Amtsgericht Wolfsburg
Urt. v. 30.01.2002, Az.: 10 C 411/01 (III)
Erforderlichkeit eines besonderen Integritätsinteresses bei Wertminderung eines Pkws; Anforderung an die Darlegung eines realisierten Minderwertes eines verunfallten Pkws ; Realisierung des Minderwerts bei Verkauf des Pkws
Bibliographie
- Gericht
- AG Wolfsburg
- Datum
- 30.01.2002
- Aktenzeichen
- 10 C 411/01 (III)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 30133
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGWOLFB:2002:0130.10C411.01III.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs.1 StVG
- § 823 BGB
- § 3 Nr.1 PflVG
- § 3 Nr. 2 PflVG
Fundstelle
- DAR 2003, 79 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Wolfsburg
auf die mündliche Verhandlung vom 30.01.2002
durch
den Richter am Amtsgericht Dr. Pansegrau
fürRecht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.)
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300,- EUR abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von den Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, welcher sich am 05. April 2001 an der Ecke Stadtwaldstr./Laagbergstraße in Wolfsburg durch Auffahren eines anderen Verkehrsteilnehmers auf den Pkw des Klägers ereignete und für welchen die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners unstreitig eintrittspflichtig ist, nämlich wie im Termin vom 30. Januar 2002 unstreitig geworden ist die Beklagte zu 1).
Der Kläger machte neben Reparatur-, Gutachter- und Leihwagenkosten sowie einer Auslagenpauschale auch einen Betrag von - der Höhe nach unstreitig - 1.800,- DM für die Wertminderung seines Fahrzeugs geltend. Ob die Beklagten Zahlung vorprozessual abgelehnt haben, ist streitig.
Mit der Klage verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Er ist der Auffassung, die Wertminderung müsse ausgeglichen werden unabhängig davon, ob der Pkw nach dem Unfall weiterbenutzt werde oder nicht. Der Kläger behauptet dazu, mit beim Klägervertreter am 13. Juli 2001 eingegangenen Schreiben hätten die Beklagten Zahlung der Wertminderung abgelehnt, weil der Kläger das Fahrzeug unstreitig unrepariert verkauft hatte. Der Kläger habe es als Dienstwagen der VW-AG für 33.061,67 DM (statt neu ca. 39.000,- DM) gekauft. Im freien Verkauf habe der Pkw ca. 45.000,- DM gekauft; der Kläger habe es unrepariert dann für 20.000 DM verkauft. Dabei seien die Reparaturkosten, aber auch die Wertminderung berücksichtigt worden, sonst wäre der Kaufpreis wesentlich höher gewesen.
Der Kläger, welcher zunächst die Klage auch gegen die Beklagte zu 2) gerichtet und sie gegen diesen im Termin vom 30. Januar 2002 zurückgenommen hat, beantragt,
die Beklagte zu 1) zu verurteilen, dem Kläger 920,33 EUR (1.800,- DM) nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 13. Juli 2001 zu zahlen.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind unter Hinweis auf die Rechtsprechung der Auffassung, alle dem Kläger zustehenden Ersatzansprüche befriedigt zu haben; eine Wertminderung jedoch stehe ihm nicht zu, weil demjenigen, der das Fahrzeug unrepariert verkaufe, das Integritätsinteresse am Fahrzeug fehle. Im übrigen bestreiten die Beklagten das Klägervorbringen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf die zwischen ihnen bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 28. November 2001 und 30. Januar 2002 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keine Ansprüche gegen die Beklagten auf Zahlung von 920,33 EUR (1.800,- DM) aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 BGB i.V.m. 3 Nr. 1 und 2PflVG.
Die Klage ist auch gegen die Beklagte zu 1 unbegründet. Denn der Kläger hat das Fahrzeug unrepariert verkauft, den darin realisierten Minderwert aber nicht weiter substantiiert dargelegt. Für die Geltendmachung einer Wertminderung ist ein besonderes Integritätsinteresse erforderlich; verkauft der Geschädigte das Fahrzeug, ohne es reparieren zu lassen und dann weiter zu benutzen und ggf. zu verkaufen,. so fehlt es an einem solchen Interesse (vgl. die vom Beklagtenvertreter eingereichte Entscheidung LG Würzburg vom 29.10.1997 - 43 S 972/97 - sowie auch die vom Klägervertreter eingereichte des BGH [NJW 61, 1571]). Eine Ausnahme mag dann mit der vom Klägervertreter vorgelegten Entscheidung des LG Flensburg vom 14.06.1991 - 4 O 267/90 - zu machen sein, wenn sich sogar beim Verkauf in unrepariertem Zustand der Minderwert infolge des Unfalls in einem konkreten Mindererlös ausgewirkt hat. Die Wertminderung kann dann also nicht mehr abstrakt auf Basis des eingeholten Sachverständigengutachtens geschätzt werden, weil dieses von der Wiederherstellung des Fahrzeugs ausgeht. In einem solchen Falle muß vielmehr der Geschädigte substantiiert dartun, daß der Gedanke der Wertminderung einen nachhaltigen und rechnerisch nachvollziehbaren Eingang in den Kaufpreis gefunden hat (so die vom Klägervertreter selbst vorgelegte Entscheidung des LG Flensburg -). Die vom Kläger außerdem vorgelegte Entscheidung des AG Limburg (C 595/98 vom 06.08.1998) ist insoweit nicht aussagekräftig, weil sie allein die Abrechnung nach Gutachten wegen der Reparaturkosten - nicht aber der Wertminderung - im Auge hat.
Solchen Vertrag hat der Kläger zum einen nur in der Form geleistet, daß er in der Replik pauschal unter Beweisantritt behauptet hat, die Wertminderung sei bei der Kaufpreisbildung berücksichtigt worden. Dem Beweisangebot dazu nachzugehen, hieße jedoch, unzulässige Ausforschung betreiben; denn konkreter Sachvortrag dazu, was in den Verhandlungen über die Kaufpreisbildung besprochen worden ist, ist darin nicht enthalten. Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 21. November 2001 des weiteren vorgebracht hat, angesichts des Neupreises des Fahrzeugs von 45.000,- DM, des tatsächlich erzieltenen Kaufpreises von 20.000,- DM und dessen, daß die Summe aus letzterem Betrag, den Reparaturkosten und der Wertminderung den Wert des Wagens ergebe, werde deutlich, daß die Wertminderung berücksichtigt worden sei, ergibt sich daraus ebenfalls nichts Konkretes dafür, in welcher Weise die Parteien konkret bei der Kaufpreisbildung gerechnet haben.
Soweit in der Literatur angegeben wird, ein Wertminderungsschaden könne auch unabhängig davon eintreten, ob der Geschädigte das Fahrzeug verkaufe oder nicht, betrifft dies nur die Frage, ob sich - nach der Reparatur - der merkantile Minderwert konkret im Verkauf des Fahrzeugs realisiert haben muß. Das ist nach ganz h.M. nicht erforderlich (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., Rz.19 zu § 251); dies hat aber nichts damit zu tun, daß die Geltendmachung merkantilen Minderwerts jedenfalls konkrete Reparatur (bzw. bei Abrechnung auf Gutachtensbasis: Reparaturabsicht) voraussetzt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.