Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 21.03.1997, Az.: 9 B 1291/97

Gemeindeordnungsrechtliche Ausgestaltung der Rechtsstellung von fraktionslosen Ratsmitgliedern in Niedersachsen; Anforderungen an das Vorliegen des Anspruchs eines fraktionslosen Ratsmitglieds auf Gewährung der Rechtsstellung eines Fraktionsmitgliedes i.S.v. Beteiligung an Fraktionsarbeit

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
21.03.1997
Aktenzeichen
9 B 1291/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 25865
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:1997:0321.9B1291.97.0A

Fundstelle

  • NVwZ-RR 1997, 580-582 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Zulassung zur Fraktionsarbeit
Antrag nach § 123 VwGO

Das Verwaltungsgericht Hannover - 9. Kammer Hannover - hat
am 21.03.1997
beschlossen:

Tenor:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragsteller so zu stellen, als ob sie die volle Rechtsstellung von Fraktionsmitgliedern inne hätten.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,- DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Antragsteller begehren von der Antragsgegnerin, sie als Fraktionsmitglieder zu behandeln und an der Fraktionsarbeit zu beteiligen.

2

Die Antragsteller sind seit längerer Zeit Mitglieder der .... Sie sind bei der Kommunalwahl im September 1996 in den Rat der Gemeinde ... gewählt worden. Aufgrund des Ergebnisses der Kommunalwahl entfielen von den 33 Sitzen im Rat 18 auf die ..., 9 auf die ..., 3 auf die ... und 3 auf ...

3

Am 23.09.1996 fand die konstituierende Sitzung der Antragsgegnerin - der ...-Fraktion im Rat der Gemeinde ... ... - statt, an der auch die Antragsteller teilnahmen. Auf dieser Sitzung wurden u.a. der Fraktionsvorsitzende gewählt und eine Geschäftsordnung beschlossen. In § 2 dieser Geschäftsordnung ist folgendes bestimmt:

"§ 2 Mitgliedschaft

1.
Die Fraktion besteht aus den in den Gemeinderat gewählten Mandatsträgern der ...

2.
Andere Mitglieder des Gemeinderates können in die Fraktion aufgenommen werden, wenn die Fraktion dem mit Zweidrittelmehrheit zustimmt."

4

Schon kurze Zeit später kam es zu Differenzen zwischen dem neu gewählten Fraktionsvorsitzenden und den Antragstellern. Am 14.10.1996 erklärten die Antragsteller in einer Fraktionssitzung, daß sie der Antragsgegnerin nicht mehr angehörten. Auf Anfrage des Fraktionsvorsitzenden (Schreiben vom 24.10.1996) teilte der Antragsteller zu 2) mit Schreiben vom 26.10.1996 u.a. folgendes mit:

"Hiermit bestätige ich den Erhalt Ihres Schreibens vom 24.10.1996.

Die darin getroffene Feststellung, daß ich der Fraktion nicht beigetreten bin, ist richtig.

Die von uns, mir und den Herrn .... ... genannten Voraussetzungen für unseren Beitritt sind offensichtlich bei Ihrer Fraktionssitzung am 24.10.1996 nicht erfüllt worden. Wir gehen deshalb davon aus, daß die Mehrheit der Fraktion an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit denjenigen, die letztlich inhaltlich das erfolgreiche Wahlprogramm der ... erarbeitet haben, nicht interessiert ist und die Besetzung von Positionen durch Personen gegenüber einer konstruktiven Sachpolitik vorzieht.

Wir sehen deshalb keine Möglichkeit und haben auch keine Veranlassung weitere Gespräche mit Ihnen, Vertretern der Partei oder Fraktion zu führen, solange diese, für uns entscheidende Voraussetzungen, nämlich Neuwahl des Fraktionsvorsitzenden, nicht erfolgt ist, wobei klar sein sollte, daß diese Position von keinem von uns angestrebt wird. Wir sind der Überzeugung, daß nur dann eine Zusammenführung der geteilten Fraktion möglich ist, wenn ein Mann oder Frau des Ausgleichs diese Funktion einnimmt."

5

Da dieses Schreiben nicht zu einer Verständigung über eine weitere Mitarbeit der Antragsteller bei der Antragsgegnerin führte, bildeten die Antragsteller eine eigene Fraktion mit Vorsitzender dieser Fraktion wurde der Antragsteller zu 1). Die Antragsgegnerin bildete daraufhin eine Gruppe mit der ...-Fraktion. Am 01.11.1996 beschloß der Vorstand des ... Gemeindeverbandes ..., beim Kreisvorstand der ... die Einleitung eines Parteiausschlußverfahrens gegen die Antragsteller zu beantragen. Der Kreisvorstand kam bei der Beratung über diesen Antrag zum Ergebnis, daß vor einer Entscheidung erst weitere Vermittlungsgespräche u.a. unter Beteiligung des Bezirksvorsitzenden mit den Antragstellern und den Mitgliedern der Antragsgegnerin geführt werden sollten. Mit Schreiben vom 19.12.1996 teilten die Antragsteller dem Bürgermeister der Gemeinde ... mit, daß die ...-Fraktion aufgelöst sei. Die Antragsteller vertraten in diesem Schreiben ferner die Auffassung, daß sie nunmehr wieder Mitglieder der ...-Fraktion - der Antragsgegnerin - seien. Grundlage dieser Entscheidung war der vom Bezirksvorsitzenden der ... verfaßte Entwurf einer gemeinsamen Erklärung, die folgenden Wortlaut hat:

