Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 25.07.2012, Az.: 1 B 156/12

gegenwärtige Gefahr; Hund; Sicherstellung; Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbot; Tierhaltungsverbot; Tierbetreuungsverbot; Verwertung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
25.07.2012
Aktenzeichen
1 B 156/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44442
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Hunde, die trotz eines vollziehbaren Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbots gehalten werden, dürfen von der Behörde sichergestellt und verwertet werden.

Gründe

Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragsteller,

die aufschiebende Wirkung der Klage zum Aktenzeichen 1 A 155/12 gegen die am 25.04.2012 mündlich angeordnete und mit Bescheid vom 02.05.2012 schriftlich bestätigte Sicherstellung von 9 Hunden und gegen die mit Bescheid vom 02.05.2012 angeordnete Verwertung der Tiere wiederherzustellen,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz. i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 VwGO statthaft, da der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Sicherstellung und der Verwertung angeordnet hat.

Der Antragsgegner hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Anordnungen in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet. Er hat ausgeführt, dass es im Interesse der von den Antragstellern unter Missachtung des ihnen gegenüber ausgesprochenen, vollziehbaren Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbots gehaltenen Tiere nicht länger hingenommen werden könne, dass die Tiere weiterhin den mit Bescheid vom 02.03.2012 festgestellten, tierschutzwidrigen Haltungsbedingungen ausgesetzt seien.

Der Antrag ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, soweit die Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Sicherstellung und Verwertung des Hundes „K.“ beantragen, denn die Sicherstellung aller Hunde wurde am 25.04.2012 durchgeführt und „K.“ wurde nach Angaben des Antragsgegners inzwischen euthanasiert. In diesem Fall schließt der bereits stattgefundene Vollzug das Rechtsschutzbedürfnis im einstweiligen Rechtsschutzverfahren aus, da eine Rückgängigmachung der Vollziehung offensichtlich ausgeschlossen ist und der Eintritt der aufschiebenden Wirkung den Antragstellern auch sonst keine Vorteile bringt (vgl. Kopp, VwGO, 18. Auflage 2012, § 80 Rn. 136). Es kann dahingestellt bleiben, ob den Antragstellern auch hinsichtlich der Sicherstellung und Verwertung der weiteren 8 Hunde das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil nach Angaben des Antragsgegners das Eigentum an den Hunden Tierauffangstationen und Tierheimen übertragen wurde und 5 Hunde  - „L.“, „M.“, „N.“, „O.“ und „P.“ - bereits an Dritte vermittelt worden seien. Es ist fraglich, ob im Falle eines Obsiegens der Antragsteller im vorliegenden Verfahren das Eigentum an den Hunden den Antragstellern zurückübertragen werden könnte. Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht entscheidend an, weil der Antrag der Antragsteller unbegründet ist.

Die Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Aussetzungsinteresse geht zu Lasten der Antragsteller aus, weil nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage die angefochtenen Verfügungen sich im Klageverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen werden.

Rechtsgrundlage für die Sicherstellung der 9 Hunde am 25.04.2012 ist § 26 Nds. SOG. Nach § 26 Nr. 1 Nds. SOG können die Verwaltungsbehörden und die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Unter (konkreter) Gefahr ist nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 1 Nds. SOG eine Sachlage zu verstehen, bei dem im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eintreten wird. Die Gefahr ist nach § 2 Nr. 1 b Nds. SOG gegenwärtig, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder wenn diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Eine bereits eingetretene, in ihrer Wirkung noch andauernde Störung ist immer eine gegenwärtige Gefahr (s. OVG Lüneburg, Urteil vom 02.07.2009 – 11 LC 4/08 – Rn. 38, zitiert nach juris). Zum Zeitpunkt der Anordnung der Sicherstellung am 25.04.2012 und der anschließenden Vollziehung lag eine Gefahrenlage in diesem Sinne vor. Die Antragsteller haben Hunde gehalten, obwohl ihnen dies aufgrund der mit Bescheid vom 02.03.2012 getroffenen Anordnungen, ihren Tierbestand bis zum 31.03.2012 aufzulösen und ab diesem Zeitpunkt keine Tiere mehr zu halten und zu betreuen, verboten war. Soweit die Antragsteller geltend machen, diese Anordnungen seien rechtswidrig, den von ihnen gehaltenen Tieren würde es gut gehen, verhilft ihnen dies nicht zum Erfolg, denn der im Hauptsacheverfahren 1 A 88/12 angefochtene Bescheid vom 02.03.2012 ist vollziehbar. Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung der Bestandsauflösung und des Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbots angeordnet; den Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage dagegen wiederherzustellen, hat das erkennende Gericht mit rechtskräftigem Beschluss vom 05.04.2012 (1 B 89/12) abgelehnt.

