Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 27.05.1997, Az.: 11 B 2526/97

Aufschiebende Wirkung eines Widerspruches gegen die Heranziehung zu Kosten der Ersatzvornahme; Anwendbarkeit des § 80 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Kosten der Ersatzvornahme; Kosten einer Ersatzvornahme als Androhung oder Festsetzung eines Zwangsmittels gemäß § 64 Abs. 4 Gefahrenabwehrgesetz Niedersachsen (GefAG,NI)

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
27.05.1997
Aktenzeichen
11 B 2526/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 24084
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:1997:0527.11B2526.97.0A

Fundstellen

  • DVP 1999, 131
  • NVwZ-RR 1998, 311 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Vorauszahlung der voraus. Kosten der Ersatzvornahme

vorl. Rechtsschutz.

Das Verwaltungsgericht Hannover - 11. Kammer Hannover - hat
am 27. Mai 1997
beschlossen:

Tenor:

Es wird festgestellt, daß der Widerspruch der Antragstellerin vom 30.01.1997 gegen die in der Verfügung des Antragsgegners vom 22.01.1997 unter III. angeordnete Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme in Höhe von 210.000,00 DM aufschiebende Wirkung hat. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 105.000,00 DM (i.W.: einhundertfünftausend Deutsche Mark).

Gründe

1

Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob der Widerspruch der Antragstellerin vom 30.01.1997 gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 22.01.1997 insoweit aufschiebende Wirkung entfaltet, als unter III. eine Vorauszahlung von Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 210.000,00 DM gefordert worden ist. Die in der Verfügung unter IV. angeordnete sofortige Vollziehung erstreckt sich nach dem Wortlaut nicht auf diesen Regelungsteil; der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 12.05.1997 ausdrücklich die Auffassung vertreten, die sofortige Vollziehbarkeit der Kostenanforderung ergebe sich kraft Gesetzes aus § 64 Abs. 4 des Nds. Gefahrenabwehrgesetzes.

2

Der hiergegen am 28. April 1997 beim Gericht gestellte Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. Eine bundes- oder landesrechtliche Regelung, die der Anforderung von Kosten der Ersatzvornahme - vor oder nach Durchführung der Ersatzvornahme - sofortige Vollziehbarkeit verleiht, besteht nicht. Der Eintritt der Vollziehbarkeit setzt vielmehr nach allgemeinen Regeln eine besondere Anordnung i.S.d. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO oder Bestandskraft der Verfügung voraus.

3

übereinstimmend gehen die Beteiligten davon aus, daß die Heranziehung zu Kosten der Ersatzvornahme nicht unter die Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten i.S.d. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO fällt. Dies entspricht der Auffassung des OVG Lüneburg und der überwiegenden Rechtsprechung, der auch die Kammer folgt. Denn § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erfaßt nur solche Heranziehungsbescheide, die in einem förmlichen Verwaltungsverfahren selbständig ergehen und nicht lediglich akzessorische Teile eines anderen (Haupt-)Verwaltungsaktes sind (vgl. hierzu Erdmann, Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen gegen Vollstreckungsbescheide, NVwZ 1988 S. 508 f. [VGH Hessen 08.09.1986 - 3 OE 57/83] m.w.N.). Damit kann sich eine Vollziehbarkeit der - landesrechtlichen - Anordnung nach § 66 Abs. 2 Nds.GefAG, um die es hier geht, auch nur aus einer vergleichbaren landesrechtlichen Bestimmung ergeben. Eine Ermächtigung hierzu enthält § 80 Abs. 2 VwGO unter Satz 1 Ziff. 3 und Satz 2. Unter diese Ermächtigung fällt § 64 Abs. 4 Satz 1 Nds.GefAG, wonach Rechtsbehelfe gegen die Androhung oder Festsetzung von Zwangsmitteln keine aufschiebende Wirkung haben. Diese Regelung, die sowohl für den Vollzug landesrechtlicher als auch bundesrechtlicher Verwaltungsakte gilt, ist entgegen der Auffassung des Antragsgegners aber nicht einschlägig. § 64 Abs. 4 Nds.GefAG beschränkt sich seinem ausdrücklichen Wortlaut nach auf die "Androhung oder Festsetzung von Zwangsmitteln". Die Heranziehung zu Kosten der Ersatzvornahme, die gem. § 66 Abs. 1 Nds.GefAG der Ersatzvornahme regelmäßig nachfolgt, fällt nach allgemeiner Meinung nicht unter die Begriffe "Androhung oder Festsetzung von Zwangsmitteln" (vgl. Erdmann a.a.O. Seite 509, Saipa, § 64 Nds.GefAG Anm. 5 m.w.N.). Dies gilt nach Auffassung der Kammer in gleicher Weise, wenn - wie hier - gem. § 66 Abs. 2 Satz 1 Nds.GefAG angeordnet worden ist, daß die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme im voraus zu zahlen sind. Die Voraussetzung ändert weder begrifflich noch strukturell etwas daran, daß es nicht um das Zwangsmittel, nämlich die Ersatzvornahme, selbst, sondern nur um deren Kosten geht. Die Durchführung der Ersatzvornahme ist von der Kostenfestsetzung in jedem Falle unabhängig und hat sich in erster Linie nach dem öffentlichen Interesse am Vollzug und nicht nach fiskalischen Grundsätzen zu richten. Es mag allerdings zutreffen, daß nicht nur die eigentlichen Zwangsmittel, neben der Ersatzvornahme das Zwangsgeld und der unmittelbare Zwang (vgl. § 65 Abs. 1 Nds.GefAG), sondern auch die Anforderungen von Vorausleistungen auf die Kosten der Ersatzvornahme einen gewissen Beugecharakter haben kann. Dies macht aus der Kostenanforderung aber kein Zwangsmittel i.S.d. § 65 Nds.GefAG. Die Zwangsmittel sind dort enumerativ aufgezählt und nicht im Wege der Analogie vermehrbar; für die Anwendung der Zwangsmittel gelten bestimmte Sondervorschriften, die auf die Kostenanforderung nicht anwendbar sind. Zwar ist die Ermächtigung des § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO (früher § 187 Abs. 3 VwGO) weiter gefaßt, indem sie sich auf alle Maßnahmen erstreckt, die "in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder" getroffen werden. Von dieser umfassenderen Ermächtigung hat der Landesgesetzgeber bislang aber keinen Gebrauch gemacht. Es ist nicht Sache des Gerichtes, die gesetzliche Lücke im Wege der Auslegung zu füllen; es bedarf vielmehr eines entsprechenden Aktes der Legislative.

4

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 105.000,00 DM (i.W.: einhundertfünftausend Deutsche Mark).

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dr. Simon
Hoch
Peters