"1.
Aufgrund persönlicher Meinungsunterschiede ist es in den letzten Wochen zu Spannungen zwischen den gewählten ...-Ratsmitgliedern gekommen, die zu menschlichen und persönlichen Verwerfungen geführt haben.

2.
Die dadurch entstandenen Spannungen sind nicht das Ergebnis unterschiedlicher politischer Ansichten. Beide Seiten stimmen auch in den kommunalpolitischen Auffassungen der ... weiterhin überein.

3.
Die Ratsmitglieder ... bedauern, daß durch diese Vorgänge das Bild der ... Schaden genommen hat.

4.
Im Interesse der ... und der Anerkennung langjähriger Verdienste ... werden alle Beteiligten in der Zukunft gemeinsam wieder in ... Ratsfraktion ... zusammenarbeiten."

6

Mit Schreiben vom 08.01.1997 teilte der Antragsteller zu 1) dem Vorsitzenden der Antragsgegnerin u.a. folgendes mit:

"Am 20.12.1996 hatte ich Ihnen die Kopie des Schreibens an Bürgermeister ... mit dem ich diesem u.a. die Auflösung der ...-Fraktion mitgeteilt habe, zugeschickt. Sie können versichert sein, daß uns daran gelegen ist, als ...-Ratsmitglieder in der ...-Fraktion bzw. in der ...-Gruppe konstruktiv den erklärten Zielen der ... entsprechend mitzuarbeiten."

7

Der Vorsitzende des Kreisverbandes ... bat den Vorsitzenden der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 09.01.1997 unter Hinweis auf die inzwischen erfolgte Auflösung der Fraktion ... und den Entwurf der gemeinsamen Erklärung die Antragsteller als Mitglieder der ... Fraktion im Rat der Gemeinde ... - der Antragsgegnerin - zu betrachten. Der Vorsitzende der Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller zu 1) draufhin mit Schreiben vom 14.01.1997 folgendes mit:

"Die ...-Fraktion hat festgestellt, daß sie weiterhin nur aus den bisherigen 15 Mitgliedern besteht und an der Gruppe mit der ... festhält.

Um sich nun entgültig ausschließlich den anstehenden Aufgaben in der Gemeinde zuwenden zu können, wird es auch keine weiteren Gespräche zwecks Aufnahme geben können."

8

Am 20.01.1997 beschloß der Vorstand des Kreisverbandes ... der ... den Antrag auf Parteiausschluß der Antragsteller nicht an das Kreisparteigericht weiterzugeben. Zur Begründung heißt es im wesentlichen, durch die Auflösung der ... bestehe kein formelles Unrecht mehr, das auf parteischädigendes Verhalten schließen lasse. Mit dem Entwurf der gemeinsamen Erklärung habe eine tragfähige Grundlage für eine künftige Zusammenarbeit in der Fraktion zur Verfügung gestanden. Das Verhalten der Antragsteller im Oktober 1996 sei zwar nicht fehlerfrei gewesen, Fehler habe aber auch der Fraktionsvorsitzende der Antragsgegnerin begangen. Durch die Auflösung der Fraktion und der erklärten Bereitschaft, die gemeinsame Erklärung mitzutragen, hätten die Antragsteller deutlich gemacht, daß sie in der Vergangenheit Fehler gemacht hätten und nunmehr wieder bereit seien, im Interesse der ... künftig gemeinsam zusammenzuarbeiten. Die Antragsgegnerin lehnte es dennoch ab, die Antragsteller an der Fraktionsarbeit zu beteiligen. Sie wurden insbesondere nicht zu den Fraktionssitzungen eingeladen. Mit Anwaltsschreiben vom 06.02.1997 forderten die Antragsteller die Antragsgegnerin nochmals auf, sie an der Fraktionsarbeit zu beteiligen und insbesondere auch zu den Fraktionssitzungen zu laden. Dieses Schreiben enthält u.a. auch folgende Erklärung:

"Um allen Mißverständnissen vorzubeugen, wird hiermit erneut erklärt, daß meine Mandanten als ... Ratsmitglieder in der ... Fraktion bzw. der ... Gruppe mitarbeiten wollen."

