Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 16.02.2012, Az.: 2 A 170/11

Ausgleichsfläche; Avifauna; Beeinträchtigung; Brutrevier; isolierte Anfechtungsklage; Kiebitz; Naturschutzbehörde; Nebenbestimmung; NLT-Papier; Scheucheffekt; Vorsorgeprinzip; Windkraftanlage

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
16.02.2012
Aktenzeichen
2 A 170/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44515
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Nebenbestimmung zu einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für Windkraftanlagen, mit der ihr die Herstellung von Ausgleichsflächen für beeinträchtigte Kiebitze aufgegeben worden ist.

In einem Vergleich vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht am 28. Januar 2004 verpflichtete sich der Beklagte, der Firma D. E. GmbH sowie der A. B. GmbH Bauvorbescheide für insgesamt drei Windenergieanlagen bis zu 150 m Gesamthöhe auf den Flurstücken 92, 32/1 oder 35/1 oder 36 und 138/85 der Flur 1 der Gemarkung F. zu erteilen. Daraufhin stellten beide GmbHs jeweils Bauanträge. Am 10. Mai 2005 teilte die Klägerin mit, dass sie Rechtsnachfolgerin der A. B. GmbH sei. Nachdem der Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen sei, übernahm die Klägerin das Genehmigungsverfahren für alle drei Anlagen.

Im vom Landschaftsarchitekten G. (Biolagu) im November 2004 im Auftrag der Klägerin erstellten Eingriffsgutachten heißt es zu den Ausgleichsmaßnahmen u.a.:

„Im Rahmen der Eingriffsermittlung unter Anwendung der Vorgaben der UNB des Landkreises Harburg (die Vorgaben wurden nur unter Protest zur Erlangung der Genehmigung angewendet) wurde für die Avifauna (insbesondere Kiebitze) ein Bedarf von 6 ha (nach fachlich-wissenschaftlichem Stand: 1 ha) extensiver Grünlandnutzung ermittelt.

….

Hinweis zur Kompensation Avifauna (Kiebitz):

Gesondert eingegangen werden muss auf die Vorgaben zur Eingriffskompensation bei Windenergieanlagen aus dem Jahr 2003 der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Harburg. Bezugnehmend auf die Ausführung des Fachgutachtens „Eingriffsregelung und geplanten Windpark F.“ Biolagu Juli/Oktober 2004 (Punkt 4, Seiten 8 und 9) weichen die Vorgaben des Landkreises erheblich vom derzeitigen wissenschaftlichen und fachlichen Stand ab. Die Vorgaben des Landkreises Harburg basieren auf Ausführungen des NLÖ, insbesondere Herrn H., und stellen auf ein Vorsorgeprinzip aus dem Jahr 1993 des Niedersächsischen Umweltministeriums und des NLÖ ab. Die heute bisherigen bekannten und veröffentlichen Gutachten zeigen eindeutig auf, dass von einer Empfindlichkeit gegenüber Windenergieanlagen beim Kiebitz bis 50 m zu 100 % (mit einem 1 ha pro Brutpaar) und maximal bis 250 m eher nur bis 100 m zu 50 % (mit 0,5 ha pro Brutpaar) ausgegangen werden kann. Dieser wissenschaftliche Stand ist dem Landkreis Harburg bekannt, alle Gutachten und Veröffentlichungen liegen der Unteren Naturschutzbehörde vor bzw. sind ihr bekanntgemacht worden. Daher ergeben sich Abweichungen in den Kompensationsmaßnahmen für die Vogelart „Kiebitz“: Nach altem Vorsorgeprinzip 1993 und den Vorgaben des Landkreises Harburg sind danach 6 ha Grünlandextensivierung und Maßnahmen wie Anlegung von Blänken gegenüber von 1 ha bzw. in Ersatzzahlung ein entsprechend geringerer Betrag anzusetzen. Würde in der Eingriffsregelung die derzeitige wissenschaftliche Erkenntnis angewendet, würde die UNB ihr Einverständnis der antragsführenden Genehmigungsabteilung nicht erteilen. Die Vorgaben der UNB des Landkreises Harburg werden daher nur unter erheblichem Protest erfüllt, um eine Genehmigung des Vorhabens nicht zu gefährden. Die Vorbehalte gegenüber den Vorgaben des Landkreises Harburg bleiben, trotz deren Anwendung in der Eingriffsbilanzierung und des Ansatzes des Kompensationsumfanges, bestehen.“

Mit Bescheid vom 30. September 2005 erteilte der Beklagte der Klägerin eine Genehmigung nach Bundesimmissionsschutzgesetz zur Errichtung und zum Betrieb von drei Windenergieanlagen des Typs AN Bonus 2,3 MW/93 VS mit eine Nabenhöhe von 103 m und einer Gesamthöhe von 149,99 m. Standort der Anlagen sollten die Grundstücke Flurstück 138/85, 35/1 und 92 der Flur 1 der Gemarkung F. sein. Auf Seite 12 des Bescheides ordnete der Beklagte unter Naturschutz folgende Nebenbestimmung an:

„1. Sämtliche Kompensationsmaßnahmen für die Beeinträchtigung von Natur und Landschaft sind auf Grundlage des Eingriffsgutachtens von November 2004 und seiner Ergänzung vom 31. Mai 2005 durchzuführen und für die Dauer der Anlagengenehmigung aufrecht zu erhalten.

4. Die Bewirtschaftung auf den Maßnahmeflächen in der Gemarkung I., Flur 3, Flurstücke 22 und 50, sind gemäß der Ergänzung des Eingriffsgutachtens vom 31. Mai 2005 extensiv als Grünland zu bewirtschaften. Die Bewirtschaftungsauflagen sind maßgeblich und ab dem 1. Jahr nach Erhalt der Anlagengenehmigung einzuhalten. Die dauerhafte Gewährleistung dieser Maßnahme durch Grunderwerb oder Eintragung einer Grunddienstbarkeit und durch Vorlage eines Bewirtschaftungsvertrages nachzuweisen. Der Nachweis ist in einer angemessenen Frist vorzulegen.

5. Die Herstellung von Flurstück 22 (Gemarkung I., Flur 3) durch Anlage von Blänken und Aufweitung eines Grabens ist unter Anleitung der Naturschutzbehörde des Landkreises Harburg durchzuführen. Die sachgerechte Entsorgung des Bodens und des Abfalls aus dem wiederherzustellenden Graben ist nachzuweisen.“

