Landgericht Braunschweig
Urt. v. 12.12.2016, Az.: 7 Ns 231/16

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
12.12.2016
Aktenzeichen
7 Ns 231/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43096
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts XXX vom 30.08.2016 wird verworfen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Angeklagte.

Gründe

I.

Die Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts XXX vom 30.08.2016 wegen Diebstahls in 3 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden. Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. In der Berufungshauptverhandlung hat die Angeklagte die Berufung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Sie strebt die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung an. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

II.

Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Berufung sind die Feststellungen des Amtsgerichts XXX zu den Taten in Rechtskraft erwachsen. Danach steht Folgendes fest:

Die Angeklagte begann kurz nach ihrer Haftentlassung im Januar 2016 erneut, Kokain, Tabletten und Alkohol zu konsumieren. Da sie dies nicht finanzieren konnte, begann sie erneut Diebstähle zu begehen, um ihre Drogensucht zu befriedigen. Im Einzelnen konnten folgende Fälle festgestellt werden:

1. Am 11.2.2016 begab sich die Angeklagte gegen 12:50 Uhr in die Geschäftsräume der Firma XXX in der XXX, wo sie eine elektrische Zahnbürste zu einem Verkaufspreis von 89,95 € in ihre mitgeführte Tasche steckte, um die so eingesteckte Zahnbürste ohne zu bezahlen mitzunehmen und in Drogen umzusetzen.

2. Am 11.3.2016 begab sich die Angeklagte gegen 14:30 Uhr in die Geschäftsräume der Firma XXX in der XXX, wo sie eine Jeans und einen Pullover zu einem Verkaufspreis von 31 € einsteckte, um auch diese Textilien ohne zu bezahlen mitzunehmen und in Drogen umzusetzen.

3. Am 4.7.2016 begab sich die Angeklagte gegen 15:15 Uhr in die Geschäftsräume der Firma XXX in der XXX, wo sie Lebensmittel, Drogerieartikel und Kleidung zum Gesamtverkaufspreis von 49,03 € einsteckte, um auch diese Gegenstände ohne zu bezahlen mitzunehmen und in Drogen umzusetzen.

III.

Aufgrund der Angaben der Angeklagten zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, der Angaben der Bewährungshelferin XXX, der Verlesung des Bundeszentralregisterauszugs vom 05.10.2016 und der Verlesung der Urteile des Amtsgerichts XXX vom 05.02.2013 und 07.07.2015 hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:

Die 33-jährige Angeklagte hat die Schule mit einem Hauptschulabschluss verlassen. Bereits im Alter von 16 Jahren konsumierte sie, zunächst noch unregelmäßig, Betäubungsmittel. Nach dem Hauptschulabschluss besuchte sie die Berufsschule, wurde aber noch während ihrer Berufsschulausbildung, schwanger und brach die Schule ab. Im Jahr 2001 bekam die Angeklagte ihren heute 15-jährigen Sohn, im Jahr 2005 folgte ihre heute 11-jährige Tochter. Der Sohn der Angeklagten wohnt mittlerweile in einer Jugendwohngruppe, die Tochter der Angeklagten lebt in einer Pflegefamilie. Ihren Sohn sieht die Angeklagte regelmäßig, zu ihrer Tochter hat sie nur schriftlichen Kontakt. Die Angeklagte ist verheiratet, lebt aber in Trennung.

Seit die Angeklagte 24 Jahre alt ist, konsumiert sie regelmäßig Heroin, Kokain, Diazepam und Fluminox. Im Jahr 2012 wurde bei ihr die Hepatitis C diagnostiziert, nachdem sie ein unsauberes Spritzbesteck benutzt hatte. Ebenfalls im Jahr 2012 machte die Angeklagte zusammen mit ihrem Ehemann eine stationäre Entgiftung und eine Suchtmitteltherapie in der Klinik XXX, welche sie regulär beendete. Allerdings wurde die Angeklagte in der Folgezeit wieder rückfällig. Bei einer weiteren stationären Therapie im Rahmen einer Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG wurde die Angeklagte nach nur 14 Tagen aufgrund eines Rückfalls entlassen. Die Angeklagte wird bereits seit dem Jahr 2015 substituiert. Der letzte Beikonsum fand allerdings erst vor ca. 2 Monaten statt. Seit ca. 6 Monaten lebt die Angeklagte bei einer Freundin, mit der sie eine Wohngemeinschaft gründen möchte. Die Angeklagte bezieht derzeit Hartz IV. Sie strebt eine weitere stationäre Therapie an, an die sich eine Traumatherapie anschließen soll. Eine Kostenzusage liegt bislang allerdings für beide Therapien nicht vor.

