Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 18.08.2004, Az.: 3 A 169/02
außerdienstliche sportliche Betätigung; Dienstunfall; Dienstunfallschutz; Feststellung; Feststellungsinteresse; Fußball; Vereinssport; vollständig ausgeheilt; Wettkampf; Zustimmung
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 18.08.2004
- Aktenzeichen
- 3 A 169/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50822
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 31 Abs 1 BeamtVG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Das "Aufwärmen" vor einem Fußball-Wettkampf gehört nicht zu dem für Polizeivollzugsbeamte dem Dienstunfallschutz unterstellten Vereinssport "zu den Trainingszeiten".
Zum Rechtsschutzinteresse an der Feststellung, eine folgenlos geheilte (restitutio ad integrum) Verletzung sei Folge eines Dienstunfalls gewesen.
Tatbestand:
Der 40 Jahre alte Kläger ist Polizeibeamter. Am 15.03.2001 erlitt er bei einem polizeiinternen Fußballspiel eine Fissur des rechten Wadenbeines im distalen Drittel. Dazu fertigte er unter dem 02.05.2001 eine Dienstunfallanzeige. Am 15.09.2001 nahm er an einem Fußballspiel der Altherrenmannschaft des Vfl WE Nordhorn teil. Mit Dienstunfallanzeige vom 16.10.2001 trug er vor: Beim Aufwärmen vor dem Fußballspiel habe er einen hart geschossenen Ball genau auf die Stelle bekommen, an welcher er sich am 15.03.2001 den Wadenbeinbruch zugezogen habe. Anschließend habe er an dem Fußballspiel teilgenommen. Spät am Abend seien Beschwerden aufgetreten. Am darauf folgenden Morgen sei durch eine Röntgenuntersuchung festgestellt worden, dass das Wadenbein genau an der selben Stelle wie am 15.03.2001 erneut gebrochen sei. Er habe im Anschluss an die erste Verletzung für die Dauer von 6 Wochen keinen Sport treiben dürfen. Danach habe er regelmäßig beschwerdefrei gejoggt.
Das Verletzungsereignis vom 15.03.2001 erkannte die Beklagte durch Bescheid vom 18.06.2002 als Dienstunfall an. Eine Anerkennung des Verletzungsereignisses vom 15.09.2001 als Dienstunfall lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.03.2002 ab. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Bescheid vom 27.08.2002 zurückwies.
Der Kläger hat fristgerecht Klage erhoben. Er trägt vor: Kraft Zustimmung des Kommandeurs der Schutzpolizei der Bezirksregierung Weser-Ems vom 23.10.1990 genieße seine sportliche Betätigung außerhalb des Dienstes in der Sportart Fußball nach Maßgabe des Runderlasses des Innenministeriums vom 17.12.1991 (Nds. MBl. S. 70) Dienstunfallschutz. Zwar erstrecke sich der Dienstunfallschutz gemäß Nr. 4.2 dieses Erlasses nicht auf sportliche Wettkämpfe. Er habe sich die Verletzung jedoch vor dem Wettkamp beim Aufwärmen zugezogen. Er sei sich sicher, während des Wettkampfes nicht mit einem Gegenspieler zusammengeprallt oder in ähnlicher Weise körperlich belastet gewesen zu sein, wodurch es zu der Verletzung hätte kommen können. Jedenfalls sei es zu der Verletzung nur deshalb gekommen, weil die Verletzung vom 15.03.2001 im September 2001 noch nicht vollständig ausgeheilt gewesen sei. Dies habe sich jedoch erst im Nachhinein herausgestellt, nachdem er zuvor von einer vollständigen Ausheilung der Verletzung vom 15.03.2001 habe ausgehen dürfen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Verletzungsereignis vom 15.09.2001 als Dienstunfall anzuerkennen;
hilfsweise,
festzustellen, dass der Dienstunfall vom 15.03.2001 wesentliche Ursache für die Verletzung vom 15.09.2001 gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt unter Bezugnahme auf Stellungnahmen ihres Polizeiärztlichen Dienstes vor: Es sei unwahrscheinlich, dass durch den Aufprall eines Balles auf das Wadenbein ein Knochenbruch hervorgerufen werde, zumal der Kläger im Anschluss an dieses Ereignis noch etwa für die Dauer von 60 Minuten beschwerdefrei an einem Fußballspiel teilgenommen habe. Es sei ferner unwahrscheinlich, dass die Verletzung vom 15.09.2001 Folge der Verletzung vom 15.03.2001 gewesen sei. Ein Knochenbruch sei nach 6 Monaten knöchern konsolidiert. Es fehle an einem Brückensymptom zwischen dem ersten und zweiten Knochenbruch. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Zweitfraktur in keinem Zusammenhang mit der Erstfraktur stehe.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist mit dem Hauptantrag zulässig, jedoch unbegründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Wadenbeinbruch, den der Kläger am 15.09.2001 erlitten hat, als Folge eines Ereignisses anzuerkennen, das in Ausübung oder in Folge des Dienstes eingetreten ist (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die von dem Kläger vorgetragene äußere Einwirkung (Aufprall eines hart geschossenen Balles auf das Schienbein) den Bruch dieses Knochens hervorgerufen hat oder seiner Art nach überhaupt geeignet ist, eine derartige Verletzung hervorzurufen, was jedenfalls nicht der Lebenserfahrung des selbst seit etwa 40 Jahren Fußball spielenden Unterzeichner dieses Urteils entsprechen würde. Denn die sportliche Betätigung des Klägers, die zu der Verletzung geführt haben soll, ist vom Dienstunfallschutz nicht erfasst. Es handelte sich um eine sportliche Tätigkeit außerhalb des Dienstes, die nicht durch die Zustimmung des Kommandeurs der Schutzpolizei bei der Bezirksregierung Weser-Ems vom 23.10.1990 in den Dienstunfallschutz einbezogen ist. Diese Zustimmung erfasst die Sportart Fußball nur „zu den Trainingszeiten“. Die Teilnahme an einem Fußballwettkampf zählt dazu nicht, was im übrigen auch aus der Bestimmung zu Nr. 4.2 des Runderlasses vom 17.12.1991 hervorgeht. Mit seiner Zustimmung zur Ausübung des Fußballsports hat der Kommandeur der Schutzpolizei nicht jede „Ballberührung“ außerhalb des durch Zeichen eines Spielleiters begonnenen oder beendeten Wettkampfes unter den Dienstunfallschutz gestellt, sondern die Zuordnung der außerdienstlichen sportlichen Betätigung zur versorgungsrechtlichen Risikosphäre des Dienstherrn nach objektiven sachlichen und zeitlichen Kriterien vollzogen: Da sich der Dienstsport zur Erhaltung und erstrebten Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit der Polizeibeamten nicht im gewünschten Umfang durchführen lässt, wird die außerdienstliche sportliche Betätigung „zu den Trainingszeiten“ durch Gewährung von Dienstunfallschutz dienstlich gefördert (Runderlass v. 17.12.1991). Das in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem „Anpfiff“ eines Wettkampfspieles stehende „Aufwärmen“ lässt sich kaum unter den Begriff „Trainingszeit“ einordnen, wie er dem Sprachgebrauch in Sportvereinen entspricht. Er gehört als die dem Wettkampf unmittelbar vorangehende Vorbereitung des Körpers auf die mit Beginn des Wettkampfes eintretende körperliche Belastung zu der vom Unfallschutz ausgenommenen Wettkampfveranstaltung selbst. Dies entspricht dem von der Beklagten vorgetragenen Willen des Erlassgebers, auf den bei der Auslegung des Erlasses maßgeblich abzustellen ist.
Mit dem Hilfsantrag ist die Klage unzulässig. Der Kläger hat kein schützenswertes rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung aufgezeigt. Nach einer ärztlichen Bescheinigung des Arztes für Chirurgie, Sportmedizin und Chirotherapie Peter Gerwien in Lingen vom 06.05.2002, deren Inhalt der Kläger nicht in Frage stellt, war die Verletzung vom 15.09.2001 vollständig ausgeheilt (restitutio ad intergrum). Der Kläger hat mit seinem Vortrag keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil sichtbar gemacht, der mit der begehrten Feststellung verbunden wäre. Seine spekulative Befürchtung, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieselbe Verletzung ein weiteres Mal auftrete, begründet kein Rechtsschutzinteresse. Sollte sich diese Befürchtung erfüllen, so würde sich dann für die Gewährung eines Dienstunfallschutzes die medizinische Frage stellen, ob die nunmehr erlittene Verletzung im versorgungsrechtlichen Sinne Folge des Dienstunfalles vom 15.03.2001 ist. Auf diese Frage könnte eine Feststellung, dass die Verletzung vom 15.09.2001 eine solche Unfallfolge gewesen ist, keine Antwort geben.