9

Der Antragsteller zu 1), der zur Fraktionssitzung am 11.02.1997 erschienen war, wurde trotz dieses Schreibens vom Vorsitzenden der Antragsgegnerin aufgefordert, den Raum zu verlassen, weil eine Fraktionssitzung angesetzt und seine Anwesenheit nicht erwünscht sei. Mit Schreiben vom 16.02.1997 teilte der Vorsitzende der Antragsgegnerin der Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller mit:

"Im Namen der ...-Fraktion ... darf ich Ihnen mitteilen, daß sich keine Veränderung in der Zusammensetzung der Ratsfraktion zugunsten Ihrer Mandanten feststellen läßt. Ihren Mandanten wurde dies bereits im Januar mitgeteilt.

Ein weiterer Schriftverkehr in dieser Angelegenheit erübrigt sich."

10

Die Antragsteller haben am 04.03.1997 bei Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie tragen vor: Sie seien bereits aufgrund ihrer wiederholten, zuletzt im Schriftsatz vom 06.02.1997 abgegebenen Eintrittserklärungen Mitglieder der Antragsgegnerin. Die Geschäftsordnung der Antragsgegnerin sehe bei ... Ratsmitgliedern keinen ausdrücklichen Aufnahmebeschluß vor, so daß bereits ihre Eintrittserklärungen ausreichend seien. Dies liege auch im Interesse des einzelnen Ratsmitgliedes, der für eine wirkungsvolle Ratsarbeit auf die Fraktionsmitgliedschaft angewiesen sei. Ein Aufnahmebeschluß sei auch nicht zum Schutz der Fraktion erforderlich, bei einem ordnungswidrigen Verhalten stünden ihr informelle und nach der Geschäftsordnung auch formelle Ordnungsmaßnahmen zur Verfügung. Selbst wenn die einseitige Erklärung für die Fraktionsmitgliedschaft nicht ausreichend und ein Aufnahmebeschluß erforderlich sei, könnten sie eine Beteiligung an der Fraktionsarbeit der Antragsgegnerin beanspruchen. Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, sie aufzunehmen, weil kein wichtiger Grund für eine ablehnende Entscheidung gegeben sei. Die Bildung der ...-Fraktion und die Austrittserklärung aus der Antragsgegnerin im Oktober 1996 rechtfertigten eine ablehnende Entscheidung nicht. Sie hätten die ...-Fraktion bereits im Dezember 1996 wieder aufgelöst und wiederholt ihre Bereitschaft zur Mitarbeit bei der Antragsgegnerin erklärt. Daß diese Erklärungen ernst gemeint seien, habe auch der Kreisvorstand angenommen und deshalb auch die Einleitung eines Parteiausschlußverfahrens abgelehnt. Sie hielten nach wie vor an dem Entwurf der gemeinsamen Erklärung fest, der eine tragfähige Grundlage für eine gedeihliche Zusammenarbeit biete. Sie seien zur Abwendung wesentlicher Nachteile dringend auf eine gerichtliche Entscheidung angewiesen, weil die Antragsgegnerin sich wiederholt und nachhaltig weigere, sie an der Fraktionsarbeit zu beteiligen. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten, sei ihnen nicht zuzumuten, weil sie derzeit für ihre politische Arbeit auf die Mitgliedschaft und Mitwirkungsrechte in der Fraktion angewiesen seien.

11

Die Antragsteller beantragen,

der Antragsgegnerin aufzugeben, sie bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit allen Rechten und Pflichten eines Fraktionsmitgliedes vorläufig zur Fraktionsarbeit zuzulassen,

12

hilfsweise:

festzustellen, daß sie Mitglieder der ...-Fraktion des Gemeinderates von ... sind.

13

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

14

Sie erwidert: Der Antrag sei schon deshalb abzulehnen, weil er auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abziele. Eine Vorwegnahme der Hauptsache sei nicht gerechtfertigt, weil die Antragsteller eine eigene Fraktion gebildet, diese dem Bürgermeister angezeigt und auch Fraktionsrechte wahrgenommen hätten. Außerdem sei kein Hauptsacheverfahren anhängig, bis zu dessen Entscheidung eine vorläufige Regelung getroffen werden könne. Die Antragsteller hätten auch keinen Anspruch auf Beteiligung an der Fraktionsarbeit. Sie hätten bislang noch nicht einmal beantragt, in die Antragsgegnerin aufgenommen zu werden. Ein solcher Aufnahmeantrag sei auch für ...-Ratsmitglieder erforderlich. Die Fraktionsbildung setze übereinstimmende Willenserklärungen der beteiligten Ratsmitglieder voraus. Diese seien auf der konstituierenden Sitzung am 23.09.1996 zumindest schlüssig abgegeben und damit auch die Antragsteller Mitglieder der Antragsgegnerin geworden. Am 14.10.1996 hätten die Antragsteller die Mitgliedschaft durch ausdrückliche Austrittserklärungen beendet. Ihre Beitrittserklärungen hätten nicht die erneute Mitgliedschaft in der Antragsgegnerin zur Folge, weil eine automatische Fraktionsmitgliedschaft mit dem freien Mandat der Ratsmitglieder nicht vereinbart sei. Auch auf die Geschäftsordnung der Antragsgegnerin könnten die Antragsteller ihr Begehren nicht stützen, weil die Geschäftsordnung nur das Innenverhältnis zu den Mitgliedern regele, nicht aber ausgeschiedenen ehemaligen Mitgliedern Rechte einräume. Einen ausdrücklichen Wiederaufnahmeantrag hätten die Antragsteller bislang nicht gestellt, weil sie die Rechtsansicht vertreten, sie seien durch ihre Erklärungen automatisch Mitglieder der Fraktion geworden. Eine Antragstellung hätten sie mit Schreiben vom 26.10.1996 abgelehnt, dabei seien sie auch später geblieben. Über den Aufnahmeantrag habe auch nicht die Antragsgegnerin, sondern die aus der ... und ...-Fraktion gebildete Gruppe zu entscheiden, die alleine dem Bürgermeister nach der Geschäftsordnung des Rates angezeigt worden sei. Bei dieser Entscheidung seien nicht die einschränkenden Kriterien anzuwenden, die bei einer Ausschlußentscheidung zu beachten seien. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, daß die Antragsgegnerin durch den Austritt der Antragsteller ihre absolute Mehrheit verloren habe und zu politischen Zugeständnissen an die ...-Fraktion gezwungen gewesen sei, mit der sie eine Gruppe gebildet und damit den Verlust der absoluten Mehrheit aufgefangen habe.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

