Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 24.07.2014, Az.: 1 U 19/14
Haftungsverteilung bei Kollision einer linksabbiegenden Radfahrerin mit einem Fahrzeug des Gegenverkehrs
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 24.07.2014
- Aktenzeichen
- 1 U 19/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 42358
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 11.02.2014 - AZ: 1 O 3207/12
- AG Oldenburg (Oldb.) - 20.07.2012 - AZ: 4 C 4269/12
Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs. 1 BGB
- § 254 BGB
- § 9 Abs. 2 S. 2 StVO
- § 9 Abs. 3 StVO
Redaktioneller Leitsatz
1. Kommt es zu einer Kollision einer nach links abbiegenden Radfahrerin mit einem Fahrzeug des Gegenverkehrs, so trägt die linksabbiegende Radfahrerin die alleinige Haftung.
2. Erleidet der PKW-Fahrer angesichts des Unfallgeschehens, im Zuge dessen sein Pkw die Radfahrerin erfasst, einen Schock, so ist ein Schmerzensgeld i.H.v. 500 € angemessen.
In dem Rechtsstreit
L...... W.......
Beklagte, Widerklägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. L......... & P......
gegen
R........ S..........
Kläger, Widerbeklagter und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte H......... & P........
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
durch den vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ........., den Richter am Oberlandesgericht
.........und den vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht .............
auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juli 2014
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verurteilung der Beklagten zur Freistellung des Klägers von Rechtsanwaltsgebühren seiner Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwälte H..........& P........sich auf eine Gebühr für außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 91,23 € bezieht.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, eine Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Parteien haben mit Klage und Widerklage Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend gemacht, der sich am 13.2.2012 gegen 6:15 Uhr in Oldenburg........ auf der N Straße ereignet hat.
Der Kläger befuhr zum Unfallzeitpunkt mit seinem Pkw, Typ Renault, amtliches Kennzeichen .......... die N....... Straße stadteinwärts. Die Beklagte befuhr die gegenüberliegende Fahrbahnseite stadtauswärts mit ihrem Fahrrad. Die Lichtzeichenanlage war ausgeschaltet. Bei dem Versuch der Beklagten, in Höhe der Kreuzung N ......L....... und F.......... mit ihrem Fahrrad die N..Straße nach links zu überqueren, kam es zu einer Kollision mit dem PKW des Klägers. Dabei wurde die Beklagte gegen die Windschutzscheibe des Pkw des Klägers geschleudert und erheblich verletzt. Der Kläger erlitt keine äußeren Verletzungen, jedoch nach seinem Vorbringen einen Schock, als er mit ansehen musste, wie die Beklagte von seinem Fahrzeug erfasst und aufgeladen wurde und sodann gegen die Windschutzscheibe und die Dachkante seines Fahrzeugs prallte.
Mit Schreiben vom 7.3.2012 forderte der Kläger die Beklagte bzw. deren Haftpflichtversicherer erfolglos zur Zahlung eines materiellen Schadens von 1341,50 € bis zum 19.3.2012 auf. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten zahlte darauf unter Annahme einer Haftungsquote von 50 % einen Betrag in Höhe von 645,70 € an den Kläger; weitere Zahlungen der Beklagten bzw. ihres Haftpflichtversicherers erfolgten nicht.
Der Kläger hat mit der Klage gegen die Beklagte die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 500 € nebst Zinsen, die Zahlung weiteren materiellen Schadens in Höhe von 695,70 € nebst Zinsen sowie die Freistellung von außerprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 580,19 € gegenüber den Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemacht und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, welche ihm in Zukunft aus dem Unfallereignis vom 13.2.2012 noch entstehen, sofern die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Der Kläger hat behauptet, dass er mit deutlich unter 50 km/h auf der vorfahrtsberechtigten N......... Str. hinter einem Bus hergefahren sei; als dieser gebremst und an der Haltestelle "L........." gestanden habe, sei er vorsichtig mit unter 50 km/h an dem Bus vorbeigefahren; dann sei von links in einem spitzen Winkel, ohne Beleuchtung und ohne vorher anzuhalten die Beklagte mit ihrem Fahrrad gekommen, um die vorfahrtsberechtigte Straße zu überqueren. Da er die Beklagte gar nicht habe kommen sehen, habe er den Unfall nicht verhindern können.
Auf die zunächst vor dem Amtsgericht Oldenburg erhobene Klage hat das Amtsgericht mangels rechtzeitiger Verteidigungsanzeige im schriftlichen Vorverfahren Versäumnisurteil erlassen, mit dem die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 € nebst Zinsen und materiellen Schadensersatz in Höhe von 695,70 € nebst Zinsen zu zahlen und den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 580,19 € freizustellen. In dem Urteil ist weiterhin festgestellt worden, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen Schäden, welche ihm künftig aus dem Unfallereignis vom 13.2.2012 entstehen, zu 100 % zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Gegen dieses Versäumnisurteil vom 20.7.2012 hat die Beklagte Einspruch eingelegt.
Sie ist den vom Kläger geltend gemachten und ihm zugesprochenen Klageansprüchen entgegengetreten und hat die Aufhebung des Versäumnisurteils und Klageabweisung begehrt.
