Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.09.2023, Az.: 1 Ws 188/23 (StrVollz)

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.09.2023
Aktenzeichen
1 Ws 188/23 (StrVollz)
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 34479
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 21.06.2023 - AZ: 17c StVK 42/22

Amtlicher Leitsatz

Wird ein angefochtener Vollzugsplan während des gerichtlichen Verfahrens ohne wesentliche Änderung fortgeschrieben, hat die Strafvollstreckungskammer von Amts wegen diesen bei ihrer Entscheidung mit zu berücksichtigen.

In der Strafvollzugssache
des D. G.,
geboren am ...,
zurzeit in der Justizvollzugsanstalt C.,
- Antragstellers und Beschwerdeführers -
- Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. K., H. -
gegen die Justizvollzugsanstalt Celle,
vertreten durch den Anstaltsleiter,
- Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin -
wegen Vollzugslockerungen
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug durch den Richter am Oberlandesgericht XXX, die Richterin am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Oberlandesgericht XXX am 5. September 2023 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg mit Sitz in Celle vom 21. Juni 2023 wird aufgehoben.

  2. 2.

    Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an dieselbe Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

  3. 3.

    Der Streitwert wird für beide Instanzen auf bis zu 500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller befindet sich im Vollzug einer Freiheitsstrafe. Am 20. April 2022 erstellte die Antragsgegnerin für den Antragsteller einen Vollzugsplan, der die Gewährung von Lockerungen (lediglich) in Form von Ausgängen in Begleitung von Bediensteten vorsah. Hiergegen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 25. Mai 2022 gerichtliche Entscheidung beantragt. Er verfolgt das Ziel, unbegleitete Ausgänge zu erhalten.

Am 25. August 2022 wurden die im Vollzugsplan vom 20. April 2022 vorgesehenen Lockerungen von der Antragsgegnerin widerrufen, weil sich der Antragsteller als ungeeignet für Ausgänge erwiesen hatte. Der Widerrufsbescheid ist aufgrund eines Beschlusses des Senats vom 20. März 2023 bestandskräftig.

Am 26. Oktober 2022 schrieb die Antragsgegnerin den Vollzugsplan für den Antragsteller fort. Lockerungen werden ihm darin (nur noch) in Form von Ausführung zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit zuerkannt.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 21. Juni 2023 hat die Strafvollstreckungskammer über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 25. Mai 2022 entschieden und diesen als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Strafvollstreckungskammer ausgeführt, dass die mit dem Vollzugsplan vom 20. April 2022 getroffene Entscheidung der Antragsgegnerin rechtlich nicht zu beanstanden sei, und dies im Einzelnen näher begründet.

Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig, weil die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Sie hat auch in der Sache - vorläufig - Erfolg. Denn die Strafvollstreckungskammer hat bei ihrer Entscheidung die Fortschreibung des Vollzugsplans vom 26. Oktober 2022 außer Acht gelassen und deshalb den Streitgegenstand nur unvollständig erfasst.

1. Die Fortschreibung eines Vollzugsplans hat Auswirkungen auf ein gerichtliches Verfahren, mit dem der bisherige Vollzugsplan angegriffen wird. Sie führt zur Erledigung der Hauptsache, wenn mit dem neuen Vollzugsplan das Rechtsschutzziel des Antragstellers erreicht ist. Bleibt die angegriffene Regelung unverändert oder wird die vom Antragsteller begehrte Regelung auch mit der Fortschreibung nicht getroffen, tritt - soweit nicht die Begründung hierfür im Wesenskern eine Änderung aufweist - keine Erledigung ein (OLG Celle, Beschluss vom 28. Februar 2013, 1 Ws 553/10 (StrVollz), juris; KG, Beschluss vom 29. Oktober 2018, 5 Ws 124/18 Vollz, juris; Schmidt-Clarner, in: Burhoff/Kotz, Handbuch für die strafrechtliche Nachsorge, Teil C, Rn. 322). Die Fortschreibung des Vollzugsplans hat dann zur Folge, dass der Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens auf die nachfolgende Fortschreibung erweitert wird (KG, Beschluss vom 29. Oktober 2018, 5 Ws 124/18 Vollz, juris). Ein Austausch des Streitgegenstandes wird dadurch nicht bewirkt (BayObLG, Beschluss vom 26. März 2021, 203 StObWs 12/21, juris). Die Strafvollstreckungskammer muss die Fortschreibung daher bei ihrer Entscheidung auch dann berücksichtigen, wenn sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung dazu nicht verhält. Denn eine gesonderte Entscheidung über einen eventuellen weiteren Antrag gegen den fortgeschriebenen Vollzugsplan ist wegen der Identität der Streitgegenstände ausgeschlossen (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 3 Vollz (Ws) 26 - 28/07 -, juris).

2. Die Strafvollstreckungskammer hätte danach ihrer Prüfung den am 26. Oktober 2022 fortgeschriebenen Vollzugsplan zu Grunde legen müssen. Durch die Fortschreibung vom 26. Oktober 2022 wurde der zunächst auf den Vollzugsplan vom 20. April 2022 gerichtete Streitgegenstand erweitert. Eine Erledigung der Hauptsache ist weder durch die Fortschreibung noch durch den Widerrufsbescheid vom 25. August 2022 eingetreten, denn die vom Antragsteller begehrten unbegleiteten Ausgänge sind darin weiterhin nicht vorgesehen, ohne dass sich im Wesenskern die Begründung hierfür geändert hätte.

Diese Auswirkungen der Fortschreibung hat die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss verkannt, in dem sie lediglich mit einer pauschalen Verweisung auf den fortgeschriebenen Vollzugsplan vom 26. Oktober 2022 eingegangen ist und im Übrigen nur den Vollzugsplan vom 20. April 2022 einer gerichtlichen Prüfung unterzogen hat. Da der angefochtene Beschluss keine weiteren Feststellungen zum fortgeschriebenen Vollzugsplan und den ihm zu Grunde liegenden Erwägungen der Antragsgegnerin enthält, ist dem Senat eine eigene Überprüfung der Entscheidung zum eigentlichen Streitgegenstand nicht möglich.

Die Sache ist deshalb zur neuen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 4 Satz 3 StVollzG).

III.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 1 Nr. 8, 63 Abs. 3, 65 GKG.