16

II.

Der Antrag ist zulässig.

17

Die Kammer hat bereits wiederholt entschieden, daß es sich beim Streit um die Zugehörigkeit zu einer Ratsfraktion um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handelt, für die der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 VwGO) gegeben ist (Urt. v. 02.12.1993 - 9 A 4954/92 -, Beschl. v. 21.12.1992 - 9 B 4956/92 -, insoweit bestätigt durch Nds. OVG, Beschl. v. 24.03.1993, NVwZ 1994, 506). Davon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus.

18

Dem Begehren der Antragsteller steht auch nicht das von der Antragsgegnerin angesprochene Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO entgegen. Das Gericht kann zwar im Verfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfange, wenn auch nur vorläufig und unter dem Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozeß erreichen könnte (Kopp, VwGO, 10. Aufl., § 123 Rn. 13 m.w.N.). Die Antragsteller begehren im vorliegenden Verfahren eine Vorwegnahme der Hauptsache, weil die von ihnen erstrebte Mitwirkung an der Fraktionsarbeit der Antragsgegnerin später nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Das Gericht kann aber ausnahmsweise im Verfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO mit seiner Entscheidung die Hauptsache vorwegnehmen, wenn dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann, den Ausgang des Hauptsacheverfahren abzuwarten. In einem derartigen Fall ist das angerufene Gericht zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes (Artikel 19 Abs. 4 GG) gehalten, das Antragsbegehren in der Sache zu prüfen und eine entsprechende einstweilige Anordnung zu erlassen, wenn ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch im Hauptsacheverfahren spricht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.10.1988, BVerfGE 79, 69 [BVerfG 25.10.1988 - 2 BvR 745/88]).

19

Den Antragstellern ist es nicht zuzumuten, den Ausgang eines von ihnen noch nicht eingeleiteten Hauptsacheverfahrens auf Gewährung der Rechtsstellung eines Fraktionsmitgliedes der Antragsgegnerin abzuwarten. Dieser Anspruch ist zeitgebunden, weil die durch Wahl erworbene Mitgliedschaft im Rat und damit eine mögliche Mitgliedschaft in der Antragsgegnerin auf die jeweilige Wahlperiode beschränkt ist. Die Mitwirkung in einer Fraktion ist für die Verwirklichung eines Ratsmandates auch von wesentlicher Bedeutung, insbesondere hat ein fraktionsangehöriges Ratsmitglied gegenüber einem fraktionslosen Ratsmitglied erheblich größere Informations- und Einflußmöglichkeiten (vgl. dazu Hess. VGH, Beschl. v. 13.12.1989, DVBl 1990, 830; Erdmann, Der Fraktionsausschluß im Gemeinderecht und seiner Auswirkungen, DÖV 1988, 907, 914/915; Schmidt-Jorzig/Hansen, Rechtsschutz gegen Fraktionsausschlüsse im Gemeinderat, NVwZ 1994, 116, 118). Ein fraktionsloses Ratsmitglied kann insbesondere auch nicht auf die Benennung von Ausschußmitgliedern Einfluß nehmen, das Vorschlagsrecht steht nach § 51 Abs. 2 NGO den Fraktionen und Gruppen zu. Nach § 51 Abs. 3 Satz 2 NGO kann ein fraktionsloses Ratsmitglied lediglich verlangen, in einem Ausschuß seiner Wahl beratendes Mitglied zu werden. Die durch die Fraktionsmitgliedschaft vermittelten Informations- und Einflußmöglichkeiten sind streng zeitgebunden, weil sie vor jeder Entscheidung des Rates von Bedeutung sind. Dementsprechend ist auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung wiederholt entschieden worden, daß der Antrag eines Ratsmitgliedes nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf Zulassung zur Fraktionsarbeit mit allen Rechten und Pflichten eines Fraktionsmitgliedes zulässig ist und ihm insbesondere nicht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegensteht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 24.03.1993, NVwZ 1994, 506 [OVG Niedersachsen 24.03.1993 - 10 M 338/93]; Hess. VGH, Beschl. v. 13.12.1989, DVBl 1990, 830). Daß die Antragsteller noch kein Hauptsacheverfahren eingeleitet haben, steht ihrem Begehren ebenfalls nicht entgegen. Dies ergibt sich für die Sicherungsanordnung unmittelbar aus § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, daß für die Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO etwas anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 926 Abs. 1 ZPO hat das Gericht vielmehr auf Antrag anzuordnen, daß die Partei, die die einstweilige Anordnung erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat.

