Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 08.11.2011, Az.: 14 UF 61/11

Grundsätze zur Bemessung und Abzugsfähigkeit von Teilungskosten i.R.d. Versorgungsausgleichs

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
08.11.2011
Aktenzeichen
14 UF 61/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 30997
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2011:1108.14UF61.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Nordenham - 30.03.2011 - AZ: 4 F 432/08 S

Fundstellen

  • FamRB 2012, 76
  • FamRZ 2012, 1387
  • FuR 2012, 4
  • FuR 2012, 332-333

Amtlicher Leitsatz

Teilungskosten sind nur in einem angemessenen Umfang abzugsfähig. Ihre Höhe bemisst sich als "Stückkosten" mit dem beim Versorgungsträger durchschnittlich entstehenden Aufwand. Generalunkosten bleiben dabei unberücksichtigt.

Die Bemessung der Teilungskosten anhand eines prozentualen Wertes des zu übertragenden Kapitals kann zu einer Begrenzung bei der Übertragung kleinerer Anrechte herangezogen werden, rechtfertigt aber nicht den Ansatz von Teilungskosten, die den tatsächlich entstehenden Aufwand übersteigen.

Tenor:

Die befristete Beschwerde der E...GmbH gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Nordenham vom 30. März 2011 im Ausspruch zum Versorgungsausgleich (Ziff 4 des Tenors) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: bis zu 1.200 Euro

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

In dem noch nach altem Recht eingeleiteten Verfahren hat das Amtsgericht - Familiengericht - Nordenham die Ehe mit Urteil vom 30. März 2011 geschieden und dabei den Versorgungsausgleich hinsichtlich des Anrechts des Ehemannes auf eine betriebliche Altersversorgung in der Weise durchgeführt, dass es im Wege der internen Teilung ein gleichartiges Anrecht in Höhe einer Kapitalzusage von 14.237 Euro auf die Ehefrau übertragen hat. Dabei hat es abweichend von dem Vorschlag der Beteiligten zu 3) die Kosten der Teilung nicht in Höhe der mit einem Altersfaktor von 2,7 hochgerechneten Teilungskosten von 1.568 Euro, sondern lediglich in Höhe der Zeitwertkosten von 581 Euro (für beide Ehegatten) berücksichtigt.

2

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 3) mit ihrer fristgerecht beim Oberlandesgericht eingegangen Beschwerde. Mit dieser macht sie geltend, dass der Betrag von 1.568 Euro ihrem durch die Teilung entstehenden Einrichtungs und Verwaltungsaufwand (Einrichtung des Kontos, dessen laufender Verwaltung, Administrationskosten im Leistungsfall und laufende Kosten in der Leistungsphase) entsprechen. Diese Kosten hat sie entsprechend der Aufforderung durch den Senat in einer weiteren Aufstellung spezifiziert.

3

Das Rechtsmittel ist nach § 621e ZPO als befristete Beschwerde zulässig. Zwar galten zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht nur die neuen materiellen Regeln, sondern auch neues Verfahrensrecht (Art. 111 Abs. 5 FGGRG). Da das Amtsgericht gleichwohl durch Urteil entschieden hat, ist nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz das nach der gewählten Entscheidungsform statthafte Rechtsmittel gegeben (BGH Urteil vom 06.04.2011 - XII ZB 553/10 - FamRZ 2011, 966). Damit wirkt es sich nicht zum Nachteil der Beschwerdeführerin aus, dass sie das Rechtsmittel beim Oberlandesgericht eingereicht hat, wo es noch innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat eingegangen ist.

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In der Sache ist die Beschwerde nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung wahrt die Rechte der Beschwerdeführerin und enthält keine sie zu Unrecht belastenden Festsetzungen.

5

Das Anrecht des Antragstellers aus der betrieblichen Altersversorgung unterliegt der internen Teilung nach §§ 10ff VersAusglG. Der Versorgungsträger ist dabei befugt, die entstehenden Teilungskosten jeweils hälftig mit den Anrechten beider Ehegatten zu verrechnen (§ 13 VersAusglG). Dies gilt allerdings nur, soweit diese angemessen sind.

