen worden. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht haben die Auffassung vertreten, Sondereigentum könne nicht ohne einen Miteigentumsanteil veräußert werden. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten, mit der diese insbesondere geltend machen, die Beteiligte zu sei Miteigentümerin desselben Grundstücks wie die Beteiligten zu 1; in diesen Fällen könne Sondereigentum auch ohne einen Miteigentumsanteil übertragen werden.

4

Die weitere Beschwerde hat Erfolg, weil die Vorentscheidungen auf einer unrichtigen Anwendung des Gesetzes (hier: § 6 Abs. 1 WEG) beruhen (§ 78 GBO).

5

Den beiden Vorinstanzen ist zuzugeben, daß beim Wohnungseigentum nach dem Willen des Gesetzgebers das Miteigentum am gemeinschaftlichen Grundstück rechtlich im Vordergrund steht und das Sondereigentum - trotz seiner überragenden wirtschaftlichen Bedeutung - ein Anhängsel dieses Miteigentums bildet (§ 6 Abs. 1 WEG; BGHZ 49, 251 [BGH 17.01.1968 - V ZB 9/67]). Von diesem Ausgangspunkt her ist es folgerichtig, bei der Veräußerung von Teilen des Sondereigentums zunächst vom bereits bestehenden Miteigentum einen bestimmten Miteigentumsanteil abzuspalten sodann den zu veräußernden Teil des Sondereigentums mit dem abgespaltenen Miteigentumsanteil zu verbinden - wobei zu beachten ist, daß die Wohnungen oder Räume, die im Sondereigentum stehen, in sich abgeschlossen sein sollen (§ 3 Abs. 2 WEG) - und schließlich den abgespaltenen Miteigentumsanteil (nebst dem zugehörigen Sondereigentum) auf den Erwerber zu übertragen. Soweit der Erwerber bislang nicht zum Kreis der Miteigentümer gehört hat, ist dieser Weg auch der einzig gangbare, denn Sondereigentümer kann nur sein - das ergibt sich eindeutig aus § 6 Abs. 1 WEG -, wer gleichzeitig auch Miteigentümer des gemeinschaftlichen Grundstücks ist.

6

Damit ist allerdings noch nicht entschieden, daß dieser Weg auch dann notwendig ist, wenn der Erwerber - was nach der Begründung der weiteren Beschwerde hier der Fall sein soll - bereits Miteigentümer ist, die Übertragung eines Teils des Sondereigentums also nur dazu dient, daß die an der Übertragung beteiligten Wohnungseigentümer unter sich das ihnen gehörende Sondereigentum verändern, während die Miteigentumsquoten unverändert bleiben. Dieser Fall verdient in der Tat eine andere rechtliche Beurteilung, wie die Übertragung von Teilen des Sondereigentums an Personen, die außerhalb der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer stehen.

7

Für eine andere Beurteilung spricht bereits, daß die Abänderung von Miteigentumsanteilen für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erhebliche Belastungen mit sich bringen kann. Die Größe der Anteile ist ausschlaggebend für die Verteilung von Nutzungen, Lasten und Kosten (§ 16 WEG) sowie für die Fassung von Mehrheitsbeschlüssen (§ 25 Abs. 3 WEG). Jede Änderung der Anteile bringt daher vor allem für den Verwalter (§ 26 WEG) zusätzliche Belastungen mit sich, da er Wirtschaftsplan und Abrechnung (§ 28 WEG) entsprechend ändern muß.

8

Unzuträglichkeiten ergeben sich ferner in den Fällen, in denen Wohnungseigentümer lediglich Räume austauschen (z.B. Kellerräume oder Garagen), ohne daß sich im Ergebnis der Wert ihrer Anteile untereinander verschiebt. In diesen Fällen auf der gegenseitigen Übertragung von Miteigentumsquoten zu bestehen, hätte wenig Sinn, da am Ende doch wieder dieselben Anteile vorlägen.