Sie hat die Unfalldarstellung des Klägers bestritten und behauptet, vor der Überquerung der N.......... Str. angehalten zu haben; sie sei erst dann weitergefahren, als der Linienbus ebenfalls gehalten habe. Dabei sei sie gut zu sehen gewesen, das Fahrradlicht sei eingeschaltet gewesen und außerdem seien Reflektoren an ihrem Fahrrad vorhanden gewesen. Der Kläger sei mit mindestens 70 km/h gefahren und habe aufgrund Unachtsamkeit den Unfall verursacht. Da in unmittelbarer Nähe der Linienbus mit eingeschalteter Warnblinkanlage gestanden habe, hätte der Kläger nur vorsichtig an dieser Stelle vorbeifahren dürfen, was jedoch nicht geschehen sei.
Sie hat den Kläger mit der Widerklage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 12.000 € in Anspruch genommen. Sie hat dazu behauptet, bei dem Unfall habe sie einen Schien- und Wadenbeinbruch, eine Gehirnerschütterung, Narben, Kopfschmerzen und einen Schock erlitten und sie leide unter Angststörungen sowohl nachts als auch tagsüber. Weiterhin hat sie mit der Klage einen unfallbedingten Haushaltsführungsschaden in Höhe von 872,68 €, durch den Unfall bedingte Fahrtkosten von 22,50 € und 2 x 138 €, einen Kleiderschaden von 80 €, Ersatz für das durch den Unfall beschädigte Fahrrad in Höhe von 100 € sowie eine Schadensersatzpauschale von 30 € geltend gemacht.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens der Klage weitgehend stattgegeben und das Versäumnisurteil hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldes, des Freistellungsanspruchs bezüglich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe eines Betrages von 108,73 € und der Feststellung der Ersatzpflicht wegen zukünftiger materieller Schäden aufrechterhalten; hinsichtlich des geltend gemachten weitergehenden materiellen Schadens in Höhe von 695,70 € und des weitergehenden Freistellungsanspruchs hinsichtlich der außerprozessualen Rechtsanwaltskosten hat das Landgericht das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Widerklage hat das Landgericht insgesamt abgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des vom Landgericht zugrunde gelegten Sachverhalts, des streitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der Begründung dieser Entscheidung wird auf das am 11.2.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Berufung.
Der Beklagte rügt zunächst die Unvollständigkeit der Tatsachenfeststellung des Landgerichts. Es sei unstreitig gewesen, dass der Kläger entsprechend seinen Angaben am Unfallort gegenüber dem Polizeibeamten S......... erst bei der Kollision bzw. unmittelbar davor auf die Beklagte als Fahrradfahrerin aufmerksam geworden sei; diesen Umstand habe das Landgericht jedoch bei der angefochtenen Entscheidung unberücksichtigt gelassen. Auch sei als Anlage B 2 ein Foto mit der Seitenansicht des Fahrrades vorgelegt worden, welches nach dem Unfall von der Polizei gefertigt worden sei und auf dem zu erkennen sei, dass das Fahrrad über die erforderlichen Seitenreflektoren sowie über zusätzliche Felgenreflektoren ("Katzenaugen") verfügt habe und zudem Weißwandreifen montiert gewesen seien. Daraus ergebe sich, dass das Fahrrad besser erkennbar gewesen sei als etwa ein Fußgänger; auch dies habe das Landgericht bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen. Ebenso sei unberücksichtigt geblieben, dass die Beklagte mit ihrem Fahrrad erst zwei Fahrspuren der Gegenfahrbahn überqueren musste, bevor sie auf die Fahrspur des klägerischen PKW geriet, wo sich die Kollision ereignet habe.
Weiterhin habe das Landgericht die Beweislast verkannt. Die Beklagte stütze ihre Ansprüche primär auf die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung aus § 7 Abs. 1 StVG. Es sei dann Sache des Klägers gewesen, ein vermeintliches Fehlverhalten der Beklagten im Rahmen der §§ 9 StVG, 254 BGB zu beweisen.
Außerdem macht die Beklagte unter weitgehender Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weitere verschiedene Rechtsverletzungen durch die angefochtene Entscheidung des Landgerichts geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 15.4.2014 Bezug genommen.
Die Beklagte hat im Berufungsverfahren wegen fortdauernder unfallbedingter gesundheitlicher Beschwerden, Dauerfolgen und Risiken den Schmerzensgeldantrag der Widerklage um 18.000 € sowie wegen fortdauernder unfallbedingter Einschränkungen in der Haushaltsführung bis heute den unfallbedingten Haushaltsführungsschaden auf 5200,38 € erhöht. Wegen der Einzelheiten der Begründung für die Klageerhöhung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 21.7.2014 Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt nunmehr,
das am 11.2.2014 verkündete Urteil des Landgerichts Oldenburg, Az. 1 O 3207/12, zu ändern und
1. das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Oldenburg vom 20.7.2012, Az 4 C 4269/12, aufzuheben und die Klage abzuweisen;
2. auf die Widerklage den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 30.000 € sowie weitere 5.200,38 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit jeweiliger Rechtshängigkeit zu zahlen und
3. auf die Widerklage festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, ihr, der Beklagten, sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfallgeschehen vom 13.2.2012 zu ersetzen, welches sich in Oldenburg im Kreuzungsbereich N........Straße/F.......... ereignet hat, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil des Landgerichts.
