Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 10.05.2000, Az.: 6 A 1971/98

Fristlose Entlassung eines Soldaten auf Zeit gemäß § 55 Abs. 5 SG (Soldatengesetz); Erfordernis der förmlichen Zustellung der Entlassungsverfügung; Zulässiges Nebeneinander von Entlassung und einfacher Disziplinarmaßnahme im Hinblick auf dasÜbermaßverbot; Bindungswirkung einer Beschwerdeentscheidung nach § 138 WDO (Wehrdisziplinarordnung); Begriff der ernstlichen Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
10.05.2000
Aktenzeichen
6 A 1971/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 21839
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2000:0510.6A1971.98.0A

Verfahrensgegenstand

Entlassung aus der Bundeswehr

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Entlassungsverfügungen nach § 55 Abs. 5 SG (Soldatengesetz) müssen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes zugestellt werden.

  2. 2.

    Erfordert das eine fristlose Entlassung rechtfertigende Verhalten eines Soldaten eine unmittelbar anschließende disziplinarrechtliche Reaktion, um dem Soldaten selbst und (auch generalpräventiv) seinen Kameraden sofort und unmissverständlich deutlich zu machen, dass solche Verhaltensweisen nicht geduldet werden und disziplinarrechtliche Folgen nach sich ziehen, verstößt die Anwendung einer einfachen Disziplinarmaßnahme neben der Verfügung der fristlosen Entlassung nicht gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, denn die Maßnahmen dienen unterschiedlichen Gesetzeszwecken und jede ist für sich als notwendiges und geeignetes Mittel anzusehen.

  3. 3.

    Die Bindungswirkung einer Beschwerdeentscheidung nach § 138 Abs. 2 WDO (Wehrdisziplinarordnung) bezieht sich nicht nur auf die verhängte Disziplinarmaßnahme als solche, sondern auch auf den der disziplinarrechtlichen Würdigung zugrundeliegenden Sachverhalt, so dass die in der Tat liegende schuldhafte Dienstpflichtverletzung für die in Statussachen zuständigen Gerichte bindend festgestellt ist, es sei denn, die Entscheidung beruht auf - rechtlich beachtlichen - tatsächlichen oder rechtlichen Fehlern.

  4. 4.

    Für eine ernstliche Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr im Sinne des § 55 Abs. 5 SG (Soldatengesetz) ist erforderlich, dass der Soldat auf Zeit für die Bundeswehr nicht mehr tragbar ist, was vor allem bei Dienstpflichtverletzungen anzunehmen ist, die aufgrund ihrer Eigenart geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtsstaatlichkeit der Streitkräfte zu erschüttern; maßgeblich für die Beurteilung ist die Sicht eines den jeweiligen Lebensverhältnissen gegenüber aufgeschlossenen, objektiv wertenden Betrachters.

In der Rechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2000
durch
die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Göken als Einzelrichterin
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Entscheidungsgründe

1

I.

Der am geborene Kläger trat zum 1. Juli 1993 seinen Dienst (für zunächst 2 Jahre) als Soldat auf Zeit beim Fallschirmjägerbataillon 313 in V an. Nachdem der Kläger zunächst als Reserveoffiziersanwärter und dann ebenfalls auf seinen Antrag zum 1. Juni 1995 als Offiziersanwärter im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit (12 Jahre; Zwischendienstzeit für 6 Jahre bis zum 30. Juni 1999) übernommen worden war, begann er nach erfolgreicher militärfachlicher Ausbildung und seiner Ernennung zum Leutnant mit Wirkung vom 1. Juli 1996 zum Wintersemester 1996/97 an der Universität der Bundeswehr in Hamburg das Studium der Politikwissenschaften.

2

Anfang Dezember 1996 wurden u.a. den Kläger betreffend disziplinarische Ermittlungen zu Vorfällen von Ende Oktober bis Ende November 1996 durchgeführt. Unter dem 15. Dezember 1996 wurde dem Kläger vorläufig verboten, seinen Dienst auszuüben.

3

Unter dem 17. Dezember 1996 verhängte der Leiter des Studentenbereichs der Universität der Bundeswehr Hamburg mit Zustimmung des Truppendienstgerichts Nord - 7. Kammer - (N 7 AsL 589/96) gegen den Kläger einen Disziplinararrest von 21 Tagen, dessen sofortige Vollstreckbarkeit angeordnet wurde. Das Truppendienstgericht hielt wegen der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens (Verbreiten und Wiedergabe von rechtsradikalem Gedankengut und rechtsradikalen Äußerungen zum Teil durch Unterlassungen) und wegen der damit verbundenen dienstlichen Auswirkungen auf die Truppe die Disziplinarmaßnahme für geboten, angemessen und erforderlich. Am 18. Dezember 1996 erhob der Kläger Beschwerde gegen die gegen ihn verhängte Disziplinarmaßnahme, zu deren Begründung er einige Vorwürfe einräumte, andere bestritt und insbesondere die Vorfälle anlässlich der nachträglichen Feier seines Geburtstages auf der Wohnebene des Hochschulgeländes auf den übermäßigen Genuss von Alkohol bei sich und den Gästen zurückführte, was nicht berücksichtigt worden sei.

4

Mit Schriftsatz vom 4. September 1997 teilte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg dem Kläger mit, dass ein gegen ihn eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation und Beleidigung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei.

5

Mit Beschluss vom 4. Dezember 1997 wies das Truppendienstgericht Nord - 7. Kammer - (N 7 BLb 26/96) die Beschwerde des Klägers unter Änderung des Wortlauts in Ziffer 2 der Sachverhaltsschilderung im verfügenden Teil der Disziplinarmaßnahme vom 17. Dezember 1996 zurück. Die Entscheidung enthält die folgende Darstellung des dem Kläger zur Last gelegten Sachverhalts:

  1. 1.

    Er bezeichnete an mehreren im einzelnen nicht mehr feststellbaren Tagen Ende Oktober 1996 an der Universität der Bundeswehr in Hamburg, Hanseaten-Kaserne, Gebäude 33-D, Wohnebene, in Gesprächen mit dem Seekadett W ..Ausländer als "Scheiß Kanakken" und "Scheiß Türken" und äußerte "die soll man doch alle rausschmeißen".

  2. 2.

    Er bewertete an einem nicht mehr feststellbaren Tag Ende Oktober/Anfang November 1996 an der Universität der Bundeswehr in Hamburg auf der Wohnebene 33-D in Gegenwart von Leutnant M die Vermischung von Deutschen und Farbigen sinngemäß als minderwertig.

  3. 3.

    Er meldete sich an mehreren, im einzelnen nicht mehr feststellbaren Tagen im Oktober/November 1996 an der Universität der Bundeswehr in Hamburg auf der Wohnebene 33-D am Telefon mit "Führerhauptquartier" und "Wolfsschanze".

  4. 4.

