Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 06.01.2009, Az.: 9 U 17/07

Voraussetzungen für die Einstandspflicht des Schiffsversicherers bei Fahruntüchtigkeit des Schiffes i.S. v. § 138 S. 1 VVG; Möglichkeit zur Abbedingung des Haftungsausschlusses für Ersatzansprüche Dritter

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
06.01.2009
Aktenzeichen
9 U 17/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 38250
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2009:0106.9U17.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich - 18.01.2007 - AZ: 2 O 1125/04
nachfolgend
BGH - 18.05.2011 - AZ: IV ZR 165/09

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage des Ausschlusses der Einstandspflicht eines Schiffsversicherers bei Feststellung der Fahruntüchtigkeit des Schiffes im Sinne von § 132 Abs. 1 VVG a.F. (§ 138 Satz 1 n.F.) i.V.m. § 8 BinSchG, ferner zur Reichweite einer möglichen Abbedingung des Haftungsausschlusses für Ersatzansprüche Dritter durch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen entsprechend der AVB Flusskasko.

In dem Rechtsstreit

1. E...I...B... GmbH & Co KG, vertreten durch den Geschäftsführer ...,

2. E...I...B... GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer ...

Beklagte und Berufungsklägerinnen,

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2:

Rechtsanwälte ...

3. D... D... V... AG,

...

Streithelferin und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigter zu 3:

Rechtsanwalt ...

gegen

Firma R... K... & A... S... GbR, ...

Klägerin und Berufungsbeklagte

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte ...

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts ... sowie die Richter am Oberlandesgericht

... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2008 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 18. Januar 2007 geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits sowie der Nebenintervention.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten oder die Streithelferin Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt festzustellen, dass die Beklagten aus einem Versicherungsvertrag für Ersatzansprüche Dritter einzustehen haben, die durch die Havarie ihres Motorschiffes "..." am 29. Januar 2003 in S.../E... entstanden sind.

2

Die Klägerin will bei den Beklagten entsprechend einer Deckungszusage ("cover note") vom 13. Februar 2003 (Bl. 13 ff. Bd. I d.A.) ihr Binnenschiff unter Einbeziehung der A... Flusskasko versichert haben. Nachdem das Schiff auf der Fahrt von Hamburg nach Magdeburg zweimal mit einem Trogtor des Schiffshebewerks Scharnebeck kollidiert ist, wird die Klägerin von der zuständigen Wasser und Schifffahrtsdirektion auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Insoweit begehrt sie von den Beklagten Freistellung.

3

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

4

Mit der Berufung machen die Beklagten zum einen erneut geltend, lediglich als Versicherungsmakler tätig und damit nicht selbst Vertragspartner der Klägerin geworden zu sein. Insoweit wollen sie als "führenden" Versicherer die Streithelferin vermittelt haben. Im übrigen behaupten die Beklagten, das Schiff sei aufgrund gravierender Mängel der Umsteueranlage bereits bei Antritt der Reise fahruntüchtig gewesen, so dass eine etwaige versicherungsvertragliche Haftung in jedem Fall ausgeschlossen sei.

5

Die Streithelferin ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.

6

Die Beklagten und die Streithelferin beantragen,

7

unter Abänderung der angegriffenen Entscheidung die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens,

9

die Berufung zurückzuweisen.

10

Der Senat hat in Gegenwart des Schiffssachverständigen Dipl.Ing. P... G... die Zeugen A... W..., A... B... und R... S... vernommen. Auf die Protokolle der Beweisaufnahme (Bl. 113 ff. und 169 ff. Bd. III d.A.) sowie die schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen vom 23. Oktober und 5. November 2008 (Bl. 127 ff., 140 f. Bd. III d.A.) wird Bezug genommen.

11

II. Die zulässige Berufung ist begründet.

12

Der Klägerin stehen aufgrund eines durchgreifenden Haftungsausschlusses des Versicherers gemäß § 132 Abs. 1 VVG keine Ansprüche aus einem etwaigen mit den Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag zu.

13

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass das Schiff aufgrund eines technischen Defekts der Umsteueranlage bei Fahrtantritt am 29. Januar 2003 objektiv fahruntüchtig im Sinne von § 132 Abs. 1 VVG i.V.m. § 8 BinSchG war und deshalb mit der Schleusenanlage kollidiert ist.

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1. Auf der Grundlage der Aussagen der in zweiter Instanz vernommenen Zeugen W..., S... und B... sowie den darauf aufbauenden Feststellungen des Sachverständigen G... ist davon auszugehen, dass entweder die DeutzUmsteueranlage infolge eines Überfüllens der Ölspeicher ausgefallen ist oder aber die Weiterleitung der Steuerbefehle aufgrund eines technischen Defekts der dafür vorgesehene SempressAnlage versagt hat.