Am 31. Oktober 2005 legte die Klägerin gegen die Genehmigung u.a. hinsichtlich der Nebenbestimmung „Naturschutz“, Ziffern 1, 4 und 5, Widerspruch ein, soweit damit eine Fläche zur Größe von 6 ha (statt 1 ha) festgesetzt worden sei. Zur Begründung führte sie aus, der Beklagte berücksichtige nicht die seit Jahren gewachsenen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Wirkung von Windenergieanlagen auf Brutvögel, insbesondere dem brütenden Kiebitz. Untersuchungen der vergangenen Jahre hätten bekanntlich den Nachweis erbracht, dass die Art Kiebitz auf Windenergieanlagen unterschiedlich reagiere, je nachdem ob der Kiebitz als Rast- bzw. Gastvogel oder als Brutvogel betroffen sei, und als Brutvogel nahezu vollkommen unempfindlich reagiere. Hierzu vermerke die Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse zur Empfindlichkeit von Vogelarten gegenüber Windenergieanlagen in Band 7, 2004, der Bremer Beiträge für Naturkunde und Vogelschutz „Vögel und Fledermäuse im Konflikt mit der Windenergie - Erkenntnisse zur Empfindlichkeit“, Herausgeber: BUND Landesverband Bremen e.V., auf Seite 32, dass die Art als Brutvogel nur „gering-mittel“ empfindlich reagiere („gut abgesichert, von Beeinträchtigungen bis zu ca. 100 m Entfernung muss ausgegangen werden“). Das Monitoringprojekt in und am Windpark Ilo habe z.B. eine deutliche Zunahme brütender Kiebitze innerhalb des mit 20 Windenergieanlagen bestandenen Windparks belegt nach minimalen Maßnahmen innerhalb des Windparks. Der von BioLagu empfohlene Ausgleichsumfang von 1 ha Extensivierungsfläche sei daher bereits ausreichend groß gemessen (Eingriffsermittlung, Oktober 2004, Seite 7 ff und Eingriffsgutachten von November 2004, Seite 8). Der Beklagte habe aufgrund darin überholter Erkenntnisse (1993) 6 ha Extensivierungsfläche verlangt und jetzt mit der angegriffenen Auflage auch noch festgesetzt. Hinsichtlich der zuviel festgesetzten 5 ha sei die Auflage aufzuheben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin hinsichtlich der Eingriffsregelung zurück. Zur Begründung führte er aus, unstreitig weise die Kartierung des Gebiets folgende Kiebitzrevierzentren innerhalb eines Radius von 500 m zu den Windenergieanlagenstandorten aus:

1. Ein Revierzentrum in knapp 100 m Entfernung zum Standort 2.

2. Ein Revierzentrum in ca. 300 m Entfernung zum Standort 1.

3. Ein Revierzentrum in ca. 400 m Entfernung zum Standort 1.

4. Ein Revierzentrum in ca. 500 m Entfernung zum Standort 1.

Der Widerspruch sei bereits unzulässig, denn die angegriffenen Nebenbestimmungen ergäben sich nach Art und Umfang aus den von der Klägerin im Genehmigungsverfahren selbst zur Genehmigung gestellten Unterlagen, namentlich dem landschaftspflegerischen Begleitplan (abgekürzt: LBP) und dessen Ergänzung. Eine isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen sei dann ausgeschlossen, weil der Genehmigungsempfänger eines mitteilungspflichtigen Verwaltungsaktes schon nicht beschwert bzw. in seinen Rechten verletzt sein könne, wenn die Genehmigung antragsgemäß erteilt worden sei. Das sei hier der Fall, denn die angefochtenen Nebenbestimmungen setzen die im LBP festgestellten Ausgleichsflächen lediglich fest und gingen nicht darüber hinaus. Dabei sei der LBP als notwendige Antragsunterlage nicht als abschließendes Regulativ anzusehen. Darüber hinausgehende naturschutzrechtliche Nebenbestimmungen könnten in gewissem Umfang von der Naturschutzbehörde durchaus hinzugefügt werden. Diese weiterführenden bzw. ergänzenden Maßnahmen könnten zusätzlicherweise vom Genehmigungsempfänger auf materielle Rechtmäßigkeit überprüft werden. Um solche Nebenbestimmungen handele es sich hier jedoch nicht. Soweit die Klägerin vortrage, dass der zur Genehmigung eingereichte LBP mit 6 ha Ausgleichsfläche nur aufgrund der Vorgaben der Naturschutzabteilung und nur unter Protest gestellt worden sei, sei dies unbeachtlich. Denn es bestehe keine Antragspflicht, der die Klägerin Folge zu leisten habe. Allein die Klägerin als Genehmigungsempfängerin lege fest, was sie zum Antragsgegenstand mache. Wenn sie, wie hier, zwecks Erreichung einer zügigen Genehmigung sich auf die Vorgaben der Unteren Naturschutzbehörde einlasse und dies zur Genehmigung stelle, könne sie sich im Nachhinein nicht wirksam darauf berufen, dass einzelne Maßnahmen fehlerhaft festgelegt worden seien. Denn dies sei in sich widersprüchliches und auch treuwidriges Verhalten. Rein vorsorglich sei auszuführen, dass der Widerspruch auch unbegründet sei. Bis heute gebe es keine anerkannte wissenschaftliche Arbeit, die bei der Vogelschutzwarte als zuständige Fachbehörde einen so geringen Flächenausgleichsbedarf auch nur im Ansatz als allgemein gültig belegen könnte, wie die Klägerin ihn hier für die vorgefundenen Kiebitzpaare fordere.

Am 6. Juni 2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, sie habe gerade nicht die Eingriffskompensation, wie sie vom Beklagten geregelt worden sei, selbst beantragt. Vielmehr sei um den notwendigen naturschutzfachlichen Ausgleich wegen der Beeinträchtigung brütender Kiebitze in jedem anhängigen Genehmigungsverfahren und auch gerade im vorliegenden Fall heftig mit dem Beklagten gerungen worden. Ihr sei keine andere Untere Naturschutzbehörde in Niedersachsen bekannt, die derart hohe Ausgleichsforderungen im Falle des Vorhandenseins von Kiebitzbrutrevieren an zukünftige Windparkflächen stelle wie der Beklagte. Es sei bereits in den Jahren 2004 bis 2006 anerkannt worden, dass mit minimalen Maßnahmen erreicht werden könne, dass die Kiebitzbrutdichte innerhalb von Windparks größer sei nach der Errichtung von Windenergieanlagen als vor der Errichtung von Windenergieanlagen. Aus den Ausführungen in der „Eingriffsermittlung im geplanten Windpark F. (Biolagu, Oktober 2004)“ ergebe sich der unstreitige Ausgleichsbedarf von 1 ha (Ziffer 4, Seite 7 ff), da nur ein Revierzentrum in knapp 100 m Entfernung zu einem geplanten Windenergieanlagenstandort ermittelt worden sei.

Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2012 hat die Klägerin eine „Gutachterliche Stellungnahme zur Beeinträchtigung von Kiebitzbrutrevieren durch den geplanten Windpark F.“ von Dr. Reichenbach sowie am 14. Februar 2012 eine „Eingriffsbeurteilung“ der Planungsgruppe Grün GmbH vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

die in der Genehmigung des Beklagten vom 30. September 2005 enthaltenen Nebenbestimmungen "Naturschutz", Ziffern 1, 4 und 5, soweit damit eine Fläche von 6 ha statt 1 ha festgesetzt worden ist, auf der der Ausgleich für den Eingriff in die Avifauna durchzuführen ist, sowie den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 3. Mai 2011, soweit er dem entgegensteht, aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, der Vortrag der Klägerin sei irreführend. Denn die staatliche Vogelschutzwarte des NLWKN berate alle niedersächsischen Unteren Naturschutzbehörden. Es gingen daher alle Unteren Naturschutzbehörden von derselben Basis aus. Der zuständige Sachbearbeiter Knut Sandkühler aus der Vogelschutzwarte des NLWKN habe bestätigt, dass die durchschnittliche Reviergröße eines Kiebitzbrutpaares 2 ha betrage. Zudem habe dieser Sachbearbeiter auf die Veröffentlichung von Martin Flade „Die Brutvogelgemeinschaften Norddeutschlands, Grundlagen für den Gebrauch vogelkundlicher Daten in der Landschaftsplanung“ verwiesen. Danach stellten die dort vorhandenen Angaben die durchschnittlichen Reviergrößen nach dem aktuellen Stand der Erkenntnisse dar. Bei den Kiebitzen als bodenbrütende Vogelart werde durch vertikale Strukturen ein Verdrängungseffekt ausgelöst. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand sei von einem Beeinträchtigungsgrad in einem Abstand bis zu 250 m von einer Windkraftanlage zu 100 % auszugehen. In einem Abstand von 200 m bis 500 m sei von einem Beeinträchtigungsgrad in Höhe von 50 % auszugehen. Diese Daten ergäben sich aus den Vorgaben der Vogelschutzwarte des NLWKN.

Mit e-mail vom 4. August 2011 bestätigte Herr H. (NLWKN), dass für den Landkreis Harburg die durchschnittliche Reviergröße von Kiebitzbrutpaaren etwa 2 ha betrage. Dieser Richtwert sei insofern auch für Eingriffs-Ausgleichsbewertungen im Rahmen der Eingriffsregelung angemessen. Die vom Niedersächsischen Landkreistag in der aktuellen Fassung seiner Empfehlung getroffenen Angaben zu Reichweite und Schwere der Beeinträchtigungen von Kiebitzbrutlebensräumen im Umkreis von Windenergieanlagen seien nach wie vor angemessen. Jedenfalls bestehe auch aus dem Schrifttum heraus keine Veranlassung, diese Angaben in die eine oder andere Richtung zu verändern.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage zulässig.

Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage mit dem Begehren auf Aufhebung von Nebenbestimmungen einer auf Antrag erteilten Genehmigung setzt voraus, dass diese Nebenbestimmungen rechtlich isoliert wegfallen können. Das ist dann der Fall, wenn der Antragsteller einen Anspruch auf Erlass der Genehmigung ohne die belastenden Nebenbestimmungen hat (Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 17. Aufl., § 113 Rdnr. 17). Die hier angefochtenen naturschutzrechtlichen Auflagen sind isoliert anfechtbar, da die Genehmigung in ihrem wesentlichen Inhalt auch bei einer Einschränkung etwa der festgesetzten Ausgleichsfläche Bestand haben kann.

Das Gericht folgt auch nicht der Auffassung des Beklagten, dass die Klägerin durch Erlass der angefochtenen Nebenbestimmungen nicht beschwert ist. Nach der vom Beklagten zitierten Entscheidung des VG Ansbach (Urt. v. 11.7.2007 - AN 11 K 06.04004 -, in juris) soll der Empfänger einer Genehmigung eines mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes dann nicht beschwert bzw. in seinen Rechten verletzt sein, wenn die Genehmigung antragsgemäß erteilt worden ist. Um dies beurteilen zu können, seien der Genehmigungsbescheid und der Genehmigungsantrag zu vergleichen. Der Umfang der genehmigten Anlage ergebe sich dabei aus dem im Genehmigungsbescheid zum Ausdruck gekommenen objektiven Erklärungswillen der Genehmigungsbehörde unter Heranziehung der Genehmigungsunterlagen; dabei sei auch der Anlagenbetrieb zugrunde zu legen.

Diese Entscheidung, die sich auf die Genehmigung von Windkraftanlagen unter Zugrundelegung eines vom Betreiber vorgelegten Schallgutachtens bezieht, ist auf den hier streitigen Fall des Umfangs der Ausgleichsmaßnahmen nicht übertragbar. Wenn die Genehmigungsbehörde diejenigen Betriebsparameter zugrunde legt, die sich aus der vom Antragsteller vorgelegten Betriebsbeschreibung und den dazugehörigen Gutachten ergeben, so mag es sein, dass dieser nicht beschwert ist. Anders verhält es sich jedoch bei der Anordnung von Ausgleichsmaßnahmen, die mit dem eigentlichen Betrieb der Anlage nicht in Zusammenhang stehen. Hier haben die Klägerin bzw. die von ihr beauftragten Gutachter mehrfach und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie mit dem Umfang der festgesetzten Ausgleichsmaßnahme nicht einverstanden sind; von daher kann keine Rede davon sein, dass im Bescheid nur das festgesetzt worden ist, was die Klägerin beantragt hat. Vielmehr hat die Klägerin die Ausgleichsmaßnahmen in diesem Umfang nur deshalb von ihrem Gutachter erarbeiten lassen, um rechtzeitig und zeitnah die gewünschte Genehmigung zu erhalten. Angesichts dieser Sachlage ist die Klägerin durch die festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen beschwert und kann infolgedessen auch Klage erheben.

Die Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Auflagen sind rechtswidrig, soweit sie eine Ausgleichsfläche von mehr als 1 ha vorsehen.

Rechtsgrundlage für die angefochtene Nebenbestimmung ist § 19 Abs. 2 BNatG. Danach ist der Verursacher eines Eingriffs zu verpflichten, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege vorrangig auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder in sonstiger Weise zu kompensieren (Ersatzmaßnahmen). Ausgeglichen ist eine Beeinträchtigung, wenn und sobald die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts wiederhergestellt sind und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Die Ausgleichbarkeit ist in sachlicher Hinsicht vor allem abhängig von dem Grad der Beeinflussung eines Ökosystems durch den Menschen, von der Wiederherstellung und seiner Entstehungsvoraussetzung, von der Präsenz der Arten und vom Alter des Ökosystems. Inhalt der Ausgleichspflicht ist die Wiederherstellung der beeinträchtigten Strukturen und Funktionen des Naturhaushalts, wobei die Funktionen entscheidend von den Strukturen geprägt werden, ihrerseits aber die zielführende Größe sind. Das Maß des Ausgleichs erfolgt aus seiner Aufgabe, die Beeinträchtigung der Schutzgüter voll zu beheben. Das bedeutet, dass die Bewertung einerseits der Eingriffsfläche und andererseits der Ausgleichsfläche zu einer ausgeglichenen Bilanz führen muss. Indes ist die Fläche nur Anknüpfungspunkt für den eigentlichen Bewertungsgegenstand, nämlich die durch Strukturen, Prozesse und bestimmte Gleichgewichtszustände ermöglichten Funktionen des Naturhaushalts bzw. des Landschaftsbildes.

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung hat die Kartierung des Gebiets Kiebitzrevierzentren in folgender Lage ergeben:

1. Ein Revierzentrum in knapp 100 m Entfernung zum Standort 2.

2. Zwei Revierzentren in ca. 300 m Entfernung zum Standort 1.

3. Ein Revierzentrum in ca. 400 m Entfernung zum Standort 1.

4. Ein Revierzentrum in knapp 500 m Entfernung zum Standort 1.

Zwischen den Beteiligten streitig ist zum einen die Frage, ab welcher Nähe zu einer Windkraftanlage von einer Beeinträchtigung eines brütenden Kiebitzpaares ausgegangen werden kann, zum anderen die Frage, wie groß die pro Paar anzusetzende Ersatzfläche sein muss.

1. Nach Überzeugung der Kammer ist nur von einer Beeinträchtigung eines Revierzentrums auszugehen.

Die Kammer folgt insoweit der von der Klägerin vorgelegten „Gutachterlichen Stellungnahme“ von Dr. Reichenbach, die eingehend den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse darlegt und zahlreiche in- und ausländische Studien über Kiebitzbrutreviere bei Windkraftanlagen auswertet. Für das von ihm vertretene Ergebnis sprechen auch die nachfolgend noch einmal genannten Studien:

Nach dem Eingriffsgutachten des Landschaftsarchitekten G. soll von einer Empfindlichkeit gegenüber Windenergieanlagen beim Kiebitz bis 50 m zu 100 % und von 100 m bis 250 m bis zu 50 % auszugehen sein.

Nach dem Artikel „Kiebitz und Windkraftanlagen“ von Steinborn/Reichenbach (NuL 2011, 261), in dem die Ergebnisse einer siebenjährigen Untersuchung im Before-After-Control-Impact-Design vorgestellt werden, sind signifikante Verdrängungseffekte von brütenden Kiebitzen aus der 100-m-Zone in die 200-m-Zone feststellbar. Der Artikel befasst sich mit einem 1100 ha großen Untersuchungsgebiet südlich von Wiesmoor im Landkreis Aurich in den Jahren von 2001 bis 2007, in dem zwei Windparks errichtet und schließlich miteinander verschmolzen wurden und sich ein windenergiefreies Referenzgebiet befindet. Es werden die Bestände und Bruterfolge in den verschiedenen Gebieten jeweils systematisch erfasst und miteinander verglichen.

In einem „Kurzbeitrag zur Bestandsentwicklung des Kiebitzes in einem Windpark bei Bagband (Landkreis Aurich)“ von Steinborn/Reichenbach, März 2008, heißt es, der Gesamtbestand des Kiebitz habe sich im Untersuchungsgebiet über den Zeitraum von 6 Jahren kaum verändert. In den vier Untersuchungsjahren hätten zwei Tendenzen festgestellt werden können. Zum Einen habe eine zumindest teilweise Verlagerung der Revierzentren aus dem Inneren des Windparks in die Randbereiche stattgefunden, zum Anderen hätten die in den Jahren 2001 und 2002 relativ aufgelockert im (nördlichen) UG verteilten Kiebitzreviere in den Folgejahren Kolonien auf wenigen Parzellen gebildet. Die entfernungsbezogene Auswertung habe gezeigt, dass die eingehaltenen Abstände der Revierzentren zur nächsten WEA geschwankt hätten und nicht in dem Maße zunehmen würden, wie es aus der Verlagerung der Revierzentren zunächst zu erwarten gewesen sei. Eine mögliche Scheuchwirkung habe im Jahr 2007 bis max. 200 m gereicht.

Nach „Windkraft, Vögel, Lebensräume - Ergebnisse einer fünfjährigen BACI-Studie zum Einfluss von Windkraftanlagen und Habitatparametern auf Wiesenvögel“ von Reichenbach/Steinborn (Osnabrücker Naturwissenschaftliche Mitteilungen Band 32. S. 243 - 259, 2006), die sich ebenfalls mit dem Untersuchungsgebiet südlich von Wiesmoor im Landkreis Aurich befasst hat, kann von einer Meidung nur der 100-m-Zone um die Windkraftanlagen ausgegangen werden.

Nach den „Langzeituntersuchungen zum Konfliktthema „Windkraft und Vögel““ von Reichenbach/Steinborn (April 2005) soll der Vergleich der erwarteten und der beobachteten räumlichen Verteilung der Kiebitzreviere für 2004 ebenso wie für die Jahre 2001, 2002 und 2003 ergeben haben, dass sich ein Scheucheffekt der Anlagen nur bis ca. 100 m feststellen lasse. Dieses habe übereingestimmt mit den Ergebnissen der vergleichenden Habitatanalyse für die Daten von 2003, wobei sich beim Kiebitz ein signifikanter Einfluss der Anlagen ebenfalls nur bis 100 m gezeigt habe (Steinborn 2005). Zu dem gleichen Ergebnis komme eine Gesamtschau aller bisher vorliegenden Studien zur Reaktion des Kiebitzes als Brutvogel gegenüber den Windenergieanlagen (Reichenbach et al., 2004). Einer Literaturauswertung des NABU zufolge sei beim Kiebitz als Brutvogel kein signifikanter Einfluss von Windenergieanlagen zu erkennen (Hötker et al., 2004).

Zum gleichen Ergebnis kommt ein avifaunistisches Gutachten „Brutvögel im Bereich des geplanten Windparks Weertzen, Landkreis Rotenburg“ vom 18. Dezember 2007, Bearbeiter Frank Sinning und Dr. Mark Reichenbach. In diesem Gutachten heißt es: „Eine detaillierte Zusammenstellung findet sich bei Reichenbach (2002, 2003) sowie bei Reichenbach et al. (2004). Danach zeigen übereinstimmend fast alle Untersuchungen, dass Kiebitze als Brutvögel offensichtlich nur wenig oder gar nicht von Windenergieanlagen beeinträchtigt werden. Die einzige Studie, die scheinbar einen signifikanten Einfluss nachweisen konnte, ist jene von Petersen und Poulsen (1991). Wahrscheinlich gehen ihre Ergebnisse jedoch weniger auf einen Einfluss der Anlage selbst zurück, als vielmehr auf den von menschlichen Störungen. Die Anlage zeigte große technische Mängel, was einen hohen Wartungsbedarf hervorrief. Nach Angaben der Autoren bewegten sich während der Brutzeit täglich Menschen im unmittelbaren Umfeld der Anlage. Petersen und Poulsen (1991) führen dies selbst als die beste Erklärung für die Brutaufgabe von drei Nestern an, die am nächsten zur Anlage lagen. Ihre Ergebnisse sind somit kein eindeutiger Nachweis einer Vertreibungswirkung, die durch die Anlage selbst hervorgerufen würde. Insgesamt schien der Kiebitz als Brutvogel somit schon bereits nach älteren Erkenntnissen nicht oder nur in vergleichsweise geringem Maße von Windenergieanlagen beeinflusst zu werden. Dies wird nun durch zahlreiche aktuelle Studien wie von z.B. Handtke et al. (2004 a, 2004 b, 2004 c), Reichenbach (2003), Reichenbach und Steinborn (2006, 2007), Sinning (2002, 2004 c), Sinning et al. (2004) sowie Sprötge (2002) bestätigt. Insgesamt ist demnach noch von Beeinträchtigungen im Umfeld von bis zu 100 m um WEA auszugehen, wobei es jedoch zu keiner Vollverdrängung aus dem Raum kommt. Reichenbach et al. (2004) ordnet dem Kiebitz auf dieser Grundlage eine geringe bis mittlere Empfindlichkeit zu. Hötker et al. (2004) vom Michael-Otto-Institut des NABU stellt in einer Literaturstudie im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz fest, dass in einer Auswertung von 127 Einzelstudien kein statistisch signifikanter Nachweis von erheblichen negativen Auswirkungen der Windkraftnutzung auf die Bestände von Brutvögeln erbracht werden konnte. Sie schränken zwar ein, dass die meisten Studien aufgrund methodischer Mängel nur eine eingeschränkte Aussagekraft aufweisen. Die von Hötker et al. verwendete Vorgehensweise erlaubt es nach Ansicht der Autoren jedoch, die getroffenen Aussagen auf eine breite Basis zu stellen. Danach werden die Brutbestände von Wartvögeln der offenen Landschaft tendenziell negativ beeinflusst, auf bestimmte brütende Singvogelarten üben Windkraftanlagen positive Wirkungen aus (aufgrund von sekundären Effekten wie Habitatveränderungen bzw. landwirtschaftlicher Nutzungsaufgabe in der unmittelbaren Umgebung von Anlagen). Für den Kiebitz geben Hötker et al. mittlere Minimalabstände von rd. 100 m an. Der Deutsche Naturschutzring (DNR 2005) führt aus, dass die Empfindlichkeit von Brutvögeln gegenüber Windenergieanlagen artenabhängig unterschiedlich, überwiegend jedoch gering ist. Singvögel der Hecken und Röhrichtbrüter werden als unempfindlich angesehen. Bei den offenen Brütern hat sich gezeigt, dass die meisten Arten wie Kiebitz, Austernfischer, Uferschnepfe, Rotschenkel, Wiesenpieper und Feldlerche relativ unempfindlich gegenüber Windenergieanlagen sind, d.h. dass sie offenbar lernen, dass von den Schlagschatten der Anlagen keine Gefahr für sie ausgeht. Für den Kiebitz wird in der Studie eine Meidung des Nahbereichs der Anlagen von 100 m bis 200 m angegeben.“

Nach dem Endbericht „Auswirkungen regenerativer Energiegewinnung auf die biologische Vielfalt am Beispiel der Vögel und der Fledermäuse - Fakten, Wissenslücken, Anforderungen an die Forschung, ornithologische Kriterien zum Ausbau von regenerativen Energiegewinnungsformen“ von Dr. Hötker (Michael-Otto-Institut im NABU, Dezember 2004) wird bei Kiebitzen in der Brutzeit von einem Mindestabstand von 108 m zu Windkraftanlagen, außerhalb der Brutzeit von 260 m (Tabelle 5 S. 20, jeweils Mittelwert) ausgegangen. Dort wird tabellarisch wiedergegeben, wie viele Studien jeweils zu welchen Mindestabständen gekommen sind (Abbildungen 5 und 6, s. 22 u. 23), ohne jedoch eine Bewertung oder Gewichtung der einzelnen Studien vorzunehmen.

Demgegenüber verweist der Beklagte auf eine Stellungnahme des NLWKN, das auch in der mündlichen Verhandlung vertreten hat, unter Vorsorgegesichtspunkten werde an den Empfehlungen, die das NLT-Papier vorsehe, festgehalten. In den „Hinweisen zur Berücksichtigung des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie zur Durchführung der Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung bei Standortplanung und Zulassung von Windenergieanlagen (Stand Januar 2011)“ des niedersächsischen Landkreistages heißt es unter (74):

„Für Brutvogelarten wie Kiebitz, Großer Brachvogel und Wachtel, die wegen größerer Vorkommen häufig von Windenergieanlagen betroffen sind, ist die Fläche bis 500 m im Umkreis als erheblich beeinträchtigt anzusehen (bis 250 m vollständig zerstört, bis 500 m zu 50 % zerstört).“ Im Literaturverzeichnis dieser Hinweise des NLT wird nur die Studie von Dr. Hötker, 2004 (s.o.), genannt, während die o.g. Veröffentlichungen nicht erwähnt werden.

Auch nach der aktuellen Rechtsprechung des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteil v. 28.1.2010 - 12 LB 243/07 -, Rn.52; noch offener im Beschluss v. 20.12.2001 - 1 MA 3579/01- , in Rechtsprechungsdatenbank Niedersachsen) ist davon ausgehen, dass es nur im Umkreis von 100 m um die Windkraftanlagen zu einer Beeinträchtigung brütender Kiebitze kommt, während - nur unter Vorsorgegesichtspunkten - bei Abständen von 135 bis 200m „ein Meideverhalten denkbar“ ist. In der erstgenannten Entscheidung heißt es:

„Soweit der Beklagte erhebliche Beeinträchtigungen des Brut- und Rastvogelaufkommens des Kiebitz vorbringt, ist ferner zu berücksichtigen, dass der Kiebitz nicht zu den nach der Verordnung (EG) Nr. 338/37 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wild lebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (Amtsblatt EG 1997 Nr. L 61 S. 1) - EG-ArtenschutzVO - geschützten Vogelart gehört. Allerdings ist der Kiebitz eine im Anhang II/2 der Vogelschutz-Richtlinie aufgeführte europäische Vogelart im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie und damit zugleich eine besonders geschützte Art im Sinne des § 10 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b Doppelbuchst. bb) BNatSchG. Insoweit ist im vorliegenden Verfahren zu prüfen, ob der Lebensraum und die Lebensbedingungen dieser Vogelart bei Errichtung der geplanten Anlage in einem Maß beeinträchtigt werden, dass der öffentliche Belang des Vogelschutzes der Realisierung des privilegierten Vorhabens entgegensteht.

Das Verwaltungsgericht hat seine Beurteilung, dem Vorhaben des Klägers stünden Belange des Vogelschutzes entgegen, zum einen auf die Feststellungen des landschaftsökologischen Gutachtens zur Ausweisung von Flächen für den Windenergiepark G. des Planungsbüros L. vom 24. Mai 1997 gestützt. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass nach den im Flächennutzungsplanänderungsverfahren vorgelegten Fachstudien für den nördlich an den Anlagenstandort angrenzenden Bereich - in einem Abstand von ca. 150 bis 200 m - eine regionale Bedeutung für Brutvögel, insbesondere im Hinblick auf Kiebitzvorkommen, festgestellt worden sei. Nach den Erkenntnissen der Kammer über das Meideverhalten von Kiebitzen seien Einwirkungen auch über eine derartige Distanz nicht auszuschließen. Damit sei für die Bedeutung des Standortes nicht nur von einer lokalen auszugehen, sondern auch die regionale Bedeutung des angrenzenden Bereichs für Brutvögel sei relevant. Diese Bewertungen beruhen auf einer Auswertung von Bestandsdaten, die bereits 1996/1997 im Zusammenhang mit der 29. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen erhoben wurden und deshalb als Grundlage für eine aktuelle avifaunistische Bewertung des Anlagenstandorts nicht mehr genügend aussagekräftig sind. Ohnehin kann die Frage einer Beeinträchtigung avifaunistischer Belange nicht losgelöst von der örtlichen Population bestimmter Vogelarten anhand der Einordnung einzelner Standorte als Gebiet mit lokaler oder höherer Bedeutung für die Avifauna beurteilt werden. Auf die vom Kläger unter Beifügung fachlicher Stellungnahmen des Gutachters Sinning (zunächst undatiert, dann v. 26.4.2005 u. v. 21.8.2005) geäußerte Kritik an dieser Bewertung muss hier deshalb nicht näher eingegangen werden.

Die im Berufungsverfahren vom Beklagten vorgelegten fachlichen Stellungnahmen des Gutachters P. einerseits sowie die vom Kläger vorgelegten fachlichen Bewertungen der Gutachter N. bzw. Dr. AC. gehen zwar von übereinstimmenden Bestandszahlen und -erfassungen aus, sie weichen allerdings in ihrer Einschätzung, ob das streitige Vorhaben des Klägers zu einer erheblichen Beeinträchtigung von Brutbeständen oder Rastplätzen - namentlich des Kiebitz - führen könne, voneinander ab. Nach der Stellungnahme des Gutachters P. vom Mai 2006 (Gastvogelerfassungen im Raum T. - I. - H.) hat die Untersuchung eines ca. 12 km² großen Gebietes, in dem auch der geplante Anlagenstandort des Klägers liege, zu der Bewertung geführt, das Gebiet habe mit etwa 1300 festgestellten Individuen für den Kiebitz lokale Bedeutung im Grenzbereich zu einer regionalen Bedeutung. Eine Beeinträchtigung des Vorkommens durch die geplante Windkraftanlage sei nicht auszuschließen. Der nächstgelegene und wichtigste Kiebitzrastplatz im Untersuchungsgebiet liege nach den Bestandsuntersuchungen 2005/2006 etwa 330 m (bis Parzellenmitte) bis 220 m (bis Parzellenrand) westlich vom Aufstellungsort der geplanten Anlage mit bis zu 770 Kiebitzen/Tag und einer sehr großen Stetigkeit seit der Bestandserfassung 1998. Der zweitwichtigste Rastplatz liege 550 m/480 m nördlich des Anlagenstandortes. Es sei nicht auszuschließen, dass die beantragte Windkraftanlage Vertreibungswirkungen entfalte oder zumindest zu Entwertungen vorhandener bzw. potentiell nutzbarer Rastflächen führe. In seiner Stellungnahme vom August 2006 zur Brutvogelerfassung (ebenfalls im Raum T. - I. - H.) in dem Zeitraum April bis Juni 2006 gelangt der Gutachter zu der Feststellung, dass sich in einem etwa 8,0 km² großen Untersuchungsgebiet Veränderungen beim Kiebitz hinsichtlich des Brutbestandes ergeben hätten. Im Jahr 2006 habe es Vorkommensverdichtungen im Norden des Untersuchungsgebiets gegeben, aber auch in der Mitte und im Südwesten. Im Südosten befinde sich der aktuell größte Kiebitzbrutbestand mit neun Brutpaaren. Drei Brutpaare hätten in Abständen von 135 bis 200 m und weitere sechs Brutpaare in Abständen von ca. 200 bis 400 m um den Anlagenstandort herum genistet. Bezogen auf sämtliche begutachtete Teilflächen sei die Bedeutung des Untersuchungsgebiets als Vogelbrutgebiet im Vergleich zu früheren Bestandsbewertungen deutlich wertvoller geworden. Die im zentralen Bereich des Untersuchungsgebiets liegende Teilfläche 1 mit einer Größe von 3,6 km² habe lokale Bedeutung als Vogelbrutgebiet. Bei der Bestandserfassung im Jahr 1997 habe die Teilfläche diese Bedeutung noch nicht gehabt. Einer im südlichen Bereich des Untersuchungsgebiets liegenden etwa 1,5 km² großen Teilfläche sei 1997 (damals als Teilfläche 6) lokale Bedeutung als Vogelbrutgebiet beigemessen worden, inzwischen habe sie regionale Bedeutung. Eine weitere Abgrenzungsfläche (Fläche 4 der Bestandserfassung AD. 1998) mit einer Größe von 5,8 km² habe nunmehr lokale Bedeutung als Vogelbrutgebiet; 1998 habe sie diese Bewertung ebenfalls noch nicht gehabt. Insgesamt sei das Untersuchungsgebiet als lokal bedeutendes Vogelbrutgebiet einzuordnen. Mit Blick auf die genannten Entfernungen des festgestellten Brutvogelvorkommens zum Standort der geplanten Windkraftanlage sei ein Meideverhalten des Kiebitz nach aktuellen Fachstudien (z. B. Hötker u. a. 2006) zumindest denkbar. Als negative Effekte seien zu bewerten Bestandsrückgänge nach dem Bau von Windkraftanlagen sowie verminderte Bestände im Windpark und in dessen unmittelbarer Umgebung im Vergleich zu Kontrollflächen. Der Gutachter P. beschreibt in seiner Stellungnahme einen weiteren negativen Effekt, der sich aus der konkreten Nutzung der Flächen um den geplanten Anlagenstandort herum ergebe. Die Windkraftanlage des Klägers sei - wie dargelegt - am Rand eines Kiebitzbrutgebietes mit einem verdichteten Brutbestand (von neun Brutpaaren) geplant. Es sei zu erwarten, dass die anlagennächsten Kiebitzbrutpaare ihre Brutplätze räumen oder verlagern würden. Eine weitere Verdichtung der Bestände im Norden des beantragten Anlagenstandorts sei aber nicht anzunehmen, da hier ein Feldgehölz eine Raumbarriere bilde. Außerdem befinde sich der Anlagenstandort genau auf einer von zwei in diesem Bereich noch vorhandenen Grünlandflächen, die für die in direkter Nachbarschaft brütenden Kiebitze als Nahrungssucheflächen und als Flächen zum Jungeführen von hoher Bedeutung seien. Es sei zu bezweifeln, dass die Kiebitze ihre Jungen aus dem Maisacker auf die besagten Grünlandflächen führen würden, wenn sich hier eine Windkraftanlage befinde. Damit komme es zu einer räumlichen Entflechtung von für den Kiebitz wichtigen Bruthabitatbereichen. Um die Kiebitzbrutplätze nördlich vom beantragten Anlagenstandort gebe es aktuell nur weitere Maisackerflächen und - weiter entfernt - auch Getreideackerflächen. Eine weitere Grünlandfläche liege ca. 250 m nordöstlich der Kiebitzbrutplätze, welche aber von den nicht flüggen Kiebitzjungen mit Geburtsorten auf der Parzelle nördlich des beantragten Anlagenstandortes wegen eines dazwischen liegenden Grabens („AE.“) sowie eines quer im Weg liegenden Feldgehölzes kaum erreichbar sei. Darüber hinaus lägen zwischen Brutparzelle und dem Grünland Anbauflächen mit kaum zu durchdringenden Pflanzenbeständen (Maispflanzen, Getreide, Raps). In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 13. Mai 2009 weist der Gutachter nochmals darauf hin, dass an dem Standort der geplanten Anlage ein verdichteter Kiebitzbrutplatz mit neun Brutpaaren zu verzeichnen gewesen sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Kiebitzvorkommen durch die Errichtung einer Windkraftanlage erheblich beeinträchtigt werde. Die räumliche Situation sei geprägt durch Geländestrukturen, die ein Ausweichen der örtlichen Kiebitzpopulation - insbesondere der Kiebitzfamilien - auf direkt angrenzende Flächen erschwerten oder sogar unmöglich machten. Sofern die Grünlandfläche am Anlagenstandort inzwischen in Acker umgewandelt worden sei, habe sich die Habitatsituation für brütende Kiebitze vor Ort nochmals qualitativ verschlechtert. Unter Bezugnahme auf eine neuere Studie (Broocks/Röhrs/Schmidt, Windkraftanlagen und Brutvögel der Feldflur, 2007) über einen Windpark im AF. gelangt der Gutachter zu der Feststellung, es könne nicht in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass Kiebitze bezüglich ihrer Brutplatzwahl von Windkraftanlagen nicht oder nur wenig beeinflusst würden, zumal offenbleiben müsse, welche Langzeitwirkungen erzwungene räumliche Verlagerungen auf der Populationsebene hätten. Für eine diesbezügliche Beurteilung seien aus fachlicher Sicht Bestandserfassungen über Zeiträume von durchaus zehn Jahren oder länger erforderlich, die aber nicht vorlägen.

Demgegenüber haben die Gutachter Dr. AC. in ihrer Stellungnahme vom März 2009 Forschungsergebnisse hinsichtlich der Beeinflussung von Brutvögeln durch Windkraftanlagen (Windparks) dargestellt und einzelne Fallbeispiele zu Windparks in verschiedenen Landkreisen Niedersachsens und zu einem Offshore-Testfeld in AG. referiert. In Bezug auf den Kiebitz bekräftigt die Ausarbeitung die von dem Gutachter N. bereits zuvor vertretene Auffassung, dass Meideverhalten bzw. Verdrängungstendenzen beim Kiebitz in einem Umkreis von maximal 100 m um Windkraftanlagen herum festgestellt worden seien. Über die 100 m-Zone hinaus seien Beeinträchtigungen des Brutverhaltens nicht zu erkennen. Für den „geplanten Windpark“ (gemeint offenbar die geplante Anlage des Klägers) heißt es, es sei weder davon auszugehen, dass die Errichtung der geplanten Windkraftanlage konkrete Auswirkungen auf den 1997 festgestellten Brutplatz ausüben werde, noch sei mit Auswirkungen auf (potentielle) Kiebitzbrutplätze in einem 150 bis 200 m entfernten Gebiet zu rechnen. Selbst wenn der geplante Anlagenstandort innerhalb eines Brutgebiets mit lokaler Bedeutung liegen sollte, seien Beeinträchtigungen durch die geplante Anlage so gering, dass das Gebiet seine Einstufung als lokal bedeutsam nicht verliere. In der mündlichen Verhandlung am 26. März 2009 hat der Gutachter AH. diesen Standpunkt bekräftigt und erläutert, dass mit erheblichen Beeinträchtigungen des Kiebitzbrutvorkommens durch das streitige Vorhaben nicht zu rechnen sei. Die Abstände des Anlagenstandortes zu den einzelnen Brutplätzen seien ausreichend. Hieran hat der Gutachter auch in seiner weiteren Stellungnahme vom 7. Mai 2009 (mit dem Gutachter N.) festgehalten und ergänzend ausgeführt, dass selbst bei einer vorsichtigen Annahme, negative Auswirkungen auf Kiebitzbrutplätze könnten auch bei Abständen von mehr als 100 m nicht völlig ausgeschlossen werden, es allenfalls zu kleinräumigen Verlagerungen von Kiebitzbrutplätzen auf dem Maisacker nördlich der geplanten Anlage kommen könne. Aus fachlicher Sicht sei nicht zu bestreiten, dass andere Einflussfaktoren wie die Verfügbarkeit offenen Bodens und niedriger Vegetation den Einfluss von Windkraftanlagen auf den Kiebitzlebensraum überstiegen. Für Kiebitze attraktive Flächen würden weiterhin zur Brut genutzt, auch wenn sich in 100 oder 150 m Entfernung eine Windkraftanlage befinde. Hinsichtlich der Auswirkungen auf Gastvögel (Rastbestände des Kiebitzes) stellen die Gutachter Dr. AC. in ihrer Stellungnahme vom 7. Mai 2009 fest, nach den Erfassungen in den Jahren 1996 bis 1998 und 2005/2006 ergebe sich bei der räumlichen Verteilung ein übereinstimmendes Bild. Die Rasttrupps konzentrierten sich im zentralen Bereich beiderseits der R. Landstraße, darüber hinaus gebe es Einzelflächen nördlich und südlich davon, welche von größeren Kiebitztrupps aufgesucht worden seien. Die Windkraftanlage des Klägers sei in einer eindeutigen Randlage des Rastgebiets geplant. Rasttrupps hielten sich nur südlich und westlich des Anlagenstandortes auf. Beeinträchtigungen großer Kiebitztrupps auf den 330 m westlich gelegenen Rastplätzen könnten nicht ausgeschlossen werden. Insoweit sei hier möglicherweise mit einer merklichen Funktionsminderung, nicht aber mit einem vollständigen Funktionsverlust zu rechnen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Verteilung rastender Kiebitze Schwankungen unterliege und durch Faktoren wie landwirtschaftliche Nutzung beeinflusst werde. Bei Störungen auf einer Fläche seien die Vögel in der Lage, auf andere geeignete Standorte auszuweichen. Auf der Grundlage der Kartendarstellungen sei hier davon auszugehen, dass innerhalb des gesamten Rastgebiets auch entsprechende Ausweichflächen vorhanden seien, wenn es zu Störungen im Randbereich komme.

Den gutachterlichen Stellungnahmen lässt sich - zusammengefasst - entnehmen, dass die Errichtung der geplanten Windkraftanlage weder eine dem privilegierten Vorhaben entgegenstehende Beeinträchtigung von Rastplätzen noch eine solche von Brutplätzen des Kiebitz im Umfeld des Anlagenstandortes erwarten lässt. Was die Rastvogelproblematik anbelangt, kann auf der Grundlage der Bestandserfassung von P. davon ausgegangen werden, dass der Anlagenstandort sich im Randbereich eines durchaus größeren Kiebitzrastgebiets mit zumindest lokaler Bedeutung befindet. Allerdings lagen die nächstgelegenen Rastplätze bei der Bestandserfassung 2005/2006 immerhin 330 m bzw. 220 m (gemessen bis Parzellenmitte bzw. Parzellenrand) und 500 m bzw. 480 m entfernt vom Aufstellungsort der geplanten Anlage. Bei dieser Sachlage muss, worauf die Gutachter Dr. AC. überzeugend hingewiesen haben, eine nachhaltige Entwertung des Rastgebiets für die Kiebitze nicht befürchtet werden. Dagegen spricht zwar nicht schon allein der genannte Abstand der geplanten Anlage zu den nächsten Brutplätzen, aber (auch) der Umstand, dass nach der Bestandserfassung von P. vor allem der zentrale (mittlere) Bereich des Untersuchungsgebiets für den Kiebitz relevant ist, während der Anlagenstandort südöstlich dieses zentralen Bereichs gelegen ist. Mit Blick auf diese örtlichen Gegebenheiten erscheint es naheliegend, dass bei etwaigen Störungen von rastenden Kiebitzen - auch größeren Trupps - diese insbesondere auf die zentraler gelegenen Offenlandflächen nördlich und westlich der Anlagenstandorte, möglicherweise auch auf nordöstlich gelegene Rastplätze (südlich I.) ausweichen (können), auf die sich das von P. ermittelte Gastvogelvorkommen des Kiebitz im Wesentlichen - neben dem mit etwa 770 Individuen (von insgesamt etwa 1300 Individuen des Untersuchungsgebiets) bestückten Rastplatz innerhalb eines 400 m-Radius um den Anlagenstandort - konzentriert hat. Soweit die Errichtung der Windkraftanlage dazu führen könnte, dass Flächen südöstlich des Anlagenstandortes von den Rastvögeln nicht mehr aufgesucht werden, wäre dies nicht als eine erhebliche Beeinträchtigung des Rastgebiets anzusehen. Denn wie den der Bestandserfassung von P. beigefügten Karten (1-5) entnommen werden kann, war hier - möglicherweise wegen des Mangels an Offenlandflächen und des Vorhandenseins von Gehölzstrukturen - in einem Radius von 1000 m um den Aufstellungsort der geplanten Windkraftanlage ein Gastvogelaufkommen des Kiebitz und auch anderer der ansonsten im Untersuchungsgebiet festgestellten Vogelarten ohnehin nicht zu verzeichnen. Mit den Gutachtern Dr. AC. ist deshalb davon auszugehen, dass das Bauvorhaben des Klägers möglicherweise zwar eine Beeinträchtigung der nächstgelegenen Rastplätze des Kiebitz nach sich ziehen kann, die Beeinträchtigung aber zu keinem Funktionsverlust des umfassenderen Rastgebietes führen wird und durch einen Wechsel auf vorhandene Ausweichflächen ausgeglichen werden kann. Die fachlichen Stellungnahmen des Gutachters P. stellen diese Beurteilung nicht durchgreifend in Frage. Dessen Feststellung, es sei nicht auszuschließen, dass unter den besonderen lokalen Gegebenheiten von der beantragten Einzelanlage Vertreibungswirkungen oder zumindest Entwertungen vorhandener bzw. potentiell nutzbarer Rastflächen ausgehen, stellt eher eine Mutmaßung dar und trägt seine weitere Beurteilung, hierin werde eine erhebliche Beeinträchtigung gesehen, nicht. Vielmehr zeigen die Äußerungen des Gutachters, dass sie in besonderer Weise dem Vorsorgegedanken Rechnung tragen und planerische Ansätze verfolgen, die sich im Rahmen der nachvollziehenden Abwägung nach § 35 Abs. 1 BauGB gegenüber dem privilegierten Vorhaben des Klägers nicht durchsetzen können.

Entsprechendes gilt im Ergebnis hinsichtlich der Beeinträchtigung von Brutplätzen des Kiebitz. Die Beurteilungen der Gutachter P. und Dr. AC. weichen vom Ansatz her insoweit voneinander ab, als die Gutachter Dr. AC. die Beeinträchtigungen von Brutrevieren des Kiebitz lediglich in einem Umkreis von bis zu 100 m um Windkraftanlagen für möglich halten, während der Gutachter P. die Auffassung vertritt (vgl. die Ausarbeitung zu den Brutvogelerfassungen von August 2006, dort S. 18), hinsichtlich der im Jahr 2006 angetroffenen drei Brutreviere des Kiebitz mit Reviermittelpunkten in einem Abstand von ca. 135 bis 200 m zur geplanten Windkraftanlage sei ein Meideverhalten denkbar. An anderer Stelle seiner Ausarbeitung (S. 19, vgl. auch Stellungnahme vom 13.5.2009, S. 5) führt der Gutachter P. aus, dass die Errichtung einer Windkraftanlage an dem beantragten Standort erhebliche Auswirkungen auf den örtlichen Kiebitzbestand - gemeint seien insbesondere die vier Brutpaare auf Parzellen direkt nördlich des gewünschten Anlagenstandortes - haben dürfte. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Gutachter Beeinträchtigungen der Brutpopulation für möglich („denkbar“) hält bzw. nicht ausschließen kann. Wie schon bei den Gastvögeln, so spricht der Gutachter auch bei den Brutvögeln Empfehlungen über den Verzicht von Windkraftanlagen in dem Raum aus (vgl. Fazit auf S. 20 der Ausarbeitung von August 2006), die sich an Vorsorgegesichtspunkten orientieren und an „vorausschauende Planungen“ richten. Die Bedenken haben somit schon vom eigenen Ansatz des Gutachters her nicht das Gewicht, das erforderlich wäre, um sie im Zulassungsverfahren mit Erfolg dem privilegierten Vorhaben des Klägers entgegensetzen zu können. Davon abgesehen beziehen sich die Bedenken auf eine Gefährdung (nur) der dem geplanten Anlagenstandort nächstgelegenen drei bis vier Brutplätze des Kiebitz. Selbst wenn diese im Einzelfall verlagert oder wegen der vom Gutachter beschriebenen Habitatbedingungen endgültig aufgegeben würden, wäre das in Relation zum Gesamtbestand des Brutvorkommens zu setzen und zu werten. Nach den Bestandserfassungen von P. sind die Kiebitzbrutbestände im Untersuchungsgebiet in den letzten Jahren deutlich angewachsen, im Erfassungsjahr 2006 konnten 37 Brutpaare festgestellt werden. Mit Blick auf diese Bestandszahl kann von einer Gefährdung des Brutbestandes im Untersuchungsgebiet (insgesamt) keine Rede sein. Die Gutachter Dr. AC. weisen in ihrer Stellungnahme vom 7. Mai 2009 in nachvollziehbarer Weise darauf hin, kleinräumige Verschiebungen oder gar Verluste einzelner Brutpaare führten nicht zur Entwertung des gesamten Brutgebietes. Zudem bestehe die Möglichkeit, durch Maßnahmen im Rahmen der Eingriffsregelung eine Verbesserung der Lebensraumbedingungen für brütende Kiebitze im betrachteten Raum herbeizuführen. Der Senat hält diese Bewertung, die zu Recht auf eine Gesamtbetrachtung der örtlichen Population abstellt, für überzeugend. Sie wird durch die Stellungnahmen des Gutachters P. nicht in Frage gestellt.“

Die Kammer folgt dieser Entscheidung des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und geht mit den zahlreichen jüngeren Publikationen zum Verhalten von Kiebitzen an Windkraftanlagen davon aus, dass nur das Revierzentrum in knapp 100 m Entfernung zum Standort 2 sicher betroffen ist und die weiteren Revierzentren von 300 m bis 500 m Entfernung voraussichtlich nicht beeinträchtigt werden. Angesichts der Dichte von Erkenntnissen zum Verhalten der Kiebitze, die auch nicht mehr die in Nr. 73 des NLT-Papiers aufgelisteten methodischen Mängel (kein Vorher-Nachher-Vergleich, keine Referenzgebiete, nicht alle Variablen erfasst) aufweisen, hält es die Kammer nicht mehr für sachgerecht, aus „Vorsorgegründen“ eine Beeinträchtigung von Brutrevieren der Kiebitze in größeren Abständen anzunehmen und hierfür einen Ausgleich zu verlangen.

2. Zwischen den Beteiligten besteht Einvernehmen darüber, dass die durchschnittliche Reviergröße eines Kiebitzbrutpaares 2 bis 3 ha beträgt (vgl. Gutachterliche Stellungnahme Dr. Reichenbach, S. 49). Wenn man nach den oben gewonnenen Erkenntnissen davon ausgeht, dass nur 1 Kiebitzrevier beeinträchtigt ist, da sich die Auswirkungen auf den 100 m Radius beschränken, so bleibt zu prüfen, ob dieses Revier zu 100 % ausgeglichen werden muss.

Nach dem Aufsatz von Olaf Mijoska, Wie teuer ist ein Blaukehlchen? ( NUL 2011, 147) gilt als ökologisch ausgeglichen ein Kiebitzbrutpaar, wenn ein Hektar Acker (zuweilen werden auch 1,5 ha verlangt) in extensives Grünland umgewandelt und das Grünland zudem noch mit einer temporär wasserführenden Blanke angereichert wird. Der ökonomische Wert eines Kiebitzbrutpaares soll also in der artenschutzrechtlichen Ausgleichspraxis den Wert von 1 ha Ackerland entsprechen.
Nach der von der Planungsgruppe Grün im Schriftsatz vom 14.2.2012 vorgelegten Tabelle entspricht es der Praxis der dort aufgezählten acht niedersächsischen Landkreise, einen Kompensationsbedarf von maximal 1 ha, z.T. auch weniger, auch gar keinen Kompensationsbedarf für 1 Kiebitzrevier im 100 m Radius anzunehmen. Diese Erklärungen sind durch die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten E-Mails relativiert worden; danach folgen jedenfalls die Landkreise Uelzen und Cuxhaven dem NLT-Papier.

Dr. Reichenbach vertritt in seiner „Gutachterlichen Stellungnahme“ auf S. 50, es sei nur ein Revierzentrum in einer Entfernung von ca. 100 m zur nächsten Windkraftanlage gemäß vorliegendem Erkenntnisstand randlich betroffen. Ein vollständiger Verlust des Brutreviers sei demnach nicht anzunehmen, ggfs. könne es zu einer kleinräumigen Verlagerung kommen (von der 100 m in die 200 m -Zone, entsprechend den Ergebnissen von Steinborn/Reichenbach 2011). Insofern sei ein Ausgleichsumfang von 50 % der durchschnittlichen Reviergröße angemessen. Im Ergebnis ergebe sich daraus ein Ausgleichsbedarf von 1 - 1,5 ha.

Demgegenüber heißt es in den „Hinweisen zur Berücksichtigung des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie zur Durchführung der Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung bei Standortplanung und Zulassung von Windenergieanlagen (Stand Januar 2011)“ des niedersächsischen Landkreistages unter (74):

„Für Brutvogelarten wie Kiebitz, Großer Brachvogel und Wachtel, die wegen größerer Vorkommen häufig von Windenergieanlagen betroffen sind, ist die Fläche bis 500 m im Umkreis als erheblich beeinträchtigt anzusehen (bis 250 m vollständig zerstört, bis 500 m zu 50 % zerstört).
Auch insoweit folgt die Kammer der gutachterlichen Stellungnahme von Dr. Reichenbach, die in Übereinstimmung mit den o.g. veröffentlichten Erhebungen über die Beeinträchtigungen von Kiebitzen durch Windkraftanlagen zutreffend davon ausgeht, dass das in ca. 100 m Abstand zur Windkraftanlage befindliche Brutrevier nur teilweise betroffen ist, also noch keine Zerstörung zu 100% vorliegt. Das Revier liegt am Rande des Bereichs, in dem voraussichtlich mit einer Beeinträchtigung gerechnet werden kann. Auch wenn die Praxis der Naturschutzbehörden in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend geklärt werden konnte, hält die Kammer daher eine Ausgleichsfläche von 1 ha jedenfalls für ausreichend bemessen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.