9

Diese praktischen Erwägungen müßten freilich zurückstehen, wenn zwingende Grundsätze der Privatrechtsordnung einer gesonderten Übertragung von Teilen des Sondereigentums entgegenstünden. Das ist indessen (immer unter der Voraussetzung, daß der Erwerber bereits Miteigentümer ist) nicht der Fall.

10

Es ist in Literatur und Rechtsprechung anerkannt, daß Miteigentumsquoten nicht dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert, den sie verkörpern, entsprechen müssen. Sie können vielmehr von den Beteiligten frei vereinbart werden (vgl. Staudinger, BGB, 11. Aufl., Rdn. 17 zu § 3 WEG m.w.N.). Es ist unter diesem Gesichtspunkt daher unbedenklich, daß ein Wohnungseigentümer durch Übertragung eines Teils seines Sondereigentums den wirtschaftlichen Wert eines Miteigentums verkürzt, gleichwohl aber die bisherige Eigentumsquote beibehält, während sich auf der Seite des Erwerbers - ebenfalls unter Aufrechterhaltung der gleichen Quote - der Wert des Miteigentums erhöht. Zu einer anderen Beurteilung besteht umso weniger Anlaß, als es den Wohnungseigentümer, die unter sich die Änderung des Sondereigentums vereinbaren, unbenommen bleibt, die wirtschaftlichen Auswirkungen eines unverändert bleibenden Miteigentumsanteils durch eine schuldrechtliche Vereinbarung (hier: Kaufpreis 5.000,- DM) auszugleichen.

11

Ebenfalls anerkannten Rechts ist es, daß Rechtsgeschäfte innerhalb einer Gemeinschaft von Geschäften anders behandelt werden können wie Geschäfte, die ein Mitglied dieser Gemeinschaft mit einem Außenstehenden schließt. Wie der Bundesgerichtshof in BGHZ 13, 137 ff [BGH 23.04.1954 - V ZR 145/52] (bezüglich eines Vorkaufsrechts) ausgeführt hat, ist dem Bürgerlichen Recht eine solche Unterscheidung nicht fremd. Sie findet ihre Rechtfertigung insbesondere darin, daß die gemeinschaftlich Berechtigten miteinander enger verbunden sind als mit "Dritten", und daß der Kreis der Mitberechtigten unter Umständen dagegen geschützt werden soll, daß "Dritte" in ihn eintreten. Wenn daher die praktische Handhabung eines Rechts eine Unterscheidung zwischen Mitberechtigten einer Gemeinschaft und Dritten angezeigt erscheinen läßt, so ist dies mit den tragenden Grundsätzen der Privatrechtsordnung ohne weiteres vereinbar.

12

Nicht sachgerecht wäre es schließlich auch, einen Wohnungseigentümer, der einen Teil seines Sondereigentums an einen anderen Wohnungseigentümer veräußert, seinen bisherigen Miteigentumsanteil jedoch beibehalten möchte, darauf zu verweisen, die Änderung des Sondereigentums durch eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer herbeizuführen (was möglich ist). Zu einer Wohnungseigentumsgemeinschaft gehört meist eine ziemlich große vielschichtige Anzahl von Personen. Sie zu einem einheitlichen Willensentschluß zu bewegen, ist äußerst umständlich und in vielen Fällen mutmaßlich auch gar nicht möglich, weil zu befürchten ist, daß ein Teil der um eine Zustimmungserklärung gebetenen Wohnungseigentümer mangels eigenen Interesses zu einer Mitwirkung nicht bereit ist.