6

Zur Angemessenheit dieser Kosten enthält das Gesetz keine Vorgaben. vielmehr hat der Gesetzgeber die Überprüfung der Kosten auf ihre Angemessenheit der Rechtsprechung überantwortet (BTDrs. 16/10144 S. 57, 126). Maßstab für die Angemessenheit ist dabei der vom Gesetz verfolgte Zweck, die Versorgungsträger von den anlässlich der Teilung entstehenden Mehrkosten zu entlasten - dies ist der mit der Einrichtung eines weiteren Vertrages verbundene organisatorische Mehraufwand (BTDRs. 16/10144 S. 57). Dabei ist bereits streitig, ob sich dieser Mehraufwand neben den Einrichtungskosten auch auf den Aufwand für die Bestandspflege erstreckt. Die Gesetzesbegründung spricht zwar davon, dass die "durch" die Teilung entstehenden Kosten von den Eheleuten zu tragen seien, was für eine Einbeziehung der Folgekosten sprechen könnte (in diesem Sinn OLG Nürnberg Beschluss vom 6.5.2011 - 11 UF 165/11, FuR 2011, 535, juris. offengelassen OLG Celle, Beschluss vom 12. 4. 2011 - 15 UF 308/10, BetrAV 2011, 489. Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rn. 559. Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl. § 13 VersAusglG Rn. 1. Wick, Der neue Versorgungsausgleich in der Praxis, Rn. 109). Demgegenüber ist jedoch dem OLG Stuttgart (Beschluss vom 09.08.2011 - 15 UF 25/11 - juris) darin beizupflichten, dass sich diese Interpretation nicht im Wortlaut des Gesetzes wiederfindet. Nach § 13 VersAusglG sind die "bei" der Teilung entstehenden Kosten zu verrechnen, was begrifflich die Erstreckung auf weitere Kosten von vornherein ausschließt (so auch jeweils zu § 13 VersAusglG: Palandt/Brudermüller, BGB, 70. Aufl., Rn. 1. MünchKomm/Eichenhofer, Familienrecht Rn. 4. NKBGB/Götsche 2. Aufl., Rn. 8. Kemper, Versorgungsausgleich in der Praxis, Rn. 289).

7

Diese Frage bedarf hier indes keiner Vertiefung, weil sich nach den Darlegungen der Beschwerdeführerin keine so erheblichen Folgekosten ergeben, dass eine Erhöhung über den vom Amtsgericht berücksichtigten Betrag hinaus geboten wäre. Dafür sind folgende Erwägungen maßgeblich:

8

Teilungskosten sind Stückkosten. Sie entstehen durch den notwendigen administrativen Aufwand bei der Einrichtung eines Kontos - die anteiligen Personal und Sachkosten. Die Kosten können je nach Größe und Struktur der Versorgungssysteme differieren, sie stehen aber in keinem Zusammenhang mit der Höhe der zu übertragenden Anrechte (Borth, FamRZ 2009, 562, 563. Breuer in: jurisPKBGB, 5. Aufl. 2010, § 13 VersAusglG Rn. 9). Soweit die Literatur und Rechtsprechung eine Pauschalierung von 23% der Versorgungsrechte als akzeptabel annimmt, bezieht sich dies auf eine frühere Praxis, die ohnehin nur Ausnahmefälle betraf und sich nicht inhaltlich mit der Struktur der tatsächlichen Kosten und deren Angemessenheit auseinandergesetzt hat. Der Gesetzgeber hat zwar diese Rechtsprechung ebenfalls erwähnt (BTDRs. 16/10144 S, 57), ist aber letztlich davon ausgegangen, dass sich die Gerichte nicht schematisch an einem bestimmten Prozentsatz des Ausgleichswertes orientieren (BTDrs. 16/11903 S. 53). Eine solche Methode müsste auch aus zweierlei Gründen auf Bedenken stoßen. Zum einen übersteigen die sich dabei ergebenden Teilungskosten in der Mehrzahl der Fälle deutlich die Beträge, welche seitens der Versicherungswirtschaft als Durchschnittswerte genannt werden. Zum anderen greift der Ansatz von Kosten, die den in dem jeweiligen Versorgungssystem tatsächlich entstehenden Aufwand übersteigen, in die durch Art. 14 GG geschützten Eigentumsrechte der einzelnen Ehegatten ein, indem sie deren Versorgungskapital übermäßig belasten. Eine sachliche Rechtfertigung ist dafür nicht zu erkennen. Eine Mischkalkulation, die allein aufgrund der Höhe der einzelnen Anrechte diese zum Ausgleich für Teilungskosten anderer Anrechte heranzieht (vgl. OLG Stuttgart Beschluss vom 25.06.2010 - 15 UF 120/10 - FamRZ 2010, 1906. OLG Düsseldorf Beschluss vom 26.05.2011 - 7 UF 218/10 - FuR 2011, 582. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.07.2011 - 2 UF 231/10, juris) wäre deshalb nicht mehr angemessen iSd. § 13 VersAusglG. Der genannte Prozentsatz mag sich als Orientierung für eine Begrenzung bei niedrigen Ausgleichsbeträgen eignen, er bietet aber keine Rechtfertigung, um Teilungskosten über den tatsächlich entstehenden Aufwand hinaus zu erhöhen. Sofern bei geringen Anrechten ein interner Ausgleich angesichts der Teilungskosten unwirtschaftlich wäre, steht den Ehegatten ohnehin der Weg über eine abweichende Regelung offen (§ 6 VersAusglG).