Die unter Anordnung des Sofortvollzugs verfügte Sicherstellung erweist sich auch als ermessensgerecht. Dabei dürfte eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegen, denn unter tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten kam gar keine andere Maßnahme als die Sicherstellung der Hunde in Betracht.

Auch die vom Antragsgegner verfügte Verwertung der Hunde ist nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage hierfür ist § 28 Abs. 1 Nr. 2 Nds. SOG. Danach ist die Verwertung einer sichergestellten Sache zulässig, wenn ihre Verwahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist. Diese Voraussetzungen liegen bei sichergestellten Tieren regelmäßig vor (vgl. Saipa, Nds. SOG, Loseblattsammlung, § 28 Rn. 3) und sind vom Antragsgegner durch eine bei Gericht eingereichte Aufstellung über ihm bisher entstandene Kosten für die Unterbringung und Pflege der in Verwahrung (vgl. § 27 Nds. SOG) genommenen Hunde der Antragsteller dokumentiert. Auch die vom Antragsgegner gewählte Art der Verwertung - Eigentumsübertragung an Tierauffangstationen und Tierheime - ist nicht zu beanstanden. Nach § 28 Abs. 3 Nds. SOG wird eine sichergestellte Sache grundsätzlich durch öffentliche Versteigerung  verwertet (Satz 1). Bleibt die Versteigerung erfolglos, erscheint sie von vornherein aussichtslos oder würden die Kosten der Versteigerung voraussichtlich den zu erwartenden Erlös übersteigen, so kann die Sache freihändig verkauft werden (Satz 3). Kann die Sache innerhalb angemessener Frist nicht verwertet werden, so darf sie einem gemeinnützigen Zweck zugeführt werden (Satz 4). Der Antragsgegner hat in seinem Bescheid vom 02.05.2012 dargelegt, warum er im vorliegenden Fall von einer öffentlichen Versteigerung und einem freihändigen Verkauf der Hunde abgesehen hat. Danach ging er davon aus, dass die Personalkosten für die Durchführung der Versteigerung, die Kosten für die Bekanntgabe der Versteigerung und die Unterbringungskosten für die Tiere bis zum Versteigerungstermin den zu erwartenden Versteigerungserlös übersteigen würden. Von einem freihändigen Verkauf habe man abgesehen, weil höchst zweifelhaft sei, ob mit Tieren aus einer tierschutzwidrigen Haltung überhaupt ein Verkaufserlös zu erzielen sei. Dem ist nichts entgegenzusetzen. Darüber hinaus würden bei einem freihändigen Verkauf ebenfalls nicht abschätzbare Unterbringungskosten für die Hunde anfallen, da es lange dauern könnte, bis ein Käufer gefunden wird. Demnach hat der Antragsgegner ermessensfehlerfrei von der Möglichkeit nach Satz 4 Gebrauch gemacht, indem er das Eigentum an den sichergestellten Hunden an Tierheime und Tierauffangstationen übertragen hat; diese Einrichtungen verfolgen einen gemeinnützigen Zweck.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist ebenfalls abzulehnen, da der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. Die Kostenentscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren beruht auf § 1 Abs. 1 GKG und § 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. 52 Abs. 2 GKG. Da der wirtschaftliche Wert der streitbefangenen Tiere nicht bekannt ist und sich auch nur schwer feststellen lässt, ist im Hauptsacheverfahren der Auffangwert von 5.000,00 Euro anzusetzen, der nach Nr. 1.5 Satz 1, 1. Halbsatz des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren auf die Hälfte herabzusetzen ist.