Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 18.08.2004, Az.: 3 A 41/02

Beurteilung; Beurteilungsverfahren; Bewährungsaufsteiger; dienstliche Beurteilung; gehobener Dienst; Leistungsbild; Leistungsvermögen; Qualifikationszuwachs; Ranking; sachfremde Erwägung; spezielle Ausbildung; Tatsachengrundlage

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
18.08.2004
Aktenzeichen
3 A 41/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50821
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Im Vergleich zwischen Absolventen eines Aufstiegslehrgangs und sogenannten Bewährungsaufsteigern stellt die Berücksichtigung eines Qualifikationszuwachses durch die Teilnahme an einer besonderen, einen erheblichen Zeitraum einnehmenden Ausbildung keine sachfremde Erwägung dar.

Tatbestand:

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Der 50 Jahre alte Kläger gehörte der Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes an. Er wurde durch Verfügung der Beklagten vom 29.09.1999 mit Wirkung vom 30.09.1999 zum Aufstieg ohne Einführungszeit und ohne Prüfung für die Laufbahn des gehobenen Dienstes der Kriminal- bzw. Schutzpolizei zur Wahrnehmung eines Amtes bis zur BesGr. A 11 BBesO gemäß § 17 a Abs. 4 PolNLVO zugelassen. Im November 1999 ernannte ihn die Beklagte zum Polizeikommissar.

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Für den Zeitraum vom 01.06.1988 bis zum 31.08.2000 erhielt er unter dem 21.09.2000 eine dienstliche Beurteilung mit der Gesamtwertung „Entspricht voll den Anforderungen“ (Wertungsstufe 3). Wegen der Einzelheiten, insbesondere der Wertungen zu den Einzelmerkmalen, wird auf diese Beurteilung Bezug genommen. Der Kläger war mit der Wertung 3,5 zu den Einzelmerkmalen 2 und 11 sowie mit der Wertung 3 zu den Einzelmerkmalen 5 und 8 nicht einverstanden und machte geltend, bei der aus seiner Sicht gebotenen Anhebung dieser Wertungen und der gebotenen Gewichtung seiner mit der Wertung 4 gewürdigten Leistungen sei eine Gesamtwertung mit der Stufe 4 gerechtfertigt. Dazu äußerten sich der Erstbeurteiler, PHK P., und der Zweitbeurteiler, EPHK K., unter dem 11. bzw. 21.11.2000 schriftlich (BL 70 und 71 der Beiakten B). Darauf wird Bezug genommen.

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Im Februar 2001 legte der Kläger durch seine Bevollmächtigten Widerspruch gegen die Beurteilung ein und ergänzte seine Einwände wie folgt: Die Beurteiler hätten seine Einwendungen im Beurteilungsgespräch nicht angemessen gewürdigt. Sie hätten ihre Wertungen nicht plausibel und transparent gemacht. Das arithmetische Mittel der Einzelwertung liege bei 3,5. Unter Berücksichtigung der besonderen Gewichtung bestimmter Einzelmerkmale müsse das Gesamturteil auf „4“ lauten. Erst- und Zweitbeurteiler hätten im Beurteilungsgespräch ihre Wertung zum Einzelmerkmal 2 (Persönliche Weiterentwicklung) damit begründet, dass er Bewährungs- und nicht Lehrgangsaufsteiger sei. Zum Vortrag des Klägers im Widerspruchsverfahren äußerten sich Erst- und Zweitbeurteiler schriftlich unter dem 24.03. und 23.11.2001 bzw. 02.04.2001 und 03.01.2002. Darauf wird Bezug genommen. Mit Bescheid vom 13.02.2002 wies die Beklagte den Widerspruch im Wesentlichen aus folgenden Gründen zurück: Sie habe die angegriffene Beurteilung unter Würdigung der schriftlichen Äußerungen der Beurteiler zu den Einwänden des Klägers kritisch nachvollzogen. Die Beurteiler hätten ihre Bewertungen zu den Einzelmerkmalen und zum Gesamturteil schlüssig und aussagekräftig begründet. Der berufliche Werdegang des Klägers und seine in der Vergangenheit gezeigten und nach Maßgabe von außer Kraft getretenen Beurteilungsrichtlinien gewürdigten Leistungen rechtfertigten nicht den Schluss, dass seine Beurteilung im Amt des Polizeikommissars unter Anwendungen der nunmehr geltenden Beurteilungsrichtlinien fehlerhaft sei. Insbesondere sei das arithmetische Mittel aus den Einzelbewertungen nicht durch Aufrundung im mathematischen Sinne für die Bildung des Gesamturteils maßgeblich. Diesen ihren Rechtsstandpunkt habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 11.05.1999 - 5 L 3782/98 - bestätigt. Der Kläger sei als Angehöriger einer Vergleichsgruppe beurteilt worden, welcher auch Beamte mit einer Fachhochschulausbildung und solche angehörten, die einen Aufstiegslehrgang abgeschlossen hätten. Diese Beamte hätten erfahrungsgemäß einen Qualifikationsvorsprung gegenüber sogenannten Bewährungsaufsteigern. - Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid vom 13.02.2002 Bezug genommen.

