Sozialgericht Aurich
Urt. v. 28.03.2009, Az.: S 33 U 11/10
Anspruch eines Tankstellenbetreibers auf Anerkennung eines Raubüberfalls in der eigenen Wohnung als Arbeitsunfall
Bibliographie
- Gericht
- SG Aurich
- Datum
- 28.03.2009
- Aktenzeichen
- S 33 U 11/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 48965
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGAURIC:2009:0328.S33U11.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Aurich - AZ: S 33 U 11/10
Rechtsgrundlage
- § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII
Tenor:
- 1.
Der Bescheid der Beklagten vom 26.08.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 17.12.2009 werden aufgehoben.
- 2.
Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 28.03.2009 ein Arbeitsunfall war.
- 3.
Als Folge des Arbeitsunfalls wird festgestellt: Abgeklungene Posttraumatische Belastungsstörung.
- 4.
Die Beklage wird verurteilt, der Klägerin eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. vom 29.03.2009 bis zum 02.02.2011 zu zahlen.
- 5.
Die Beklagte hat der Klägerin deren zur Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sowie Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die am 06.11.1955 geborene Klägerin ist Angestellte bei ihrem Ehemann, der seit 1988 Pächter einer F. in G. ist. Das Wohnhaus der Eheleute befindet sich ebenfalls in H., in ca. 700 m Entfernung zur Tankstelle. Das Büro der Tankstelle befindet sich im Wohnhaus der Eheleute. Im Jahre 1996 wurde die Klägerin bei ihrer Tätigkeit an der Tankstelle überfallen. Es war ihr gelungen, die Täter in die Flucht zu schlagen.
Am 14.03.2009, als sich die Eheleute auf einer Boßeltour befunden hatten, wurde in ihr Wohnhaus eingebrochen. Es wurde die gesamte Wohnung durchsucht. Gestohlen wurden eine Wechselgeldkasse sowie das Portemonnaie der Klägerin. Insgesamt erbeuteten die Täter ca. 400,00 Euro sowie einige Geldkarten. Täter konnten bisher nicht ermittelt werden. Der Einbruch erfolgte über die vom Wohnzimmer zum Garten führende Terrassentür. Die Tür wurde zunächst notdürftig von innen verriegelt.
Am 28.03.2009 befand sich die Klägerin abends in dem Wohnhaus. Gegen 20:20 Uhr erfolgte ein Anruf ihres Ehemannes, der bat, ihn abzuholen und ihm zu helfen, die Tankstelle zu verschließen. Die Klägerin fuhr sodann zur Tankstelle. Als der Kassenabschluss erfolgen sollte, fiel der Klägerin auf, dass sie einen USB-Stick zu Hause vergessen hatte. Sie fuhr deshalb um wenige Minuten vor 21:00 Uhr zu ihrem Wohnhaus zurück. Sie hatte dort bereits zuvor im Gebäude das Licht angelassen. Sie ging in das Wohnhaus hinein, nahm den USB-Stick und kehrte hiernach unverzüglich zur Tankstelle zurück. Nachdem die Eheleute den Kassenabschluss getätigt hatten, kehrten sie gegen 5 Minuten nach 21:00 Uhr zurück zu ihrem Wohnhaus. Sie betraten das Gebäude durch die Vordertür. Die Klägerin ging in die Küche, legte dort die Wechselgeldkasse auf den Tisch und ging durch eine Seitentür aus der Küche hinaus in den Garten, um eine Harke in den Schuppen zu stellen. Währenddessen hatte sich ihr Mann die Schuhe ausgezogen, und ging sodann in das Wohnzimmer. Der Klägerin war unterdessen aufgefallen, dass die Terrassentür, die durch den ersten Einbruch bereits geschädigt und notdürftig von innen verschlossen wurde, erneut aufgebrochen worden war. Sie rief zu ihrem Mann, dass "schon wieder ins Haus eingebrochen" worden sei. Sie betrat sodann das Gebäude über die Terrassentür zum Wohnzimmer. Nun öffnete sich die Wohnzimmertür und es trat ein mit einer Sturmhaube maskierter Mann hervor, der mit einer Schusswaffe und einem Messer bewaffnet war. Er forderte die Klägerin und ihren