20

Der danach zulässige Antrag ist auch begründet. Die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, daß ihnen gegenüber der Antragsgegnerin ein Anspruch auf Beteiligung an der Fraktionsarbeit mit allen Rechten und Pflichten von Fraktionsmitgliedern zusteht (Anordnungsanspruch) und eine einstweilige Anordnung i.S.v. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (Anordnungsgrund).

21

Die Antragsteller, die am 14.10.1996 ausdrücklich ihren Austritt aus der Fraktion erklärt hatten, sind allerdings nicht bereits aufgrund ihrer wiederholt abgegebenen Beitrittserklärungen - zuletzt im Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 06.02.1997 - wieder Mitglied der ...-Fraktion im Rat der Gemeinde ... geworden. § 2 Nr. 1 der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin, auf die sich die Antragsteller insoweit berufen, ist nicht dahin auszulegen, daß Ratsmitglieder, die der ... angehören, durch bloße einseitige Beitrittserklärung Mitglied der Fraktion werden. Der Wortlaut dieser Regelung - die Fraktion besteht aus den in den Gemeinderat gewählten Mandatsträgern der ... - ist zwar geeignet, die Rechtsauffassung der Antragsteller zu stützen.

22

Sie ist aber mit dem in § 39 Abs. 1 NGO garantierten freien Mandat der Ratsmitglieder, die sich in der Fraktion zusammengeschlossen haben, nicht vereinbar. Ratsfraktionen sind Gruppen von Mitgliedern der Gemeindevertretung mit jeweils gemeinsamen politischen Grundanschauungen, die sich zusammengeschlossen haben, um ihre Vorstellungen und Aktivitäten aufeinander abzustimmen und diesen im arbeitsteiligen Zusammenwirken zu besserer Wirksamkeit zu verhelfen (BVerwG, Urt. v. 27.03.1992, DVBl 1993, 204 [BVerwG 27.03.1992 - 7 C 20/91]). Ihre Bildung ist damit Ausdruck des freien Mandats ihrer Mitglieder (BVerwG a.a.O. unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 14.12.1976, BVerfGE 43, 142, 149; Urt. v. 14.01.1986, BVerfGE 70, 324, 354, 363; Beschl. v. 13.06.1989, BVerfGE 80, 188, 220 [BVerfG 13.06.1989 - 2 BvE 1/88]; Beschl. v. 16.07.1991, BVerfGE 84, 304, 322 [BVerfG 16.07.1991 - 2 BvE 1/91]). Dies schließt nach Auffassung der Kammer die Annahme aus, ein Ratsmitglied könne durch einseitige Erklärung, d.h. ohne Billigung der in der Fraktion zusammengeschlossenen Ratsmitglieder Mitglied dieser Fraktion mit allen Rechten und Pflichten werden. Mangels ausdrücklicher Regelung in der NGO und der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin über die Aufnahme von Mitgliedern, die der gleichen Partei - hier der ... - angehören, bedarf es für die Aufnahme keiner ausdrücklichen oder förmlichen Beschlußfassung der Fraktion. § 2 Nr. 2 der Geschäftsordnung betrifft nur Mitglieder anderer Parteien. § 2 Nr. 1 der Geschäftsordnung läßt allerdings den Schluß zu, daß der Beitritt von ...-Ratsmitgliedern zur Fraktion regelmäßig gewollt und deshalb auch von den bereits vorhandenen Fraktionsmitgliedern im Regelfall stillschweigend gebilligt wird. Von einer derartigen Billigung ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen. Der Fraktionsvorsitzende, der nach § 7 Nr. 1 Satz 2 der. Geschäftsordnung die Fraktion nach innen und nach außen vertritt, hat den Antragstellern mit Schreiben vom 14.01.1997 und vom 16.02.1997 ausdrücklich und unmißverständlich mitgeteilt, daß eine Mitarbeit der Antragsteller in der Fraktion nicht gewünscht werde.

23

Die Antragsteller können aber deshalb beanspruchen, als Fraktionsmitglieder mit allen Rechten und Pflichten behandelt zu werden, weil die Antragsgegnerin verpflichtet ist, sie als Mitglieder aufzunehmen. Dieser Aufnahmeanspruch läßt sich allerdings weder unmittelbar aus der NGO noch aus den Regelungen der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin ableiten.