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Der Kläger hat fristgerecht Klage erhoben. Zur Begründung bezieht er sich auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren und macht im Übrigen geltend: Seine Beurteilung sei Ausdruck einer bei einer Dienstbesprechung festgelegten Regel, Bewährungsaufsteiger grundsätzlich - also ohne Rücksicht auf die tatsächlich gezeigten Leistungen - höchstens mit der Wertungsstufen 3 im Gesamturteil zu beurteilen.

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Der Kläger beantragt,

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den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13.02.2002 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, ihn für den Zeitraum vom 01.06.1998 bis zum 31.08.2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu beurteilen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

9

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

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Das Gericht hat nach Maßgabe des in der mündlichen Verhandlung am 18.08.2004 verkündeten Beschlusses Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18.08.2004 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Die dienstliche Beurteilung des Klägers vom 21.09.2000 verletzt diesen nicht in seinen Rechten. Soweit sich der Kläger, ohne sich substantiiert mit der ausführlichen Begründung des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2002 auseinander zu setzen, zur Begründung der Klage auf seinen Vortrag im Verwaltungsverfahren bezieht, folgt das Gericht den Gründen des Widerspruchsbescheides und sieht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

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Die im Mittelpunkt der Klagebegründung stehende Behauptung des Klägers, die Beurteiler hätten nicht seinen im Beurteilungszeitraum gezeigten Leistungen, sondern dem Umstand, dass er nach Maßgabe des § 17 a Abs. 4 PolNLVO in die Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes aufgestiegen sei, für die Bildung des Gesamturteils entscheidende Bedeutung beigemessen, ist durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt. Schlüssig, glaubhaft und im Wesentlichen übereinstimmend haben der im Zeitpunkt der Beurteilung amtierende Leiter der Polizeiinspektion Emsland, LPD a. D. F., und der für den Kläger seiner Zeit zuständige Erstbeurteiler ausgesagt, dass der Bewährungsaufstieg des Klägers für die Beurteilung zwar eine Rolle gespielt habe, aber nicht in dem Sinne, wie der Kläger ihn vorgetragen habe. Der Zeuge F. hat ausgesagt: Im Vorfeld der Beurteilung sei im Rahmen eine „Beurteilungsrunde“, an welcher er und die in seiner Dienststelle für die Beamten des gehobenen Dienstes zuständigen Zweitbeurteiler teilgenommen hätten, mit Rücksicht auf die von den Beurteilungsrichtlinien vorgegebenen Richtwerte für die Vergabe der einzelnen Wertungsstufen ein „Ranking“ erörtert worden. Dabei seien Überlegungen angestellt worden, wie der Umstand zu berücksichtigen sei, dass von den zu beurteilenden Beamten ein geringer Teil die Fachhochschule absolviert hätten, eine ebenfalls geringer Teil ohne zusätzliche Ausbildung als Bewährungsaufsteiger in das Amt eines Polizeikommissars aufgestiegen seien, und der weitaus größte Teil vor der Ernennung zum Polizeikommissar einen sechs Monate dauernden Lehrgang abgeschlossen hätten. Dabei habe sich die Erkenntnis herausgebildet, dass die wenigen Bewährungsaufsteiger das Leistungsvermögen der anderen Beamten nicht ganz erreichten. Es sei keine formale Unterscheidung zwischen Bewährungsaufsteigern und solchen Beamten getroffen, die für den Eintritt in die Laufbahn des gehobenen Dienstes eine speziellen Ausbildung erfahren hätte. Aus der Erörterung sei keine allgemeine Regel hervorgegangen. Vielmehr habe sich für die konkrete Vergleichsgruppe gerade dieses Beurteilungsdurchganges das tatsächliche Bild vergleichsweise besserer Leistungen der besonders Ausgebildeten ergeben. - Der Erstbeurteiler hat hierzu ausgesagt: Der Bewährungsaufstieg der Klägers habe für ihn keine maßgebliche Rolle gespielt. Er habe, wie das „irgendwann mal gesagt“ worden sei, die Lehrgangleistungen bei der dienstlichen Beurteilung stärker in den Blick genommen. Eine Festlegung in dem Sinne, dass Bewährungsaufsteiger höchsten mit der Wertungsstufe 3 beurteilt werden dürften, habe es ihm gegenüber nicht gegeben. Der Zweitbeurteiler habe ihn über das Ergebnis der Beurteilungskonferenz und des dort gefundenen Rankings unterrichtet. Er halte den Kläger mit der Wertungsstufe 3 für zutreffend beurteilt, auch wenn er, wenn dies der Vergleich zwischen dem Kläger und den übrigen Beamten der Bezugsgruppe zugelassen hätte, eine Beurteilung des Klägers mit der Wertungsstufe 4 für zulässig gehalten habe.