15

Der Zeuge B... hat glaubhaft geschildert, das Schiff unmittelbar nach der Havarie durch bloßes Ablassen eines überhöhten Ölstandes der DeutzAnlage wieder gangbar gemacht zu haben. Der Gutachter hat insoweit schriftlich wie mündlich eingehend erläutert, dass eine Überfüllung der Ölspeicher zu einem Ausfall der hydraulischen Umsteuerungsanlage führen kann. Er hält eine solche Ursache als Grund für die Manövrierunfähigkeit sogar für überwiegend wahrscheinlich.

16

Ein überhöhter Ölstand der Umsteueranlage, der letztlich zu einem Ausfall der Steuerung führt, genügt, um die für den versicherungsvertragsrechtlichen Haftungsausschluss erforderliche Fahruntüchtigkeit zu bejahen. Der in § 132 Abs. 1 VVG verwendete Begriff der Fahruntüchtigkeit entspricht dem des § 8 BinSchG (BGH VersR 1980, 65), so dass neben der absoluten Fahruntüchtigkeit auch die relative Fahruntüchtigkeit ausreicht, also wenn das Schiff allein aufgrund der konkreten Gegebenheiten die gewöhnlichen Gefahren einer Fahrt nicht zu bestehen vermag. Dies ist etwa bei mangelhafter Abdeckung des Frachtgutes (Rheinschiffahrtsobergericht Köln, TranspR 2000, 130[OLG Köln 03.07.1998 - 3 U 105/93 BSch]) oder aber - höchstrichterlich - für den Fall der fehlerhaften Beladung bejaht worden (BGH aaO. VersR 1975, 1117). Das Schiff als solches muss folglich nicht grundsätzlich schadhaft sein, vielmehr genügt im Einzelfall ein fehlerhafter technischer Eingriff oder aber eine Außerachtlassung der zum ordnungsgemäßen Betrieb erforderlichen Vorbereitungshandlungen. In diesem Sinne führte auch das fehlerhafte Befüllen der Ölspeicher der Umsteueranlage zur Fahruntüchtigkeit im Rechtssinn. Soweit der gesetzliche Haftungsausschuss voraussetzt, dass die Überfüllung bereits bei Antritt der Reise vorlag, hat der Sachverständige klargestellt, dass ein Befüllen der Ölspeicher der DeutzAnlage während der Fahrt technisch unmöglich ist. Da die Triebwerke für eine Ölbefüllung vollständig abgeschaltet sein müssen und grundsätzlich das geschlossene hydraulische System kein ständiges Nachfüllen verlangt, streitet vorliegend der Anscheinsbeweis dafür, dass eine solche Maßnahme spätestens vor Fahrtantritt erfolgt ist (vgl. dazu Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., Anm. zu § 132, Rn. 3). Diesen vermochte die Klägerin nicht ansatzweise zu entkräften. Im Gegenteil hat ihr Gesellschafter S... auf die im Termin gestellte Frage des Beklagtenvertreters, ob die DeutzAnlage möglicherweise unterwegs befüllt worden sein könnte, zunächst erstaunt reagiert und - noch vor der Beantwortung durch den Sachverständigen - eingewendet, dies sei während der Fahrt gar nicht möglich.

17

Für den Fall indes, dass der überhöhte Ölstand der DeutzAnlage entgegen der Einschätzung des Sachverständigen nicht schadensursächlich geworden wäre, käme nach Überzeugung des Senats alternativ allein ein Defekt der SempressAnlage in Betracht. Möglicherweise haben auch beide Schadensquellen zusammengewirkt, was der Gutachter nicht gänzlich ausschließen wollte.

