Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 23.07.2012, Az.: 1 B 121/12
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 23.07.2012
- Aktenzeichen
- 1 B 121/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 44450
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Gründe
Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Klage zum Aktenzeichen 1 A 88/12 gegen die mit Bescheid des Antragsgegners vom 02.03.2012 erfolgte Zwangsgeldandrohung und die aufschiebende Wirkung der Klage zum Aktenzeichen 1 A 120/12 gegen die mit Bescheid des Antragsgegners vom 16.04.2012 erfolgte Zwangsgeldfestsetzung und erneute Zwangsgeldandrohung anzuordnen,
hat keinen Erfolg.
Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt war bereits Gegenstand des zwischen denselben Beteiligten geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zum Aktenzeichen 1 B 89/12. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Sachverhaltsdarstellung in den Gründen des in jenem Verfahren ergangenen Beschlusses vom 05.04.2012 verwiesen.
Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbsatz i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft, da Rechtsbehelfe gegen die mit Bescheiden vom 02.03.2012 und 16.04.2012 erfolgten Zwangsgeldandrohungen und die mit Bescheid vom 16.04.2012 erfolgte Zwangsgeldfestsetzung gemäß § 70 NVwVG i.V.m. § 64 Abs. 4 Satz 1 Nds. SOG keine aufschiebende Wirkung haben und nach § 64 Abs. 4 Satz 2 Nds. SOG § 80 Abs. 4 bis 8 der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend anzuwenden ist.
Der Antrag ist unzulässig, soweit die Antragsteller sich uneingeschränkt gegen die sofortige Vollziehung der mit Bescheid vom 16.04.2012 festgesetzten Zwangsgelder über insgesamt 15.500,00 Euro wenden, denn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung droht nur noch die Vollstreckung von Zwangsgeldern i.H.v. 5.390,00 Euro. Der Antragsgegner hat während des vorliegenden Verfahrens den restlichen Tierbestand der Antragsteller aufgelöst (Bl. 102 Verwaltungsvorgang) und erklärt, dass die Antragsteller (nur) noch den Verbleib von 14 Hunden, 502 Meerschweinchen, einer Hauskatze und einer Glattechse nachzuweisen hätten; der Aufenthaltsort aller weiteren Tiere sei bekannt. Es würden nur noch Zwangsgelder i. H. v. 5.390,00 Euro (14 x 25,00 Euro für jeden nicht erbrachten Nachweis über den Verbleib eines Hundes zzgl. 504 x 10,00 Euro für jeden nicht erbrachten Nachweis über den Verbleib eines sonstigen Tieres) beigetrieben werden (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 2 Nds. SOG). Demzufolge fehlt den Antragstellern das Rechtsschutzbedürfnis, soweit sie sich gegen die Zwangsvollstreckung eines 5.390,00 Euro übersteigenden Betrages wenden. Mit Blick auf die Auflösung des Tierbestandes droht den Antragstellern auch nicht mehr die Festsetzung der mit Bescheid vom 02.03.2012 angedrohten Zwangsgelder für bis zum 31.03.2012 nicht abgegebene Tiere. Auch insoweit ist ihr Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Im Übrigen ist der Antrag unbegründet, weil die Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Aussetzungsinteresse zu Lasten der Antragsteller ausgeht. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sind die o. g. Zwangsmittel in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angedroht bzw. festgesetzt worden.
Die mit Bescheid vom 02.03.2012 erfolgten Zwangsgeldandrohungen über 25,00 Euro für jeden nicht bis zum 31.03.2012 erbrachten Nachweis über den Verbleib eines abgegebenen Hundes, über 10,00 Euro für jeden nicht bis zum 31.03.2012 erbrachten Nachweis über den Verbleib eines abgegebenen sonstigen Tieres und über 300,00 Euro für jedes nach Auflösung des Tierbestandes und Inkrafttreten des Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbots gehaltene Tier finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 64, 65, 67, 70 Nds. SOG. Nach § 64 Abs. 1 Nds. SOG kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die mit Bescheid vom 02.03.2012 angedrohten Zwangsgelder dienen der Durchsetzung der mit diesem Bescheid angeordneten Auflösung des gesamten Tierbestandes der Antragsteller bis zum 31.03.2012 und des ab diesem Zeitpunkt ausgesprochenen unbefristeten Tierhaltungs- und Tierbetreuungsverbots. Die dagegen erhobene Klage (1 A 88/12) hat keine aufschiebende Wirkung, da die sofortige Vollziehung angeordnet und der Antrag der Antragsteller auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit rechtskräftigem Beschluss des erkennenden Gerichts vom 05.04.2012 (1 B 89/12) abgelehnt wurde. Die Zwangsgelder wurden gemäß § 65 Abs. 2 Nds. SOG nach Maßgabe des § 70 Abs. 1 schriftlich angedroht. Die den Antragstellern zur Auflösung ihres Tierbestands eingeräumte Frist von fast vier Wochen - Zugang des am 02.03.2012 abgesandten Bescheids war gemäß § 41 Abs. 2 VwVfG der 05.03.2012 - war auch mit Blick auf die Größe des Tierbestandes angemessen, denn die untragbaren Haltungsbedingungen ließen kein längeres Zuwarten zu (zu den Haltungsbedingungen s. Beschluss vom 05.04.2012 - 1 B 89/12 -). Entgegen der Auffassung der Antragsteller war die Frist nicht deshalb zu kurz bemessen, weil vor Abschluss des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens 1 B 89/12 den Antragstellern die Auflösung des Tierbestandes nicht zumutbar gewesen wäre. Ein gerichtliches Eilverfahren hat keinerlei Auswirkungen auf die sofortige Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheids und entbindet die Adressaten nicht davon, den im streitbefangenen Bescheid getroffenen Anordnungen während des Eilverfahrens sofort oder fristgemäß nachzukommen. Das Gericht hat im Verfahren 1 B 89/12 auch keine Veranlassung gesehen, den Antragsgegner zu bitten, bis zur Entscheidung des Gerichts über den Eilantrag von Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen.