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Aus den Aussagen dieser beiden Zeugen geht hervor, dass es in dem Beurteilungsverfahren, das zu der angegriffenen Beurteilung geführt hat, keine sachfremde Anweisung oder Regel des Inhalts gegeben hat, ohne Rücksicht auf die tatsächlich gezeigten Leistungen nur nach Maßgabe der laufbahnrechtlichen Voraussetzungen zu beurteilen, unter denen die Beamten in die Laufbahn des gehobenen Dienstes eingetreten sind. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus der Aussage des Zeugen T. von dem der Kläger in dem von ihm vorgetragenen Sinne über das Ergebnis der Beurteilungsrunde informiert worden sein will. Der Zeuge hat zunächst klargestellt, dass er an der fraglichen Beurteilungsrunde nicht beteiligt gewesen sei, weil der Kläger erst im Jahr 2001 zu seiner - des Zeugen - Dienststelle gestoßen sei. Danach kann sich die Erkenntnis, die der Kläger aus Mitteilungen des Zeugen T. gewonnen hat, allenfalls auf das Ergebnis einer Beurteilungskonferenz beziehen, die unter der Leitung des Zeugen F. im September 2001 stattgefunden hat. Der Zeuge hat aus dieser Beurteilungskonferenz keine Anweisung oder Regel mitgenommen, die darauf schließen ließe, bei der Beurteilungsrunde im September 2000 sei ohne Rücksicht auf das wirkliche Leistungsbild zwischen Bewährungsaufsteigern und Beamten unterscheiden worden, die im Anschluss an eine besondere Ausbildung in die Laufbahn eingetreten sind. Er hat ausgesagt, dass er einen Hinweis des PI-Leiters in der Konferenz, Bewährungsaufsteiger „grundsätzlich“ mit der Wertungsstufe 3 zu beurteilen, in dem Sinne verstanden habe, dass die Teilnahme am Aufstiegslehrgang regelmäßig zu einem gewissen Qualifikationszuwachs führe; dies habe auch seiner persönlichen Einschätzung entsprochen.

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Die Berücksichtigung eines Qualifikationszuwachses der aufgestiegenen Beamten durch die Teilnahme an einer besonderen, einen erheblichen Zeitraum einnehmenden Ausbildung stellt keine sachfremde Erwägung dar. Der Erfolg einer auf ein Amt vorbereitenden fachlichen Weiterbildung darf jedenfalls dann die Bewertung des Leistungsbildes maßgeblich mitbestimmen, wenn er bei einer ersten Beurteilung im neuen Amt das Leistungsbild im Vergleich zu Beamten prägt, die eine solche Ausbildung nicht durchlaufen und einen dem Ausbildungserfolg gleichwertigen Qualifikationszuwachs durch Berufserfahrung in dem neuen Amt noch nicht erzielt haben.