18

Die Zeugen B... und S... haben übereinstimmend und überzeugend bekundet, dass die Umsteueranlage schon in der Vergangenheit wiederholt technische Probleme bereitet hätte. Als Mitarbeiter der Firma C... waren beide Zeugen bereits im Auftrag des Voreigentümers mit Reparaturarbeiten an der "..." befasst. Dass sich die Eingriffe dabei auf ein bloßes Ölablassen beschränkt hätten, haben die Zeugen nicht ausgesagt. Im Gegenteil will der Zeuge S... bereits dem früheren Eigner mehrfach eine grundlegende Überholung der Anlage empfohlen haben, was nur bedeuten kann, dass die Umsteueranlage aus Sicht des Fachmannes zumindest störanfällig war. Dazu passen die Bekundungen des sachverständigen Zeugen W..., der nachvollziehbar, detailliert und im Kern seiner Aussage glaubhaft geschildert hat, dass sich das hydraulische System der SempressAnlage in einem mangelhaften Zustand befand. Mit Hilfe dieser Anlage werden die Steuerbefehle aus dem Fahrstand an das DeutzUmsteueraggregat übertragen. Der Zeuge W... hat das Schiff bereits einen Tag nach der Havarie inspiziert und dabei festgestellt, dass die - im wesentlichen aus einem Filterelement sowie einem Einfüllstutzen für ein Korrosionsschutzöl bestehende - Wartungseinheit der SempressAnlage entfernt worden war. Diese werksseitig vorgesehene Wartungseinheit hat den Zweck, durch Einfüllen eines speziellen Korrosionsschutzöls die Funktionsfähigkeit des Druckleitungssystems zu gewährleisten. Dem damaligen Schiffsführer sei, vom Zeugen W... darauf angesprochen, nicht einmal bekannt gewesen, dass eine solche Möglichkeit der Wartung grundsätzlich besteht. Das ist von der Klägerin nicht erheblich bestritten worden.

19

Entgegen den Herstellervorgaben waren damit also weder die Hydraulikleitungen der Fernsteuerung durch ein entsprechendes Öl vor Ablagerungen geschützt noch bestand die Möglichkeit, gegebenenfalls Fremdkörper vor dem Eintritt in das hydraulische System auszufiltern. Der Sachverständige hat deshalb insoweit eine Schadensanlage ausdrücklich bejaht, was nichts anderes bedeutet, als dass es ohne weiteres zu einer Verschmutzung der Druckleitungen und damit letztlich jederzeit zu einem Versagen der Anlage kommen konnte. Der Gutachter hat denn auch auf mündliche Nachfrage nicht ausschließen können, dass Verunreinigungen und insbesondere kleinere Partikel zu einem zeitweiligen Ausfall der Anlage führten. Lediglich für den Fall des Verklemmens der Ventile durch größere Metallspäne oder aber infolge mangelnder Schmierung ist der Sachverständige von einem dauernden Funktionsverlust ausgegangen. Das würde erklären, warum sich das Schiff nach der Havarie auch ohne Reparatur der SempressAnlage wieder umsteuern ließ. Dafür spricht im Übrigen auch die Aussage des Zeugen S..., wonach die Anlage bereits seit langem Probleme bereitete, ohne aber vollständig auszufallen. Die Zeugen S... und B... haben im Übrigen - entgegen der Behauptung der Klägerin - klargestellt, die "..." zu keinem Zeitpunkt gewartet, sondern stets nur Defekte beseitigt zu haben. Auch daraus mag sich der von den Zeugen S... und W... bekräftigte schlechte Zustand der Anlage erklären.

20

Ein Schiff, dessen Umsteueranlage jederzeit, auch nur vorübergehend ausfallen kann, ist nicht fähig, die gewöhnlichen Gefahren der geplanten Reise zu bestehen und damit objektiv fahruntüchtig im Sinne von § 132 Abs. 1 VVG (vgl. dazu BGH VersR 1989, 761, [BGH 24.04.1989 - II ZR 208/88] betreffend den Ausfall einer elektrischhydraulischen Ruderanlage infolge unzureichenden Spritzschutzes eines Stromverteilerkastens).

21

Der Klägerin hilft in diesem Zusammenhang auch nicht, dass sich nach schriftlicher Einschätzung des Sachverständigen das Fehlen der Wartungseinheit womöglich dadurch hätte kompensieren lassen, dass das vorhandene Frostschutzsystem zusätzlich mit Kompressorenöl befüllt worden wäre. Zum einen hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt behauptet, die Frostschutzanlage auf diese Weise zweckentfremdet, also durch Beigabe von Öl als Schmieranlage benutzt zu haben. Zum anderen hat der Sachverständige im Rahmen seiner ergänzenden Anhörung am 16. Dezember 2008 klargestellt, ein - notwendigerweise - sporadischer Ausfall lasse sich eben nicht mit unzureichender Schmierung der Ventile, sondern allein mit einer Verunreinigung der Hydraulikleitungen erklären. Grund des Ausfalls der SempressAnlage wäre also maßgeblich die Demontage des werksseitig vorgesehenen Filters gewesen, was sich durch die Frostschutzanlage nicht kompensieren ließ.

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2. Soweit die Klägerin demgegenüber behaupten will, die Kollision sei allein darauf zurückzuführen, dass das Schiff aufgrund eines Fahrfehlers mit zu großer Geschwindigkeit in das Hebewerk eingelaufen sei, vermag sie damit nicht durchzudringen.