Ehemann auf, ihm Geld zu übergeben. Die Klägerin und ihr Ehemann waren sehr aufgeregt und schrien. Der Täter deutete ihnen, ruhig zu bleiben, er wolle nur Geld. Dabei sprach er den Satz: "Ich bin Profi, Sie sind Profi." Sodann ging der Täter mit den Eheleuten in die Küche, wo er ein rotes Lederetui mit der Aufschrift der Sparkasse an sich nahm. Hierbei handelte es sich um die Wechselgeldkasse der Tankstelle für den nächsten Tag. Es befanden sich 250,00 Euro in dem Etui. Der Täter verlangte nun nach "mehr Geld". Er fand eine sich in der Küche befindliche Geldkassette. Der Ehemann der Klägerin versuchte dem Täter zu erklären, dass diese Geldkassette leer sei. Die Tageseinnahmen befänden sich nicht im Haus der Eheleute. Die Klägerin bot dem Täter ihr eigenes Portemonnaie an, worauf der Täter jedoch nicht reagierte. Sodann führte der Täter die Eheleute in das Büro des Hauses, welches sich ebenfalls im Erdgeschoss in der Nähe der Küche befindet. Er schloss die Eheleute in dem Büro ein, nachdem er die Telefonkabel durchtrennt hatte. Der Täter entwendete die rote Geldtasche mit dem Wechselgeld sowie die leere Geldkassette. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Aurich verblieben bis heute erfolglos, ein Täter konnte nicht ermittelt werden.
Die Eheleute wandten sich zunächst an die I., die unter dem 14.04.2009 eine Unfallanzeige bei der Beklagten erstattete und um die Vermittlung einer Traumatherapie bat. Ab dem 29.04.2009 erfolgte sodann eine psychologische Krisenintervention für Opfer von Gewaltereignissen durch die J ... Die Gespräche wurden von der Dipl.-Psychologin K. in L. durchgeführt. Auf den Abschlussbericht vom 27.08.2009 wird Bezug genommen.
Vom 18.02.2010 bis zum 02.02.2010 befand sich die Klägerin in psychotherapeutischer Behandlung bei Frau M. in N ... Die Behandlung erfolgte ausweislich des Berichtes vom 29.04.2011 aufgrund einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Es habe durch eine sogenannte EMDR-Behandlung eine Stabilisierung erfolgen können.
Mit Bescheid vom 26.08.2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 28.03.2009 als Arbeitsunfall ab. Der Überfall sei nach der Beendigung einer versicherten Tätigkeit erfolgt. Der versicherte Weg ende mit dem Durchschreiten der eigenen Wohnungstür.
Unter dem 16.09.2009 erhob die Klägerin Widerspruch. Der Überfall sei der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Ein Arbeitsunfall müsse auch dann gegeben sein, wenn das Tatmotiv bei einem Überfall betriebsbezogen sei. Ebenso sei ein Arbeitsunfall anzunehmen, wenn das Tatmotiv zwar nicht betriebsbezogen sei, betriebliche Umstände die Tat jedoch begünstigt hätten. Der Täter habe ein betriebsbezogenes Motiv gehabt, in dem er die Tageseinnahmen erbeuten wollte. Zudem sei der Arbeitsweg auch nach dem Durchschreiten der Wohnungstür noch nicht abgeschlossen gewesen, da noch die Wechselgeldkasse habe in das Büro gebracht werden müssen. Darüber hinaus habe der Täter den betrieblichen Umstand, dass sich das Büro der Tankstelle in dem Wohnhaus befindet, ausgenutzt. Hierdurch habe er den Überfall ohne den Publikumsverkehr der Tankstelle durchführen können.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2009 zurück. Ein Arbeitsunfall habe nicht vorgelegen, da der Arbeitsweg nach dem Durchschreiten der Wohnungstür beendet gewesen sei. Darüber hinaus sei die Klägerin bereits deshalb nicht versichert gewesen, da sie an dem Tag des Überfalls keinen Dienst gehabt habe. Sie habe ihren Mann während ihrer Freizeit lediglich von der Tankstelle abgeholt. Ein betriebsbezogenes Motiv des Täters sei in Anbetracht dieser Umstände nicht ausreichend.
