Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.04.2016, Az.: 13 Qs 77/16
Anordnung eines dinglichen Arrests in das Vermögen des Beschuldigten; Konkrete Anhaltspunkte für oder gegen eine drohende Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 11.04.2016
- Aktenzeichen
- 13 Qs 77/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 15209
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2016:0411.13QS77.16.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - 10.12.2015
Rechtsgrundlagen
- § 111b Abs. 2 StPO
- § 111d Abs. 2 StPO
- § 917 Abs. 2 ZPO
In der Strafsache
gegen pp.
Verteidiger:
Rechtsanwalt Jan-Robert Funck, Schleinitzstr.14, 38106 Braunschweig,
wegen Untreue
hat die 13. große Strafkammer des Landgerichts in Braunschweig am 11.04.2016 durch die unterzeichnenden Richter
beschlossen:
Tenor:
Der mit Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 10.12.2015 i.V.m. dem Berichtigungsbeschluss vom 22.01.2016 angeordnete dingliche Arrest in Höhe von 13.480,00 € in das Vermögen des Beschuldigten wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Braunschweig hat das Amtsgericht Braunschweig durch den angefochtenen Beschluss, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, gemäß §§ 111 b Abs. 2 und Abs. 5, 111 d, 111 e Abs. 1 StPO i.V.m. 73 Abs. 1 Satz 2, 73a, 73 b StGB sowie § 266 StGB einen dinglichen Arrest in das Vermögen des Beschuldigten angeordnet (BI. 77-78a SH VME). In Vollziehung dieses Arrests hat die Staatsanwaltschaft am 17.12.2015 eine Pfändungsanordnung betreffend ein Konto des Beschuldigten bei der DKB Bank AG erlassen, das ein pfändbares Kontoguthaben in Höhe von 7.677,47 € aufweist.
Mit Anklageschrift vom 26.02.2016 legt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Betrugstat sowie fünfzehn Untreuehandlungen zur Last (BI. 90-92 d.A.). Das zuständige Amtsgericht Goslar hat Nachermittlungen veranlasst, über eine Eröffnung des Hauptverfahrens ist noch nicht entschieden.
Am 10.03.2016 hat der Verteidiger des Beschuldigten Beschwerde gegen den Arrestbeschluss eingelegt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschwerdeschrift nebst die in Bezug genommene Einlassung zu den vorgeworfenen Taten vom 03.03.2016 verwiesen (BI. 94 - 109 d.A.).
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat hierzu am 17.03.2016 Stellung genommen und beantragt,
der Beschwerde nicht abzuhelfen (BI. 128 f. SH VME).
Das Amtsgericht Goslar hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Dabei kann dahinstehen, ob ein ausreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten besteht, denn es fehlt jedenfalls an einem Arrestgrund i.S.d. §§ 111 b Abs. 2, 111 d Abs. 2 StPO i.V.m. § 917 ZPO.
Als Arrestgrund kommt gemäß § 917 Abs. 2 ZPO zunächst die Befürchtung in Betracht, dass die zu sichernde Forderung im Ausland vollstreckt werden müsste. Eine solche Besorgnis besteht hier nicht. Der Beschuldigte ist deutscher Staatsangehöriger mit festem Wohnsitz in Deutschland und die Ermittlungen haben keinerlei Anhaltspunkte dafür erbracht, dass er Vermögenswerte ins Ausland transferiert bzw. dies vorbereitet hätte.
Ebenso wenig bestehen tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass ohne die Verhängung eines Arrestes die Vollstreckung vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde, § 917 Abs. 1 ZPO. Der Vorwurf gegen fremdes Vermögen gerichteter Taten genügt insoweit für sich genommen nicht, da es sonst keiner ausdrücklichen Verweisung auf § 917 ZPO bedurft hätte und auch nicht selbstverständlich davon ausgegangen werden kann, dass ein Beschuldigter nach Aufdeckung einer Tat hiervon vollkommen unbeeindruckt auch zu Vollstreckungsvereitelungen bereit sein wird (vgl. nur OLG Köln, NStZ 2011, 174 [OLG Köln 06.01.2010 - 2 Ws 636/09] m.w.N.). Vielmehr sind insoweit alle Umstände zu würdigen, die geeignet sind, konkrete Anhaltspunkte für oder gegen eine drohende Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung zu ergeben (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage 2015, § 111d, Rn, 8).
Hier sind bei den zur Last gelegten Tatausführungen keine besonders raffinierten Verschleierungs- oder Verschiebungstendenzen zu Tage getreten, die über das hinausgehen würden, was nicht ohnehin schon zur Tatbestandsverwirklichung notwendig war. Insoweit kommt insbesondere dem Umstand keine besondere Bedeutung zu, dass der Beschuldigte Bargeldabhebungen von dem Konto der Eheleute R. getätigt hat. Die hierdurch bedingten Guthabenverminderungen sind in Kontoauszügen ebenso ersichtlich, wie es Überweisungen auf ein anderes Konto gewesen wären. Der Zugriff der vormals Berechtigten wird gleichermaßen unmöglich gemacht und ein transferiertes Guthaben kann jederzeit und ohne weiteres von dem neuen Konto abgehoben werden, so dass sich die konkrete Spur des Geldes spätestens dann in vergleichbarer Weise verliert. Es ist daher kein Verhalten des Beschuldigten ersichtlich, das den ihm zur Last gelegten Untreuedelikten nicht bereits immanent wäre.
Eine andere Bewertung rechtfertigt auch der Umstand nicht, dass der Beschuldigte entgegen der ursprünglichen Ankündigung in seiner ersten Einlassung vom 15.10.2015 keine Rückzahlung geleistet hat. Damals hatte er zugleich darauf hingewiesen, dass dies ohne Anerkennung einer Rechtspflicht oder eines ihm vorwerfbaren Verhaltens geschehen werde, da ihm die Abhebungen von den Eheleuten R gestattet gewesen seien. Dass er dieser Ankündigung im weiteren Verlauf des Verfahrens, in dem er die ihm zur Last gelegten Taten von Anfang an und weiterhin bestreitet und in dem derzeit gerichtlich veranlasste Nachermittlungen laufen, tatsächlich nicht nachgekommen ist, lässt nicht den Eindruck zu, dass er auf diese Weise Zeit gewinnen wollte, um eine mögliche Vollstreckung zu vereiteln oder zu erschweren, sondern korrespondiert schlicht mit seinem Verteidigungsverhalten. Die Ermittlungen haben auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschuldigte Bestandteile seines Vermögens verschoben, verschleiert oder dies zumindest versucht hätte. Vielmehr hat er in seiner ersten Einlassung vom 15.10.2015 angegeben, wofür er die erlangten Gelder verwendet hat, nämlich u.a. für die Pflegekosten seiner Eltern. Auf den Unterlagen betreffend sein Konto bei der Sparda-Bank findet sich eine hierzu passende Überweisung vom 07.08.2015 in Höhe von 2.495,11 € an ein Seniorenzentrum (siehe SH Konten). Auch sonst weist die Lebensführung des nicht vorbestraften Beschuldigten nicht darauf hin, dass er zu betrügerischem Verhalten neigen würde.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 StPO in entsprechender Anwendung.