9

Da sich die tatsächlichen Kosten der Teilung nicht - jedenfalls nicht mit einem vertretbaren Aufwand - feststellen lassen, ist deren Pauschalierung unumgänglich. Hierfür bietet der tatsächliche Aufwand - so wie ihn auch die Beschwerdeführerin für die Einrichtung des Kontos anhand einer internen Kalkulation erläutert hat - eine geeignete Basis. Diese Kosten werden überwiegend mit Beträgen zwischen 150 und 300 Euro beziffert (OLG Nürnberg, Beschluss vom 03.11.2010, 11 UF 500/10FamRZ 2011, 898. OLG Celle, Beschluss vom 12.04.2011 - 15 UF 308/10, BetrAV 2011, 489. Hauß/Eulering Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis Rn. 205. Wick Der neue Versorgungsausgleich in der Praxis Rn. 110. NKBGB/Götsche 2. Aufl. § 13 VersAusglG Rn. 9. Breuer in: jurisPKBGB, 5. Aufl. 2010, § 13 VersAusglG Rn. 10.1).

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Auch die Beschwerdeführerin geht zunächst von vergleichbaren Kosten aus. Sie hat den durchschnittlichen Aufwand mit 3,5 Arbeitsstunden angegeben und bei einem Stundensatz von 70 Euro die bei der Teilung entstehenden Kosten mit 245 Euro beziffert. Die mit der Schätzung des Zeitaufwandes verbundenen Unschärfen sind eine notwendige Folge einer jeden Pauschalierung und zu akzeptieren, soweit sie sich im Rahmen des in vergleichbaren Fällen üblichen Aufwandes halten. Nicht zu folgen ist der Beschwerdeführerin allerdings darin, dass auch laufende Gutachter und Bilanzierungskosten in der Anwartschafts und Leistungsphase als Teilungskosten zu berücksichtigen wären. § 13 VersAusglG rechtfertigt nur den Ausgleich messbarer Mehrkosten. Mit der versicherungsmathematischen Regeln folgenden Kalkulation werden indes ohnehin anfallende Gemeinkosten angesetzt, die mangels hinreichender Individualisierung nicht auszugleichen sind (MünchKomm/Eichenhofer, Familienrecht § 13 VersAusglG Rn. 6, kritisch auch OLG Celle, Beschluss vom 12.04.2011 - 15 UF 308/10, BetrAV 2011, 489). Ebenso kann der mit dem Wechsel in die Leistungsphase verbundene Aufwand nicht unkritisch übernommen werden, weil zum einen kein Bezug zu dem tatsächlichen Mehraufwand erkennbar ist und sich zudem in einer Reihe von Fällen der Aufwand durch den Entfall der Hinterbliebenenversorgung (vgl. Ziff. 6.3.3 p3PersönlicherPensionsplan) vermindern dürfte.

11

In welchem Umfang Mehrkosten in der Leistungsphase anfallen, kann vorliegend jedoch offenbleiben, weil diese - soweit sie überhaupt individualisierbar und zusätzlich zu den bei der Teilung entstehenden Kosten beansprucht werden könnten - nach der Schätzung des Senats nicht den Betrag übersteigen, den das Amtsgericht der Beschwerdeführerin als angemessene Teilungskosten zugebilligt hat.

12

Der nicht angegriffene Teil der Teilungskosten unterliegt aufgrund des Grundsatzes der reformatio in peius keiner weiteren Überprüfung durch den Senat (a.A. OLG Stuttgart Beschluss vom 09.08.2011 - 15 UF 25/11 - juris). Gegenstand des Verfahrens sind die gegenläufigen Interessen zwischen Versorgungsträger und Ehegatten an der Kostentragung für einen konkreten Aufwand. Auf dieses Rechtsverhältnis lässt sich die Rechtsprechung des BGH zu der besonderen Aufgabe der öffentlichrechtlich verfassten Versorgungsträger nicht übertragen.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG.

14

Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen sowie im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung zu.