Hiergegen hat die Klägerin am 18.01.2010 Klage erhoben. Es habe eine versicherte Tätigkeit vorgelegen. Sie habe ihrem Mann bei dem Verschließen der Tankstelle geholfen. Dies zeige sich darin, dass sie noch einmal nach Hause gefahren sei, um einen USB-Stick für die Abrechnung zu holen. Der Arbeitsweg sei auch nach dem Durchschreiten der Wohnungstür nicht beendet gewesen. Hierzu nimmt sie Bezug auf ihre Begründung aus dem Widerspruch. Der Täter habe es ausdrücklich auf die Tageseinnahmen der Tankstelle abgesehen. Sie habe ihm ihr Portemonnaie angeboten worauf der Täter jedoch nicht eingegangen sei. Durch den Überfall habe sie eine Posttraumatische Belastungsstörung erlitten.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
den Bescheid der Beklagten vom 26.08.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 17.12.2009 aufzuheben,
- 2.
festzustellen, dass das Ereignis vom 28.03.2009 ein Arbeitsunfall war,
- 3.
als Folge des Arbeitsunfalls eine abgeklungene Posttraumatische Belastungsstörung festzustellen,
- 4.
die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. vom 29.03.2009 bis zum 02.02.2011 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und nimmt zur Begründung auf die Ausführungen der angefochtenen Bescheide Bezug. Ergänzend führt sie aus, ein betrieblicher Zusammenhang sei nicht gegeben. Es sei nicht nachgewiesen, dass es dem Täter gerade um die Tageseinnahmen der Tankstelle gegangen sei. Auch habe er nicht gezielt das Wechselgeld zum Ziel gehabt. Dieses sei in einem Leinenbeutel in der Küche abgelegt gewesen. Der Täter sei erst im Rahmen des Überfalls hierauf aufmerksam geworden. Die Klägerin habe es in der Küche abgelegt, bevor sie in den Garten gegangen sei, um eine Harke in den Schuppen zu bringen. Der Arbeitsweg sei nach dem Durchschreiten der Wohnungstür beendet gewesen. Maßgeblich komme es auf einen inneren Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit an. Dieser innere Zusammenhang sei mit Vollbeweis nachzuweisen. Entscheidend sei dabei ein subjektives Element des Versicherten, die sogenannte Handlungstendenz. Es habe eine wertende Zuordnung zu erfolgen, ob die Verrichtung innerhalb der Grenze liege, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reiche. Die Feststellung der Handlungstendenz und die wertende Zuordnung müssten sich an objektiven Umständen des Einzelfalls orientieren. Daher seien im vorliegenden Fall die Beweggründe des Räubers mit dem Maßstab des Vollbeweises festzustellen, wenn hinsichtlich des Zusammenhanges nicht auf die Handlungstendenz des Versicherten, sondern auf die des Täters abgestellt werden sollte. Andernfalls widerspreche dies dem wesentlichen Strukturelement der gesetzlichen Unfallversicherung, der Ablösung der Unternehmerhaftung. Das betriebsbezogene Motiv des Täters sei jedoch nicht nachgewiesen worden. Weiter ergebe sich jedoch ein Versicherungsschutz ohnehin nicht aus einem betriebsbezogenen Motiv des Täters, wenn im Zeitpunkt des Überfalls nicht einer versicherten Tätigkeit nachgegangen werde. Die Beklagte nimmt hierzu Bezug auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19.12.2000 - B 2 U 37/99 -.