13

Die Vorschriften des Grundbuchrechts bilden ebenfalls kein Hindernis. Das Sondereigentum ist im Bestandsverzeichnis des Wohnungsgrundbuchs einzutragen, ohne daß es jedoch einer genauen Beschreibung aller Räume und Gegenstände bedarf, die zu ihm gehören (§ 7 Abs. 3 WEG; zugleich auch Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 2. Aufl., Rdn. 5 ff zu § 7). Wird ein Teil des Sondereigentums an einen anderen Miteigentümer veräußert, so genügt also ein der bisherigen Beschreibung angepaßter, im übrigen aber auf die Eintragungsbewilligung bezugnehmender Vermerk, daß der Inhalt des Sondereigentums geändert ist. Der Vermerk, der in die Spalte 6 des Bestandsverzeichnisses gehört (vgl. Bärmann, a.a.O., Rdn. 27 zu § 7 sowie die Muster bei Weitnauer-Wirths, Wohnungseigentumsgesetz, 4. Aufl., S. 295 und 305), könnte im vorliegenden Fall dahin lauten, daß die Garage (Nr. 229 des Aufteilungsplans) nicht mehr Bestandteil des Sondereigentums ist. Der Vorlage eines geänderten Aufteilungsplans sowie einer Bescheinigung der Baubehörde über die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 WEG (§ 7 Abs. 4 WEG) bedarf es im vorliegenden Fall nicht, weil die Garage von vornherein als ein in sich abgeschlossener Raum errichtet worden ist und ihre Übertragung auf die Beteiligte zu 2 daher hinsichtlich der Aufteilung der einzelnen Räume keine Unklarheiten schafft.

14

Als Ergebnis ist daher - in Übereinstimmung mit Tasche, der die hier erörterten Fragen in DNotZ 1972 S. 710 ff ausführlich untersucht hat (mit eingehenden Hinweisen auf Rechtsprechung und Schrifttum) - festzustellen, daß innerhalb einer Wohnungseigentumsgemeinschaft Räume und Gegenstände, die zum Sondereigentum eines Wohnungseigentümers gehören, ohne gleichzeitige Übertragung eines Miteigentumsanteils am Grundstück veräußert werden können. Das bedeutet eine einschränkende Auslegung des § 6 Abs. 1 WEG, der damit nur dann anzuwenden ist, wenn ein Teil des Sondereigentums an Personen veräußert werden soll, die nicht zugleich Miteigentümer sind.

15

Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß die in den beiden Vorentscheidungen angeführten Gründe nicht ausreichen, um die Eintragung der beantragten Vormerkung abzulehnen. Da die von den Beteiligten beabsichtigte Rechtsänderung auch vormerkungsfähig ist - sie hat die inhaltliche Änderung eines Rechts an einem Grundstück im Sinne von § 883 BGB zum Gegenstand - können die Beschlüsse des Amts- und Landgerichts nicht bestehen bleiben und sind aufzuheben. Das Grundbuchamt wird nunmehr zu prüfen haben, ob die Beteiligten zu 1 und 2 Mitglieder derselben Wohnungseigentumsgemeinschaft sind. Soweit sich dieser Umstand nicht bereits aus den Wohnungsgrundbüchern von D. Band ... Blatt ... und Band ... Blatt ... ergibt, wird das Amtsgericht den Beteiligten durch eine Zwischenverfügung (§ 18 GBO) aufzugeben haben, den erforderlichen Nachweis binnen einer angemessenen Frist zu führen.

16

Vorsorglich wird noch auf folgendes hingewiesen: Es ist - gleichfalls in Übereinstimmung mit Tasche (a.a.O. S. 717) - davon auszugehen, daß die Veräußerung eines Teils des Sondereigentums an einen anderen Wohnungseigentümer derselben Gemeinschaft keiner Zustimmung des Verwalters (soweit eine solche für Veräußerungen vorgesehen ist) bedarf. Mit Recht verweist Tasche darauf, daß mit dem Erfordernis dieser Zustimmung verhindert werden soll, daß finanziell oder persönlich unzuverlässige Personen in die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eindringen können. Dieser Gesichtspunkt ist aber bei Rechtsgeschäften der Wohnungseigentümer untereinander gegenstandslos, so daß die Zustimmung des Verwalters entbehrlich ist. Erforderlich ist dagegen, soweit das Miteigentum (und damit auch das Sondereigentum, § 6 Abs. 2 WEG) zugunsten Dritter belastet ist (vgl. die Eintragungen in Abt. III Nr. 1 und 2 des Grundbuches), deren Zustimmung, wie sich aus den §§ 877, 876 BGB ergibt.