    Er hat es am 29.11.1996 zwischen 17.00 und 20.00 Uhr an der Universität der Bundeswehr in Hamburg in seiner Stube auf der Wohnebene 33-D, ohne einzugreifen zugelassen, daß - während Reden, Aufmärsche und Marschmusik aus dem Dritten Reich abgespielt wurden - von Besuchern, die sich in seiner Gegenwart in seiner Stube aufhielten, laut grölend mehrmals die Worte "Sieg Heil" und jeweils einmal die Worte "Heil Hitler", "Rotfront" und "Judenschweine" gerufen wurden.

  5. 5.

    Er äußerte anschließend in Gegenwart von Fahnenjunker SanOA(w) Sch an der Universität der Bundeswehr in Hamburg zu Fahnenjunker W, der ihn wegen der "Sieg-Heil"-Rufe angesprochen hatte: "Das geht Dich einen Scheiß an, Du Arsch!".

  6. 6.

    Er sang am 6.11.96, gegen 00.30 Uhr, in der S-Bahn S 3 auf dem Weg vom Hauptbahnhof zur Reeperbahn gemeinsam mit dem Obergefreiten d. R. St, den Leutnanten d.R St und G sowie Leutnant Y in Anwesenheit von ausländischen Fahrgästen und anderen, das Lied "Auf der Straße nach Paris traf ich eine Bäckerin. Sie versprach mir einen Stamm, wenn ich sie von hinten ramm" sowie "Auf der Straße nach Paris traf ich eine Bäckerin. Sie versprach mir ein Pfund Schlacke, damit ich ihr auf die Titten kacke!"

  7. 7.

    Er hat in der Nacht vom 29.11.1996 auf den 30.11.1996 in Hamburg, HanseatenKaserne, Gebäude 33-D, Wohnebene, - ohne Genehmigung des Leiters Studentenfachbereich C - Leutnant d. R. St, Leutnant d. R. G sowie Obergefreiten d. R. St gestattet, dort unbefugt zu übernachten.

6

Bereits unter dem 20. Dezember 1996 hatte die Universität der Bundeswehr Hamburg der Beklagten die fristlose Entlassung des Klägers vorgeschlagen.

7

Mit Schriftsatz vom 13. Januar 1997 der "Rechtsanwälte Borchers Kudoweh" mit dem Aktenzeichen "... Bo-..." und der Anschrift Dammtorstraße 32/33 in Hamburg sowie der Unterschrift "Mit freundlichen Grüßen Rechtsanwalt Borchers" (ohne Unterschrift) und "in Abwesenheit von RA Borchers zeichnet Rechtsanwalt Kudoweh" (mit Unterschrift) wurde für den Kläger, der sich zuvor bereits auch selbst schriftlich im Rahmen der Anhörung wegen seiner beabsichtigten Entlassung gemäß § 55 Abs. 5 Soldatengesetz (SG) geäußert hatte, unter Beifügung einer "Vollmacht" für "Rechtsanwälte Borchers, Kudoweh" ergänzend und vertiefend Stellung genommen.

8

Mit Wirkung zum 14. April 1997 wurde das Verbot der Dienstausübung gegenüber dem Kläger aufgehoben. Nachdem er zuvor bereits aus dem Studium mit Wirkung vom 11. April 1997 herausgelöst worden war, wurde er für die Zeit vom 14. April 1997 bis zum 28. September 1997 an das Jägerlehrbataillon 353 in Hammelburg kommandiert.

9

Unter dem 27. Juni 1997 verfügte die Beklagte gegenüber dem Kläger seine Entlassung aus der Bundeswehr gemäß § 55 Abs. 5 SG wegen der Vorfälle im Oktober/November 1996. Die Entlassungsverfügung nahm der Kläger persönlich am selben Tage in Empfang. Gemäß der Aufschrift auf der Verfügung veranlasste die Beklagte, dass diese Verfügung mit Postzustellungsurkunde den Rechtsanwälten "Borchers und Kudoweh, Dammtorstraße 32/33" zugestellt werden sollte. Noch am 27. Juni 1997 sandte die Beklagte an "RAe Borchers, Kudoweh, Katharinenstraße 11, 20457 Hamburg" die Entlassungsverfügung für den Kläger vorab per Telefax, wobei auf dem Vorblatt handschriftlich Änderungen betreffend die Adresse und die Telefaxnummer vermerkt waren. Die für die Bevollmächtigten des Klägers bestimmte Entlassungsverfügung wurde unter der Anschrift Rechtsanwälte Borchers, Kudoweh, Katharinenstraße 11, 20457 Hamburg, am 30. Juni 1997 den Rechtsanwälten "Kudoweh & Kollegen" per Postzustellungsauftrag zugestellt. Am selben Tag gelangte die Entlassungsverfügung per Telefax, veranlasst durch Rechtsanwalt Kudoweh, an Rechtsanwalt Borchers, welcher die Rechtsanwalt Kudoweh übersandte Entlassungsverfügung (das Schriftstück selbst) am 4. Juli 1997 erhielt.

10

Unter nahezu wörtlicher Wiedergabe der sieben Vorwürfe im Rahmen des Disziplinarverfahrens begründete die Beklagte die Entlassungsverfügung mit Verstößen des Klägers gegen die §§ 7, 8, 10 Abs. 1 und 6, 12, 17 Abs. 1 und 2 sowie 23 Abs. 1 SG. Das Dienstvergehen wiege derart schwer, dass das weitere Verbleiben des Klägers im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit die militärische Ordnung, die im Wesentlichen auf Disziplin wie Achtung vor dem Gesetz beruhe, ernsthaft gefährden würde; dies gelte insbesondere für seinen Status als Offizier und Vorgesetzter.

11

Mit Beschwerdebescheid vom 21. April 1998 wies die Beklagte die Beschwerde des Klägers vom 30. Juni 1997 gegen die Entlassungsverfügung zurück und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung vom 27. Juni 1997 mit der Begründung an, sie sei im öffentlichen und im Interesse der Bundeswehr geboten, weil jedes weitere Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr ernsthaft gefährden würde. Ein Offizier, der rassistische, fremdenfeindliche Äußerungen von sich gebe oder widerspruchslos dulde, dass solche Äußerungen in den dienstlichen Unterkünften einer Bundeswehreinrichtung in seiner Gegenwart getätigt würden, trage in erheblichem Maße mit dazu bei, dass die Bundeswehr in der Öffentlichkeit als Hort rechtsradikaler Umtriebe betrachtet werde. Nur durch die sofortige Trennung von Soldaten, die derartige Umtriebe selbst veranstalteten bzw. duldeten, könne einer ernsthaften Gefahr für das Ansehen der Bundeswehr begegnet werden. Als Urheber dieser Ansehensschädigung trete das Interesse des Klägers am Verbleiben in der Bundeswehr hinter dem öffentlichen Interesse an Reinigung von der Ansehensschädigung zurück.

