Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 28.09.2020, Az.: 1 W 3/20

Beschwerde gegen einen Streitwertbeschluss; Antrag auf Datenberichtigung eines Nutzers eines sozialen Netzwerkes; Auffangstreitwert für den Bestand oder die Auflösung eines Nutzungsvertrags

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
28.09.2020
Aktenzeichen
1 W 3/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 46541
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2020:0928.1W3.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Göttingen - 06.12.2019 - AZ: 9 O 9/19

Fundstellen

  • JurBüro 2021, 148
  • MMR 2021, 187
  • RVG prof 2021, 21

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Antrag auf Datenberichtigung eines Nutzers betrifft nur einen Teilaspekt des Nutzungsvertrages. Daher ist dieser Antrag grundsätzlich mit einem Streitwert zu bemessen, der unterhalb des Streitwertes für den Bestand oder die Auflösung des gesamten Nutzungsvertrags liegt. Für jenen kann in der Regel der Auffangstreitwert von 5.000,- € herangezogen werden.

  2. 2.

    Betreffen die Anträge auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Löschung eines Beitrags und der Sperrung des Nutzerkontos, auf Wiedereinstellung des Beitrags und auf Unterlassung einer erneuten Sperre oder Löschung des Beitrags das gleiche Interesse, sind sie bei der Streitwertfestsetzung zusammenzufassen.

Tenor:

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Göttingen vom 06.12.2019 wird zurückgewiesen.

Der Streitwertbeschluss des Landgerichts Göttingen wird von Amts wegen abgeändert und der Streitwert auf 3.970,- € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die Löschung seines Kommentars auf der Internet-Plattform der Beklagten sowie die Sperrung seines Nutzerkontos.

Der Kläger unterhielt ein Nutzerkonto bei der Beklagten, einer irischen Tochtergesellschaft des US-amerikanischen Unternehmens "Facebook" mit Sitz in Irland.

Er kommentierte auf der Plattform der Beklagten einen am 28.03.2019 erschienen Artikel mit den Worten "Keine Migranten. Piraten!". Dieser Beitrag wurde von der Beklagten am 29.03.2019 entfernt und das klägerische Nutzerkonto in einen sogenannten "read only"-Modus versetzt, so dass der Kläger keine eigenen Beiträge mehr verfassen konnte. Am 16.04.2019 hob die Beklagte die Maßnahmen wieder auf; der Beitrag wurde wieder sichtbar gemacht.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Löschung des Beitrags und die Sperrung seines Nutzerkontos zu Unrecht erfolgt seien und er dadurch rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei.

Er hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Daten des Klägers dahingehend zu berichtigen, dass das Vorliegen eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen durch den am 20.03.2019 gelöschten Beitrag aus dem Datensatz gelöscht wird und der Zähler, der die Zahl der Verstöße erfasst, um einen Verstoß zurückgesetzt wird;

2. festzustellen, dass der Beklagten kein Recht zustand, den unter Ziff. 3 genannten, am 29.03.2019 gelöschten Beitrag des Klägers auf der Plattform www.facebook.com zu entfernen und gegen den Kläger wegen dieses Beitrags eine Sperre in Form einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten der Plattform, vorgenommen am 29.03.2019, zu verhängen;

3. der Beklagten aufzugeben, den am 29.03.2019 gelöschten Beitrag des Klägers wieder freizuschalten: "Keine Migranten. Piraten!";

4. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, den Kläger für das Einstellen des in Ziff. 3 genannten Textes auf www.facebook.com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen, wenn sich dieser auf einen Artikel mit dem Titel "Migranten kapern Handelsschiff - Maltas Marine greift ein" bezieht und für den Fall der Zuwiderhandlung der Beklagten ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,- € oder Ordnungshaft anzudrohen, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Vorständen;

5. die Beklagte zu verurteilten, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob die Sperre gem. Ziff. 2 durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgt, und in letzterem Fall durch welches;

6. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat, und ggf. welche;

7. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 1.050,- € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.03.2019 zu zahlen;

8. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von Rechtsanwaltskosten

a. für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 691,33 € und

b. für die Einholung einer Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 201,71 € und

c. für die Einholung einer Deckungszusage für die Klage in Höhe von 729,23 €

durch Zahlung an seine Prozessbevollmächtigten freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat den Streitwert mit Beschluss vom 06.12.2019 ohne weitere Begründung für den Antrag zu Ziff. 1 mit 1000,- €, die Anträge zu Ziff. 2 und 4 mit je 1.500 €, den Antrag zu Ziff. 3 mit 500,- €, die Anträge zu Ziff. 5 und 6 auf je 200 €, den Antrag zu Ziff. 7 auf 1.050 € und den Antrag zu Ziff. 8 als Nebenforderung mit 0 €, damit insgesamt auf 5.950,- € festgesetzt.

Hiergegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit am 02.03.2020 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde aus eigenem Recht eingelegt.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass der Streitwert in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten nach freiem Ermessen zu schätzen und, soweit keine Anhaltspunkte vorlägen, mit 5.000 € festzusetzen sei. Nur bei Vorliegen besonderer Gründe dürfe von diesem angelehnten Regelstreitwert nach unten abgewichen werden. Solche Gründe seien hier nicht genannt. Auch die Gerichte im bundesweiten Vergleich würden in entsprechenden Fällen die Streitwerte mit dem genannten Regelstreitwert festsetzen. Lediglich die Auskunftsansprüche seien mit 2.500 € zu bemessen. Selbst bei den Gerichten, die vom Regelstreitwert abwichen, sei der Streitwert erheblich höher als im hiesigen Rechtsstreit festgesetzt worden. Eine einheitliche Bewertung von Anträgen scheide aus, weil die Anträge verschiedene Rechtsschutzziele verfolgen würden.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

den Streitwert auf 26.050,- € festzusetzen

Die Beklagte beantragt,

die Streitwertbeschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die vom Kläger angesetzten Streitwerte für die Einzelanträge für deutlich zu hoch. Der Auffangstreitwert in Höhe von 5.000 € könne nicht auf jeden einzelnen Antrag Anwendung finden. Da sich die Anträge alle auf denselben Beitrag bezögen, sei die wirtschaftliche Identität zu berücksichtigen. Daher seien die Anträge auf Feststellung, Herstellung und Unterlassung gemeinsam mit 5.000 € zu bemessen. Der Auffangstreitwert könne desweiteren durchaus unterschritten werden. Auskunftsansprüche würden nur mit einem Zehntel bis einem Viertel des Wertes des dahinterstehenden Hauptantrags bewertet, so dass angesichts des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs in Höhe von 1050 € eine Bewertung mit 105 € sachgerechter sei. Schließlich seien die von der Klägerseite zitierten Entscheidungen mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil dort mehrere Beiträge streitgegenständlich gewesen seien.

Das Landgericht Göttingen hat der Streitwertbeschwerde mit Beschluss vom 19.03.2020 nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des Landgerichts Göttingen vom 06.12.2019 ist gem. §§ 68 Abs. 1 Satz 1, 3, 1. Hs., Satz 5, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zulässig. Insbesondere ist die Klägervertreterin aus eigenem Recht beschwerdebefugt gem. § 32 Abs. 2 S. 1 RVG.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

a) Die Streitwertbestimmung richtet sich mit Ausnahme des Zahlungsantrags zu Ziff. 7 nach § 48 Abs. 2 GKG.

Die Anträge des Klägers zu Ziff. 1 - 6 betreffen nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten. Weder dient die Nutzung der Internet-Plattform wirtschaftlichen Belangen des Klägers, noch verfolgt er mit der Feststellung der Unwirksamkeit der Sperre, der Wiedereinstellung seines Beitrages und der Unterlassung weiterer Sperren wirtschaftliche Zwecke.

Nach § 48 Abs. 2 GKG ist der Streitwert in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Beachtlich sind damit auch die Schwierigkeit von Rechtsfragen sowie die Bedeutung der Sache aufgrund der Stellung einer Partei im öffentlichen Leben und ihres Ansehens, Namens und der Auswirkungen wirtschaftlicher Art auf ein Unternehmen (Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 49. Aufl., § 48 GKG, Rn. 25, 27).

