Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 11.12.2001, Az.: 4 A 29/01

Krankenhilfe; Krankentransport; Notfall; Nothelfer

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
11.12.2001
Aktenzeichen
4 A 29/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 39839
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin betreibt Unfall - Rettungs- und Krankentransport. Sie begehrt die Übernahme der Kosten zweier Transporte des Herrn H.  K. . Herr K.  war stationär in den  Bodelschwinghschen Anstalten in Bielefeld untergebracht und erhielt neben Unterhaltssicherungsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz von dem Beklagten Sozialhilfeleistungen. Vom 25. Oktober 1999  an  wurde er in dem Krankenhaus Mara  in Bielefeld behandelt, die Kosten hierfür übernahm der Beklagte. Am 25. November 1999 wurde Herr K.  entlassen und von einem Krankenwagen der Klägerin in das Heim zurückgebracht. Am 28. November 1999 wies der behandelnde Arzt Herrn K.  als Notfall  wieder in das Krankenhaus ein, wo er um 21. 00 Uhr aufgenommen wurde. Der Transport erfolgte durch einen Rettungswagen der Klägerin. Im Krankenhaus verstarb Herr K.  am 2. Dezember 1999. Mit Schreiben vom 3. Dezember 1999 stellte die Klägerin dem Beklagten für den Transport am 25. November 1999 154,-- DM und mit Schreiben vom 6. Dezember 1999 für den Transport am 28. November 1999 425,-- DM in Rechnung.

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Mit Schreiben vom 27. Januar 2000, das keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er die Rechnungen  nicht begleichen werde. Der Anspruch auf Sozialhilfe erlösche mit dem Tod des Hilfeempfängers, es sei denn, es liege eine konkrete Zusage des Kostenträgers vor. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit mehreren Schreiben, erstmals im August 2000. Sie machte im Wesentlichen geltend, weil der Beklagte die stationäre Behandlung als Hauptleistung übernommen habe, müsse er auch den Krankentransport übernehmen, der lediglich eine Nebenleistung darstelle. Bereits mit der Übernahme der Kosten für die Krankenhausbehandlung habe er auch die Kostenübernahme für den Krankentransportes erklärt.

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Die Klägerin hat am 16. Februar 2001 Klage erhoben.  Im Laufe des Klageverfahrens hat sich der Beklagte bereit erklärt, für den Transport am 28. November 1999 die Kosten für einen Krankenwagen in Höhe von 154,-- DM auf der Grundlage des § 121 BSHG zu übernehmen. Insoweit haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.

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Zur Begründung der weiteren Klage wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor, die Fahrtkosten seien Teil der Krankenhilfe. Die Fahrten seien zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung notwendig gewesen. Sie, die Klägerin, habe im Vertrauen darauf, dass der Beklagte die Kosten tragen werde, die Fahrten durchgeführt. Es sei  auch mit Rücksicht auf die Überleitungsmöglichkeit nach dem Tod des Hilfeempfängers nach § 90 BSHG unbillig, wenn der Beklagte durch den Tod  von der Leistungsverpflichtung frei werde Im Übrigen folge ein Anspruch auch aus den bürgerlich - rechtlichen Grundsätzen des Vertrages zu Gunsten Dritter.  Der Transport im Rettungswagen am 28. November 1999 sei durch den einweisenden Arzt verordnet worden. Soweit die Verordnung Korrekturen ersehen lasse, habe sie, die Klägerin,  diese nicht vorgenommen.

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Die Klägerin beantragt

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den Bescheid des Beklagten vom 27. Januar 2000 aufzuheben und den Beklagte zu verpflichten, an sie weitere 425,--  DM zu zahlen und

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den Beklagten zu verurteilen,

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auf diesen Betrag ab dem 17. Oktober 2000 Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz - Überleitungs - Gesetz vom 9. Juni 1998  (BGBl. I S. 1242) zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin könne allenfalls einen Anspruch nach § 121 BSHG haben. Es sei aber nicht ersichtlich, dass der Transport vom 25. November 1999 eilbedürftig gewesen sei. Bei dem Transport am 28. November 1999 sei nicht nachgewiesen, dass ein Rettungswagen erforderlich gewesen sei. Die vorliegende ärztliche Verordnung sei offensichtlich nachträglich  verändert worden; denn der einweisende Arzt habe  zunächst lediglich einen Transport im Krankenwagen verordnet.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Das Verfahren ist entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit es die Beteiligten in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin kann die Übernahme der restlichen Kosten, die ihr für den Transport des Herrn K.  am 25. November 1999 und am 28. November 1999 entstanden sind, nicht verlangen.

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Zunächst hat der Beklagte die Klägerin nicht durch Vertrag zur Erfüllung seiner gegenüber Herrn K.  u.U. bestehenden Leistungsverpflichtungen herangezogen. Dies macht die Klägerin selbst auch nicht geltend. Ein Anspruch der Klägerin nach § 328 BGB ist ebenfalls nicht ersichtlich. Es ist bereits nicht erkennbar, dass hier ein Vertrag zu Gunsten Dritter im Sinne der Vorschrift vorliegt.  Eine einseitige Erklärung des Beklagten über die Übernahme der Krankentransportkosten liegt ebenfalls nicht vor. Die gegenüber dem Krankenhaus abgegebenen Kostenübernahmeerklärungen des Beklagten beziehen sich ausdrücklich lediglich auf die Kosten für den Aufenthalt des Hilfeempfängers in der stationären Einrichtung und umfassen die Krankentransportkosten nicht. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte diese Kosten  im Hinblick auf den engen Zusammenhang mit den stationären Behandlungskosten stillschweigend ebenfalls übernehmen wollte. Dem steht bereits entgegen, dass die Übernahme der Kosten für die Krankenhausbehandlung auf der Grundlage des Lastenausgleichsgesetzes   - LAG - erfolgte, denn Herr K.  hatte als Empfänger von Unterhaltsleistungen nämlich Anspruch auf Leistungen der Krankenversorgung nach § 276 LAG. Hierzu gehört die Übernahme von Krankentransportkosten nicht. Nach dem in § 276 LAG  geregelten abschließenden Katalog werden lediglich ambulante ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich Zahnersatz, Arzneien, Verband - Heil -, und Hilfsmittel sowie Krankenhausbehandlung gewährt.

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Die Klägerin kann die begehrte Erstattung ihrer Kosten weiter nicht auf der Grundlage des   § 37 BSHG verlangen, weil diese Vorschrift lediglich den Anspruch des Sozialhilfeberechtigten auf Krankenhilfe regelt, hingegen keinen eigenständigen Anspruch Dritter gegen den Sozialhilfeträger begründet (BVerwG, Beschluss vom 2.2.1998 - BVerwG 5 B 99.97 - FEVS 48, 246 m. w. N.).

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Ein Anspruch der Klägerin folgt auch nicht aus § 28 Abs. 2 BSHG, wonach der Anspruch des Berechtigten auf Hilfe in einer Einrichtung oder auf Pflegegeld nach dem Tod des Hilfeempfängers demjenigen zusteht, der die Hilfe erbracht oder die Pflege gewährt hat, soweit die Leistungen dem Berechtigten gewährt worden wäre, weil der Krankentransport keine der in der Regelung genannte Art der Hilfe darstellt.

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Auch auf der Grundlage des § 121 BSHG hat die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Leistung. Hat jemand in einem Eilfall einem anderen Hilfe gewährt, die der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis nach diesem Gesetz gewährt hätte, sind dem Dritten auf Antrag die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hatte (§ 121 Satz 1 BSHG). Dies gilt nur, wenn er den Antrag  innerhalb angemessener Frist stellt (§ 121 Satz 2 BSHG).  Ein Eilfall im Sinne des § 121 Satz 1 BSHG ist dann gegeben, wenn nach den Umständen des Einzelfalls sofort geholfen werden  muss und es nicht möglich ist, den Sozialhilfeträger rechtzeitig einzuschalten, d.h., das Vorliegen einer Notfallsituation im medizinischen Sinne reicht für einen Eilfall im sozialhilferechtlichen Sinne nicht aus; vielmehr wird weiter vorausgesetzt, dass nach Lage der Dinge eine rechtzeitige Hilfe des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen gewesen wäre (BVerwG, Urt. v. 21.5.2001 - 5 C 20.00 - NVwZ - RR 2001, 765).  Hieraus folgt, dass eine Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung der Aufwendungen der Klägerin für den Transport am 25. November 1999 bereits deshalb ausscheidet, weil es sich hierbei nicht um Hilfe in einem Eilfall handelte. Vielmehr brachte die Klägerin Herrn K.  nach der Krankenhausbehandlung in die von ihm bewohnte Einrichtung zurück. Aber auch im Hinblick auf den Transport am 28. November 2001 bietet § 121 BSHG keine geeignete Grundlage für das Begehren der Klägerin. Die Vorschrift ermöglicht nach ihrem Wortlaut lediglich  die Erstattung der Aufwendungen des Dritten, wenn er  Hilfe gewährt hat, die der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis selbst erbracht hätte, d.h. Voraussetzung für einen Anspruch des Dritten nach § 121 BSHG ist ein sozialhilferechtlich anzuerkennender Bedarf des Hilfesuchenden. Daran fehlt es hier. Die Kosten für den Transport am 28. November 1999, die hier lediglich noch in einer Höhe von 271,-- DM umstritten sind, hätte Herr K.  aus seinem Einkommen bestreiten können, das seinen Bedarf im November 1999 um 310,31 DM überstieg. Herr K.  erhielt  Unterhaltssicherungsleistungen in Höhe von 1.140,60 DM. Bleibt hiervon der Barbetrag in Höhe von 221,13 DM unberücksichtigt (vgl. § 21 Abs. 3 Satz 5 BSHG), verblieb ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 919,47 DM. Dem stand ausweislich der Abrechnung der Bodelschwinghschen Anstalten - Teilbereich Bethel - vom 30. November 1999 ein  Bedarf für Pflegeleistungen in Höhe von 673,92 DM abzüglich der Leistungen der Pflegeversicherung in Höhe von 64, 76 DM, insgesamt also in Höhe von 609,16 DM gegenüber.

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Andere Anspruchsgrundlagen für das Begehren der Klägerin sind nicht ersichtlich. Insbesondere kommt ein Anspruch nach den Grundsätzen der öffentlich - rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag nicht in Frage, weil § 121 BSHG insoweit eine spezielle Regelung darstellt, die den Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze ausschließt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1188 Satz 2 VwGO. Dabei entsprach es billigem Ermessen, dem Beklagten die Kosten für den erledigten Teil des Rechtsstreits aufzuerlegen, weil er sich mit seinem Nachgeben freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben hat. Die Entscheidung zur  vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.