24

Die NGO in der hier maßgebenden Fassung vom 22.08.1996 (Nds. GVBl S. 382) bestimmt in § 39 b Abs. 2 Satz 2 lediglich, daß die innere Ordnung der Fraktion demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen muß. Dies betrifft vorrangig die Willensbildung innerhalb der Fraktion (vgl. dazu auch v. Münch, GG, 3. Aufl., Artikel 21 Rn. 55) und bietet angesichts der inhaltlichen Weite der angesprochenen Grundsätze keine festen Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob eine Fraktion verpflichtet ist, einen bestimmten Mandatsträger aufzunehmen. Die Geschäftsordnung der Antragsgegnerin regelt ebenfalls nicht, unter welchen Voraussetzungen ein Mandatsträger in die Fraktion aufzunehmen ist. Daߧ 2 Nr. 1 der Geschäftsordnung wegen des freien Mandats der in der Fraktion zusammengeschlossenen Ratsmitglieder (§ 39 Abs. 1 NGO) keine uneingeschränkte Aufnahmepflicht begründen kann, ist bereits dargelegt worden. Es kann deshalb offen bleiben, ob die Antragsteller überhaupt Rechte aus der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin herleiten können (vgl. dazu BGH, Urt. v. 29.06.1987, BGHZ 101, 193, 198/199). § 2 Nr. 2 der Geschäftsordnung betrifft nur Mandatsträger, die nicht Mitglieder der ... sind und regelt auch nur eine formelle Aufnahmevoraussetzung (Beschl. der Fraktion mit 2/3-Mehrheit).

25

Das Fehlen hinreichend bestimmter Vorschriften über die Aufnahme von Mitgliedern in eine Fraktion bedeutet jedoch nicht, daß die in der Fraktion zusammengeschlossenen Ratsmitglieder nach freiem Belieben darüber entscheiden können, welche weiteren Ratsmitglieder sie in die Fraktion aufnehmen. Die Annahme einer uneingeschränkten Entscheidungsfreiheit verbietet sich schon angesichts der bereits angesprochenen Bedeutung der Fraktionsmitgliedschaft für das einzelne Ratsmitglied, die insbesondere in den durch die Mitgliedschaft vermittelten gesteigerten Informations- und Einflußmöglichkeiten ihren Ausdruck findet. In der Rechtsprechung der Zivilgerichte, insbesondere auch des Bundesgerichtshofes, ist seit längerer Zeit anerkannt, daß ein Anspruch auf Aufnahme in einen Verein bestehen kann, wenn der Verein oder Verband im wirtschaftichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat und ein wesentliches oder grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht (BGH, Urt. v. 10.12.1984, BGHZ 93, 151, 152 in Ergänzung zum Urt. v. 02.12.1974, BGHZ 63, 282, 284/285; LG Heidelberg, Urt. v. 12.01.1990, NJW 1991, 927; vgl. auch allgemein BGH, Urt. v. 24.10.1988, BGHZ 105, 306, 317/318). Ob dieser Aufnahmeanspruch im Einzelfall besteht, wird nach der (an die Vorschrift des § 826 BGB und an die Tatbestandsmerkmale des § 27 GWB angelehnten) Formel bestimmt, daß die Ablehnung der Aufnahme nicht zu einer - im Verhältnis zu bereits aufgenommenen Mitgliedern - sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führen darf. Ein Aufnahmeanspruch besteht deshalb in aller Regel dann, wenn der Verein oder Verband keine sachlich gerechtfertigten Ablehnungsgründe hat und die Zurückweisung des Bewerbers unbillig ist (BGH, Urt. v. 10.12.1984, BGHZ 93, 151, 154).