Den von ihm geltend gemachten und zugesprochenen Freistellungsanspruch hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat der Kläger auf eine 1,3 Gebühr nebst der geltend gemachten Hebegebühr, Post- und Telekommunikationspauschale sowie Umsatzsteuer beschränkt und die weitergehende Klage mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderung des Klägers vom 5.6.2014 verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache jedoch letztlich nicht begründet.
Die Klage ist in dem vom Landgericht zugesprochenen Umfang bis auf den teilweise zurückgenommenen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten begründet. Die Widerklage hat das Landgericht zu Recht abgewiesen und auch die mit der Berufung geltend gemachte Erhöhung der Widerklage ist als unbegründet abzuweisen.
1. Die Beklagte ist dem Kläger wegen einer hier geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigung und eines entstandenen Sachschadens nach § 823 Abs. 1 BGB sowie nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 8, 9 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 StVO zum Schadensersatz verpflichtet.
a) Die Beklagte, die als Radfahrerin die N.........Str., eine Hauptausfallstraße in Oldenburg, überqueren wollte, um nach links in die F.......... abzubiegen und weiterzufahren, hatte die Vorfahrt des entgegenkommenden Verkehrs zu beachten. Der beleuchtete Bus muss für sie von weitem erkennbar gewesen sein. Gleiches gilt aber auch für das zunächst dahinter fahrende Fahrzeug des Klägers, jedenfalls als der Bus zum Anhalten auf den für den öffentlichen Busverkehr vorgesehenen langgezogenen Sonderstreifen nach rechts einbog. Überdies war bei der viel befahrenen Nadorster Str. von vornherein mit hinter dem Bus fahrenden weiteren Verkehr zu rechnen, was auch für die in Oldenburg wohnende, also nicht ortsunkundige Beklagte erkennbar gewesen sein muss. Es ist danach nicht oder nur schwer vorstellbar, dass der damals zwanzigjährigen Beklagten bei auch nur sehr geringer Aufmerksamkeit am Unfalltag, am 13.2.2012, gegen 6:15 Uhr, der ihr entgegenkommende beleuchtete Pkw des Klägers entgangen sein kann. Dass der Pkw des Klägers für die Beklagte verdeckt war, ist nach den in den beigezogenen Ermittlungsakten dokumentierten Straßenverhältnissen ausgeschlossen. Dass der Kläger mit seinem Pkw zunächst hinter dem Bus her auch noch auf die Busspur gefahren ist (die nicht für den übrigen Verkehr bestimmt war) und dabei evtl. Teilweise und zeitweise verdeckt war, ist nach der Lebenserfahrung offensichtlich abwegig und wird auch von den Parteien so nicht vorgetragen.
Auch die eigenen Angaben der im Verhandlungstermin vor dem Senat angehörten Beklagten hat das damalige Verkehrsverhalten der Beklagten nicht recht verständlich erscheinen lassen. Nach Angaben der Beklagten will sie vor Überqueren der Nadorster Str. zwecks Weiterfahrt zu der aus ihrer Sicht links gelegenen Friesenstraße an der an der Kreuzung vorhandenen, zum Unfallzeitpunkt aber ausgeschalteten Lichtzeichenanlage gehalten haben und abgestiegen sein; sie will dann lediglich den Lichtkegel des auf der Busspur anhaltenden Busses, nicht aber den nachfolgenden beleuchteten Pkw des Beklagten gesehen haben. Dieser muss aber bereits bei Abbiegen nach rechts und Bremsen des Busses auf der für diesen bestimmten Haltespur auf dem - aus Sicht der Beklagten - vor der Busspur gelegenen, gut einsehbaren Fahrstreifen des Gegenverkehrs gefahren sein und hätte dort bei auch nur geringer Aufmerksamkeit von der Beklagten wahrgenommen werden müssen, als sie in der Unfallsituation zum Überqueren der Straße ansetzte. Dies wäre - wenn die Angaben der Beklagten stimmen - nur mit einer erheblichen, verkehrswidrigen Unaufmerksamkeit der Beklagten zu erklären. Danach muss selbst nach ihren eigenen Angaben im Rahmen ihrer Anhörung von einer erheblichen Unaufmerksamkeit der Beklagten beim Überqueren der Straße und dem dann nach § 9 Abs. 2 StVO zu beachtenden (vorfahrtsberechtigten) Fahrzeugverkehr ausgegangen werden.
Der von der Beklagten aufgrund eindeutigen und schuldhaft begangenen Verkehrsverstoßes herbeigeführte und von ihr zu verantwortende Unfall hat zu einem Sachschaden am Pkw des Klägers und zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung geführt.
Dass der Pkw des Klägers bei der Kollision mit dem Fahrrad der Beklagten beschädigt worden ist, ist unstreitig und wird überdies auch durch entsprechende Lichtbilder, die bei der Unfallaufnahme von den damit befasst gewesenen Polizeibeamten gefertigt worden sind und sich in den beigezogenen Ermittlungsakten 441 Js 13117/12 Staatsanwaltschaft Oldenburg befinden, dokumentiert.
Aufgrund der Feststellungen des Landgerichts ist auch davon auszugehen, dass der Kläger durch das Unfallerlebnis einen Schock erlitten hat, der als Gesundheitsverletzung einzuordnen ist.
Diese Feststellung des Landgerichts (S. 7 des angefochtenen Urteils) sind nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auch in der Berufungsinstanz zugrunde zu legen. Erhebliche Umstände, die durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellung begründen und eine ergänzende Beweisaufnahme durch das Berufungsgerichts gebieten, sind nicht ersichtlich und nicht aufgezeigt worden. Das Landgericht hat sich dabei auf die persönliche Anhörung des Klägers im Verhandlungstermin am 5.2.2013 sowie auf die mit der Klageschrift vorgelegte ärztliche Stellungnahme des Dr. med. R.... S.........gestützt, der - wie sich aus der genannten Stellungnahme ergibt - den Kläger nach dem Unfall noch am Morgen des Unfalltags untersucht, eine "psychische Schocksituation" (Nr. 5 des Arztberichts) diagnostiziert und dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für fünf Tage ausgestellt hat. Eine entsprechende psychische Schocksituation des Klägers ist nach dem Erlebnis der schweren Verletzung der Beklagten und der eigenen Unfallbeteiligung nachvollziehbar, nach der Lebenserfahrung unmittelbar plausibel und glaubhaft. Die entsprechende Beweiswürdigung des Landgerichts erscheint danach zutreffend, zumindest aber vertretbar; ihr ist in der Berufungsinstanz zu folgen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der behandelnde Arzt Facharztqualifikationen auf anderen Gebieten als der Psychiatrie und Psychologie hat. Die allgemeine ärztliche Qualifikation erscheint ausreichend, um zumindest eine hier vorliegende relevante Gesundheitsbeeinträchtigung im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen zu diagnostizieren.
Die vom Kläger erlittene Gesundheitsbeeinträchtigung rechtsfertigt auch ein Schmerzensgeld in der zugesprochenen Höhe von 500 €.
Der hier vom Kläger erlittene Unfallschock überschreitet die Geringfügigkeitsgrenze und stellt eine nicht völlig unerhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung dar, die sich als Folge einer nachvollziehbaren Verarbeitung des Unfallgeschehens darstellt und für die danach ein Schmerzensgeld zuzubilligen ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 253 BGB Rn. 11 i.V.m. Vorb.v. § 249 BGB Rn. 37, 40).
Bei der Schmerzensgeldbemessung kommt allerdings der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes keine ins Gewicht fallende Bedeutung zu. Dem stehen vor allem die von der Beklagten selbst durch den Unfall erlittenen schweren Verletzungen entgegen, aber auch der Umstand, dass kein vorsätzliches, sondern nur ein fahrlässiges Fehlverhalten, wenn auch ein erheblich ins Gewicht fallender schuldhafter Verkehrsverstoß der Beklagten, vorlag. Es bleibt die dem Schmerzensgeld zukommende Ausgleichsfunktion, die hier wegen der vom Kläger erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigung mit entsprechender Arbeitsunfähigkeit über ca. 5 Tage die Zubilligung eines angemessenen Schmerzensgeldes rechtfertigt.
Das hier vom Landgericht zugesprochene Schmerzensgeld von 500 € liegt an der oberen Grenze eines unter Berücksichtigung der Gesamtumstände angemessenen Schmerzensgeldes, erscheint aber insgesamt vertretbar. Der Senat schließt sich dieser Schmerzensgeldbemessung des Landgerichts an.
b) Bei der Schmerzensgeldbemessung, aber auch beim materiellen Schadensersatz nicht ins Gewicht fällt ein Mitverschulden oder eine diesem gleichzustellende Betriebsgefahr wegen des vom Kläger gesteuerten Kraftfahrzeuges, weil ein entsprechender schuldhafter Verkehrsverstoß des Klägers nicht mit der für einen Beweis erforderlichen Sicherheit festzustellen ist und die dem Kläger zuzurechnende allgemeine Betriebsgefahr seines Fahrzeuges hinter dem eindeutigen und schwerwiegenden Verkehrsverstoß der Beklagten zurücktritt.
(1) Der Kläger muss sich unzweifelhaft die Betriebsgefahr des von ihm gesteuerten Pkw, Renault Kombi, amtliches Kennzeichen ........., nach § 7 StVG zurechnen lassen.
Die Zurechnung einer entsprechenden Betriebsgefahr wäre nur entfallen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht worden wäre (§ 7 Abs. 2 StVG); bei der hier vorliegenden Beteiligung einer Fahrradfahrerin am Unfall würde ein unabwendbares Ereignis nach § 17 Abs. 3 S. 1 StVG für den Ausschluss der Haftung nicht ausreichen.
Als höhere Gewalt gilt nur ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann (vgl. dazu Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 7 StVG Rn. 32). Hier geht es ersichtlich um mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs verbundene typische Gefahren, die sich unter Beteiligung eines anderen Verkehrsteilnehmers realisiert haben, und auch von einem unvorhersehbaren Ereignis kann keine Rede sein.
(2) Eine über die in der Unfallsituation vorhandene allgemeine Betriebsgefahr des vom Kläger geführten Fahrzeugs hinausgehende Betriebsgefahr, insbesondere eine durch Fehlverhalten des Klägers gesteigerte Betriebsgefahr ist nicht anzunehmen.
Ein schuldhaftes Fehlverhalten eines Unfallbeteiligten oder eine durch entsprechendes Fehlverhalten erhöhte Betriebsgefahr kann nach allgemeinen Grundsätzen dem betreffenden Beteiligten nur zugerechnet werden, wenn die entsprechenden Tatsachen, aus denen sich das Fehlverhalten ergibt bzw. ergeben soll, bewiesen sind oder es sich insoweit um unstreitige oder zugestandene Tatsachen handelt (vgl. Henschel/König/Dauer, § 17 StVG Rn. 31, m.w.N. aus der Rspr.).
Im vorliegenden Fall ist ein entsprechender Verkehrsverstoß des Klägers, der für eine Erhöhung der Betriebsgefahr heranzuziehen ist, nicht bewiesen, weil der Unfallablauf in wesentlichen Punkten nicht mit der für einen Beweis erforderlichen Sicherheit geklärt worden ist.
Davon ist das Landgericht jedenfalls im Ergebnis zutreffend ausgegangen; insoweit kann zunächst auf die Ausführung in dem angefochtenen Urteil, Seite 8 ff., verwiesen werden. Dem Beklagtenvertreter ist allerdings zuzugestehen, dass das Landgericht die rechtliche Einordnung seiner Erwägungen und der Beweiswürdigung wohl nicht hinreichend klar gemacht hat und die zuvor dargestellte Beweislastverteilung für eine erhöhte Betriebsgefahr nicht hinreichend deutlich geworden sein mag, so dass der Beklagtenvertreter die Ausführungen des Landgerichts offensichtlich nicht verstanden hat und diesem in der Berufungsbegründung (Seite 3 ff.) zu Unrecht eine Verkennung der Beweislast vorwirft.
Von einem schuldhaften Fehlverhalten und einem Verkehrsverstoß, der zur Erhöhung der Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs geführt hätte, wäre auszugehen, wenn der Kläger das verkehrsrechtliche Fehlverhalten der Beklagten so rechtzeitig hätte erkennen können und erkennen müssen, dass er eine Kollision der Fahrzeuge durch rechtzeitiges Bremsen hätte verhindern können. Es läge dann jedenfalls ein relevanter, die Betriebsgefahr erhöhender Verstoß des Klägers gegen die allgemeine Vorsichts- und Rücksichtnahmepflicht aus § 1 Abs. 2 StVO vor.
Solches kann jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bei Wahrnehmung der Beklagten nach dem im Straßenverkehr geltenden Vertrauensgrundsatz zunächst von einem verkehrsgerechten Verhalten der Beklagten ausgehen durfte und sich anderes erst bei dem für den Kläger erkennbaren Abbiegen bzw. der für ihn erkennbaren Einleitung des Versuchs der Überquerung der Straße ergab.
Der Gerichtssachverständiger H........ hat in seinem schriftlichen Unfallrekonstruktions-gutachten vom 14.11.2013 anhand der vorhandenen Unfallspuren und feststehenden Umstände verschiedene in Betracht kommende Unfallabläufe untersucht, ist dabei von einem ungebremsten Anstoß des klägerischen Pkw ausgegangen und hat für verschiedene in Betracht kommende Unfallabläufe eine räumliche Vermeidbarkeit des Unfalls für den Kläger verneint (vgl. Gutachten, Seite 9 ff., Zusammenfassung Seite 11). Dies spricht gegen einen die Betriebsgefahr erhöhenden Verkehrsverstoß des Klägers.
Wesentliche für die rechtzeitige Erkennbarkeit des Verkehrsverstoßes der Beklagten relevante Umstände stehen nicht fest.
So ist bereits nicht bewiesen, dass die Beklagte entsprechend ihrer Behauptung im rechten Winkel auf der dafür vorgesehenen und auf der Straße eingezeichneten Überquerung im Kreuzungsbereich N......... Str./L.......... die N........Str. zu überqueren versucht hat oder ob dies entsprechend der Behauptung des Klägers in einem spitzeren Winkel geschehen ist (nach Angaben des Klägers bei seiner Anhörung vor dem Senat will er unmittelbar vor der Kollision das Fahrrad mit der Klägerin in Schrägstellung wahrgenommen haben).
Nach den vom Sachverständigen anhand der Schadensbilder des PKW und des Fahrrads vorgenommenen Untersuchungen soll bei der Kollision kein 90°-Winkel vorgelegen haben, sondern entsprechend seiner Anlage F zum Gutachten von einem Kollisionswinkel von etwa 70 bis 80° auszugehen sein, was gegen die oben genannte Unfalldarstellung der Beklagten spricht. Wenn die Beklagte als Radfahrerin jedoch schräg auf die Fahrbahn der N.......... Str. gefahren ist, hätte dies - wie der Sachverständige Häger ausgeführt hat - zu einer deutlichen Minimierung des Wirkungsgrades der seitlichen Reflektoren des Fahrrads führen können (vgl. Sachverständigengutachten, Seite 8).
Die Annahmen des Sachverständigen werden auch nicht durch die Aussage des einzigen Zeugen des Unfallsgeschehens, des Zeugen F........B......, relevant in Frage gestellt, der bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung gemeint hat, die Beklagte sei "ziemlich gerade über die Straße gefahren", was aus der subjektiven Perspektive des Zeugen zutreffend sein mag und den vom Sachverständigen zugrunde gelegten, nicht stark abweichenden Kollisionswinkel nicht zwingend in Frage stellen muss. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Zeuge Bohlken nach eigenen Angaben die Beklagte als Radfahrerin erst gesehen hat, als sie sich in dem Lichtkegel der bei der Überquerung befindlichen Lichtanlage befunden habe, und der Zeuge keine Angaben dazu machen konnte, ob die Radfahrerin vor dem Unfall auf dem Gehweg, dem Radweg oder auf der Straße gefahren ist und ob sie angehalten hat, bevor sie die N........ Str.zu überqueren versucht hat.
Es ist ebenfalls ungeklärt geblieben und nicht mehr feststellbar, ob die Beklagte zur Unfallzeit an ihrem Fahrrad das Licht eingeschaltet hatte (wozu die Parteien unterschiedliche Behauptungen aufgestellt haben). Auch der Unfallzeuge B.......... hat dazu keine Angaben zu machen vermocht.
Auch zur Geschwindigkeit des Fahrzeuges des Klägers im Zeitpunkt der Unfallsituation sind hinreichend eindeutige Feststellungen nicht möglich.
Für die von der Beklagten behauptete Geschwindigkeit von 70 km/h haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben und insoweit dürfte von einer Behauptung ins Blaue hinein auszugehen sein. Nach Feststellungen des Gerichtssachverständigen Häger gibt es keinerlei Hinweise auf eine Überschreitung der hier an der Unfallstelle zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Wenn entsprechend den Annahmen des Sachverständigen von einem ungebremsten Anstoß auszugehen ist und danach die Bremsung des Klägers erst unmittelbar nach der Kollision erfolgte, ist nach Annahmen des Sachverständigen von einem möglichen Geschwindigkeitsbereich von 35 bis 40 km/h auszugehen (vgl. Zusammenfassung des schriftlichen Gutachtens, S. 11). Nach Ausführung des Sachverständigen lag die Geschwindigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit im nahen Bereich um 40 km/h (Gutachten, Seite 7 unten). Lediglich wenn eine vom Sachverständigen dem Unfall zugeordnete Spur dem Fahrrad der Beklagten nicht zuzuordnen wäre und die Kollision auf Höhe der Fußgängerfurt stattgefunden hätte (entsprechend dem Beklagtenvortrag), käme ein möglicher Geschwindigkeitsbereich von maximal 42 bis 56 km/h in Betracht. Die vom Gerichtssachverständigen genannten Voraussetzungen für diesen Geschwindigkeitsbereich stehen jedoch nicht fest, so dass auch die Schlussfolgerungen des Sachverständigen zum genannten Geschwindigkeitsbereich nicht zugrunde gelegt werden können.
Auch aus der Tatsache, dass der Zeuge B............ vor der Kollision die Beklagte als Radfahrerin wahrgenommen hat, können keine relevanten, zumindest keine sicheren Schlüsse auf die Erkennbarkeit und den Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Beklagten für den Kläger als Autofahrer gezogen werden. Aus den Angaben des Zeugen B.......... ergibt sich, dass dieser die Beklagte auch erst relativ kurz vor der Kollision erstmals bemerkt haben will, als sie sich in dem Lichtkegel der bei der Überquerung befindlichen Lichtanlage befunden habe. Überdies kann nach Ausführung des Gerichtssachverständigen H........aus der Wahrnehmung des Zeugen B......... nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass dem Kläger eine entsprechende Wahrnehmung möglich gewesen sein muss, da jedenfalls dann, wenn sich z.B. die Radfahrerin schräg auf den herannahenden Pkw des Klägers zubewegt hatte, im Hinblick auf die Reflexion des Scheinwerferlicht des klägerischen Fahrzeugs die Wahrnehmungsmöglichkeit schlechter gewesen sein kann (schriftliches Gutachten, S. 10).
Schließlich kann auch ein für die Erhöhung der Betriebsgefahr relevanter Verkehrsverstoß des Klägers im Zusammenhang mit dem Anhalten des Linienbusses nicht festgestellt werden.
Nach § 20 Abs. 1 StVO darf allerdings an Omnibussen des Linienverkehrs, die an Haltestellen halten, nur vorsichtig vorbeigefahren werden. Bei ein-oder aussteigenden Fahrgästen darf nur mit Schrittgeschwindigkeit und einem solchen Abstand vorbeigefahren werden, dass eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist. Schließlich darf an Omnibussen des Linienverkehrs, die an Haltestellen halten und Warnblinklicht eingeschaltet haben, nur mit Schrittgeschwindigkeit und nur in einem solchen Abstand vorbeigefahren werden, dass eine Gefährdung von Fahrgästen ausgeschlossen ist (§ 20 Abs. 4 StVO).
Dafür, dass der zur Unfallzeit anhaltende Omnibus das Warnblinklicht eingeschaltet hatte, ist nichts ersichtlich. Selbst die Beklagte hat bei ihrer persönlichen Anhörung hierzu nichts bekundet. Der einzige Unfallzeuge, der Zeuge B......... hat dazu ebenfalls keine konkreten Angaben machen können, sondern nur allgemein bekundet, dass die Oldenburger Busse normalerweise an den Haltestellen kein Warnblinklicht einschalten. Danach ist jedenfalls vom Tatbestand des § 20 Abs. 4 StVO nicht auszugehen, weil dessen Voraussetzungen nicht bewiesen sind.
Es steht auch nicht fest, dass zum Unfallzeitpunkt ein- und aussteigende Fahrgäste vorhanden waren, die für den Kläger erkennbar waren und auf die er durch Schrittgeschwindigkeit Rücksicht nehmen musste.
Auch wenn der Kläger zumindest nach § 20 Abs. 1 StVO vorsichtig im Bereich des anhaltenden Linienbusses fahren musste, schloss diese vorsichtige Fahrweise im Bereich des haltenden Busses es nicht aus, dass er bei Passieren des Busses und erkannter fehlender Gefährdung von Fußgängern im Bereich der vor der Kreuzung gelegenen Bushaltestelle seine Geschwindigkeit wieder erhöhte und dann bei Erreichen der Unfallstelle, die hinter der Kreuzung in einer Entfernung von 35 m von der Bushaltestelle entfernt lag (vgl. Sachverständigengutachten, S. 7), die vom Sachverständigen Häger im Zeitpunkt der Kollision für möglich gehaltenen Geschwindigkeitsbereich von 35 bis 40 km/h (vgl. Gutachten, S. 11) wieder erreicht hatte. Nach den vorhandenen Umständen kann danach nicht darauf geschlossen werden, dass der Kläger im Bereich des haltenden Busses gegen seine Verpflichtung aus § 20 Abs. 1 StVO verstoßen haben muss.
Unabhängig davon, dass ein solcher Verstoß in tatsächlicher Hinsicht nicht bewiesen ist, kommt entscheidend hinzu, dass die Beklagte sich nach dem Schutzzweck der genannten Vorschrift des § 20 Abs. 1 StVO darauf nicht berufen kann. § 20 StVO dient ersichtlich dem Schutz von Fußgängern im Bereich des haltenden Busses, die als Fahrgäste des Busses in Betracht kommen und beim Einsteigen und Aussteigen vor dem Fahrzeugverkehr geschützt werden sollen. Der Schutzzweck der genannten Norm erfasst hingegen nicht Radfahrer, die in mehr oder weniger großer Entfernung vom anhaltenden Bus unter klarem Verstoß gegen Verkehrsregeln eine viel befahrene Hauptstraße zum Linksabbiegen zu überqueren versuchen.
Nach alledem kann auch von einem feststehenden, relevanten Verkehrsverstoß des Klägers gegen § 20 StVO nicht ausgegangen werden.
Insgesamt bleibt es danach allein bei der dem Pkw zukommenden allgemeinen Betriebsgefahr, die sich der Kläger zurechnen lassen muss und die nach den für ein Mitverschulden geltenden Grundsätzen bei Abwägung der Ursachen- und Verschuldensbeiträge zu einer Haftungsquote führen kann.
Bei der dann vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträgen ist hier aber davon auszugehen, dass der erhebliche, auch hinsichtlich des Verschuldens schwerwiegende Verkehrsverstoß der Beklagten eindeutig überwiegt und dahinter die allgemeine Betriebsgefahr des Pkws des Klägers zurücktritt. Bei der hier vorliegenden Konstellation eines Verkehrsunfalls unter Beteiligung eines Pkws und eines Fahrrades geht die Rspr. im Regelfall davon aus, dass bei einer eindeutigen, ins Gewicht fallenden Vorfahrtsverletzung des volljährigen Radfahrers der Verkehrsverstoß des Radfahrers überwiegt, die allgemeine Betriebsgefahr dahinter zurücktritt und im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung von einer 100 %igen Haftung des Radfahrers auszugehen ist (vgl. BGH VersR 1969, 571; VersR 1958, 643; OLG Köln NZV 2008, 100, 101; OLG Nürnberg VersR 2005, 1096, 1097; Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 13. Auflage., Rn. 365, m.w.N.).
Dies erscheint auch hier unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falles angemessen. Denn die entscheidende, wertungsmäßig maßgebende Ursache für den hier vorliegenden Unfall hat die Beklagte durch ihren groben Verkehrsverstoß, die Nichtbeachtung des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugverkehrs beim letztlich angestrebten Linksabbiegen, gesetzt; die insoweit maßgebende Ursache ist überdies durch eine erhebliches, schwerwiegendes Verschulden der Beklagten gesetzt worden, während der Kläger zunächst auf ein verkehrsordnungsgemäßes Verhalten der Beklagten vertrauen durfte. Die Betriebsgefahr des Pkw allein, die mangels eines bewiesenen Fehlverhaltens des Klägers nicht erhöht ist, rechtfertigt es dann bei wertender, abwägender Betrachtung nicht, den Kläger an dem von der Beklagten maßgebend verursachten Unfallschaden zu beteiligen.
Auch bei der Schmerzensgeldbemessung kann danach die dem Kläger zuzurechnende allgemeine Betriebsgefahr des von ihm geführten Pkw nicht relevant ins Gewicht fallen und eine Reduzierung des ihm zuzubilligenden Schmerzensgeldes rechtfertigen.
Der auf den Schmerzensgeldanspruch zugesprochene Zins rechtfertigt sich unter dem Gesichtspunkt des Verzugs aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1, 291 BGB.
c) Der auf den zukünftigen materiellen Schaden bezogene Feststellungsantrag des Klägers ist nach § 256 ZPO zulässig, insbesondere ist auch das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse im Hinblick auf die zumindest mögliche, zu erwartende Höherstufung hinsichtlich der Vollkaskoversicherung zu bejahen.
Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Auch hinsichtlich eines auf den Unfall zurückzuführenden zukünftigen materiellen Schadens des Klägers besteht die oben dargestellte Schadensersatzverpflichtung der Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 8, 9 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 StVO, wie sich aus den vorausgegangenen Ausführungen ergibt.
Auch hier muss sich der Kläger aus den zuvor dargestellten Gründen ein zu einer Schadensquote führendes Mitverschulden bzw. eine Schadensquote aufgrund zuzurechnender Betriebsgefahr nicht entgegenhalten lassen.
d) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seiner Prozessbevollmächtigten ist nach Beschränkung der Freistellung auf außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe einer 1,3 Gebühr nebst Hebegebühr, Post und Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer und nach Zurücknahme der weitergehenden Klage mit Zustimmung der Beklagten in der noch weiter verfolgten Höhe ebenfalls unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes begründet.
Bei Berücksichtigung einer 1,3 Gebühr bei einem Streitwert von 500 € (vgl. zur letzteren, bereits in der angefochtenen Entscheidung vorgesehenen Beschränkung S. 11 des angefochtenen Urteils) und der zuvor genannten Nebenkosten und der Umsatzsteuer ergibt sich ein Betrag von 91,23 €. Von Rechtsanwaltskosten in dieser Höhe hat die Beklagte den Kläger freizustellen.
2. Die mit der Berufung weiter verfolgte und in der Berufungsinstanz noch erhöhte Widerklage der Beklagten ist zulässig.
Die von der Beklagten in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerhöhung ist als privilegierte Klageänderung nach §§ 525, 263, 264 Nr. 2 ZPO auch in der Berufungsinstanz noch zulässig.
Die gesamte Widerklage mit allen Widerklageanträgen ist jedoch nicht begründet, weil eine entsprechende Verpflichtung des Klägers zum Schadensersatz gegenüber der Beklagten nicht besteht.
Wie sich bereits aus den vorausgegangenen Ausführungen unter II.1.b) ergibt, muss der Kläger sich zwar die Betriebsgefahr des von ihm gesteuerten Pkw entgegenhalten lassen und im Hinblick darauf sind die Voraussetzungen für eine grundsätzliche Haftung des Klägers nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG erfüllt.
Nach § 9 StVG i.V.m. § 254 Abs. 1 BGB muss die Beklagte sich aber unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens die überwiegende, maßgebende Unfallverursachung durch ihr auch subjektiv schwerwiegendes Fehlverhalten im Straßenverkehr zurechnen lassen. Dies führt dazu - wie bereits oben unter II.1.b) ausgeführt -, dass im Rahmen der nach § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung die Betriebsgefahr des Pkw des Klägers zurücktritt und die Beklagte wegen der Unfallverursachung durch ihren schwerwiegenden Verkehrsverstoß den ihr entstandenen Schaden allein tragen muss.
Wegen ihres für die Unfallverursachung maßgebenden, schwerwiegenden Mitverschuldens entfallen insgesamt Schadensersatzansprüche der Beklagten gegen den Kläger.
Die auf Schadensersatz gehende Widerklage ist danach insgesamt unbegründet und deshalb abzuweisen.
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Das Rechtsmittel der Revision ist nicht zugelassen worden, weil dafür die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO hier nicht erfüllt sind.
Der nachgereichte, nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 24.7.2014 hat dem Senat vorgelegen; nach Beratung des Senats enthält er kein relevantes neues Tatsachenvorbringen, das eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung rechtfertigen könnte.