Die angedrohten Zwangsgelder sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie bewegen sich jeweils im unteren Bereich des nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG vorgegebenen Rahmens von mindestens 5 und höchstens 50.000,00 Euro. Sie berücksichtigen gemäß Satz 2 auch das wirtschaftliche Interesse der Antragsteller an der Nichtbefolgung des Verwaltungsakts, denn der Antragsgegner hat bei der Höhe auf den wirtschaftlichen Wert der Tiere abgestellt. Der Einwand der Antragsteller, die Zwangsgelder seien unverhältnismäßig, weil sie in der Summe (einschließlich der für die nicht fristgerechte Abgabe von Tieren angedrohten Zwangsgelder) einen Betrag von 25.660,00 Euro (zzgl. 300,00 Euro für jedes verbotenerweise gehaltene Tier) erreichen können, greift nicht durch. Die hohe Summe der Zwangsgelder ist allein durch den großen Tierbestand der Antragsteller bedingt und führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit der einzeln angedrohten Zwangsgelder. Zudem bewegt sich auch die Summe der Zwangsgeldbeträge noch im Rahmen des § 67 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG.
Die mit Bescheid vom 16.04.2012 erfolgte Zwangsgeldfestsetzung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Prüfung unterliegen noch Zwangsgelder i.H.v. 5.390,00 Euro (s.o.). Der Antragsgegner geht zu Recht davon aus, dass noch Nachweise über den Verbleib von 14 Hunden, 502 Meerschweinchen, einer Hauskatze und einer Glattechse fehlen. Bei der Auflösung des Tierbestandes am 25.04.2012 waren von dem im Erlasszeitpunkt des Bescheids vom 02.03.2012 festgestellten Tierbestand von 22 Hunden, 593 Meerschweinchen, 24 Kaninchen, einer Hauskatze und einer Echse (s. hierzu Beschluss vom 05.04.2012 - 1 B 89/12 -) noch 7 Hunde („K.“, „L.“, “ M.“, „N.“, „O.“, „P.“ und „Q.“) vorhanden; die darüber hinaus sichergestellten Hunde „R.“ und „S.“ gehörten nicht zum Ursprungsbestand (s. Bl. 59, 60 und 110 Verwaltungsvorgang). Weitere Tiere wurden nicht vorgefunden. Nach dem Inhalt des Verwaltungsvorgangs ist der Verbleib folgender Tiere bekannt: 91 Meerschweinchen sind in der „T.“ des Tierschutzvereins U. untergebracht (vgl. Bl. 119 Verwaltungsvorgang), 24 Kaninchen bei Herrn V. W. in X. (Bl. 121 Verwaltungsvorgang), der Schäferhund „Y.“ bei Herrn Z. in AA.. Die Angabe der Antragsteller, die Hündin „AB.“ sei bei Herrn AC. in AD. untergebracht, hat sich nach telefonischer Auskunft des Antragsgegners an das Gericht nicht bestätigt. Ein Herr AC. habe in AD. nicht ausfindig gemacht werden können. Abzüglich der bei der Bestandsauflösung vorgefundenen 7 Hunde fehlen somit Nachweise für den Verbleib von 502 Meerschweinchen, 14 Hunden, einer Hauskatze und einer Glattechse. Soweit die Antragsteller versuchen, im vorliegenden Verfahren den Verbleib weiterer Tiere nachzuweisen, gelingt ihnen dies nicht. In dem Bescheid vom 02.03.2012 wurde den Antragstellern aufgegeben, die Nachweise zum Verbleib der Tiere in schriftlicher Form unter Angabe von Art und Anzahl der abgegebenen Tiere (bei Hunden unter zusätzlicher Angabe des Namens und der Chipnummer), Übernehmer der Tiere, mit Namen und vollständiger Adresse, zu erbringen (Nr. 4. des Bescheids). Daran gemessen ist die Angabe der Antragsteller im gerichtlichen Schriftsatz vom 16.07.2012, 4 Meerschweinchen seien an AE. AF., AG. in AH., abgegeben worden, formal zwar ausreichend. Der Antragsgegner hat diese Angabe jedoch noch nicht überprüfen können, insofern ist offen, ob sie richtig und der Nachweis des Verbleibs der Meerschweinchen tatsächlich erbracht ist. Alle weiteren Angaben der Antragsteller im Schriftsatz vom 16.07.2012 sind unvollständig und deshalb unzureichend. Danach wurden 9 Hunde (Name?, Chipnummer?) an AI. AJ., AK., AL. und eine Hündin (Name?, Chipnummer?) am 18.04.2012 abgegeben (an wen?). Am 16.04.2012 noch vorhandene Meerschweinchen (Anzahl?) seien an Herrn AM. aus AN. (vollständiger Name, genaue Adresse?), 92 Meerschweinchen an Frau AO. (vollständiger Name, genaue Adresse?), 13 Meerschweinchen an AP. AQ. (Adresse?), 2 Meerschweinchen an Frau AR. aus AS. -AT. (vollständiger Name?, genaue Adresse?), 7 Meerschweinchen an AU. AV., AW. (vollständige Adresse?) und alle übrigen (Anzahl?) an AX. AY. in AZ. (vollständige Adresse?) abgegeben worden. Die Echse habe ein junger Mann unbekannter Anschrift (Name?, Adresse?) erworben, die Katze sei bei einem Herrn BA., (vollständiger Name? Adresse?).