Ausgangspunkt für die Bemessung ist in entsprechender Anwendung der jeweils in § 52 Abs. 2 GKG, § 36 Abs. 3 GNotKG und § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG benannte Wert von 5.000,- €, der nach Maßgabe des Einzelfalles zu erhöhen oder zu vermindern ist (vgl. BGH, Beschluss vom 09.04.2018 - 4 W 296/18, Rn. 2, juris; Beschluss vom 17.11.2015 - II ZB 8/14, Rn. 13, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 19. Januar 2019 - 4 W 1074/18 -, Rn. 3, juris).

b) In der Rechtsprechung ist die Festsetzung des Streitwertes für vergleichbare Streitigkeiten uneinheitlich.

Während das OLG München in einem einstweiligen Verfügungsverfahren wegen der Sperrung eines Nutzerkontos den Streitwert auf 15.000 € festgesetzt hat (OLG München, Beschluss vom 17. September 2018 - 18 W 1383/18 -, juris), hat das Oberlandesgericht Dresden den Streitwert in einem einstweiligen Verfügungsverfahren wegen der Unterlassung der Löschung einer Äußerung und der Versetzung des Nutzerkontos in den read-only Modus für 30 Tage mit 7.500,- € bewertet (OLG Dresden, Beschluss vom 19. Januar 2019 - 4 W 1074/18 -, Rn. 5, juris; so auch das OLG Stuttgart, Beschluss vom 06. September 2018 - 4 W 63/18). Demgegenüber haben das Oberlandesgericht Frankfurt und das Oberlandesgericht Koblenz den Streitwert wegen der Sperre eines Nutzerkontos, ebenfalls in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, auf 2.500,- € sowie das OLG Frankfurt für das Löschen eines einzelnen Beitrags auf 500,- € festgesetzt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 07. September 2018 - 16 W 38/18 -, Rn. 23; OLG Koblenz, Beschluss vom 26. November 2018 - 1 W 519/18 -, Rn. 16, juris).

Im Übrigen wurden die Streitwerte von den Gerichten in Hauptsacheverfahren meist ohne weitere Begründung auf unterschiedliche Werte festgesetzt (OLG München, auf insgesamt 86.500 € für mehrere Beiträge, Urteil vom 07. Januar 2020 - 18 U 1491/19 Pre -, Rn. 218; OLG Dresden auf 13.500 €, Urteil vom 20. August 2020 - 4 U 784/20, bzw. auf 11.500 €, Urteil vom 12. Mai 2020 - 4 U 1523/19; LG Mosbach 58.550 € für mehrere Beiträge, Urteil vom 16. Mai 2019 - 1 O 110/18; LG Koblenz auf 25.000 € mit Hinweis auf die Beitragsreichweite und die Meinungsfreiheit als hohes Gut, Urteil vom 21. April 2020 - 9 O 239/18 -, juris- Rn. 195; LG Mannheim auf 23.000 €, Urteil vom 13. Mai 2020 - 14 O 32/19; LG Regensburg auf 21.500 €, Beschluss vom 27.08.2019 - 72 O 2307/18; ebenso LG Mainz, Urteil vom 30.07.19 - 1 O 14/19; ebenso LG Stuttgart, Urteil vom 29. August 2019 - 11 O 291/18; ebenso LG Bremen, Urteil vom 20. Juni 2019 - 7 O 1618/18; LG Leipzig auf 19.500 €, Beschluss vom 23.08.2019 - 8 O 2216/18; LG Dresden auf 10.000 €, Beschluss vom 11.01.2019 - 1 a O 2542/18; LG Köln auf 10.000 €, Urteil vom 12. Februar 2020 - 10 O 236/19 -, Rn. 79, juris).

Mit einem wesentlich geringeren Wert von insgesamt 5.300 € für alle Anträge hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig den Streitwert in einem vergleichbaren Fall festgesetzt (OLG Braunschweig, Beschluss vom 25.06.2019 - 8 W 14/19). Als Begründung hat er angeführt, dass der Auffangstreitwert von 5.000 € für diejenigen Rechtsstreitigkeiten zu berücksichtigen sei, in denen das Bestehen des gesamten Nutzungsverhältnisses in Frage stehe. Für die Einzelanträge sei demgegenüber jeweils ein geringerer Bruchteil anzusetzen.

