Landgericht Stade
Urt. v. 16.04.2015, Az.: 5 O 122/14
Bibliographie
- Gericht
- LG Stade
- Datum
- 16.04.2015
- Aktenzeichen
- 5 O 122/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 44867
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
I. Die Beklagte wird verurteilt, die der Klägerin gelieferten drei gebrauchten Nutzfahrzeuge des Herstellers Volvo Fgst.-Nr. YV2AG20A29B549842, Fgst-Nr. YV2AG20A39B549848 und Fgst-Nr. YV2Ag20A69B549844 mit EEV-Technologie “enhanced environmentally friendly vehicle“ (Fahrzeuge mit fortschrittlicher Umwelttechnologie) auf ihre Kosten nachzurüsten.
II. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen, nicht anrechenbaren Rechtsverfolgungskosten der Rechtsanwälte Dr. C. & L. in Höhe von 679,10 € netto freizustellen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 93 % und die Beklagte 7 %.
IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin hinsichtlich des anerkannten Anspruchs zu Ziffer I. ohne Sicherheitsleistung und für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe des für sie zu vollstreckenden Betrages.
Die Beklagte kann hinsichtlich des tenorierten Anspruchs zu Ziffer II. und wegen der Kosten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Der Streitwert wird für die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten einheitlich auf 138.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin mit Sitz in Rumänien bestellte bei der in Deutschland ansässigen Beklagten drei gebrauchte Sattelzugmaschinen des Typs FH 460 4 x2 EEV. EEV ist ein europäischer Abgasstandard für Busse und Lkw (enhanced environmentally friendly vehicle). Der Preis pro gebrauchter Sattelzugmaschine beträgt 46.000,00 € netto, so dass sich ein Gesamtkaufpreis in Höhe von 138.000,00 € errechnet hat.
Vorprozessual beanstandete die Klägerin gegenüber der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 04.11.2013, dass die drei ausgelieferten Sattelzugmaschinen nicht über die EEV-Technologie verfügen, und forderte die Beklagte zur Nacherfüllung oder Zahlung eines Minderungsbetrages in Höhe von 3 x 5.000,00 € = 15.000,00 € auf.
Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin zunächst die Anträge angekündigt,
1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin drei gebrauchte Nutzfahrzeuge des Herstellers Volvo – Typ FH 460 4 x2 EEV – also unter Einschluss des Technologiestandards “enhanced environmentally friendly vehicle“ (Fahrzeuge mit fortschrittlicher Umwelttechnologie) – zu liefern und zu übereignen Zug um Zug gegen Rückgabe von drei gebrauchten Nutzfahrzeugen des Herstellers Volvo Fgst.-Nr. YV2AG20A29B549842 (Fahrzeugbrief-Nr.: WA 188083), Fgst-Nr. YV2AG20A39B549848 (Fahrzeugbrief-Nr.: WA 188083) und Fgst-Nr. YV2Ag20A69B549844 (Fahrzeugbrief-Nr.: WA 188051);
2. hilfsweise die der Klägerin bislang gelieferten drei gebrauchten Nutzfahrzeuge des Herstellers Volvo Fgst.-Nr. YV2AG20A29B549842 (Fahrzeugbrief-Nr.: WA 188083), Fgst-Nr. YV2AG20A39B549848 (Fahrzeugbrief-Nr.: WA 188083) und Fgst-Nr. YV2Ag20A69B549844 (Fahrzeugbrief-Nr.: WA 188051) mit EEV-Technologie “enhanced environmentally friendly vehicle“ (Fahrzeuge mit fortschrittlicher Umwelttechnologie) auf ihre Kosten nachzurüsten;
3. sie von vorgerichtlichen nicht anrechenbaren Rechtsverfolgungskosten der Rechtsanwälte Dr. C. & L. in Höhe von 1.107,45 € freizustellen.
Die Beklagte hat dem gegenüber mit ihrer Klagerwiderung einen Klagabweisungsantrag angekündigt. Sie hat sich damit verteidigt, dass es sich bei der sogenannten EEV-Technologie um ein simples Software-Upgrade handele, das unproblematisch bei den streitgegenständlichen Fahrzeugen nachgerüstet werden könne. Die hierfür erforderlichen Kosten würden sich für alle drei Fahrzeuge zusammen auf 2.865,59 € netto belaufen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.03.2015 hat die Klägerin den Hauptantrag zu 1) und den Hilfsantrag zu 2) umgestellt und den bisherigen Hilfsantrag als Hauptantrag gestellt und den bisherigen Hauptantrag aus der Klagschrift nur noch als Hilfsantrag verfolgt.
Daraufhin hat die Beklagte den nunmehr als Hauptantrag gestellten Antrag (vormals der Hilfsantrag zu Ziffer 2) aus der Klagschrift vom 29.12.2014) anerkannt.
Wegen der Einzelheiten des Streites der Parteien zur EEV-Technologie wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Beklagte im Verhandlungstermin vom 26.03.2015 den gegen sie erhobenen Anspruch auf Nachrüstung der drei gebrauchten Nutzfahrzeuge auf die EEV-Technologie anerkannt hat, ist sie nach § 307 Abs. 1 ZPO gemäß ihrem Anerkenntnis entsprechend zu verurteilen - ( Tenor zu Ziffer I.).
Hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten ist der Anspruch aus §§ 286, 288 BGB in Höhe von 679,10 € brutto begründet (1,3-Geschäftsgebühr nach einem Wert von 10.530,15 € zzgl. Auslagenpauschale) – ( Tenor zu Ziffer II.).
Die Kosten des Rechtsstreits waren nach § 92 Abs. 1 ZPO zu verquoteln – ( Tenor zu Ziffer III.).
Soweit die Beklagte den Anspruch auf Nachrüstung auf die EEV-Technologie im Termin zur mündlichen Verhandlung anerkannt hat, ist die Beklagte anteilig mit den Kosten zu belasten. Die Kosten sind insoweit nicht gemäß § 93 ZPO der Klägerin aufzuerlegen. Den Anspruch auf Nachrüstung hat die Beklagte nicht sofort anerkannt. Sie hat vielmehr mit der Klagerwiderung vom 26.02.2015 zunächst uneingeschränkt den Antrag auf Klagabweisung angekündigt und nicht erklärt, den Hilfsantrag anzuerkennen. Insoweit hat die Beklagte auch Veranlassung zur Klagerhebung gegeben.
Anders verhält es sich jedoch mit dem ursprünglichen Hauptantrag, den die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.03.2015 nur noch als Hilfsantrag verfolgt hat und der infolge des Anerkenntnisses gegenstandslos geworden ist. Mit den hierdurch ausgelösten Kosten ist die Klägerin zu belasten. Dieser zunächst als Hauptantrag verfolgte Anspruch auf Ersatzlieferung anderer Nutzfahrzeuge des Herstellers Volvo-Typ FH 460 4 x2 EEV Zug um Zug gegen Rückgabe der ausgelieferten Nutzfahrzeuge ist ursprünglich auch nicht begründet gewesen.
Die drei Kaufverträge unterfallen dem UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG). Die Vertragsparteien haben ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten, die beide Vertragsstaaten des Übereinkommens sind. Gemäß Artikel 46 Abs. 2 CISG kann der Käufer Ersatzlieferung unter anderem nur verlangen, wenn die Vertragswidrigkeit eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt.
Die von der Klägerin gelieferten Fahrzeuge waren nicht vertragsgemäß im Sinne des Artikel 35 Abs. 1, Abs. 2 CISG. Aus der Reservierungsbestätigung, den Rechnungen und der Empfangsbestätigung folgt, dass die Beklagte zu jeder Zeit die EEV-Technologie geschuldet hat. Tatsächlich waren die Fahrzeuge nicht mit dieser Technologie ausgestattet.
Es liegt jedoch keine wesentliche Vertragsverletzung gemäß Artikel 25 CISG vor. Eine wesentliche Vertragsverletzung kann auch in der Lieferung vertragswidriger Ware liegen. Wesentlich ist ein Pflichtenverstoß aber nur dann, wenn er die berechtigten Vertragserwartungen der anderen Partei so sehr beeinträchtigt, dass deren Interesse an der Erfüllung des Vertrages im Wesentlichen entfällt, vgl. BGH-NJW 2015, 867. Vorliegend lässt das Gewicht der Vertragsverletzung der Beklagten das Erfüllungsinteresse der Klägerin als Käuferin nicht im Wesentlichen entfallen. Die fehlende Ausstattung mit der EEV-Technologie führt nicht dazu, dass die drei Sattelzugmaschinen für die Klägerin als Käuferin weitgehend ohne Nutzen wären. In diesem Zusammenhang ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die drei gelieferten Sattelzugmaschinen unschwer auf eine EEV-Ausführung nachgerüstet werden können. Das Volvo Group Truck Center hat mit dem Kostenvoranschlag vom 25.02.2015, Anlage B 1, deutlich gemacht, dass die drei hier in Rede stehenden Fahrzeuge durch Änderung der Motorsoftware von Euro 5 auf EEV umprogrammiert werden können. Hierfür fallen Kosten von 2.865,59 € zzgl. ca. 110,00 € für die Ausstellung der Bestätigung für die Zulassungsstelle an. Damit ergibt sich ein Kostenaufwand von 2.975,59 € netto. Der Kostenvoranschlag ist dahin zu lesen, dass diese Kosten nicht für sämtliche drei Fahrzeuge, sondern pro Fahrzeug anfallen. Auf eine solche Nachrüstung muss sich die Klägerin zumutbarerweise verweisen lassen. Wenn die Umprogrammierung vorgenommen wird, kann die Klägerin die drei Sattelzugmaschinen auf Dauer für ihre Zwecke ohne finanziell oder sonst nachteilige Folgen einsetzen. In der mündlichen Verhandlung ist auch anhand eines Auszuges aus dem Wikipedia-Eintrag erläutert worden, dass der D13C-Motor mit 12,8 l und 460 PS von Euro 5 auf wahlweise EEV umprogrammiert werden kann. Mangels wesentlicher Vertragsverletzung ist die Klägerin als Käuferin damit zu keiner Zeit berechtigt gewesen, eine Ersatzlieferung zu verlangen.
Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 709 Satz 1, 708 Nr. 1 und 11, 711 S. 1 ZO.