12

Der Beschwerdebescheid gab im Einzelnen die vom Truppendienstgericht in seiner Ausgangsentscheidung vom 17. Dezember 1996 zugrundegelegte Sachverhaltsschilderung auch hinsichtlich der dort genannten Ziffer 2 dergestalt wieder, als anders als in der vom Beschluss des Truppendienstgerichts Nord vom 4. Dezember 1997 zugrundegelegten Schilderung vom Kläger die Auffassung geäußert worden sei, eine "rassische Durchmischung" sei nicht wünschenswert. Zur Begründung des Beschwerdebescheids führte die Beklagte aus, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG seien erfüllt. Er sei zum Zeitpunkt der Entlassung Soldat auf Zeit im 4. Dienstjahr gewesen. Insgesamt vier Pflichtverletzungen (es handelte sich um die im Beschluss des Truppendienstgerichts Nord vom 17. Dezember 1996 wiedergegebenen Sachverhaltsschilderungen zu den Ziffern 1, 2, 4 und 5) seien jede für sich so erheblich, dass der Kläger als Soldat auf Zeit für die Bundeswehr untragbar geworden sei. Er habe während seiner Dienstzeit die Pflicht verletzt, die freiheitliche demokratische Grundordnung anzuerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten (§ 8 SG) sowie als Offizier innerhalb und außerhalb des Dienstes durch Äußerungen die Zurückhaltung zu wahren, die erforderlich sei, um das Vertrauen als Vorgesetzter zu erhalten (§ 10 Abs. 6 SG). Schließlich habe er gegen seine Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verstoßen, indem er im Rahmen von Diskussionsbeiträgen über den Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Lübeck mehrmals die Ausdrücke "Scheiß-Türken" und "Scheiß-Kanaken" gebraucht sowie die Aussage "Die sollte man doch alle rausschmeißen" gemacht habe. Durch seine Bewertung von Kindern aus einer Verbindung von Deutschen und Farbigen ("Rassenvermischung") als minderwertig habe er ebenso gegen die genannten Pflichten verstoßen. Durch die Äußerung auch gegenüber einem farbigen Kameraden habe er des Weiteren gegen die Kameradschaftspflicht gemäß § 12 Satz 2 SG verstoßen. Sämtliche Pflichtverstöße seien vorsätzlich geschehen. Am 29. November 1996 habe er es zugelassen, dass in seiner Stube der Bundeswehruniversität in Hamburg mehrmals laut grölend die Worte "Sieg Heil", "Heil Hitler" und "Judenschweine" gerufen worden seien, obwohl er hätte eingreifen müssen; damit habe er gegen seine Pflicht zum treuen Dienen gemäß § 7 SG, gegen seine Pflicht zur Anerkennung und zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung (§ 8 SG) und gegen seine Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten § 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verstoßen. Ein solcher Verstoß sei auch darin zu sehen, dass er einen Untergebenen mit "Das geht Dich einen Scheiß an, du Arsch!" in Gegenwart einer Zeugin abgewiesen habe, als dieser sich bei ihm über den Lärm und das Gebrüll beschwert habe; darin sei auch ein Verstoß gegen die Pflicht zur Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG) zu sehen. Am 30. November 1996 habe er in der S-Bahn auf dem Weg in die Innenstadt durch das Singen des Gassenhauers "Auf der Straße nach Paris" mit obszönem Inhalt gegen, seine Pflicht verstoßen, sich außer Dienst und außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erforderten, nicht ernsthaft beeinträchtigt würden (§ 17 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative SG). Durch das Zulassen der ungenehmigten Übernachtung dreier Gäste auf der Wohnebene habe er gegen seine Pflicht zum Gehorsam (§ 11 SG) und zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verstoßen. Bei der Prüfung, ob die militärische Ordnung ernstlich gefährdet sei, sei entscheidend darauf abzustellen, ob die Entlassung notwendig sei, um künftigen Schaden von der Bundeswehr abzuwenden. Den Verteidigungszweck könne die Bundeswehr nur erfüllen, wenn sie einsatzbereit sei, was erfordere, dass sie sich auf die Integrität sowie die jederzeitige Einsatzfähigkeit und -willigkeit ihrer Soldaten verlassen könne. Das dafür notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen einerseits sowie zwischen Dienstherrn und Soldaten andererseits sei zwingend notwendig, vorliegend jedoch zerrüttet. Er habe das Vertrauen seines Dienstherrn infolge des genannten Verhaltens verloren. Grundsätzlich könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Dienstherr das erforderliche Vertrauen einem Offizier entgegenbringe, der während seines Studiums an der Bundeswehruniversität die Ideologie des Rassenwahns so beharrlich und rücksichtslos auch gegen Offiziere und Offizieranwärter japanischer, türkischer und schwarzafrikanischer Abstammung vertrete, sowie "Sieg Heil" - Rufe und judenfeindliche Parolen dulde; daneben sei auch die ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung durch die von seinem Verhalten ausgehende Nachahmungsgefahr nicht zu unterschätzen. Bei ähnlich denkenden Soldaten, insbesondere bei Untergebenen, könne der falsche Eindruck erweckt werden, dass derartige Äußerungen seitens der Bundeswehr toleriert würden und damit gleichsam einen Anreiz schaffen, derartige Dienstvergehen zu begehen, da man außer einer Disziplinarmaßnahme nichts weiter zu befürchten hätte. Die Entlassung sei ein taugliches Mittel, der ernstlichen Gefahr für die militärische Ordnung entgegenzuwirken. Die Schwere der Dienstpflichtverletzung sei angesichts der ernstlichen Gefahr ohne Belang. Nicht zuletzt aus Gründen der Generalprävention sei in seinem Fall die fristlose Entlassung geboten. Darüber hinaus sei auch das Ansehen der Bundeswehr bei seinem Verbleiben im Dienst ernstlich gefährdet. Die Öffentlichkeit könne in der Auffassung bestärkt oder dazu verleitet werden, die Bundeswehr sei ein Hort rechtsradikalen und rassistischen Gedankenguts, falls ein derartiges Verhalten nicht für die Bundeswehr zum Anlass genommen werde, sich von den betreffenden Soldaten zu trennen. Dies gelte um so mehr für einen Offizier, der an einer Hochschule der Bundeswehr seinem Studium nachgehe. Dabei gehe es nicht darum, ob der betreffende Soldat innerlich hinter diesem Verhalten stehe oder ob er sich geistig von ihm distanziere. Es komme vielmehr ausschließlich auf die nach außen erkennbar zum Ausdruck gebrachte Einstellung an. Dass die Öffentlichkeit Kenntnis von diesem Vorfall erlangen könne, resultiere daraus, dass die Hochschulen der Bundeswehr eine Visitenkarte darstellten. Die Bundeswehr geriete in weiten Kreisen der Bevölkerung ins Zwielicht, wenn sie sich nicht von solchem pflichtwidrigen Verhalten ihrer Soldaten auf das Deutlichste, distanzierte.

13

Am 15. Mai 1998 hat der Kläger Klage erhoben.

14

Er trägt vor: Die angefochtenen Bescheide enthielten unklare Aussagen und verfälschende Zitierungen. Er habe darauf vertraut, dass es mit dem gegen ihn verhängten Disziplinararrest sein Bewenden haben werde. Er habe zu Beginn seines Studiums Sozialisierungsprobleme bei dem Wechsel aus seiner Einheit in Varel an die Hochschule gehabt. Die ihm gemachten Vorhaltungen träfen nur zum Teil zu. Seine Geburtstagsnachfeier sei außer Kontrolle geraten. Er unterliege keinem Rassenwahn. Die Beklagte verhalte sich selbst widersprüchlich, wenn sie zunächst das gegen ihn verhängte Verbot der Ausübung des Dienstes zurückgenommen habe und ihn nunmehr entlasse. Es könne nicht unbeachtlich sein, welche Einstellung er persönlich zu den ihm vorgehaltenen Vorfällen habe. Außerdem wögen die erhobenen Vorwürfe nicht derart schwer, dass eine fristlose Entlassung gerechtfertigt sei. Die Beklagte habe die ihm zugeschriebenen Äußerungen einseitig zu seinem Nachteil bewertet. Die Entlassungsverfügung vom 27. Juni 1997 sei ihm auch nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Zwar habe sein Bevollmächtigter der Beklagten nicht mitgeteilt, dass die Sozietät mit Rechtsanwalt Kudoweh zum 31. März 1997 beendet worden sei, jedoch sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine Zustellung an die Adresse von Rechtsanwalt Kudoweh und nicht an die seines tatsächlichen Bevollmächtigten, Rechtsanwalt Borchers, erfolgt sei.

15

Der Kläger beantragt,

die Entlassungsverfügung vom 27. Juni 1997 in der Fassung des Beschwerdebescheides vom 21. April 1998 aufzuheben.

16

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

17

Zur Begründung hat sie auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, nicht die Dienstpflichtverletzung müsse ernstlich gewesen sein, sondern die Gefährdung der militärischen Ordnung. Der Kläger habe vorsätzlich gegen wesentliche soldatische Pflichten verstoßen. Die fristlose Entlassung sei unabhängig von der verhängten Disziplinarmaßnahme.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte dieses und der Verfahren 6 B 1972/98 (5 M 1921/98), 6 B 25/98, 6 B 2977/99 und 6 A 2978/99 ebenso Bezug genommen wie auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die vom Kläger eingereichten Unterlagen.

19

II.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dies konnte die Berichterstatterin als Einzelrichterin entscheiden, nachdem das Verwaltungsgericht Oldenburg - 6. Kammer - ihr mit Beschluss vom 22. Februar 2000 den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat.

20

Rechtsgrundlage der angefochtenen Entlassungsverfügung ist § 55 Abs. 5 SG.

21

Dies hat auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 2. August 1999 (Az.: 5 M 1921/99) im Verfahren des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes so gesehen. Dem schließt sich die Einzelrichterin an.

22

Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine fristlose Entlassung des Klägers gemäß § 55 Abs. 5 Soldatengesetz (SG) liegen vor. Nach dieser Norm kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.

23

Der Kläger, dessen Dienstzeit am 1. Juli 1993 begonnen hat, ist (noch) während seiner ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen worden, denn ihm ist die Entlassungsverfügung noch vor Ablauf des 30. Juni 1997, nämlich am 27. Juni 1997, persönlich übergeben worden. Diese Bekanntgabe an ihn als Adressaten der Entlassungsverfügung und damit als Empfangsberechtigten reicht zur Wahrung der Vierjahresfrist des § 55 Abs. 5 SG grundsätzlich aus. Dabei ist dem Kläger eine von mehreren Urschriften der Entlassungsverfügung ausgehändigt worden. Gemäß §§ 2, 5 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) ist dem Kläger diese Verfügung damit zugestellt worden. Das Gericht hält an der im Beschluss vom 17. Juli 1998 (Az.: 6 B 1972/98) vertretenen Rechtsauffassung diesbezüglich nicht mehr fest, sondern folgt der im Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. August 1999 (Az.: 5 M 1921/99) dazu dargelegten Rechtsansicht.

24

Zwar sieht § 55 Abs. 5 SG nicht ausdrücklich vor, dass die Entlassungsverfügung im Sinne des Verwaltungszustellungsgesetzes zugestellt werden muss (vgl. für die Entlassung nach § 55 Abs. 2 SG die ausdrückliche Regelung in § 55 Abs. 6 Satz 2 SG). Ausschlaggebend für das Erfordernis der Zustellung der streitbefangenen Entlassungsverfügung ist jedoch die Regelung in § 135 Abs. 1 Satz 1 Wehrdisziplinarordnung (WDO). Die dort getroffene Regelung geht über den Geltungsbereich dieser Norm selbst hinaus, denn sie erscheint nur dann sinnvoll, wenn Entlassungsverfügungen nach § 55 Abs. 5 SG immer zugestellt werden. Es kann nämlich nicht sein, dass - im Umkehrschluss - in den Fällen, in denen eine Entlassungsverfügung nicht (förmlich) zugestellt wird, gegen einen Soldaten wegen derselben Tat ein disziplinargerichtliches Verfahren schon eingeleitet oder fortgesetzt werden kann, bevor unanfechtbar feststeht, dass die Entlassungsverfügung nicht zur Beendigung des Dienstverhältnisses führt. Aus dieser Vorschrift ergibt sich mithin zwingend, dass Entlassungsverfügungen nach § 55 Abs. 5 SG nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes zugestellt werden müssen. Bestätigt wird dies auch durch die erwähnte Regelung des § 55 Abs. 6 SG. Denn sie geht von der Zustellungspflichtigkeit aller Entlassungsentscheidungen des § 55 SG aus und bestimmt, dass bei der Zustellung der Entlassungsentscheidungen nach den Absätzen 2 und 4 darüber hinaus bestimmte Fristen zu beachten sind.

25

In dem hier zu beurteilenden Fall ist die Zustellung mit der Übergabe einer Urschrift an den Kläger als Empfangsberechtigten erfolgt. Zwar hatte der Kläger durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht mit Schriftsatz vom 13. Januar 1997 für die Sozietät der Rechtsanwälte Kudoweh und Borchers in Hamburg Bevollmächtigte im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 VwZG bestellt (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 27.04.1999 - 5 M 3677/98 -, S. 3), jedoch ist der Zustellungsmangel gemäß § 9 Abs. 1 VwZG geheilt. Nach dieser Norm gilt ein Schriftstück als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat, wenn sich die formgerechte Zustellung des Schriftstücks nicht nachweisen lässt, oder das Schriftstück unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften (hier: § 8 Abs. 1 Satz 2 VwZG) zugegangen ist. Der Sinn dieser Norm liegt darin, dass Verstöße gegen Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes dann ohne Rechtsfolgen bleiben sollen, wenn auch ohne ihre Einhaltung der Zweck der Zustellung erreicht worden ist und die Behörde den Willen hatte, eine Zustellung vorzunehmen (Engelhardt/App, VwVG/VwZG, 4. Aufl. 1996, § 9 VwZG Anm. 2). Empfangsberechtigt im Sinne dieser Vorschrift ist jedenfalls auch der Adressat des zuzustellenden Schriftstücks (Engelhardt/App, aa0, Anm. 2 a), mithin der Kläger. Am Zustellungswillen der Beklagten und dem Zeitpunkt des Zugangs der Entlassungsverfügung bestehen angesichts der förmlich durchgeführten Bekanntgabe gegen Empfangsbekenntnis keine Zweifel.

26

Angesichts des Umstands, dass für den Kläger sein Bevollmächtigter bereits (fristgerecht) am 30. Juni 1997 rechtzeitig vor Ablauf von zwei Wochen nach Kenntnisnahme von dem Beschwerdeanlass (vgl. § 6 Abs. 1 Wehrbeschwerdeordnung - WBO) Beschwerde eingelegt hat und deshalb eine Bestandskraft der angegriffenen Entlassungsverfügung nicht eingetreten ist, bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob aufgrund der Heilung gemäß § 9 Abs. 1 VwZG (ein Ausnahmefall gem. § 9 Abs. 2 VwZG liegt ersichtlich nicht vor) die Rechtsbehelfsfrist mit der Übergabe an den Kläger am 27. Juni 1997 überhaupt in Gang gesetzt worden ist.

27

Gleichwohl ist vorliegend durch die Übergabe an den Kläger die Vierjahresfrist des § 55 Abs. 5 SG eingehalten, denn die Einhaltung dieser Frist ist unabhängig von den die Beachtung der Beschwerdefrist betreffenden Fragen zu prüfen. Sinn und Zweck der erforderlichen Zustellung einer solchen Entlassungsverfügung ist angesichts der schwerwiegenden Folgen darin zu sehen, dass eine solche Verfügung nicht gleichsam im Vorbeigehen dem betroffenen Soldaten bekannt gegeben wird. Dieser Funktion ist vorliegend hinreichend durch die Übergabe einer Urschrift an den Kläger vor Ablauf der Vierjahresfrist Rechnung getragen worden.

28

Außerdem ist auch eine den Anforderungen des § 8 Abs. 1 Satz 2 VwZG entsprechende Zustellung an den (auch) vom Kläger bevollmächtigten Rechtsanwalt Kudoweh durch Erhalt einer Urschrift am 30. Juni 1997 und damit vor Ablauf der Vierjahresfrist erfolgt. Nach Vorlage des Originals des Schriftsatzes mit der Beschwerdebegründung hinsichtlich der Disziplinarmaßnahme gegen den Kläger vom 13. Januar 1997 und der diesem Schriftsatz beigefügten, durch Rechtsanwalt Kudoweh beglaubigten Abschrift der Originalvollmacht des Klägers hat sich die im Beschluss zur Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluss der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Oldenburg im Verfahren des Klägers zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 17. Juli 1998 (6 B 1972/98) vom 27. April 1999 (5 M 3677/98) im Einzelnen dargestellte Auffassung bestätigt, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Zustellung der Entlassungsverfügung vom 27. Juni 1997 auch Rechtsanwalt Kudoweh als vom Kläger mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheit betraut ansehen durfte.

29

Die Anwendbarkeit von § 55 Abs. 5 SG entfällt nicht deshalb, weil der Kläger bereits mit einem 21tägigen Disziplinararrest zur Verantwortung gezogen wurde. Die Frage, ob im Zusammenhang mit einer vorgesehenen fristlosen Entlassung des Soldaten eine einfache Disziplinarmaßnahme (wie vorliegend der Disziplinararrest - vgl. §§ 18 Abs. 1 Nr. 5, 22 Wehrdisziplinarordnung (WDO) -) verhängt werden darf, wird - abhängig von der zeitlichen Reihenfolge der Maßnahmen - unterschiedlich beantwortet (vgl. Überblick bei: Neumann, NZWehrr 1999, 96 ff.; Fürst, GKÖD, Stand: Juni 1999, Yk § 55 SG Rn. 23, 26 f.; Scherer/Alff, SG, § 55 Rn. 27; Dau, WDO, 3. Aufl. 1998, § 135 Rn. 1 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 13.01.1994 - 2 WDB 7.93 -, DokBer B 1994, 184 ff., m.w. N.) sieht einfache Disziplinarmaßnahmen und die fristlose Entlassung gemäß § 55 Abs. 5 SG als rechtlich nebeneinander bestehende Möglichkeiten einer Reaktion auf Dienstpflichtverletzungen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Zielen an. Bei der Ahndung einer Pflichtwidrigkeit mit einer einfachen Disziplinarmaßnahme geht es nicht um eine Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit eines Soldaten im Hinblick auf seine weitere Verwendbarkeit bzw. Tragbarkeit für die Streitkräfte, sondern lediglich um eine unmittelbare Reaktion auf ein bestimmtes Fehlverhalten; ihr liegen vorrangig die Absicht der erzieherischen Einwirkung sowie des Weiteren auch generalpräventive Erwägungen zugrunde. Sie lässt den Status des Soldaten unberührt. Demgegenüber ist die fristlose Entlassung eines Soldaten auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre, in denen seine Rechtsstellung noch nicht so gefestigt ist, dass er im Wege eines disziplinargerichtlichen Verfahrens aus dem Dienstverhältnis entfernt werden könnte, keine disziplinare Ahndung, sondern eine personalrechtliche Maßnahme, die allein dem Schutz der Streitkräfte vor künftigem Schaden dient, wobei es ausschlaggebend auf die Zukunftsprognose für die Wahrung der militärischen Ordnung oder des Ansehens der Bundeswehr bei einem weiteren Verbleiben des Soldaten im Dienstverhältnis ankommt. Dabei ist die fristlose Entlassung keine zusätzliche disziplinare Maßregelung, so dass sich die einfache Disziplinarmaßnahme im Verhältnis zur Entlassung nach § 55 Abs. 5 SG nicht als der weniger gravierende, sondern als ein andersartig in die Rechte des Soldaten eingreifender Hoheitsakt darstellt (vgl. zu Vorstehendem: BVerwG, Beschl. v. 13.01.1994, aa0, 186 f.; so auch OVG Lüneburg, Urt. v. 22.08.1995 - 5 L 6016194 -, S. 10). Demgegenüber wird in neueren Entscheidungen die Verhängung von Disziplinararresten nach Verfügung der sofortigen Entlassung eines Zeitsoldaten als unzulässig angesehen (vgl. Truppendienstgericht - TDiG - Süd, Beschl. v. 18.02.1999 - S 1 - Bib 1/99 -, NZWehrr 1999, 124 f.; TDiG Nord, Beschl. v. 31.10.1997 - N 11 Asl 108/97 -, NZWehrr 1998, 84 ff.). Diesen Entscheidungen liegt jeweils die Konstellation zugrunde, dass neben der beabsichtigten fristlosen Entlassung (gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Wehrpflichtgesetz bzw. § 55 Abs. 5 SG) der Disziplinararrest (im Wesentlichen nur) deshalb verhängt werden sollte, um aufgrund einer unanfechtbar werdenden Disziplinarverfügung zur Sicherung eines möglichen, einer fristlosen Entlassung folgenden Verwaltungsstreitverfahrens gemäß § 138 Abs. 2 WDO bindende Tatsachenfeststellungen (vgl. dazu weiter unten) zu schaffen. Ausdrücklich heißt es in der Entscheidung des Truppendienstgerichtes Süd (vom 18.02.1999, aa0), dass es gegen die Prinzipien des rechtsstaatlich fairen Verfahrens verstoße, wenn die Entlassungsdienststelle sachwidrig die Entscheidung über die Entlassung von der Unanfechtbarkeit einer sachgleichen Disziplinarmaßnahme abhängig mache, allein um im Verwaltungsstreitverfahren eine für die Entscheidung günstige Beweislage zu erreichen. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine solche Verfahrensweise der Beklagten sind nicht ersichtlich. Im Gegensatz zu den vorgenannten Fällen ergibt sich allein schon aus der zeitlichen Abfolge, dass eine solche Manipulation nicht vorliegt. Während das Truppendienstgericht Nord bereits am 17. Dezember 1996 dem beabsichtigten Disziplinararrest gegen den Kläger zugestimmt hat, ist der Entlassungsvorschlag nach § 55 Abs. 5 SG vom Leiter des Studentenfachbereichs C der Universität der Bundeswehr Hamburg erst am 19. Dezember 1996 erfolgt. Darüber hinaus wies das Truppendienstgericht Nord erst mit Beschluss vom 4. Dezember 1997 - also mehr als fünf Monate nach der Entlassungsverfügung gegenüber dem Kläger - seine Beschwerde gegen die verhängte einfache Disziplinarmaßnahme abschließend zurück. Eine unanfechtbare Feststellung des Sachverhalts im disziplinarrechtlichen Bereich wurde somit nicht erst abgewartet.

30

Erfordert mithin das Verhalten eines Soldaten eine unmittelbar anschließende disziplinarrechtliche Reaktion, um dem Soldaten selbst und (auch generalpräventiv) seinen Kameraden sofort und unmissverständlich deutlich zu machen, dass solche Verhaltensweisen nicht geduldet werden und disziplinarrechtliche Folgen nach sich ziehen (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 13.01.1994, aa0), verstößt die Anwendung beider Maßnahmen nicht gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, denn sie dienen unterschiedlichen Gesetzeszwecken und jede ist für sich als notwendiges und geeignetes Mittel anzusehen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.06.1998 - 5 M 2241/98 -, S. 4 f.).

31

Vorliegend kommt hinzu, dass die angefochtene Entlassungsverfügung in Gestalt des Beschwerdebescheides vom 21. April 1998 lediglich vier der disziplinarrechtlich insgesamt geahndeten sieben Pflichtverletzungen zu Grundlagen der fristlosen Entlassung macht, so dass der vorliegend maßgebliche Sachverhalt hinter dem disziplinarrechtlich maßgeblichen Tatbestand durch Herausnahme weniger gravierender Sachverhaltsteile nicht identisch ist und ein teilweiser eigenständiger, disziplinarrechtlich geahndeter Sachverhaltsteil verbleibt (vgl. dazu auch TDiG Nord, Beschl. v. 04.03.1993 - N 4 AsL 155/93 -, NZWehrr 1994, 120 f.).

32

Der Kläger hat seine Dienstpflichten im Sinne von § 55 Abs. 5 SG verletzt. Das steht aufgrund der Diziplinarmaßnahme in Form der Verhängung des Disziplinararrests durch Zustimmung des Truppendienstgerichts Nord vom 17. Dezember 1996 und dessen Beschwerdeentscheidung vom 4. Dezember 1997 gemäß § 138 Abs. 2 WDO bindend fest. Die Bindungswirkung nach dieser Vorschrift bezieht sich nicht nur auf die verhängte Disziplinarmaßnahme als solche, denn diese gewinnt erst durch die Würdigung eines bestimmten Sachverhalts Bedeutung und Inhalt. Dieser Sachverhalt ist daher Bestandteil des Entscheidungsausspruchs, soweit er den Gegenstand der Entscheidung bestimmt (BVerwG, Urt. v. 27.06.1984 - 6 C 78.82 -, BVerwGE 69, 334, 339 [BVerwG 27.06.1984 - 6 C 78/82]; OVG Lüneburg, Urt. v. 19.11.1990 - 13 L 171189 -, S. 7; OVG Lüneburg, Urt. v. 16.03.1988 - 13 A 96/86 -, NZWehrr 1989,122, 123 m.w.N.). In diesem Sinne erstreckt sich die Bindungswirkung auch auf den der disziplinarrechtlichen Würdigung zugrundeliegenden Sachverhalt (BVerwG, Beschl. v. 28.05.1984 - 2 B 33.84 DVBI. 1984, 959), so dass die in der Tat liegende schuldhafte Dienstpflichtverletzung für die Statussachen zuständigen Gerichte bindend festgestellt ist (OVG Lüneburg, Urt,. v. 16.03.1988, aaO; siehe auch zur Bindungswirkung des Tenors und der disziplinarrechtlichen Würdigung des Sachverhalts nach der BDO: BVerwG, Urt. v. 14.11.1973 -1 WB 159.71 -, BVerwGE 46, 175, 178 f. [BVerwG 14.11.1973 - I WB 159/71]; OVG Lüneburg, Urt. v. 24.01.1984 - 5 OVG A 89/82 -, S. 10 ff., bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 28.05.1984 - 2 B 33.84 -; DVBI. 1984, 959).

33

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Entscheidungen des Truppendienstgerichts auf rechtlich beachtlichen tatsächlichen oder rechtlichen Fehlern beruhen. Die angefochtenen Bescheide geben - bis auf die im Wortlaut durch den Beschluss des Truppendienstgerichts vom 4. Dezember 1997 geänderte Ziffer 2 - die Sachverhaltsschilderung nahezu wörtlich wieder. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, die angefochtenen Bescheide enthielten insoweit unklare Aussagen oder verfälschende Zitierungen, beruht seine Sicht der Dinge nach seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung auf einer anderen Wertung und Würdigung der angegebenen Tatsachen und insbesondere misst er seinen Äußerungen nicht die Bedeutung bei, die das Gericht ebenso wie die Beklagte und auch das Truppendienstgericht ihnen beimisst. Er bestreitet nicht, dass die zitierten Äußerungen gefallen sind und tritt auch keinen Beweis beispielsweise durch Vernehmung von Zeugen an, sondern meint, die Zeugenaussagen hätten anders gewertet und gewürdigt werden müssen. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Entscheidungen des Truppendienstgerichts auf rechtlich beachtlichen tatsächlichen oder rechtlichen Fehlern beruhen. Auch der Hinweis des Klägers auf schwere Sozialisierungsprobleme beim Wechsel von der Fallschirmjägereinheit in Varel zum Studium nach Hamburg kann die festgestellten Dienstvergehen nicht rechtfertigen, sondern allenfalls das Maß und den Umfang seiner Schuld reduzieren, was im Rahmen des § 55 Abs. 5 SG jedoch keiner Feststellung bedarf (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 16. März 1988, a.a.O., 123). Gleiches gilt hinsichtlich seiner Feststellung, seine Geburtstagsnachfeier sei nicht zuletzt wegen seines eigenen Alkoholkonsums außer Kontrolle geraten. Ihm wird in diesem Zusammenhang zum Vorwurf gemacht, die im Rahmen der disziplinarrechtlichen Ermittlungen festgestellten Vorfälle und Äußerungen begründeten bei objektiver Würdigung den Anschein, ein Soldat der Bundeswehr, nämlich der Kläger, hege Sympathien für rechtsextremistische oder neonazistische Einstellungen. Diese Würdigung wird durch den Alkoholkonsum nicht in Frage gestellt.

34

Bei der Anwendung des § 55 Abs. 5 SG kommt es weder auf die strafrechtliche Bewertung der Dienstpflichtverletzung noch auf deren Schwere an sich an, sondern auf den Ernst der der militärischen Ordnung oder dem Ansehen der Bundeswehr ohne die fristlose Entlassung drohenden Gefahr. Diese Norm dient allein dem Schutz der Bundeswehr und soll künftigen Schaden für sie verhindern. Zweck ist demgemäß nicht die disziplinare Sanktion, sondern Abwendung einer drohenden ernstlichen Gefahr für die Bundeswehr, wobei die Gefahr sich allerdings als Auswirkung der Dienstpflichtverletzung darstellen muss. Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung "ernstlich" sein muss, hat das Gesetz selbst die Frage nach der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck beantwortet, so dass der Begriff der ernstlichen Gefährdung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit konkretisiert, dem das Gesetz darüber hinaus durch die Begrenzung der Entlassung auf die ersten vier Dienstjahre Rechnung trägt; für zusätzliche Erwägungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist danach kein Raum (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urt. v. 24.09.1992 - 2 C 17.91 -, Buchholz 236.1 § 55 SG Nr. 13; BVerwG, Urt. v. 20.06.1983 - 6 C 2.81, NJW 1984, 938 f.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 12.06.1998, aaO; OVG Lüneburg, Urt. v. 16.03.1988, aa0, 123; OVG Koblenz, Urt. v. 28.08.1995 - 10 A 12774/94 -, NVWZ-RR 1996, 401, 403).

35

Zu Recht hat die Beklagte angenommen, dass das Ansehen der Bundeswehr bei einem Verbleiben des Klägers im Dienst ernstlich gefährdet ist. Bei einer Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr geht es um den guten Ruf der Streitkräfte oder einzelner Truppenteile bei Außenstehenden, vor allem in der Öffentlichkeit, aus der Sicht eines den jeweiligen Lebensverhältnissen gegenüber aufgeschlossenen, objektiv wertenden Betrachters (Scherer/Alff, aa0, § 55 Rn. 22). Allein schon der Vorfall anlässlich der Geburtstagsnachfeier des Klägers am 29. November 1996 in seiner Stube auf dem Gelände der Universität der Bundeswehr Hamburg erfüllt diesen Tatbestand. Das Ansehen der Bundeswehr wird ganz wesentlich getragen von ihrer Teilhabe an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und dem Vertrauen darauf, dass sie sich den Werten des Grundgesetzes verpflichtet weiß. Mit Blick auf die deutsche Geschichte von 1933 bis 1945 ist das Ansehen des Militärs in besonderem Maße störanfällig gegenüber dem Auftreten eines Soldaten, das Zweifel an der unbedingten Respektierung des sittlichen Wertes der Menschenwürde nährt (vgl. zu Vorstehendem: OVG Koblenz, Urt. v. 25.08.1995, aa0, 402). Dies gilt umso mehr bei einem Soldaten, der - wie der Kläger - nicht aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht Dienst leistet, sondern nach freiwilliger und einvernehmlicher Begründung seines Status als Soldat auf Zeit in einem besonderen Loyalitätsverhältnis zur Bundeswehr steht und zudem als Vorgesetzter und Studierender an der Universität der Bundeswehr in dem für den hier angesprochenen Bereich bedeutsamen Fach Politikwissenschaften eine besondere Vorbildfunktion hat. Dabei ist es unerheblich, ob der betreffende Soldat innerlich hinter einem bestimmten Verhalten steht oder ob er sich geistig von ihm distanziert; es kommt vielmehr ausschließlich auf die nach außen erkennbar zum Ausdruck gebrachte Einstellung an (vgl. OVG Koblenz, aa0). Anlässlich seiner Geburtstagsnachfeier mussten die anderen Bewohner den Kläger als Beteiligten an rassistisch und rechtsextremistisch einzustufenden antisemitischen und neonazistischen Umtrieben wahrnehmen. Auch durch die wiederholte Bezeichnung von Ausländern als "Kanakken" kommt eine ausländerfeindliche rechtsextremistische Einstellung des Klägers zum Ausdruck. Ebenfalls wird das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet durch die rassistische Bewertung des Klägers, die Vermischung von Deutschen und Farbigen sei - sinngemäß - minderwertig, noch dazu in Gegenwart eines farbigen Offiziers.

36

Jeder einzelne dieser - in den angefochtenen Bescheiden jeweils selbständig tragend zur Begründung für die fristlose Entlassung des Klägers gemachten - Vorfälle stellt eine ernstliche Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr dar. Erforderlich ist insoweit, dass der Soldat auf Zeit für die Bundeswehr nicht mehr tragbar ist, was vor allem bei Dienstpflichtverletzungen anzunehmen ist, die aufgrund ihrer Eigenart geeignet sind, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtsstaatlichkeit der Streitkräfte zu erschüttern (vgl.: Scherer/Alff, aa0, § 55 Rn. 23; Fürst, aa0, Yk § 55 Rn. 20). Die Unvereinbarkeit des Verhaltens des Klägers mit seinem weiteren Verbleiben im Dienstverhältnis ergibt sich vorliegend insbesondere auch daraus, dass er - wie im Rahmen der disziplinarrechtlichen Maßnahmen festgestellt worden ist - bis zum Beginn der disziplinarischen Ermittlungen nicht nur durch die vorstehend aufgeführten erheblichen Zwischenfälle aufgefallen war, sondern sich gegenüber einem Mitstudenten, der ihn auf die neonazistischen Vorfälle anlässlich seiner Geburtstagsfeier angesprochen hatte, abweisend, beleidigend und uneinsichtig zeigte. Darüber hinaus ist eine erhebliche Wiederholungsgefahr aufgrund der Einstellung des Klägers betreffend weiterer rassistischer und neonazistischer Ausfälle bereits darin zu erkennen, dass er in für einen Offizier der Bundeswehr mit Vorbildfunktion nicht tolerabler Weise und ohne jede erkennbare Sensibilität für die damit zum Ausdruck kommende völlige Distanzlosigkeit zum Unrechtsregime des "Dritten Reichs" sich wiederholt am Telefon auf seiner Wohnebene mit "Führerhauptquartier" und "Wolfsschanze" gemeldet hat. Überdies räumt der Kläger ein, dass er nach seinem Wechsel an die Universität der Bundeswehr Hamburg Sozialisationsprobleme hatte, was sich offensichtlich auch in der Gedankenlosigkeit äußerte, mit der dieser die in seiner vorherigen Einheit vielleicht üblichen Verhaltensweisen und Äußerungsformen beibehielt. Einer Aktennotiz des Leiters des Studentenfachbereichs C der Universität der Bundeswehr Hamburg vom 9. Januar 1997 ist zudem zu entnehmen, dass ihm der Kompaniechef des Fallschirmjägerbataillons 313 aus Varel als letzter Disziplinarvorgesetzter des Klägers mitgeteilt habe, dass er den Kläger vor dessen Versetzung "im Hinblick auf eine zu rechtslastige Gesinnung" für latent gefährdet gehalten und ihn ermahnt habe, sich an der Universität in seinen extremen Äußerungen zurückzuhalten, um keine Schwierigkeiten zu bekommen. Der Kläger war demzufolge gewarnt, bevor er die ihm angelasteten Verfehlungen beging.

37

Danach ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger durch sein Verhalten das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit, die gerade durch in jener Zeit bekannt gewordene neonazistische Vorfälle verschiedenster Art im Bereich der Universität der Bundeswehr Hamburg in den Medien negativ betroffen war, der Gefahr einer solch schwerwiegenden, weil die bereits bekannten Fälle eindeutig bestätigenden, Schädigung ausgesetzt hat, dass sein Verbleiben in der Bundeswehr schlechterdings untragbar gewesen ist.

38

Dabei ist ohne Belang, dass der Beschwerdebescheid der Beklagte vom 21. April 1998 nicht exakt den mit der Beschwerdeentscheidung des Truppendienstgerichts Nord vom 4. Dezember 1997 in der Formulierung geänderten Teil 2 der Sachverhaltsschilderung zu Grunde gelegt hat. Denn es bleibt auch bei der geänderten Formulierung die rassistische und ausländerfeindliche Zielrichtung der Äußerungen des Klägers bestehen; lediglich eine wörtliche Wiedergabe erfolgt nicht.

39

Aus Vorstehendem ergibt sich, dass es eines nach Verwaltungsvorschriften vorgesehenen "ausdrücklichen Hinweises" vor Erlass der Entlassungsverfügung gegenüber dem Kläger nicht bedurfte. Die Beklagte hat ermessensfehlerfrei solche besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen angenommen, die den Kläger unmittelbar untragbar machen (vgl. Fürst, aa0, Rn. 22 a.E.; Scherer/Alff, aa0, Rn. 26; OVG Lüneburg, Urt. v. 21.04.1982 - 13 A 174/80 -, NZWehrr 1983, 114, 116). Angesichts des im Zuge der disziplinarischen Ermittlungen bekannt gewordenen, sich über rund zwei Monate insgesamt erstreckenden Verhaltens des Klägers ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte sofort ohne vorausgehende Pflichtenmahnung seine fristlose Entlassung verfügt hat; zumal - wie bereits ausgeführt - der Kläger offensichtlich schon bei seiner vorherigen Einheit "rechtslastige" extreme Äußerungen getätigt hat. Noch nicht einmal das geänderte Umfeld hatte ihn veranlasst, über Inhalte und Wirkungen seiner Äußerungen nachzudenken und sein Verhalten zu ändern.

40

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das gegen ihn mit Wirkung vom 15. Dezember 1996 gemäß § 22 SG angeordnete vorläufige Verbot der Ausübung des Dienstes Anfang April 1997 wieder aufgehoben worden ist. Ein solches Verbot kommt auch vor Einleitung eines Entlassungsverfahrens und sonst aus zwingenden Gründen in Betracht, wobei diese insbesondere dann vorliegen, wenn die weitere Tätigkeit des Soldaten nicht mehr verantwortet werden kann, weil sie Disziplin und das Ansehen der Bundeswehr, die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden oder sonst den Dienst erheblich stören würde (vgl. Scherer/Alff, aa0, § 22 Rn. 3 f.). Vorliegend war die Aufhebung dieses Verbots verbunden mit der Herausnahme des Klägers aus dem Studium an der Universität der Bundeswehr Hamburg und seiner Kommandierung nach Hammelburg (wieder) zu einer Fallschirmjägereinheit. Nachdem er den Disziplinararrest verbüßt und die strafrechtlichen Ermittlungen nicht soweit vorangekommen waren, dass die Beklagte diese im Entlassungsverfahren auswerten konnte, lag es nahe, den Kläger vorläufig an anderer Stelle (wieder) zu verwenden. Die entsprechende Motivation ergibt sich aus dem vom Kläger vorgelegten internen Aktenvermerk der Beklagte vom 14. März 1997, die auch angesichts des noch nicht abgeschlossenen truppendienstgerichtlichen Verfahrens keine hinreichende Beweislage zu erkennen vermochte, um den Kläger fristlos zu entlassen. Rechtzeitig vor Ablauf der Vierjahresfrist hat die Beklagte dann auf der ihr bis dahin bekannten Tatsachengrundlage die fristlose Entlassung des Klägers verfügt, wobei sie sich auf die Entscheidung des Truppendienstgerichts vom 17. Dezember 1996 maßgeblich gestützt hat, die durch die Beschwerdeentscheidung dieses Gerichts vom 4. Dezember 1997 auch bis auf eine geringfügige Änderung bestätigt wurde. Die Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Herbst 1997 ist vorliegend ebenfalls ohne Belang. § 55 Abs. 5 SG setzt kein strafbares Verhalten bei dem Soldaten voraus. Angesichts der dem Kläger drohenden fristlosen Entlassung und des laufenden Verwaltungsstreitverfahrens kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe während seiner Einsätze seit der Aufhebung des Verbotes der Dienstausübung von April bis Juni 1997 sowie nach Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Verwaltungsgericht mit Beschuss vom 17. Juli 1997 (6 B 1972/98) im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes seit September 1998 seinen Dienst ohne Beanstandungen versehen. Dieses "Wohlverhalten" lässt keine Rückschlüsse darauf zu, wie sich der Kläger bei einer erneuten Aufnahme seines Studiums verhalten würde. Überdies ist maßgeblich die ernstliche Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr, das - wie bereits darlegt - so stark gefährdet ist, dass jede weitere Beschäftigung des Klägers für die Beklagte nicht tragbar ist.

41

Trägt mithin das Tatbestandsmerkmal der ernstlichen Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr die angefochtene Verfügung selbständig, so kann offen bleiben, ob durch das Verhalten des Klägers auch eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung hervorgerufen wird, denn § 55 Abs. 5 SG verlangt nicht das kumulative Vorliegen der beiden Tatbestandsmerkmale.

42

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zu ihrer vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO i.V.m. § 167 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Beschluss

Der Streitwert wird auf 29.532,88 DM

festgesetzt.

Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 13 Abs. 4 Satz 1 b GKG. Danach ist Streitwert in Verfahren, welche die Beendigung eines besoldeten öffentlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betrifft, die Hälfte des dreizehnfachen Betrages des Endgrundgehaltes zuzüglich ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis nicht auf Lebenszeit ist. Gegenstand dieses Verfahrens ist das Dienstverhältnis des Klägers als Soldat auf Zeit, so dass der Streitwert ausgehend vom Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 BBesO mit 4.431,44 DM zuzüglich ruhegehaltsfähiger Zulagen nach Nr. 27 Vorbemerkungen BBesO A/B von 112,08 DM die Hälfte des dreizehnfachen Betrages, mithin 29.532,88 DM beträgt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 100,00 DM übersteigt. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem

Verwaltungsgericht Oldenburg, Schlossplatz 10, 26122 Oldenburg,

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht eingeht.

Göken

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