Die im Bescheid vom 16.04.2012 erfolgte erneute Zwangsgeldandrohung von 50,00 Euro für jeden bis zum 24.04.2012 unterbliebenen Nachweis über den Verbleib eines abgegebenen Hundes und in Höhe von 20,00 Euro für jeden bis zum 24.04.2012 unterbliebenen Nachweis über den Verbleib eines abgegebenen sonstigen Tieres ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 65 Abs. 3 Nds. SOG können Zwangsmittel so lange wiederholt werden, bis der Verwaltungsakt befolgt worden ist oder sich auf andere Weise erledigt hat. Die Antragsteller schulden weiterhin Nachweise über den Verbleib von 14 Hunden und 504 sonstigen Tieren. Die Höhe der festgesetzten Zwangsgelder hält sich im Rahmen des § 67 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist ebenfalls abzulehnen, da der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. Die Kostenentscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren beruht auf § 1 Abs. 1 GKG und § 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Nr. 1.6 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.). Nach Nr. 1.6.1 Satz 1 des Streitwertkatalogs entspricht der Streitwert in selbständigen Vollstreckungsverfahren der Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes; das sind hier 15.500,00 Euro. Bei der Androhung von Zwangsmitteln ist die Hälfte des sich nach Satz 1 ergebenen Betrages festzusetzen (Satz 2). Streitbefangen sind die mit Bescheid vom 02.03.2012 angedrohten Zwangsgelder über 300,00 Euro für jeden nicht bis zum 31.03.2012 abgegebenen Hund, 20,00 Euro für jedes nicht bis zum 31.03.2012 abgegebene sonstige Tier, 25,00 Euro für jeden nicht bis zum 31.03.2012 erbrachten Nachweis über den Verbleib eines abgegebenen Hundes, 10,00 Euro für jeden nicht bis zum 31.03.2012 erbrachten Nachweis über den Verbleib eines sonstigen Tieres. Bei einem Tierbestand von 22 Hunden und 617 sonstigen Tieren im Erlasszeitpunkt des Bescheids vom 02.03.2012 beträgt der Streitwert nach Nr. 1.6.1 Satz 1 25.660,00 Euro, die Hälfte hiervon sind 12.830,00 Euro. Für die mit Bescheid vom 02.03.2012 darüber hinaus erfolgte und ebenfalls streitbefangene Zwangsgeldandrohung über 300,00 Euro für jedes nach Auflösung des Tierbestandes und Inkrafttreten des Tierhaltungs- und Betreuungsverbotes gehaltene Tier ist der angedrohte Betrag von 300,00 Euro zu Grunde zu legen, denn es ist nicht absehbar, ob und in welchem Umfang die Antragsteller verbotenerweise Tiere halten werden; die Hälfte hiervon sind 150,00 Euro. Für die streitbefangenen, mit Bescheid vom 16.04.2012 angedrohten Zwangsgelder über 50,00 Euro für jeden unterbliebenen Nachweis eines abgegebenen Hundes und 20,00 Euro für jeden unterbliebenen Nachweis eines abgegebenen sonstigen Tieres beträgt der Streitwert nach Nr. 1.6.1 Satz 1 10.780,00 Euro, da Nachweise für 14 Hunde und 504 sonstige Tiere fehlen; die Hälfte hiervon sind 5.390,00 Euro. Der sich danach ergebende Gesamtstreitwert von 33.870 Euro ist nach Nr. 1.5 Satz 1, 2. Halbsatz auf 1/4 - 8.467,50 Euro - herabzusetzen.