26

Diese zum Aufnahmeanspruch gegenüber einem privatrechtlichen Verein oder Verband entwickelten Rechtsgrundsätze sind nach Auffassung der Kammer auf das Aufnahmebegehren eines Ratsmitgliedes in eine Ratsfraktion übertragbar, obwohl die Ratsfraktionen als Teile des Gemeindeorgans Rat öffentlich-rechtliche Vereinigungen sind und sich auch die Rechtsbeziehungen zu ihnen nach öffentlichem Recht beurteilt (vgl. Beschl. d. Kammer v. 21.12.1992 - 9 B 4956/92 -; insoweit bestätigt durch Nds. OVG, Beschl. v. 24.03.1993, NVwZ 1994, 506). Die zivilgerichtliche Rechtsprechung hat zur Begründung des Aufnahmeanspruchs auf allgemeine Rechtsgrundsätze, insbesondere auf das Verbot sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zurückgegriffen, das in einem engen Zusammenhang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht. Diese Grundsätze sind auch im öffentlichen Recht und insbesondere im Verhältnis zwischen Gemeindeorganen anwendbar (ebenso Urt. d. Kammer v. 22.08.1991, 9 A 121/90). Hinsichtlich des Verbots sittenwidriger Schädigung ist dies im übrigen ausdrücklich in § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG für Verwaltungsakte angesprochen, es handelt sich nach gefestigter Rechtsansicht um einen allgemeinen, auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz (vgl. Kopp, VwVfG, 6. Aufl., § 44 Rn. 48). Auch ansonsten sind die in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung zum Aufnahmeanspruch entwickelten Grundsätze auf das Verhältnis zwischen Aufnahmebewerber und Fraktion anwendbar. In der Literatur ist bereits wiederholt angenommen worden, daß Fraktionen ihrer Struktur und Organisation nach vereinsähnlichen Charakter haben und deshalb vereinsrechtliche Grundsätze bei der Beurteilung der Rechtsbeziehungen herangezogen werden können (Schmidt-Jorzig/Hansen, Rechtsschutz gegen Fraktionsausschlüsse im Gemeinderat, NVwZ 1994, 116, 118; Erdmann, Der Fraktionsausschluß im Gemeinderecht und seine Auswirkungen, DÖV 1988, 907, 911). Der Bayer. VGH hat im Urteil v. 09.03.1988 (Bayer. Verwaltungsblatt 1988, 432) sogar angenommen, daß eine Fraktion in der Regel die Rechtsnatur eines Vereins hat. Daß eine Fraktion im Sinne der Rechtsprechung des BGH monopolähnlichen Charakter hat, ergibt sich schon daraus, daß sie einen Zusammenschluß von Mandatsträgern mit gemeinsamen politischen Grundanschauungen darstellt. Ein Mandatsträger wird sich deshalb nur in aller Regel einer Fraktion anschließen können, deren politische Grundanschauungen, die insbesondere auch in einer gemeinsamen Parteimitgliedschaft zum Ausdruck kommen können, er teilt. Dieses Verständnis liegt ersichtlich auch den unterschiedlichen Regelungen in. Nr. 1 und Nr. 2 des § 2 der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin zugrunde. Dementsprechend werden die Antragsteller angesichts ihrer politischen Grundanschauung nur eine Aufnahme in der ...-Fraktion erwarten können. Daß sie sich ohne Aufgabe ihrer politischen Grundanschauung einer anderen Fraktion im Rat der Gemeinde ... anschließen können, ist nicht vorgetragen worden und liegt ansonsten auch sehr fern. Daß die Antragsteller ein wesentliches Interesse an der Mitgliedschaft in der Antragsgegnerin haben, ist bereits wiederholt dargelegt worden. Angesichts dieser Bedeutung der Mitgliedschaft hält die Kammer eine Ablehnung des Aufnahmebegehrens für unbillig und damit unzulässig, wenn die Antragsgegnerin keine sachlich gerechtfertigten Ablehnungsgründe hat.

27

Davon ist im vorliegenden Falle auszugehen. Ablehnungsgründe, die es rechtfertigen, das Aufnahmebegehren der Antragsteller abzulehnen, sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Die Antragsteller haben entgegen der Rechtsmeinung der Antragsgegnerin insbesondere hinreichend deutlich bekundet, daß sie die Aufnahme in die ...-Fraktion im Rat der Gemeinde ... begehren. Bereits das Schreiben des Antragstellers zu 1) vom 08.01.1997 an den Vorsitzenden der Antragsgegnerin läßt dieses Begehren deutlich erkennen. Auch der Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller vom 06.02.1997 läßt deutlich erkennen, daß die Antragsteller als Fraktionsmitglieder in der Antragsgegnerin mitarbeiten wollen. Die Annahme der Antragsgegnerin, diese Erklärungen seien nicht als Aufnahmeantrag zu werten, weil die Antragsteller die Rechtsansicht vertreten, sie seien bereits automatisch Mitglieder der Antragsgegner geworden, verkennt den Inhalt dieser Erklärungen und ist mit allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen nicht vereinbar. Die Antragsteller haben mit diesen Erklärungen keine bloßen Rechtsansichten geäußert, sondern zumindest im Schriftsatz vom 06.02.1997 ausdrücklich und unmißverständlich eine Beitrittserklärung abgegeben. Im übrigen ist nach § 133 BGB nicht an den buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern der wirkliche, dem Empfänger erkennbare Wille zu erforschen. Daß die Antragsteller mit ihren Erklärungen eine Aufnahme in die Antragsgegnerin begehren, ist bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise für die Antragsgegnerin ohne weiteres zu erkennen gewesen. Sollte dafür ein Aufnahmebeschluß - wie von der Kammer angenommen - erforderlich sein, so ist die Beschlußfassung vom Vorsitzenden der Antragsgegnerin (§ 7 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung) und nicht von den Antragstellern, die dazu auch nicht in der Lage sind, herbeizuführen. Die Antragsgegnerin hat sich im übrigen auch zweimal mit dem Begehren der Antragsteller befaßt (Schreiben vom 14.01.1997 und vom 16.02.1997) und es jeweils ablehnend beschieden.