23

Zunächst hat die Klägerin selbst in ihrer Klageschrift als wesentliche Ursache der Kollisionen angegeben, dass das Schiff entgegen der Stellung des Maschinentelegraphen (,'Zurück") weiter vorwärts gefahren sei (Bl. 5 Bd. I d.A.). In diesem Sinne ist auch dem von ihr zu den Akten gereichten Unfallprotokoll der Wasserschutzpolizei S... zu entnehmen, dass sich bereits der Schiffsführer ausdrücklich auf einen technischen Defekt der Umsteueranlage berufen hat (Bl. 18 Bd. I d.A.).

24

Soweit die Klägerin dann gleichwohl - erstmals mit Schriftsatz vom 26. Januar 2005 (Bl. 110 Bd. I d.A.) - einen Defekt der Umsteueranlage bestritten und stattdessen einen Bedienungsfehler durch zu schnelles Umschalten von Vorwärts auf Rückwärts behaupten wollte, hat der Sachverständige eine derartiges Fehlverhalten des Schiffsführers als Unfallursache technisch ausgeschlossen.

25

Der von der Klägerin daraufhin unternommene Versuch, zumindest die Kausalität eines Ausfalls der Umsteuerung zu bestreiten und stattdessen als alleinige Unfallursache eine überhöhte Geschwindigkeit zu behaupten, geht ebenfalls fehl. Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Klägerin insoweit maßgeblich auf den polizeilichen Unfallbericht stützt (vgl. Schriftsatz vom 26. Januar 2005, Bl. 111 Bd. I d.A.), auf den im Folgenden wiederholt Bezug genommen wird). Danach stützt sich die - bloße - Schlussfolgerung des zuständigen Beamten, der Unfall hätte bei langsamerer Einfahrt in die Schleuse vermieden werden können, allein auf die Geschwindigkeitsangaben des Schiffsführers ("ca. 5,1 km/h"). Jener Schiffsführer hat aber demgegenüber im Einzelnen dargelegt, ausschließlich aufgrund eines Defekts der Umsteuerung mit den Schleusentoren kollidiert zu sein.

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Die Einschätzung der Wasserschutzpolizei, auf die die Klägerin entscheidend abhebt, erscheint damit zumindest zweifelhaft. Dem war allerdings nicht weiter nachzugehen, denn selbst bei einem zu schnellen Einfahren wäre eine überwiegende Mitursächlichkeit des - nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats eingetretenen - Ausfalls der Umsteueranlage anzunehmen. Das Schiff konnte nämlich ohne die Möglichkeit, die Maschinen auf "Zurück" zu stellen, von vornherein nicht aufgestoppt oder wenigstens abgebremst werden. Es ist gerade Sinn und Zweck der Umsteueranlage, mit Unterstützung der Motorleistung die Geschwindigkeit zu reduzieren. Dass das Schiff demgegenüber derart schnell in die Schleuse eingefahren wäre, dass es auch bei funktionierender Umsteuerungsanlage nicht mehr rechtzeitig hätte gestoppt werden können, ist von der Klägerin weder erheblich vorgetragen worden noch anderweitig erkennbar.

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Schließlich aber kann zumindest die zweite Kollision, durch die die wesentlichen Schäden entstanden sind, keinesfalls auf eine überhöhte Geschwindigkeit zurückgeführt werden, weil sie unstreitig stattfand, als das - bereits im Westtrog des Hebewerks liegende - Schiff rückwärts wieder auslaufen sollte. Statt rückwärts zu fahren, fuhr das Schiff unstreitig vorwärts und rammte ein weiteres Mal das Trogtor.

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3. Der damit zugunsten der Beklagten gemäß § 132 Abs. 1 VVG eingreifende objektive Risikoausschluss ist vorliegend auch nicht durch die - bei Annahme eines wirksam geschlossenen Versicherungsvertrages entsprechend der "cover note" vom 13. Februar 2003 - vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen abbedungen worden.

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Soweit die A... Flusskasko ... in Ziffer 3.2.1.2 für einen Leistungsausschluss wegen Fahruntüchtigkeit des Schiffes ein Verschulden des Versicherungsnehmers voraussetzt, gilt dies allein für den hier nicht in Rede stehenden Ersatz für Verlust oder Beschädigung des versicherten Schiffs. Der vorliegende Fall hingegen betrifft Ersatzansprüche Dritter, die abschließend in Ziffer 4 der AVB geregelt sind. Das ergibt sich ausdrücklich aus Ziffer 3.1.3.1 ("Ersatz an Dritte gemäß Ziffer 4") und sodann aus der Überschrift der Ziffer 4 ("Ersatz an Dritte"). Innerhalb von Ziffer 4 der AVB finden sich in den Unterpunkten 4.7.1. - 4.9. eigenständige Haftungsausschlüsse, ohne dass insoweit ein Leistungsausschluss wegen Fahruntüchtigkeit - anders als in Ziffer 3.2.1.2. - geregelt wäre. Entgegen der Auffassung des Landgerichts vermag der Senat aus dieser Regelung daher keine Abbedingung der gesetzlichen Regelung des § 132 Abs. 1 VVG auch für Drittschäden herzuleiten. Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen vermögen Allgemeine Geschäftsbedingungen als untergesetzliche Abreden eine Gesetzesnorm nur insoweit abzubedingen, als konkrete abweichende Regelungen getroffen werden. Treten demgegenüber in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Regelungslücken auf, für die aber eine gesetzliche Regelung besteht, behält insoweit die gesetzliche Regelung Bestand (vgl. sinngemäß auch Thume/de la Motte/Brunn, Transportversicherungsrecht, Rn. 473, wonach § 130 VVG - Haftungsausschluss wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit - neben den AVB Anwendung findet). Wenn dementsprechend nur für den Fall von Eigenschäden durch Ziffer 3.2.1.2 eine Änderung der Regelung des § 132 VVG geregelt ist, betrifft dies auch nur diese Fälle und eben nicht auch Ersatzansprüche Dritter. Weder die systematische Stellung noch der Sinn oder Wortlaut von Ziffer 3.2.1.2. AVB gebieten im Übrigen die Annahme, dass damit eine für alle Bereiche der FlusskaskoVersicherung geltende Sonderregelung zu § 132 Abs. 1 VVG geschaffen werden sollte. Im Gegenteil sind in den Ziffern 4.7 bis 4.9 für den Bereich der Fremdschäden eigene Haftungsausschlüsse definiert worden, die sich von denen für die Eigenschäden grundlegend unterscheiden. Die Unterschiede beruhen auf der grundsätzlich anderen Betrachtungsweise bei Eigenschäden, die zumeist durch Einwirkung von außen entstehen, und Fremdschäden, deren Ursache bedingungsgemäß vom versicherten Schiff ausgeht. So werden unter 3.2 der Bedingungen im Wesentlichen äußere Gefahren vom Versicherungsschutz ausgenommen, die auf das Schiff einwirken könnten, etwa Schäden durch politische Gewalthandlungen, durch Kernenergie oder Entziehung durch Verfügung von hoher Hand. Unter 4.7 der AVB werden hingegen verschiedene schädigende Auswirkungen vom Versicherungsschutz ausgenommen, die vom versicherten Schiff selbst ausgehen können, etwa das Freiwerden von Chemikalien oder sonstige Umweltschäden. Es liegt im Übrigen ersichtlich im Interesse der Versicherer als Verwender der AVB, die Haftung für Schäden, die Dritten zugefügt werden, grundsätzlich restriktiver zu regeln, weil das unternehmerische Risiko diesbezüglich deutlich höher ausfällt. Während nämlich etwaige Eigenschäden anhand des Zustands und der Größe des Schiffes zumindest annähernd kalkuliert und dementsprechend die Versicherungsbeiträge bemessen werden können, ist dies für etwaige Schäden Dritter, die durch den Betrieb eines Schiffes verursacht werden können, kaum möglich. Angesichts dieser grundlegenden Unterschiede verbietet sich eine übergreifende Betrachtung, die die Fremdschäden und die Eigenschäden umfasst, so dass für die in Rede stehenden Drittschäden die allgemeine Ausschlussregelung in § 132 VVG gilt.

30

Nichts anderes würde schließlich gelten, wenn tatsächlich allein das Überfüllen der DeutzAnlage zum Ausfall der Umsteuerungsfunktion geführt haben sollte. Zwar könnte sich die Klägerin dann möglicherweise über Ziffer 3.2.1.1. der AVBFlusskasko insoweit entlasten, als sie ein schadensursächliches Fehlverhalten der Besatzung nicht zu vertreten hätte. Daneben aber läge, wie bereits oben ausgeführt, als weiterer Haftungsausschlussgrund eine objektive Fahruntüchtigkeit des Schiffes vor. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner abschließenden Klärung, ob zumindest die in Ziffer 3.2.1.1. AVBFlusskasko geregelte Privilegierung des Schiffseigners im Zusammenhang mit einem Fehlverhalten der Besatzung auch für Drittschäden gilt.

31

III. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1 ZPO. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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Die in § 543 Abs. 2 ZPO normierten Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.