Landgericht Aurich
Beschl. v. 24.10.2014, Az.: 11 Ks 210 Js 17073/13 (3/13)

Entstehen einer zusätzlichen Verfahrensgebühr bei einer Revisionsrücknahme durch die Staatsanwaltschaft

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
24.10.2014
Aktenzeichen
11 Ks 210 Js 17073/13 (3/13)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 25127
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGAURIC:2014:1024.11KS210JS17073.13.0A

Amtlicher Leitsatz

Zum Entstehen der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG, wenn die Staatsanwaltschaft die Revision zurücknimmt.

Strafverfahren und Adhäsionsverfahren sind dieselbe Angelegenheit.

In der Strafsache
gegen pp.
Verteidiger: Rechtsanwalt Hilko Janssen, Neuer Weg 91, 26506 Norden
wegen gefährlicher Körperverletzung pp
hat das Landgericht Aurich - Schwurgericht - durch die unterzeichneten Richter auf die Erinnerung der Landeskasse am 24.10.2014
beschlossen:

Tenor:

Auf die Erinnerung der Landeskasse wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.05.2014 dahingehend abgeändert, dass die dem Pflichtverteidiger Rechtsanwalt Janssen, Norden, zu erstattende Vergütung auf insgesamt 6.493,41 Euro festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Gründe

Die zulässige Erinnerung der Landeskasse hat in der Sache Erfolg. Die durch den angefochtenen Beschluss festgesetzte Verteidigervergütung in Höhe von insgesamt 8.521,17 Eur6 war zu hoch bemessen.

Im Einzelnen ergeben sich gegenüber dem Antrag des Pflichtverteidigers folgende Abweichungen:

1. Für das Revisionsverfahren ist die Gebühr gemäß Nr. 4141 VV RVG nicht entstanden. Diese Gebühr entsteht nur, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung eine Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht entbehrlich wird. Unter welchen Umständen dies anzunehmen ist, ist in der Rechtsprechung umstritten. Nach überwiegender obergerichtlicher Rechtsprechung ist jedoch davon auszugehen, dass die Erwartung, es werde im Revisionsverfahren eine Hauptverhandlung stattfinden die Ausnahme darstellt. (vgl. OLG Oldenburg, 1 Ws 434/10 m.w.N.) In den allermeisten Fällen entscheidet das Revisionsgericht im Beschlusswege. Es müssen daher konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass es im betreffenden Verfahren zu einer Hauptverhandlung gekommen wäre. Solche sind hier nicht ersichtlich. Die seitens der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung eingelegten Revisionen wurden zurückgenommen, bevor eine schriftliche Rechtsmittelbegründung abgegeben wurde. Es war mithin noch nicht abzusehen, ob sich für das Revisionsgericht Gesichtspunkte ergeben könnten, die eine Hauptverhandlung erforderlich werden lassen. Ein Grundsatz wonach bei Revisionen der Staatsanwaltschaft vor dem Revisionsgericht stets mündlich verhandelt wird, besteht nicht.

Die für das Revisionsverfahren antragsgemäß festgesetzten Gebühren waren mithin um 492,- Euro zzgl. MwSt, d.h. insgesamt 585,48 Euro, herabzusetzen.

2. Für die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren fällt zudem keine gesonderte Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikation an. Es handelt sich insoweit nicht um eine eigenständige Sache. Die Gebühren waren mithin um weitere 20,- Euro zzgl. MwSt, d.h. insgesamt 23,80 Euro herabzusetzen.

3. Hinsichtlich der Gebühr gemäß Nr. 4143 VV RVG für die Mitwirkung im Adhäsionsverfahren war die Gebühr für die Tätigkeit des Rechtsanwalts Janssen zwar zutreffend berechtigt, diese war jedoch nicht vollständig gegen die Landeskasse festzusetzen.

Bei der Ermittlung der hier festzusetzenden Gebühr ist zu berücksichtigen, dass Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren lediglich teilweise gewährt worden war, nämlich soweit sich der Angeklagte gegen den Anspruch der Höhe nach verteidigt. Für die Verteidigung gegen Ersatzansprüche dem Grunde nach ist der Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen worden, so dass der Verteidiger insoweit als Wahlanwalt tätig war. Die für die Tätigkeit anzusetzenden Gebühren sind mithin gemäß § 15 Abs. 3 RVG nach den Teilstreitwerten zu ermitteln, die auf die Tätigkeit als Wahlanwalt und als beigeordneter Anwalt entfallen, wobei die Summe der Gebühren die nach dem Höheren Gebührensatz für den Gesamtstreitwert sich ergebene Gebühr nicht überschreiten darf.

Die Aufteilung des Gesamtstreitwertes erfolgt nach billigem Ermessen. Vorliegend ist eine Bemessung des Streitwertes für die Verteidigung gegen den Anspruch im Grunde nach in Übereinstimmung mit der Zivil- und Strafgerichtlichen Praxis dahingehend angemessen, den Wert mit 80% des Gesamtstreitwertes anzusetzen (vgl. OLG Hamm, 2 Ws 408/02). Dies sind vorliegend bei einem Gesamtstreitwert von 30.000,- Euro ein Betrag von 24.000,- Euro. Es ergibt sich somit eine - gemäß § 13 RVG zu ermittelnde - 2,0-Gebühr in Höhe von insgesamt 1.576,- Euro zzgl. MwSt. Für den Reststreitwert von 6.000,- Euro, für den eine Tätigkeit im Rahmen der Beiordnung erfolgte, ergibt sich eine - gemäß § 49 RVG zu ermittelnde - 2,0- Gebühr in Höhe von insgesamt 534,- Euro zzgl. MwSt. Die Summe dieser Gebühren übersteigt die für den Gesamtstreitwert von 30.000,- Euro sich gemäß § 13 RVG ergebende Gebühr von insgesamt 1.726,- Euro. Es verbleibt mithin gemäß § 15 Abs. 3 RVG bei der von Rech Anwalt Janssen geltend gemachten Gebühr.

Diese ist allerdings nicht vollständig gegen die Landeskasse festzusetzen. Der Landeskasse fällt nur die Gebühr für die Tätigkeit im Rahmen der Beiordnung an. Für die Tätigkeit als Wahlanwalt entstandene Gebühren wären hingegen gegebenenfalls auf Antrag des Anwalts gemäß § 11 RVG gegen den Angeklagten festzusetzen gewesen.

Die gegen die Staatskasse festzusetzende Gebühr ermittelt sich aus dem Teilstreitwert von 6.000 Euro. Sie beträgt - unter Zugrundelegung der Gebührensätze des § 49 RVG - 534,Euro zzgl. MwSt, mithin insgesamt 635,46 Euro. Der darüber hinausgehende Betrag von 1.418,48 Euro war zu Unrecht gegen die Landeskasse festgesetzt worden.

3.

Unter Berücksichtigung der vorstehend festgestellten Abzugsposten war die gegen die Landeskasse festgesetzte Gebühr um insgesamt 2.027,76 Euro auf 6.493,41 Euro herabzusetzen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Auslagen werden nicht erstattet.