Die Angeklagte ist bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten:

1. Mit Urteil des Amtsgerichts XXX vom 11.10.2005 (Az.: 24 B Cs 121 Js 22586/05) wurde sie wegen falscher Verdächtigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.

2. Mit Urteil des Amtsgerichts XXX vom 20.10.2005 (Az.: 8 Cs 27 Js 16945/05) wurde sie wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.

3. Mit Beschluss des Amtsgerichts XXX vom 12.1.2006 (Az.: 8 Cs 27 Js 16945/05) wurden die Strafen aus den Urteilen zu Ziffer 1 und 2 zu einer Gesamtstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10 € zusammengeführt.

4. Mit Urteil des Amtsgerichts XXX vom 13.12.2006 (Az.: 10 Ds 117/06 6132 Js 65403/06) wurde die Angeklagte wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln (Cannabis) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.

5. Mit Urteil des Amtsgerichts XXX vom 6.10.2008 (Az.: 24 Cs 902 Js 38708/08) wurde sie wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 15 € verurteilt.

6. Mit Urteil des Amtsgerichts XXX vom 6.7.2011 (Az.: 24 Ds 902 Js 22909/11) wurde sie wegen Diebstahls in 2 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

7. Mit Urteil des Amtsgerichts XXX vom 19.7.2011 (Az.: 24 Cs 902 Js 29076/11) wurde sie wegen Diebstahls in 2 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt.

8. Mit Urteil des Amtsgerichts XXX vom 3.7.2012 (Az.: 210 Ls 461/11 6132 Js 15219/11) wurde sie wegen unerlaubtem gemeinschaftlichen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mitführen eines Gegenstandes, der zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr 9 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

9. Mit Beschluss des Amtsgerichts XXX vom 27.12. 2012 (Az.: 210 Ls 461/11 6132 Js 15219/11) wurden die den unter Ziffer 7 und 8 genannten Urteilen zu Grunde liegenden Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren zusammengeführt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafaussetzung wurde im Folgenden widerrufen. Die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe wurde mit Entscheidung vom 2.10.2013 zurückgestellt bis zum 21.10.2015. Die Zurückstellung der Vollstreckung wurde ebenfalls widerrufen. Die Strafvollstreckung ist seit dem 26.10.2015 erledigt. Die Angeklagte steht voraussichtlich noch bis zum 24.1.2019 unter Führungsaufsicht.

10. Mit Urteil des Amtsgerichts XXX vom 5.2.2013 (Az.: 8 Ds 902 Js 58467/12) wurde sie wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt. Die Strafvollstreckung ist seit dem 3.5.2013 erledigt.

Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:

„Die Angeklagte begab sich am 22.10.2012 gegen 13:15 Uhr in die Geschäftsräume der Firma XXX in der XXX, wo sie eine Weste zu einem Verkaufspreis von 29,00 € in ihre Umhängetasche steckte, um mit dieser so versteckten Ware die Geschäftsräume ohne zu bezahlen zu verlassen und um die Weste später zu veräußern.“

11. Mit Urteil des Amtsgerichts XXX vom 7.7.2015 (Az.: 8 Ds 109 Js 4314/15) wurde sie wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung ist seit dem 25.1.2016 erledigt.

Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:

„Die Angeklagte lernte im März 2014 in XXX einen Mann namens „XXX“ kennen, mit dem sie Kokain konsumierte. Zurück in XXX begaben sich die Angeklagte und der bisher nicht ermittelte „XXX“ in der Nacht vom 13. auf den 14. März 2014 zu dem Kleingartenverein am XXX in der XXX. Hier suchten sie vom Nachbargrundstück aus kommend durch Übersteigen des Maschendrahtzaunes die Parzelle 32 des XXX auf. Die Angeklagte nahm eine dort vorgefundene Gasflasche auf, mit der sie das Fenster der Toilette zur Gartenlaube einschlug. Hierdurch stiegen die Angeklagte und der „XXX“ in die Gartenlaube ein und entwendeten einen Flatscreen, einen DVD-Player, einen Receiver, drei Sorround-Boxen, eine Diskokugel, drei Saftflaschen, einen roten Rucksack der Firma Bauhaus sowie eine digitale Fotokamera im Gesamtwert von ca. 730,- €. Der Reparaturschaden am Fenster lag bei etwa 150,- €.“

IV.

Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch steht rechtskräftig fest, dass die Angeklagte sich des Diebstahls in 3 Fällen gemäß §§ 242 Abs. 1, 53 StGB schuldig gemacht hat.