Einen anderen Ansatz wiederum wählte das Oberlandesgericht Nürnberg, das die Klaganträge wegen wirtschaftlicher Identität teilweise zusammenfasste (OLG Nürnberg, Urteil vom 04.08.2020 - 3 U 3641/19, Rn. 222, so auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.06.2019 - 14 W 70/19).

c) Vorliegend war der Streitwert mit insgesamt 3.970,- € zu bemessen. Dabei lässt sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten:

aa) Für den Antrag auf Datenberichtigung (Ziff. 1) hat das Landgericht zutreffend einen Wert von 1.000,- € festgesetzt.

Dieser Antrag ist auf die Korrektur der Nutzerdaten gerichtet und bezweckt, dem Kläger eine bessere Position bei zukünftigen Verstößen zu verschaffen. Da Art und Dauer der Sanktionierung unter anderem vom Vorverhalten des Nutzers abhängen, dienen Vermerke über Vertragsverstöße insbesondere als Grundlage für zukünftige Sanktionierungen bei etwaigen weiteren Vertragsverstößen. Bei einer Löschung des Vermerks stünde der Kläger daher bei etwaigen weiteren Verstößen gegen die Kommunikationsbestimmungen der Beklagten besser als ohne diese.

Dieses Interesse ist in das Gesamtgefüge der nichtvermögensrechtlichen Ansprüche einzuordnen und insbesondere in das Verhältnis etwa zum Bestehen des Nutzungsvertrags als ganzem zu setzen. Gemessen hieran betrifft der Antrag auf Datenberichtigung nur einen Teilaspekt und kann daher nicht mit demselben Streitwert bemessen werden wie etwa ein Rechtsstreit über die Beendigung des Nutzungsvertrags (so auch der 8. Zivilsenat des OLG Braunschweig, Beschluss vom 25.06.2019 - 8 W 14/19).

Ein Rechtsstreit über die Beendigung des Nutzungsvertrags wäre vorliegend mit dem Auffangstreitwert von 5.000,- € zu schätzen. Dass dieser Wert für eine durchschnittliche nichtvermögensrechtliche Rechtsstreitigkeit nach Lage des Falls anzuheben wäre, ist nicht ersichtlich. Weder hat der Kläger vorgetragen, dass er in irgendeiner Hinsicht zur Steigerung seiner Bekanntheit auf die Plattform der Beklagten angewiesen wäre, noch, dass er eine prominente Persönlichkeit wäre, deren Beiträge einen besonders hohen Wirkungskreis entfalten würden. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Plattform für den Kläger zur Entfaltung einer politischen Aktivität erforderlich oder die Nutzung gerade der Internet-Plattform der Beklagten für die Lebensführung des Klägers besonders wichtig wäre oder er sie überhaupt nur besonders intensiv nutzen würde. So ist nicht erkennbar, dass die Plattform der Beklagten im Vergleich zu unzähligen anderen Quellen im Internet mehr Informationsmöglichkeiten bietet. Dem Kläger ist es auch ohne weiteres möglich, im Internet und außerhalb des Internets am gesellschaftlichen und politischen Diskurs teilzunehmen, ohne zwingend auf die Plattform der Beklagten angewiesen zu sein. Nahezu jede Internetausgabe von Printmedien bietet die Möglichkeit, Berichte zu allen möglichen Themen zu kommentieren und die Kommentare anderer Benutzer zu lesen. Darüber hinaus gibt es zu jedem denkbaren Thema und jedem politischen bzw. gesellschaftlichen Anliegen eine große Anzahl von Diskussionsforen, deren Nutzung dem Kläger freisteht (vgl. auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 25.06.2019 - 8 W 14/19).