Das Gericht hat Beweis erhoben und ein Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. O. vom 15.10.2011 beigezogen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten Bezug genommen.
Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf die Verfahrensakte, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2012 sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls sowie einer Unfallfolge. Sie hat darüber hinaus einen Anspruch auf Gewährung einer Unfallrente in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch (SGG) kann mit der Feststellungsklage die Feststellung begehrt werden, dass eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalls ist. Der Überfall vom 28.03.2009 war ein Arbeitsunfall. Eine abgeklungene Posttraumatische Belastungsstörung ist die Folge dieses Arbeitsunfalls.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls erfordert hiernach grundsätzlich eine sachliche Verknüpfung der zum Unfall führenden Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit (sog. innerer Zusammenhang). Im Rahmen von Überfällen ist für die Annahme eines Arbeitsunfalls ebenfalls grundsätzlich maßgeblich, ob ein innerer (sachlicher) Zusammenhang zwischen dem Überfall und der versicherten Tätigkeit besteht (BSG, U.v. 15.12.1966 - 2 RU 255/63 - = BSGE 26, 45; U.v. 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - = SozR 4-2700 § 8 Nr. 30; Krasney in Becker/Burchardt/Kasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Mai 2010, § 8 Rz. 171 Stichwort: Überfall; jeweils m.w.N.). Vorliegend kann es für die Klägerin jedoch dahinstehen, ob sie im Zeitpunkt des Überfalls konkret eine versicherte Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigte ihres Ehemannes ausgeübt hat, wie sie behauptet. Der sachliche Zusammenhang einer Verrichtung mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit ist nämlich dann entbehrlich, wenn sich eine besondere Betriebsgefahr verwirklicht (BSG, U.v. 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - = SozR 4-2700 § 8 Nr. 30, m.w.N.). Die Einbeziehung solcher Schäden ist vom Sinn und Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung, die Beschäftigten gegen die Gefahren des Betriebes zu versichern, denen sie wegen ihrer Beschäftigung ausgesetzt sind, und die Unternehmen von möglichen Schadensersatzansprüchen ihrer Beschäftigten freizustellen, gedeckt (BSG, U.v. 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - = SozR 4-2700 § 8 Nr. 30, m.w.N.). In der Rechtsprechung wurde dies bereits für andere Bereiche, in denen betrieblich motivierte Gefahren in den Bereich eigenwirtschaftlicher Tätigkeiten ausstrahlen, anerkannt (vgl. etwa für den Bereich der Dienstreisen BSG U.v. 04.08.1992 - 2 RU 43/91 - m.w.N., zit. nach [...]). Aus diesem Grunde besteht ein sachlicher Zusammenhang auch bei Überfällen, die außerhalb der Arbeitsstätte und der Arbeitszeit erfolgen und ein betriebsbezogenes Tatmotiv aufweisen. Denn auch hier hat sich die vom Betrieb gesetzte Gefahr verwirklicht, der der Versicherte sonst nicht ausgesetzt wäre (BSG, U.v. 15.12.1966 - 2 RU 255/63 - = BSGE 26, 45; U.v. 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - = SozR 4-2700 § 8 Nr. 30; Krasney in Becker/Burchardt/Kasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Mai 2010, § 8 Rz. 171 Stichwort: Überfall; jeweils m.w.N.; a.A.: BSG, U.v. 19.12.2000 - B 2 U 37/99 R -= BSGE 87, 224; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 SGB VII, Erg.-Lief. 1/12, Anm. 7.44 Buchst. e).
Ein solches betriebsbezogenes Tatmotiv bei Überfällen ist in der Rechtsprechung etwa dann anerkannt worden, wenn der Täter betriebliche Gelder zu erbeuten suchte. Versicherungsrechtlich bedeutsam ist in diesem Fall nicht der zeitliche und örtliche Zusammenhang zum Betrieb, sondern der Umstand, dass hier ein Angriff auf Betriebsmittel und damit auf den Betrieb selbst erfolgt (BSG, U.v. 15.12.1966 - 2 RU 255/63 - = BSGE 26, 45). Darauf, ob der Versicherte in diesen Fällen dem Angreifer tatsächlich entgegentritt (vgl. BSG, U.v. 15.12.1966 - 2 RU 255/63 - = BSGE 26, 45) kann es indes zur Begründung des Versicherungsschutzes nicht ankommen, so dass Versicherungsschutz auch besteht, wenn der Versicherte nichtsahnend niedergeschlagen wird und daher keine Handlungstendenz entfalten konnte (BSG, U.v. 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - = SozR 4-2700 § 8 Nr. 30).
Für das betriebsbezogene Tatmotiv im Rahmen von Überfällen ist es ausreichend, dass der Versicherte aufgrund der sich ihm darbietenden Umstände annehmen kann, dass der Einbrecher nicht nur zum Privatgebrauch bestimmte Wertgegenstände (Schmuck etc.), sondern Werte jeglicher Art und somit auch für das Geschäft bestimmte Geldmittel sich unbefugt aneignen will. Diese Beweiserleichterung ist im Hinblick darauf, dass ein Täter in der Regel den Grund seines Eindringens nicht mitteilt - sofern er überhaupt gefasst werden kann - und im Hinblick auf die Intensität des Angriffs gerechtfertigt (BSG, U.v. 15.12.1966 - 2 RU 255/63 - = BSGE 26, 45; Krasney in Becker/Burchardt/Kasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Mai 2010, § 8 Rz. 171 Stichwort: Überfall), anderenfalls würden die Beweisanforderungen in Fällen der vorliegenden Art für das Opfer doch unerträglich erhöht.
Hiernach war zur Überzeugung der Kammer ein betriebsbezogenes Tatmotiv und damit ein sachlicher Zusammenhang zu einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit bei dem Überfall vom 28.03.2009 gegeben. Dies entnimmt die Kammer dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen. Zunächst ist im Zusammenhang mit dem Überfall vom 28.03.2009 zu berücksichtigen, dass bereits 14 Tage zuvor, am 14.03.2009 ein Einbruch in das Wohnhaus der Eheleute erfolgt ist, als das Ehepaar nicht anwesend war. Das Haus wurde im Rahmen dieses Einbruches durchsucht. Gestohlen wurden jedoch lediglich eine Tasche mit Wechselgeld für die Tankstelle sowie das private Portemonnaie der Klägerin mit Bargeld und Geldkarten. Weitere Wertgegenstände wurden hingegen nicht gestohlen. Der zweite Einbruch erfolgte wiederum über die zu diesem Zeitpunkt noch nicht endgültig reparierte Terrassentür, die vom Wohnzimmer in den Garten führt. Auch im Rahmen dieses zweiten Einbruches hatte es der Täter ausschließlich auf Bargeld abgesehen. Nachdem er den Eheleuten im Wohnzimmer mit einem Messer und einer Pistole bewaffnet gegenübertrat, befragte er diese in einer sehr ruhigen Art nach Geld. Es wurde ihm in der Küche die rote Ledertasche mit der Aufschrift der Sparkasse ausgehändigt, in der sich das Wechselgeld der Tankstelle befand. Weiter nahm er die leere Geldkassette an sich, während er auf das Angebot der Klägerin, ihm das private Portemonnaie zu übergeben, nicht reagierte. Der Täter fragte weiter nach "mehr Geld" womit er zumindest aus der Sicht der Klägerin die Tageseinnahmen der Tankstelle gemeint haben musste, als ihm erklärt wurde, dass sich diese nicht im Hause befanden. War die Tat hiernach auf Bargeld gerichtet, so stellte es sich aus Sicht der Klägerin so dar, dass der Täter die Eheleute antreffen wollte. Dies entnimmt die Kammer dem Zeitpunkt der Tat um 21:05 Uhr, einem Zeitpunkt, zu dem die Eheleute nach dem Schließen der Tankstelle zu Hause einzutreffen pflegten. Nach Auffassung