V.

Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat die Kammer gemäß § 46 StGB alle für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände gegeneinander abgewogen. Hierbei wurde zugunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass sie sich bereits in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vollumfänglich geständig gezeigt hat. Motiv und Auslöser für die Taten war die Betäubungsmittelabhängigkeit der Angeklagten, auch wenn sie bei Begehung der Taten nicht unter so einem erheblichen Suchtdruck stand, dass ihre Einsichts-oder Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt oder ausgeschlossen gewesen wäre. Der Schaden bewegte sich pro Tat zwar nicht mehr im geringfügigen Bereich, war mit maximal 89,95 € jedoch auch nicht als hoch anzusehen.

Zulasten der Angeklagten wirkte sich allerdings aus, dass sie bereits erheblich, auch einschlägig, strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Die letzte Haftentlassung nach einer Verurteilung wegen Diebstahls erfolgte erst am 25.01.2016, mithin nur etwa 3 Wochen vor der ersten der hiesigen Taten.

Angesichts dieser Vorstrafen und der hohen Rückfallgeschwindigkeit war die Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen hier zur Einwirkung auf die Angeklagte gemäß 47 StGB unerlässlich.

In Übereinstimmung mit dem Amtsgericht XXX hat die Kammer unter Berücksichtigung der genannten für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände für jede der Taten eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.

Unter nochmaliger Würdigung der Person der Angeklagten und der von ihr begangenen Taten wurden diese Einzelstrafen unter Erhöhung der höchsten Einzelstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten zusammengeführt.

Die Vollstreckung dieser Strafe konnte nicht mehr gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden, da nicht zu erwarten ist, dass die Angeklagte künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Angesichts ihres bisherigen Werdegangs, ihrer - teils einschlägigen - Vorstrafen und der nach wie vor unbehandelten Betäubungsmittelabhängigkeit kann ihr eine positive Prognose nicht gestellt werden.

Neben der bereits genannten hohen Rückfallgeschwindigkeit war zu berücksichtigen, dass die Angeklagte bei der Begehung der Taten unter Führungsaufsicht und damit unter der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin stand. Diese Hilfestellung durch die Bewährungshilfe hat bislang allerdings nicht dazu geführt, dass die Angeklagte von der Begehung weiterer Straftaten Abstand genommen hat. Der Kontakt zu ihrer Bewährungshelferin fand, wie diese schilderte, auch nur phasenweise regelmäßig statt.

Die Lebensumstände der Angeklagten haben sich bislang nicht grundlegend verändert. Weder die soziale Bindungen zu ihren Kindern noch die Beziehung zu ihrem Ehemann haben sie in der Vergangenheit davon abgehalten, Straftaten zu begehen. Mittlerweile kam es zur Trennung der Angeklagten von ihrem Ehemann, so dass ein weiterer stabilisierender Faktor weggebrochen ist. Die Angeklagte verfügt zudem weder über eine berufliche Anbindung noch über eine eigene Wohnung. Derzeit bezieht sie Hartz IV und lebt bei einer Freundin.

Auch im Hinblick auf die deliquenzursächliche Suchtmittelabhängigkeit der Angeklagten ist eine positive Prognose nicht gerechtfertigt. Eine solche kann bei einem Suchtmittelabhängigen nur gestellt werden, wenn eine Therapie nicht nur begonnen, sondern die begründete Aussicht besteht, dass sie erfolgreich zum Abschluss gebracht werden wird (ständige Rspr. des OLG XXX, z.B. Beschluss vom 29.10.2013, 1 Ws 301-303/13 (nicht veröffentlicht)). Bislang steht der Angeklagten allerdings noch nicht einmal ein Therapieplatz zur Verfügung. In der Vergangenheit kam es bei der Angeklagten zudem auch nach der abgeschlossenen Therapie immer wieder zu Drogenrückfällen. Der letzte Rückfall war nach Angaben der Angeklagten erst im Oktober 2016, d.h. nach den hier zu beurteilen Anlasstaten und nur wenige Monate vor der Berufungshauptverhandlung. Bislang hat sie es nie geschafft, dauerhaft abstinent zu leben. Diese Rückfälle gingen, wie die Anlasstaten und die Urteile vom 05.02.2013 und 07.07.2015 zeigen, regelmäßig einher mit der Begehung von Diebstahlstaten zur Finanzierung der Abhängigkeit. Ohne eine erfolgreiche Behandlung dieser Suchtmittelabhängigkeit sind weitere Rückfälle und damit verbunden auch weitere Straftaten daher mehr als wahrscheinlich.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.