Der Antrag auf Datenberichtigung ist, da er nur einen Teilaspekt des Nutzungsvertrages betrifft, mit einem Wert zu bemessen, der unterhalb des Streitwertes für den Bestand oder die Auflösung des gesamten Nutzungsvertrags liegt. Bei der Bemessung ist zu berücksichtigen, dass die Berichtigung der Daten das Persönlichkeitsrecht des Klägers und seine Freiheit, die Meinung zu äußern, nicht unmittelbar betrifft. Vielmehr entfaltet der Eintritt der vom Kläger beabsichtigten Vorteile nur dann Wirkung, wenn der Kläger in Zukunft gegen die Nutzungsbedingungen der Beklagten verstoßen sollte, ist also vom eigenen Handeln des Klägers abhängig. In Rechnung zu stellen ist desweiteren, dass auch ein erneuter Datenverstoß nicht zwingend die Kündigung des Nutzungsvertrages, sondern möglicherweise nur eine weitere Sperre des Klägers zur Folge haben kann. Es ist danach gerechtfertigt, den Wert des Antrags zu Ziff. 1 auf 1.000,- € festzusetzen.

bb) Der Antrag auf Feststellung, dass die Entfernung des Beitrags rechtswidrig gewesen sei und der Beklagten kein Recht zugestanden habe, eine Sperre zu setzen (Ziff. 2), der Antrag auf Wiedereinstellung des Beitrags (Ziff. 3) und der Antrag auf Unterlassung einer erneuten Sperre oder der Löschung eines Beitrags zu einem Artikel mit dem Titel "Migranten kapern Handelsschiff - Maltas Marine greift ein" (Ziff. 4) waren bei der Streitwertfestsetzung zusammenzufassen und mit 1.500,- € zu bemessen.

(1) In demselben Verfahren werden bei objektiver Klage- und Antragshäufung die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. Eine Wertaddition findet indes nicht statt, wenn die verfolgten Ansprüche wirtschaftlich identisch sind (vgl. BGH, Beschluss vom 25.11.2003 - VI ZR 418/02, Rn. 5, juris; BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 - IX ZR 136/14, Rn. 4, juris; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 04. Juni 2019 - 2 W 8/19 -, Rn. 4, juris; OLG Hamm, Urteil vom 18. September 2012 - 19 U 32/12, Rn. 32, juris), aber auch, wenn sie keine selbständige Bedeutung haben, sondern das gleiche Interesse betreffen und somit von einer ideellen Identität auszugehen ist (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 04.08.2020 - 3 U 3641/19 Rn. 221).

Dies ist hier der Fall.

Dem Kläger kommt es sowohl mit den Anträgen zu Ziff. 2 als auch mit denjenigen zu Ziff. 3 und 4 darauf an, dass der streitgegenständliche Beitrag für andere Nutzer sichtbar ist und bleibt. Wenn er die Feststellung der Rechtswidrigkeit in der Vergangenheit, die - von der Beklagten ohnehin längst vorgenommene - Wiedereinstellung in der Gegenwart und das Unterlassen der Löschung des streitgegenständlichen Beitrags für die Zukunft begeht, werden damit lediglich drei unterschiedliche Zeitpunkte für sein Begehren benannt, dass sein Beitrag von anderen Nutzern ohne Einschränkung gelesen werden kann, also die streitgegenständliche Äußerung ermöglicht wird. Alle Anträge beruhen auf demselben Ereignis, nämlich der Löschung des Beitrags und der Sperre des klägerischen Nutzerkontos. Für eine wirtschaftliche Identität spricht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auslegung von Unterlassungsanträgen im Allgemeinen: Danach ist bei einer Handlung, die einen fortdauernden Störungszustand geschaffen hat, der die Handlung verbietende Unterlassungstitel regelmäßig dahin auszulegen, dass er auch zur Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands verpflichtet (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2017 - I ZB 96/16 -, Rn. 19 - 20, juris, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20. April 2009 - 14 W 53/08 -, Rn. 6, juris; so auch für einen vergleichbaren Fall OLG Nürnberg, Urteil vom 04.08.2020 - 3 U 3641/19 Rn. 221).

(2) Für die Streitwertbemessung ist zu berücksichtigen, dass die Anträge zu 2, 3 und 4 den vom Kläger behaupteten Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht sowie die Frage, welche Nachteile er durch die Nichtnutzbarkeit seines Kontos erlitten hat, betreffen.