28

Die Antragsteller haben ihr Aufnahmebegehren auch zu Recht an die Antragsgegnerin gerichtet. Die ...-Fraktion - die Antragsgegnerin - hat ihre Handlungsfähigkeit nicht dadurch verloren, daß sie sich mit der ...-Fraktion zu einer Gruppe zusammengeschlossen hat. In der Kommentarliteratur zum Niedersächsischen Recht wird - soweit ersichtlich - einhellig vertreten, daß die Ausgangsfraktionen auch dann handlungsfähig bleiben, wenn sie sich zu einer Gruppe zusammengeschlossen haben (Thieme/Schäfer, NGO, 2. Aufl., § 39 b Rn. 6; Thiele, NGO, 3. Aufl., § 39 b Rn. 3). Im übrigen ist die ...-Fraktion auch nach Bildung der Gruppe mit einem eigenen Briefkopf im Rechtsverkehr aufgetreten.

29

Die Antragsgegnerin hat keine Gründe vorgetragen, die eine Ablehnung des Aufnahmeantrages sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen. Die Schreiben der Antragsgegner vom 14.01.1997 und vom 16.02.1997, die sich mit der Mitgliedschaft der Antragsteller befassen, enthalten keine Ablehnungsgründe. Die Antragsgegnerin hat auch im gerichtlichen Verfahren keine Ablehnungsgründe vorgetragen, sondern lediglich erklärt, weder sie noch das Gericht hätten über eine Wiederaufnahme zu befinden, weil kein Wiederaufnahmeantrag gestellt worden sei (S. 10 des Schriftsatzes vom 11.03.1997). Es sind auch ansonsten keine tragenden Gründe ersichtlich, die eine Ablehnung des Aufnahmegesuches rechtfertigen. In diesem Zusammenhang könnte allenfalls erwogen werden, ob der am 14.10.1996 erklärte Austritt aus der Antragsgegnerin und die Bildung einer eigenen Fraktion noch immer eine ablehnende Entscheidung rechtfertigen. Die Kammer hält dies nicht für zulässig. Die Antragsteller haben die von ihr gebildete ...-Fraktion bereits im Dezember 1996 aufgelöst; sie sind auch ausdrücklich bereit zu erklären, daß sie die Vorgänge im Oktober 1996 (Austritt aus der Antragsgegnerin, Bildung einer eigenen Fraktion) bedauern. Daß diese Erklärungen nur zum Schein abgegeben worden und nicht ernstgemeint sind, behauptet noch nicht einmal die Antragsgegnerin. Es handelt sich deshalb nach Auffassung der Kammer um einen abgeschlossenen Vorgang, der weder den Rückschluß auf ein nachhaltig gestörtes Vertrauensverhältnis noch auf eine mangelnde Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionsmitgliedern zuläßt. Diese Einschätzung liegt auch dem Beschluß des ...-Kreisvorstandes ... vom 21.01.1997 zugrunde, der die Fortführung des beantragten Parteiausschlußverfahrens ausdrücklich abgelehnt hat. Umstände, die diese Einschätzung als unzutreffend erscheinen lassen, hat die Antragsgegnerin noch nicht einmal im Ansatz vorgetragen.

30

Die in der Beschlußformel näher umschriebene einstweilige Anordnung ist auch nötig i.S.v. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die Antragsteller können insbesondere nicht - wie bereits dargelegt - auf die Durchführung des Hauptsacheverfahrens verwiesen werden, weil die Mitgliedschaft in der Fraktion und die mit ihr vermittelten Informations- und Mitwirkungsmöglichkeiten zeitgebunden sind. Die Antragsteller können auch nicht zumutbarerweise - wie dies auf Seite 11 des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 11.03.1997 anklingt - auf die Bildung einer eigenen Fraktion verwiesen werden. Die Antragsteller, die Mitglieder der ... sind und auch nicht aus ihr austreten wollen, setzen sich damit der ernsthaften Gefahr aus, wegen parteischädigenden Verhaltens (§ 10 Abs. 4 Parteiengesetz) aus der Partei ausgeschlossen zu werden. Der Vorstand des ...-Gemeindeverbandes ... dessen Vorsitzender zugleich der Fraktionsvorsitzende der Antragsgegnerin ist, hat die Bildung der ...-Fraktion durch die Antragsteller zum Anlaß für den Antrag auf Einleitung eines Parteiausschlußverfahrens genommen. Die Begründung der ablehnenden Entscheidung des ... Kreisvorstandes ... vom 20.01.1997 läßt auch deutlich erkennen, daß die Bildung einer eigenen Fraktion als parteischädigendes Verhalten gewertet werden kann, das zumindest die Einleitung eines Ausschlußverfahrens vor dem zuständigen Parteigericht rechtfertigt.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

32

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG, da Anhaltspunkte für eine abweichende Bemessung nicht ersichtlich sind. Die Kammer hat dabei insbesondere berücksichtigt, daß das Begehren der Antragsteller auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt.