Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 18.04.2000, Az.: 2 B 704/00
Tötungsanordnung für Galloway-Rinder; Begriffsbestimmung "Tier" im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 494/98 der Kommission vom 27. Februar 1998; Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Anordnung der Tötung; Halten von Rindern mit fehlendem Identitätsnachweis; Ansteckungsgefahr mit der Rinderseuche BSE
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 18.04.2000
- Aktenzeichen
- 2 B 704/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 18248
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2000:0418.2B704.00.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 1 Abs. 2 VO/EG 494/98 v. 27. 02.98
- § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO
Fundstelle
- AgrarR 2001, 361-364
Verfahrensgegenstand
Tötungsanordnung (BSE)
Prozessführer
Frau L,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte Fehlhaber und andere, Bahnhofsplatz 4, 26122 Oldenburg, - 18 D/00 -
Prozessgegner
die Stadt Oldenburg - Amt f. Veterinärwesen u. Lebensmittelüberwachung-, Rohdenweg 65, 26135 Oldenburg,
Redaktioneller Leitsatz
Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Tötungsanordnung für Gallowayrinder, die sich auf Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 494/98 der Kommission vom 27. Februar 1998 stützt, da diese Verordnung weder den Begriff des "Tieres" klar definiert, noch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausreichend beachtet. Dem Halten von Tieren mit fehlendem Identitätsnachweis würde zum Schutze der Volksgesundheit ein Verwertungsverbot genügen.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 2. Kammer -
am 18. April 2000 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Tötungsanordnung der Antragsgegnerin vom 9. Februar 2000 wird wiederhergestellt, soweit es um die Ziffern 2 und 3 der Verfügung geht.
- 2.
Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin gegen die Androhungen der Ersatzvornahme bezüglich Ziffer 2 und 3 der Tötungsanordnung vom 9. Februar 2000 gemäß Verfügungen vom 18.Februar und 25. Februar 2000 wird angeordnet.
- 3.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich unter anderem gegen eine Tötungsanordnung der Antragsgegnerin.
Sie hält auf dem Oldehof am Tweelbäker See im Gebiet der Antragsgegnerin eine aus acht Tieren bestehende Herde von Galloway- bzw. Limousin-Rindern. Die Tiere waren zunächst nicht registriert und verfügten über keine Kennzeichnung (Ohrmarken).
Die Antragsgegnerin erließ am 09. Februar 2000 eine ordnungsbehördliche Verfügung zur Bekämpfung der Bovinen Spongiformen Encephalopathie (BSE) und ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Im einzelnen ergingen hinsichtlich der acht Rinder der Antragstellerin folgende Verfügungen:
- 1.
Sofortiges Verbringungs- und Schlachtverbot,
- 2.
Tötung innerhalb von 8 Tagen (nach Zustellung dieser Verfügung)
durch sachkundiges Personal
unter Angabe des Tötungsortes und -zeitpunktes innerhalb von 48 Stunden vorher und Bestätigung durch das Amt für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung, obige Anschrift,
unter Aufsicht des Amtstierarztes der Stadt Oldenburg (Oldb),
- 3.
unschädliche Beseitigung in der örtlich zuständigen Tierkörperbeseitigungsanstalt Kampe einschließlich der amtlichen Untersuchung der Gehirne aller Tiere auf etwaige Normalabweichungen, wie sie für BSE typisch sind.
Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, die Antragstellerin habe es versäumt, ihre Rinder zu kennzeichnen. Darüber hinaus fehlten Rinderpässe oder Begleitpapiere. Im Hinblick darauf habe sie gegen die Verordnung (EG) Nr. 494/98 der Kommission vom 27. Februar 1998, die Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates vom 21. April 1997, das Ausführungsgesetz zum Tierseuchengesetz in der Fassung vom 1. August 1994 sowie gegen die Vieh-verkehrsverordnung vom 27. Juli 1999 verstoßen.
Die Antragstellerin erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch und machte geltend, die von der Antragsgegnerin erlassene Tötungsanordnung sei rechtswidrig. Sie betreibe eine reine Hobby-Tierhaltung, bei der eine Schlachtung und Weitergabe der Tiere an Verbraucher von vornherein vollkommen ausgeschlossen sei. Darüber hinaus habe sie in der Vergangenheit keines ihrer gehaltenen Rinder zu Zuchtzwecken verkauft oder weitergegeben. Dies werde auch in Zukunft nicht geschehen. In Bezug auf ihren Rinderbestand bestehe auch keinerlei Verdacht auf eine Ansteckung mit der Rinderseuche BSE.
Die Antragsgegnerin hob mit Bescheiden vom 16. und 23. Februar 2000 die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 9. Februar 2000 hinsichtlich der Ziffern 2 und 3 dieser Verfügung - aus formalen Gründen - auf, worauf die Beteiligten das zwischenzeitlich anhängig gemachte vorläufige Rechtsschutzverfahren (Aktenzeichen 2 B 563/00) in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Das Verfahren ist daraufhin mit Beschluss vom 25. Februar 2000 eingestellt worden.
Mit Verfügungen vom 18. und 25. Februar 2000 ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Ziffern 2 und 3 ihrer Verfügung vom 9. Februar 2000 erneut an.
Hierauf suchte die Antragstellerin am 21. Februar 2000 wiederum um vorläufigen Rechtsschutz nach. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor:
Es sei zwar richtig, dass sie es zunächst versäumt habe, eine ordnungsgemäße Registrierung der Rinder vornehmen zu lassen. Sie habe jedoch mit Antrag vom 25. Januar 2000 an das Amt für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung eine ordnungsgemäße Anmeldung ihres Bestandes vorgenommen. Ihr sei daraufhin von der für die Registrierung und Vergabe der Register-Nummern zuständigen Stelle, VIT, Verden, eine Registriernummer zugeteilt worden. Sie habe jedoch nicht die zur ordnungsgemäßen Kennzeichnung des Rinderbestandes erforderlichen Ohrmarken zur Verfügung gestellt bekommen. Die Voraussetzungen für eine Tötung des von ihr gehaltenen Rinderbestandes lägen nicht vor. Die EG-Verordnungen, auf die die Antragsgegnerin im wesentlichen Bezug genommen habe, bezweckten die Verhinderung der Verbreiterung von BSE sowie den Schutz der Verbraucher vor einer Ansteckung mit dieser Krankheit. In ihrem Falle ginge vom Rinderbestand jedoch keine BSE-Ansteckungsgefahr aus. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass sie eine reine Hobby-Tierhalterin sei. Eine Verwertung der Tiere zum Zwecke der Weitergabe an den Verbraucher sei nie beabsichtigt gewesen. Es sei auch nicht beabsichtigt gewesen, die Tiere zu Zuchtzwecken zu verkaufen. In jedem Fall komme eine unmittelbare Anwendung der EG-Verordnung Nr. 494/98 vom 27. Februar 1998 nicht in Betracht. Zwar seien EG-Verordnungen in der Regel aus sich heraus unmittelbar anwendbar und bedürften keines Verzugsaktes zur Begründung individueller Rechte. Die streitige Verordnung lasse allerdings die unmittelbare Anwendbarkeit vermissen, da sie den Mitgliedsstaaten ausweislich der Verordnungsbegründung ein Regelungsspielraum lasse, der zunächst umgesetzt werden müsse. Die unmittelbare Anwendbarkeit der EG-Verordnung Nr. 494/98 gegenüber dem einzelnen Normadressaten entfalle auch deshalb, weil in der Verordnungsbegründung auf Artikel 21 der EG-Verordnung Nr. 820/97 Bezug genommen werde. Artikel 28 der EG-Verordnung Nr. 820/97 bestimme, dass etwaige Sanktionen, die die Mitgliedsstaaten verhängten, in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Verstoßes stehen müssten. Sofern ein Verstoß anzunehmen sei, könnten die Sanktionen allenfalls eine Beschränkung der Tierverbringung zu oder aus dem Betrieb des betreffenden Tierhalters beinhalten. Darüber hinaus verstoße die von der Antragsgegnerin erlassene Tötungsanordnung gegen das Tierschutzgesetz. § 1 Satz 2 Tierschutzgesetz bestimme, dass niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden und Schäden zufügen dürfe. Die EG-Verordnung Nr. 494/98, in der eine Tötung von Rindern allein an die Nichteinhaltung formeller Registrierungspflichten geknüpft werde, stehe letztlich im Widerspruch zum deutschen und auch europäischen Tierschutz. Darüber hinaus sei auf § 24 Tierseuchengesetz hinzuweisen, wonach die Tötung von Tieren im Rahmen des Tierseuchengesetzes stets vom Vorliegen eines konkreten Seuchenverdachts abhängig gemacht werde. Allein die Nichteinhaltung von Registrierungs- und Kennzeichnungspflichten erlaube hingegen eine Tötung nicht. Die Tötungsanordnung sei auch deswegen zu beanstanden, weil Art. 1 Abs. 2 der EG-Verordnung Nr. 494/98 in Bezug auf die Tötungsvoraussetzungen den rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht entspreche. Die Ermächtigungsgrundlage sei zunächst völlig unbestimmt. So sei nicht klar, was unter dem Begriff "Identität" zu verstehen sei und wie diese Identität der Rinder nachgewiesen werden solle. Die Auffassung der Antragsgegnerin, wonach ein lückenloser Herkunftsnachweis erforderlich sei, gehe fehl. Dagegen ließe sich bereits einwenden, dass vor Inkrafttreten der EG-Verordnungen eine Registrierung von Rinderbeständen in dieser Weise nicht stattgefunden habe. Im Hinblick darauf müsse es genügen, dass mitgeteilt werde, aus welchen Beständen die Rinder stammten. Diesen Nachweis habe sie gegenüber der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 31. Januar 2000 erbracht. Die EG-Verordnung 494/98 und damit auch die hierauf beruhende Tötungsanordnung der Antragsgegnerin verstießen darüber hinaus gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das angeordnete Mittel, nämlich die Tötung der nicht entsprechend der EG-Verordnung 820/97 registrierten und gekennzeichneten Rinder stehe in keinem angemessenen Verhältnis zu dem damit verfolgten Zweck, nämlich dem Verbraucherschutz und der Verbesserung der Verbraucherakzeptanz hinsichtlich der zu vermarkteten Rindfleischerzeugnisse. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei zunächst einmal zu berücksichtigen, dass die Tötung der Tiere allein an die Nichteinhaltung von Registrierungs- und Kennzeichnungspflichten geknüpft werde. Ein irgendwie gearteter BSE-Verdacht werde für die Tötung nicht vorausgesetzt. Einer Tötung eines Rinderbestandes allein wegen der Nichteinhaltung von Registrierungs- und Kennzeichnungspflichten ohne BSE-Verdacht stehe außerhalb jeglicher Angemessenheit zu dem verfolgten Zweck Verbraucherschutz und Verbesserung der Verbraucherakzeptanz für Rindfleischerzeugnisse. Dies sei insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache zu sehen, dass die Tötung entschädigungslos erfolgen solle.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
- 1.
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Tötungsanordnung der Antragsgegnerin vom 9. Februar 2000 wiederherzustellen, soweit es um die Ziffern 2 und 3 der Verfügung geht,
- 2.
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Androhung der Ersatzvornahme vom 18. Februar 2000 bezüglich Ziffer 2 der "Tötungsanordnung" vom 9. Februar 2000 anzuordnen und
- 3.
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Androhung der Ersatzvornahme vom 25. Februar 2000 hinsichtlich Ziffer 3 der "Tötungsanordnung" vom 9. Februar 2000 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.
Sie erwidert im wesentlichen:
Ermächtigungsgrundlage für die verfügte, die Tötung einschließende unschädliche Beseitigung der im Eigentum der Antragstellerin stehenden Tiere sei unmittelbar Artikel 1 Abs. 2 der Verordnung/EG 494/98 der Kommission vom 27. Februar 1998. Diese Verordnung habe gemäß Art. 249 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Amsterdamer Fassung vom 2. Oktober 1997 allgemeine Geltung, sei in allen ihren Teilen verbindlich und gelte unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat. Sie falle daher unter "Gesetz und Recht", welches gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG - Verwaltung und Rechtsprechung binde. Die streitige Verordnung müsse daher zur Erreichung dieses Zwecks auch als Gesetz im Sinne des Grundsatzes des Vorbehalt des Gesetzes verstanden werden. Die in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung genannten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die unverzügliche Tötung zwingend vorgegeben sei, seien im Falle der Antragstellerin erfüllt. Entscheidend sei, dass der vorgeschriebene Identitätsnachweis für die streitbefangenen Rinder von der Antragstellerin nicht erbracht worden sei. Auch die in den einstweiligen Rechtsschutzverfahren aufgestellten Behauptungen seien nicht geeignet, einen Nachweis der Identität der Rinder zu liefern. So sei bereits nicht belegt, dass die jetzt vorhandenen Tiere identisch seien mit den seinerzeit erworbenen. Ein eventueller Austausch bzw. nur im Ergebnis die Tieranzahl nicht verändernde Zu- und Abgänge im Bestand könnten nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Auch lege die Antragstellerin nicht dar, wie beispielsweise die Veräußerer der Elterntiere definitiv die Identität der jetzigen Tiere bestätigen könnten. Diese Mängel in den Nachweisbemühungen der Antragstellerin beruhten im wesentlichen darauf, dass die bereits seit langem bestehenden Kennzeichnungsmöglichkeiten und Pflichten von ihr nicht erfüllt worden seien, genausowenig wie von ihr ein Betrieb angemeldet oder ein Bestandsverzeichnis (Register) geführt worden sei. Auch Tierpässe existierten nicht, so dass es an jeglichem von den einschlägigen Normen vorgesehen Anhaltspunkt für einen einwandfreien Identitätsnachweis mangele. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei eine zweckorientierte Einschränkung des Norminhalts des Artikel 1 Abs. 2 der EG-Verordnung 494/98 nicht geboten. Der Hinweis auf die Hobby-Tierhaltung erweise sich als nicht tauglich. Dem sei insbesondere entgegenzuhalten, dass dieser Haltungszweck den Tieren nicht immanent sei und von ihr beispielsweise für Fälle einer etwaigen Einzel- oder Gesamt-Rechtsnachfolge nicht sicher gewährleistet werden könne. In diesem Zusammenhang erweise sich auch ihre Auffassung, den "Betriebs"-Begriff nicht zu erfüllen, im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des Artikel 2 - VO/EG 820/97 als irrig. Vielmehr verlange gerade der Regelungszweck des Verbraucherschutzes und der Steigerung der Verbraucherakzeptanz für Rindfleisch die uneingeschränkte Sicherheit, sämtliche Rinder und deren Bestände mit der Kennzeichnung und Registrierung erfasst zu haben. Die EU-rechtlich vorgeschriebene entschädigungslose Beseitigung des Tieres erweise sich auch nicht wegen Verstoßes gegen nationales Recht als rechtswidrige und nicht zu beachtende Regelung. Es sei bereits nach nationalrechtlicher Beurteilung keine Enteignung anzunehmen. Diese sei nämlich typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass die öffentliche Gewalt aus eigenem Interesse offensiv gegen den Privateigentümer vorgehe, weil sie sein Eigentum für einen öffentlichen Zweck benötige. Davon zu unterscheiden seien die Fälle der polizeilichen Gefahrenabwehr, in denen der störende Eigentümer nur in die Grenzen seiner Eigensphäre zurückgewiesen werde, wie zum Beispiel in Fällen entschädigungsloser Tötung von Hunden und Katzen, die verdächtigt gewesen seien, mit tollwutkranken oder auch nur der Seuche verdächtigen Hunde oder Katzen in Berührung gekommen zu sein. Im Ergebnis seien die Angriffe der Antragstellerin gegen die streitige Verordnung Nr. 494/98 nicht gerechtfertigt. Auch die Ausführungen der Antragstellerin zum Begriff der Identität überzeugten nicht, da jedenfalls die Abstammung des konkreten Tieres betroffen sei, deren Nachweis grundsätzlich eine unmittelbar nach Geburt vorzunehmende Kennzeichnung verlange, schon um spätere Verwechslungsmöglichkeiten auszuschließen. Schließlich sei auch keine Unverhältnismäßigkeit der maßgeblichen Mindestsanktion zu erkennen, nicht zuletzt weil bei Einhaltung der vorgeschriebenen frühzeitigen Kennzeichnungsverpflichtungen die Sanktion vermeidbar gewesen wäre.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte zu diesem Verfahren, zum Verfahren 2 B 563/00 sowie der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen. Er ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässigen Anträge auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die ordnungsbehördliche Verfügung vom 9. Februar 2000 (Ziffern 2 und 3) sowie gegen die in den Verfügungen vom 18. Februar und 25. Februar 2000 angedrohten Ersatzvornahmen sind zulässig und begründet.
Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, wenn die Behörde - wie hier - die sofortige Vollziehung einer Verfügung im öffentlichen Interesse anordnet (hinsichtlich Ziffer 1 und 2 der Tötungsanordnung vom 9. Februar 2000) oder wenn - wie hier hinsichtlich der Androhungen der Ersatzvornahmen - die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO, 64 Abs. 4 Satz 1 Niedersächsisches Gefahrenabwehrgesetz - NGefAG - ausgeschlossen ist. Auf Antrag kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen bzw. wiederherstellen. Bei der Entscheidung über den Antrag hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen. Dabei kommt es auf die Abwägung des im konkreten Fall bestehenden Interesse an der Vollziehung gegen das in der Sache bestehende konkrete Interesse an der Aussetzung an, d.h. darauf, ob die Nachteile eines verspäteten Vollzugs des in Frage stehenden Verwaltungsaktes die Vorteile überwiegen (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 28. Januar 1992 - 3 M 2/92 -, NVwZ - RR 1993, 408, 409) [OVG Schleswig-Holstein 28.01.1992 - 3 M 2/92]. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist insbesondere auch die Beantwortung der Frage zu berücksichtigen, ob der Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg haben wird. Hiervon ist bereits dann auszugehen, wenn - für die Fälle des § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO ausdrücklich aus § 80 Abs. 4 VwGO resultierend - "ernstliche" Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (vgl. ausdrücklich für den Fall des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO: OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. September 1982 - 5 B 37/82 -, NVwZ 1983, 109 [OVG Niedersachsen 30.09.1982 - 5 B 37/82], das insoweit von "ernsthaften Bedenken" spricht). "Ernstliche" Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen bereits dann, wenn ein Obsiegen des Antragstellers im Widerspruchs- oder Verwaltungsstreitverfahren ebenso wahrscheinlich wie deren Misserfolg ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 13. Januar 1989 - 9 M 1/89 -, NVwZ - RR 1989, 328; OVG Schleswig, Beschluss vom 19. April 1991 - 2 M 2/91 -, NVwZ - RR 1992, 106 mwN; anderer Ansicht: OVG Hamburg, Beschluss vom 23. April 1991 - Bs II 16/91 -, NVwZ - RR 1992, 318 mwH, das die Auffassung vertritt, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nur dann anzunehmen sind, wenn ein Obsiegen des Antragstellers im Widerspruchs- oder Verwaltungsstreitverfahren wahrscheinlicher als ein Unterliegen ist).
Gemessen an diesen Voraussetzungen sind die Anträge der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begründet, da jeweils das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
1.
Hinsichtlich Ziffer 2 der Anordnung vom 9. Februar 2000 - Tötung der Rinder innerhalb von 8 Tagen - überwiegt das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse, da ein Erfolg des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die genannte Anordnung zumindest ebenso wahrscheinlich wie deren Misserfolg ist. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Tötungsanordnung (Ziffer 2).
Als Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung kommt allein Art. 1 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 494/98 der Kommission vom 27. Februar 1998 (im folgenden: VO Nr. 494/98) in Betracht. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut: "Kann der Halter eines Tieres dessen Identität nicht innerhalb von zwei Arbeitstagen nachweisen, so ist es unter der Aufsicht der Veterinärbehörden und ohne Gewährung einer Entschädigung durch die zuständige Behörde unverzüglich unschädlich zu beseitigen". Einer Anwendbarkeit dieser Vorschrift steht zwar nicht entgegen, dass hinsichtlich der Verordnung keine Transformation in innerstaatliches Recht erfolgt ist. Nach Art. 249 Abs. 2 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften vom 25. März 1957 in der Amsterdamer Fassung vom 2. Oktober 1957 (im folgenden: EGV) hat eine "Verordnung" allgemeine Geltung. Sie ist in allen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten.
Die nach Auffassung des Gerichts bestehenden ernsthaften Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Tötungsanordnung beruhen schwerpunktmäßig auch nicht auf einer fehlerhaften Anwendung der Rechtsgrundlage seitens der Antragsgegnerin. Im Ergebnis spricht jedoch einiges für die Rechtswidrigkeit der Maßnahme, weil Artikel 1 Abs. 2 VO Nr. 494/98 als Rechtsgrundlage in mehrfacher Hinsicht zu einer rechtlichen Beanstandung Anlass gibt.
Die Rechtsgrundlage lässt zunächst die Antwort auf die Frage vermissen, was unter "Tier" iSv Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 494/98 zu verstehen ist. Es spricht Überwiegendes dafür, dass insoweit eine unvollständige Regelung besteht. Die VO Nr. 494/98 enthält keine nähere Definition des Merkmals "Tiere", auch wenn auf Grund der Präambel zu vermuten ist, dass es sich um Rinder handeln muss. Mangels Begriffsbestimmung in der VO Nr. 494/98 kommt hier die in Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates vom 21. April 1997 (im folgenden: VO Nr. 820/97) vorgegebene Definition "Tier" zur Geltung. Die Kommission war gemäß Art. 10 VO Nr. 820/97 ermächtigt, Durchführungsvorschriften zum Titel I der VO Nr. 820/97 festzulegen, also insbesondere auch "Verwaltungssanktionen" zu diesem Titel zu normieren. Im Hinblick darauf liegt es auf der Hand, dass unter "Tier" iSd der VO Nr. 494/98 die in der Ermächtigungsverordnung des Rates Nr. 820/97 vorgesehene Definition Anwendung findet. Die in Art. 2 VO Nr. 820/97 vorgegebene Definition ist unzureichend. Danach ist als "Tier" ein "Rind iSd Art. 2 der Richtlinie 97/12/EG" anzusehen. Dass der Verordnungsgeber unter "Tier" alle Rinder erfassen wollte, kann angesichts des Wortlautes der Begriffsbestimmung nicht ohne weiteres angenommen werden, da der normierte Zusatz - iSd Art. 2 der Richtlinie 97/11/EG - eine Einschränkung suggeriert.
Der Versuch, die Begriffsbestimmung "Tier" gemäß Art. 2 VO Nr. 820/97 zu "entschlüsseln" misslingt. Art.. 2 der Richtlinie 97/12/EG (Amtsblatt EG 1997 Nr. L 109), auf die die Definitionsbestimmung des Art. 2 VO Nr. 820/97 Bezug nimmt, hat folgenden Wortlaut:
"(1)
Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie vor dem 1. Juli 1998 nachzukommen. Sie setzten die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.
(2)
Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlauf der wichtigsten innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen."
Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, dass Art. 2 der Richtlinie 97/12/EG keine Hinweise hinsichtlich einer Begriffsbestimmung des Merkmales "Tier" beinhaltet. Sollte entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Art. 2 der VO 820/97 nicht Art. 2 der Richtlinie 97/12/EG, sondern - ggf. iVm Art. 1 der Richtlinie 97/12/EG - Art. 2 der Richtlinie 64/432/EWG gemeint sein, liegt ebenfalls keine eindeutige Definition des Tatbestandsmerkmals "Tier" vor. Artikel 2 Abs. 1 der Richtlinie 64/432/EWG verweist auf weitere Richtlinien. Artikel 2 Abs. 2 der Richtlinie 64/432/EWG enthält zwar zahlreiche Definitionen wie z.B. "Bestand", "Schlachttiere", "Zucht- und Nutztiere" etc., ein eindeutiger Hinweis, dass unter "Tiere" alle Rinder zu erfassen sind, lässt sich aus diesen genannten Definitionen jedoch ebenfalls nicht entnehmen. Das Gegenteil ist der Fall. In Artikel 2 Abs. 2 der Richtlinie 64/432 EWG wird unter den Definitionen "Schlachttiere" und "Zucht- und Nutztiere" die Gattung "Rinder" aufgeführt. Sofern man auf Grund der Aufführung der Tiergattung "Rinder" in Art. 2 Abs. 2 Ziff. B und C der Richtlinie 64/432/EWG zur Auffassung käme, dass unter Rind im Sinne von Art. 2 der VO 820/97 lediglich Schlacht-, Zucht- und Nutztiere zu sehen sein sollten, erführe die Begriffsbestimmung in Art. 2 der VO 820/97 die oben angesprochene Einschränkung bei der Gattung "Rinder". Letztlich braucht dieser Frage in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht nachgegangen werden, da angesichts des eindeutigen Wortlauts in Art. 2 der VO 820/97 - Rinder iSd Art. 2 der Richtlinie 97/12/EG - eine unmissverständliche Vorgabe besteht, die hier - worauf wiederholend hingewiesen wird - zu einer unvollständigen bzw. unbestimmten Rechtsgrundlage führt.
Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 494/98, auf die die Antragsgegnerin die angefochtene Verfügung gestützt hat, ist aus weiteren Gründen rechtlich zu beanstanden. Die Rechtsgrundlage, die der zuständigen Behörde für eine Maßnahme kein Ermessen und auch keine Möglichkeit der Fristverlängerung einräumt, verstößt aller Voraussicht nach gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Hierbei handelt es sich um einen allgemeinen - vom Europäischen Gerichtshof (im folgenden: EuGH) anerkannten - Grundsatz des Gemeinschaftsrechts (EuGH, Urteil vom 24. September 1985 - Rechtssache 181/84 -, EuGHE 1985, 2889; EuGH, Urteil vom 3. Dezember 1998 - C 368/96 -, EuGHE 1998, S. 7967; EuGH, Urteil vom 22. Oktober 1998; C 184/96 -, EuGHE 1998, 6197; EuGH, Urteil vom 23. November 1993 - C 365/92 -, NVwZ 1994, 471; EuGH, Urteil vom 28. Juni 1990 - C 174/89 -, EuGHE 1990, 2681), der grundsätzlich alle staatliche Gewalt bindet. Der Europäische Gerichtshof hat in der genannten Entscheidung aus dem Jahr 1985 die Geltung des Verhältnismäigkeitsgrundsatzes ein weiteres Mal bekräftigt und ausgeführt, dass bei der Überprüfung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts hinsichtlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in erster Linie zu prüfen sei, ob die eingesetzten Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels angemessen und erforderlich seien (EuGH, Urteil vom 24. September 1985, a.a.O., S. 2903). Bei der Überprüfung der hier einschlägigen Rechtsgrundlage spricht unter Zugrundelegung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Überwiegendes dafür, dass Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 494/98 rechtlich zu beanstanden ist, soweit er bestimmt, dass ein Tier unverzüglich unschädlich durch die zuständige Behörde zu beseitigen ist, wenn der Halter eines Tieres nicht innerhalb von zwei Arbeitstagen die Identität des Tieres nachweisen kann. Dies beruht auf folgenden Überlegungen:
Regelungszweck des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 494/98 ist unter Einbeziehung des Inhalts der Präambel der Ermächtigungs-Verordnung Nr. 820/97 die Steigerung der Verbraucherakzeptanz für Rindfleisch bzw. die Steigerung des Vertrauens in die Qualität von Rindfleisch und Fleischerzeugnissen. Der Rat hat als Erwägung für die Verordnung Nr. 820/97 hervorgehoben, dass der Markt für Rindfleisch und Fleischerzeugnisse durch die Krise der Spongiformen Rinderenzephalopathie "destabilisiert" ist. Wörtlich heißt es in der Präambel:
"Der Markt für Rindfleisch und Fleischerzeugnisse ist durch die Krise der Spongiformen Rinderenzephalopathie destabilisiert. Dieser Markt muss wieder stabilisiert werden. Dies kann am wirksamsten durch Verbesserungen bei der Transparenz der Erzeugungs- und Vermarktungsbedingungen dieser Produkte erreicht werden, insbesondere hinsichtlich der Verfolgung des Ursprungs.
Entscheidend ist dabei, dass für die Stufe der Erzeugung eine effizientere Kennzeichnungs- und Registrierungsregelung für Rinder eingeführt und für die Stufe der Vermarktung eine besondere, auf objektiven Kriterien beruhende gemeinschaftliche Etikettierungsregelung für den Rindfleischsektor geschaffen wird.
Mit den Garantien, die dank dieser Verbesserungen gegeben werden können, wird auch bestimmten Anforderungen von allgemeinem Belang, wie dem Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier, entsprochen.
Das Vertrauen der Verbraucher in die Qualität von Rindfleisch und Fleischerzeugnissen wird somit gestärkt."
Unter Zugrundelegung der aus der Präambel deutlich werdenden Zielsetzung ist die hier einschlägige Rechtsgrundlage für die Steigerung der Verbrauchsakzeptanz aller Voraussicht nach nicht erforderlich. Dies gilt nicht nur dann, wenn ein Halter eines Tieres ggf. unter einer geringfügigen Überschreitung der Zwei-Tagesfrist in der Lage ist, die Identität seines Tieres zu belegen, sondern auch dann, wenn der Halter einen Identitätsnachweis seines Tieres - aus welchen Gründen auch immer - nicht erbringen kann.
Ziel einer solchen Regelung kann es nur sein, sicherzustellen, dass ein Tier, dessen Identität nicht bekannt ist, nicht in den Handel gerät und nicht vermarktet wird. Es sind aus der Sicht eines Betroffenen weniger einschneidende Maßnahmen als die unschädliche Beseitigung und damit Tötung eines Tieres denkbar, die geeignet sind, das genannte Ziel zu erreichen. In diesem Zusammenhang könnte an eine gesetzliche Vorgabe gedacht werden, die in ihrem Regelungswerk ein Verbringungs- und Schlacht- bzw. Verwertungsverbot oder/und ein Verbot der Annahme von Tieren, deren Herkunft nicht bekannt ist, seitens fleischverarbeitender Betriebe (z.B. Schlachthöfen) enthalten. Darüber hinaus könnte, um ggf. eine vertikale Ansteckung mit BSE zu verhindern, vorgesehen werden, dass der Halter dafür Sorge zu tragen hat, dass die betroffenen Tiere nicht mehr zeugungsfähig sind.
Die in Art. 1 Abs. 2 der VO Nr. 494/98 vorgesehene Sanktion der unschädlichen Beseitigung ist auch nicht aus Gründen des Schutzes der Volksgesundheit erforderlich. In diesem Zusammenhang kommt die Erwägung zum Tragen, dass nach den gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen BSE - ungeachtet der Beantwortung der Frage, ob es sich dabei um eine Tierseuche iSd Tierseuchengesetzes handelt (verneinend: Nds. OVG, Beschluss vom 2. Mai 1997 - 3 M 2197/97 -, NVwZ 1997, 710; bejahend: VGH Baden-Württ., Urteil vom 7. Dezember 1999 - 10 S 2690/98 -, V.n.b.) horizontal aller Voraussicht nach nicht von Tier zu Tier zu übertragen ist. Hierzu führt das Nds. OVG im Beschluss vom 2. Mai 1997 (a.a.O.) u.a. aus:
"Schon die Annahme, BSE werde von Tier zu Tier horizontal übertragen, ist nicht belegt. Nach dem dem Senat vorliegenden Erkenntnismaterial ist ein horizontraler Transfer von BSE-Erregern von Rind zu Rind bislang noch nicht -nachgewiesen worden. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Schreiben des Instituts für Virologie der tierärztlichen Hochschule Hannover an den Nds. Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 31. Januar 1997, sondern auch aus den vom Antragsteller vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen von Prof.Dr. Straub sowie des zoologischen Instituts der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel vom 24. März 1997. Prof.Dr. Kaaden vom Institut für med. Mikrobiologie, Infektions- und Seuchenmedizin der Lugwig-Maximilian-Universität München hat in seinem vor dem Bay.Verwaltungsgericht München am 7. Februar 1997 mündlich erstatteten Sachverständigengutachten ebenfalls ausgeführt, dass die Ergebnisse der britischen Studien keine Anhaltspunkte dafür lieferten, dass ein BSE-infiziertes Tier auf den Betand, in dem es sich befindet, ansteckend wirke. Ferner hat die Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere dem Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg auf Anfrage unter dem 11. April 1997 mitgeteilt, dass eine horizontale Übertragung des BSE-Erregers bisher weder epidemiologisch noch experimentell nachgewiesen worden sei.
Eine horizontale Übertragung von BSE ist demnach lediglich nicht auszuschließen, wenngleich noch nicht einmal wahrscheinlich. Ausweislich der oben genannten gutachterlichen Stellungnahme des zoologischen Instituts der Universtiät zu Kiel scheidet ein horizontaler Transfer von BSE-Erregern nämlich mit hoher Wahrscheinlichkeit als Übertragungsweg aus; Prof.Dr. Straub vertritt sogar die Auffassung, BSE werde überhaupt nicht von Tier zu Tier übertragen, das Auftreten von BSE sei ausschließlich auf die Verfütterung kontaminierten Tiermehls zurückzuführen. Prof.Dr. Kaaden hat erklärt, aus naturwissenschaftlicher Sicht sei derzeit nicht auszuschließen, dass eine horizontale Übertragung stattfinde, man könne aber sicher sagen, dass ein solcher Übertragungsweg für das "Seuchengeschehen in England keine Bedeutung gehabt habe."
Im Hinblick auf diese Erkenntnisse reicht nach Auffassung der Kammer zur Wahrung der Volksgesundheit ein Verwertungsverbot, wozu auch der Ausschluss der Verwertung des betreffenden Tieres zur Herstellung von Tierfutter zu zählen ist, aus.
Darüber hinaus besteht hinsichtlich der in Art. 1 Abs. 2 Verordnung Nr. 494/98 befindlichen Fristenbestimmung - 2 Arbeitstage - Anlass zur Kritik. Die Frist, nach deren Ablauf die automatische Sanktion - unschädliche Beseitigung des betreffenden Tieres - eintritt, ist als zu streng anzusehen. Sie dürfte - angesichts der drohenden Sanktion - denjenigen Haltern von Tieren große Probleme bereiten, die grundsätzlich in der Lage wären, einen Identitätsnachweis zu erbringen. Die Halter wären angesichts der sehr kurzen Frist gezwungen, evtl. vorhandene Papiere innerhalb von 2 Tagen vorzulegen. Sollten Halter von Tieren mit fehlendem Identitätsnachweis solche Papiere besitzen, dürfte die kurze Frist grundsätzlich nicht als problematisch anzusehen sein. Im übrigen ist die Vorlage solcher Papiere aus naheliegenden Gründen - z.B. Postlaufzeiten etc. - innerhalb von zwei Arbeitstagen nicht immer möglich. Im Ergebnis sanktioniert daher die hier einschlägige Rechtsgrundlage nicht nur das komplette Fehlen von Identitätsnachweisen, sondern darüber hinaus auch eine - ggf. durch höhere Gewalt bedingte - Verzögerung der Vorlage von entsprechenden Papieren, die evtl. von irgendwelchen Zulieferbetrieben oder anderen Händlern zu beschaffen sind. Im Hinblick darauf hätte hinsichtlich der Fristenbestimmung zumindest eine Verlängerungsmöglichkeit in der Verordnung vorgesehen werden müssen, um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz insoweit gerecht zu werden.
Nach Vorstehendem konnte deswegen unentschieden bleiben, ob Art. 1 Abs. 2 der VO Nr. 494/98 aus einem weiteren Grund zu beanstanden ist. Es bestehen jedoch Zweifel, was der Verordnungsgeber unter "Identität" der Tiere versteht. Dieser Frage muss ggf. im Hauptsacheverfahren nachgegangen werden.
Nach alledem war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Tötungsanordnung der Antragsgegnerin vom 9. Februar 2000 hinsichtlich Ziffer 2 wiederherzustellen.
2.
Hinsichtlich Ziffer 3 der Anordnung vom 9. Februar 2000 - unschädliche Beseitigung in der örtlich zuständigen Tierkörperbeseitigungsanstalt Kampe einschließlich der amtlichen Untersuchung der Gehirne aller Tiere auf etwaige Normabweichungen, wie sie für BSE typisch sind - überwiegt ebenfalls das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Aus den oben genannten Gründen war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Tötungsanordnung (Ziff. 2 der Verfügung vom 9. Februar 2000) wiederherzustellen. Mangels vollziehbarer Tötungsanordnung ist der sofortigen Vollziehung der Ziff. 3 der Tötungsanordnung die rechtliche Grundlage entzogen. Im Hinblick darauf musste das Gericht nicht darauf eingehen, ob der Inhalt der Anordnung zu Ziff. 3 rechtlich zu beanstanden ist.
3.
Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Androhungen der Ersatzvornahmen (Anträge zu 2) und 3) der Antragstellerin) war anzuordnen. Die Androhungen, die ihre rechtliche Grundlagen in den §§ 64 ff. NGefAG finden, sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt mangels vollziehbaren Verwaltungsaktes, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, nicht möglich.
Nach alledem war dem Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von vorläufigen Rechtsschutzes in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Schwettmann
Dr. Menzel