der Kammer finden Überfälle, die auf das Rauben von Wertgegenständen aus dem privaten Bereich gerichtet sind, eher am Vormittag oder spät in der Nacht statt, da die Bewohner hier entweder schlafen oder nicht zu Hause sind. Weiter hat die Klägerin im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen angegeben, dass das Licht im Haus eingeschaltet war. Während bei dem Einbruch vom 14.03.2009 die Sicherungen ausgeschaltet gewesen waren und der oder die Täter damit auf Dunkelheit fixiert waren, war nunmehr das Licht beim Eintreffen der Eheleute kurz nach 21:00 Uhr weiterhin eingeschaltet. Letztlich spricht das Verhalten des Täters während der Tat dafür, dass die Eheleute nicht zufälliges Opfer dieser Gewalttat geworden sind. Nach den Angaben der Eheleute im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen sei der Täter während der gesamten Tat sehr ruhig gewesen. Er habe zu den Eheleuten gesagt, sie sollten ebenfalls ruhig bleiben, er wolle nur Geld. Er habe gesagt: "Ich bin Profi, Sie sind Profi". Unabhängig davon, dass der Täter zunächst lediglich "Geld" verlangt habe - worauf die Beklagte abstellt - und möglicherweise die Wechselgeldkasse erst durch die Klägerin oder ihren Ehemann genannt worden ist, so musste sich aus der Sicht der Klägerin der Überfall doch derart darstellen, dass er im Wesentlichen auf die Tageseinnahmen der Tankstelle gerichtet und damit betrieblich motiviert war. Denn es handelte sich offensichtlich um einen routinierten Täter, der es auf eine größere Menge Bargeld abgesehen hatte, welches in "normalen" Privathaushalten zumindest nicht regelmäßig vorzufinden sein dürfte. Dafür spricht auch, dass tatsächlich ausschließlich Betriebsmittel, nämlich die Tasche mit dem Wechselgeld und die leere Geldkassette, gestohlen wurden.
Kann demnach ein sachlicher Zusammenhang mit einer versicherten Tätigkeit angenommen werden, so liegen auch die weiteren Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls vor. Es ist infolge des Überfalls zu einem Körperschaden gekommen. Dies stützt die Kammer auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. O., dem die Beklagte nicht entgegengetreten ist. Die Sachverständige hat schlüssig und für die Kammer nachvollziehbar das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung beschrieben, die nach dem Abschluss der Behandlung durch Frau P. abgeklungen ist.
Die Klägerin hat weiter einen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. für den Zeitraum vom 29.03.2009 bis zum 02.02.2011 gemäß § 56 Abs. 1 SGB VII. Hiernach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Dabei richtet sich die MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin war für den genannten Zeitraum um 20 v.H. gemindert. Dies stützt die Kammer ebenfalls auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. O., dem die Beklagte auch in dieser Hinsicht nicht entgegengetreten ist. Die Sachverständige hat sorgfältig und ausführlich die bei der Klägerin bestandene Ausprägung der Posttraumatischen Belastungsstörung dargestellt. Sie hat dabei keine stark emotional und durch Ängste bestimmte Verhaltensweisen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und gleichzeitig größerer sozialkommunikativer Beeinträchtigungen beschrieben, die mit einer MdE von 30 v.H. zu berücksichtigen wären (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Anm. 5.1.16, S. 157). Die Klägerin ist dem Ergebnis aus dem Gutachten ebenfalls nicht entgegengetreten und hat entsprechend ihren Antrag formuliert.
Der Beginn der Rentenzahlung ergibt sich aus § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII, wonach die Rentenleistung am Tage nach dem Eintritt des Versicherungsfalls beginnt, sofern - wie hier - kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.