Das Informationsbedürfnis des Klägers ist durch die Sperre nicht berührt worden. Durch den Status eines "Read Only"-Modus war er weiter in der Lage, die Beiträge der übrigen Nutzer zu lesen. Aber auch wenn der Kläger für die Zeit der Sperre an der aktiven Kommunikation gehindert war und mit dem streitgegenständlichen Beitrag sowie weiteren Beiträgen keine anderen Nutzer erreichen konnte, so wiegt der Eingriff im Hinblick auf die Meinungsäußerungsfreiheit des Klägers nicht so schwer, dass der Wert von 1.500,- € zu erhöhen wäre.

Wie bereits ausgeführt, war es dem Kläger ohne weiteres möglich, auf anderem Wege am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen. Dass die Beklagte mit 31 Mio. Nutzern in Deutschland eine gewisse Marktmacht hat (vgl. OLG München, Beschluss vom 17. Juli 2018 - 18 W 858/18 -, Rn. 64 - 65, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 08. August 2018 - 4 W 577/18 -, Rn. 24, juris), führt nicht zu ihrer Monopolstellung für die Verbreitung von Meinungen, auch in Bezug auf den Kläger. Es stand ihm frei, auf andere Portale zurückzugreifen.

Ebenfalls keinen Erfolg hat das Vorbringen des Klägers, er habe für den Zeitraum der Sperre auf Beiträge der anderen Nutzer auf dem eigenen Profil nicht reagieren können, so dass er in der Öffentlichkeit habe falsch dargestellt werden können, weil Beiträge, die seiner Selbstdarstellung widersprechen würden, unkommentiert auf dem Profil hätten verbleiben können. Dass diese Gefahr unmittelbar gedroht oder sich realisiert habe, so dass der Kläger ein Bedürfnis für einen "Gegenschlag" gehabt hätte, hat der Kläger nicht ansatzweise dargelegt. Aus diesem Grund ist das Interesse des betroffenen Nutzers, in einer solchen Situation seine Sicht der Dinge darzulegen, auch nicht vergleichbar mit dem Interesse an einer Gegendarstellung in einer Tageszeitung (a.A. OLG Dresden, Beschluss vom 19. Januar 2019 - 4 W 1074/18, Rn. 4, juris). Bei der Gegendarstellung geht es darum, bereits abgeschlossene und in der Leseröffentlichkeit erfolgte Angriffe auf das Persönlichkeitsrecht wieder auszugleichen. Hier befürchtet der Beklagte nur, dass ein anderer Nutzer ihn auf der Plattform falsch darstellen könnte, ohne dass dies konkret geschehen wäre. Auch die Löschung des Beitrags selbst ist nicht mit der Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen und/oder Schmähkritik durch Dritte zu vergleichen. Die Löschung des Beitrags wird nicht öffentlich hervorgehoben, so dass - im Gegensatz zur Verbreitung von Schmähkritik - nicht davon auszugehen ist, dass sie von anderen Nutzern verstärkt oder als ehrenrührig wahrgenommen wird.

Bei der Streitwertbemessung hatte ferner miteinzufließen, dass die potentielle Verbreitungsreichweite des konkreten sowie der klägerischen Beiträge allgemein und der damit einhergehende Wirkungsgrad verhältnismäßig gering erscheinen. Beim Kläger handelt es sich nicht um eine Person des öffentlichen Lebens, so dass das mutmaßliche Interesse der anderen Nutzer nicht in dem Maße zu erwarten gewesen wäre wie etwa bei einem Politiker oder einer prominenten Person. Dass der Kläger aus anderem Grund einen großen Wirkungskreis für seinen Beitrag erwartet hätte, hat er nicht vorgetragen.

Dafür, dass der Streitwert von 1.500,- € angemessen ist, spricht schließlich auch ein Vergleich mit der Höhe des Schmerzensgeldes, das bei körperlichen Verletzungen zugesprochen wird (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 07. September 2018 - 16 W 38/18 -, Rn. 24, 29 - 30, juris, das für den einzelnen Post einen Betrag in Höhe von 500,- € als angemessen erachtet hat).

(3) Dahinstehen kann daher, dass der Antrag auf Wiedereinstellung des Beitrags (Ziff. 3) für sich genommen mit 1.000,- € und damit mit einem höheren Wert, als vom Landgericht festgesetzt, zu bemessen gewesen wäre. Hier wäre zu berücksichtigen gewesen, dass es sich vorliegend um einen einzigen, knappen Beitrag handelte, der von der Beklagten lediglich für den kurzen Zeitraum von zweieinhalb Wochen gelöscht und sodann - weit vor Anhängigmachung der Klage - wieder sichtbar gemacht wurde. Der vom Landgericht festgesetzte Streitwert erschien indes vor dem Hintergrund, dass die Beklagte, wenn auch keine Monopolstellung, so doch aufgrund der Anzahl ihrer Mitglieder eine gewisse Marktmacht hat, als zu gering. Mit der Anzahl der Nutzer geht ein erhöhter potentieller Verbreitungsgrad der Beiträge auch nicht prominenter Mitglieder einher, zumal der Beitrag Themen von gesamtgesellschaftlicher Wichtigkeit betraf. Zu bewerten ist auch, dass die Einhaltung der Kommunikationsbedingungen in ihrer Gesamtheit für die Beklagte erhebliche Bedeutung hat, da die Gewährleistung einer sachlichen Kommunikation für den Erhalt des Mitgliederbestandes und die Neugewinnung von Kunden maßgeblich ist. Schließlich würden auch die rechtlich schwierigen, höchstrichterlich noch nicht geklärten, verfassungsrechtlichen Fragestellungen eine Festsetzung des Streitwertes isoliert für diesen Antrag auf 1.000,- € gebieten.

cc) Die Anträge, die Beklagte zu verurteilten, dem Kläger Auskunft zu erteilen, ob die Sperre des Nutzerkontos durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgt ist und in letzterem Fall, durch welches (Ziff. 5), sowie ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat und ggf. welche (Ziff. 6) sind jeweils mit 210,- € zu bemessen.

Der Streitwert einer Auskunftsklage richtet sich nach dem wirtschaftlichen Interesse, das der Kläger an der Erteilung der Auskunft hat. Einen Aspekt bildet dabei der Hauptsacheanspruch, zu dessen Durchsetzung die Auskunft benötigt wird, wobei der Wert des Auskunftsanspruchs in der Regel nur mit einem Teilwert des Hauptsacheanspruchs, nämlich 1/10 bis 1/4 des Leistungsanspruchs, zu bemessen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2018 - IX ZB 62/17 -, Rn. 10, juris; BGH, Beschluss vom 17. November 2015 - II ZB 28/14 -, Rn. 8, juris; BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2011 - XII ZB 127/11 -, Rn. 14, juris). Der Anspruch ist dabei zu schätzen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2005 - X ZR 134/04 -, Rn. 15, juris). Vorliegend hat der Kläger nicht deutlich gemacht, welche Hauptsacheansprüche er gegen die Unternehmen oder die Bundesregierung geltend zu machen gedenkt. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger den ihm entstandenen Schaden mit 1.050,- € bemessen hat, zieht der Senat diesen Betrag als Schätzgrundlage auch für etwaige Hauptsacheansprüche gegen die Bundesregierung oder die Unternehmen heran. Der Auskunftsanspruch ist auf ein Fünftel dieses Wertes festzusetzen, damit also jeweils auf 210,- €.

dd) Der Streitwert für den bezifferten Antrag zu Ziff. 7 ist auf 1.050,- € festzusetzen.

ee) Der Antrag zu Ziff. 8 betrifft Nebenforderungen, so dass er gem. § 43 Abs. 1 GKG nicht im Streitwert zu berücksichtigen ist.

ff) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der Wert des Streitgegenstandes insgesamt mit 3.970,- € festzusetzen war. Dementsprechend war die erstinstanzlich erfolgte Streitwertfestsetzung von Amts wegen abzuändern, was auch zum Nachteil des Beschwerdeführers sowie nach Fristablauf gem. § 68 Abs. 1, S. 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 S. 2 GKG möglich war (vgl. Hartmann/Toussaint, a.a.O, § 68 GKG, Rn. 19).

3. Die Kosten- und Auslagenfolge ergibt sich aus § 68 Abs. 3 GKG.