Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 25.09.2019, Az.: 6 W 74/19

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
25.09.2019
Aktenzeichen
6 W 74/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 41050
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Potsdam - 12.08.2019 - AZ: 11 O 368/16

In dem Kostenfestsetzungsverfahren
...
Beklagten und Beschwerdeführers,
- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...
gegen
...
Kläger und Beschwerdegegner,
- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...
hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
den Richter am Oberlandesgericht Dr. Lütgens
als Einzelrichter
am 25.09.2019
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam - Rechtspfleger - vom 12.08.2019, Az. 11 O 368/16, aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht Potsdam - Rechtspfleger - zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Beschwerde wird auf 621,06 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beklagte begehrt die Festsetzung von Anwaltskosten für die Abwehr der Zwangsvollstreckung aus einem nach zweitinstanzlich geschlossenem Vergleich (vgl. Sitzungsniederschrift vom 16.01.2019, S. 2 f.; Bl. 386 f. d.A.) nunmehr gegenstandslosen Urteil des Landgerichts Potsdam vom 28.02.2018. Mangels erforderlicher Sicherheitsleistung lagen zur Zeit der klägerischen Vollstreckungsandrohung mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 26.03.2018 (Anlage Ast 1, Bl. 416 f. d.A.) die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil nicht vor. Auf den dahinlautenden Einwand des Beklagten mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 27.03.2018 (Anlage Ast 2, Bl. 419 d.A.) hin erklärten die Bevollmächtigten des Klägers, die Vollstreckungsandrohung sei von der Mandantschaft nicht gewünscht gewesen und beruhe auf einem Büroversehen (Anlage Ast 3, Bl. 420 d.A.). Mit Kostennote vom 17.04.2018 berechneten die Bevollmächtigten des Beklagten diesem gegenüber für die Abwehr der Zwangsvollstreckung eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3309 VV RVG in Höhe von 621,06 € (Anlage Ast 4, Bl. 422 d.A.). Für den weiteren Sachverhalt wird auf den in gleicher Höhe gestellten Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten vom 03.05.2019 nebst Anlagen (Bl. 412 ff. d.A.), den Erwiderungsschriftsatz des Klägers vom 27.05.2019 (Bl. 430 d.A.) sowie den weiteren diesbezüglichen aktenkundigen Schriftverkehr der Parteien verwiesen (Bl. 431 ff. d.A.).

Mit Beschluss vom 12.08.2019 hat der Rechtspfleger des Landgerichts den Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten vom 03.05.2019 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass unabhängig von der Zuständigkeit des Prozessgerichts für die Festsetzung von Zwangsvollstreckungskosten es hier jedenfalls an einer entsprechenden Kostengrundentscheidung fehle, weil sich der zweitinstanzlich geschlossene Vergleich nur zu dessen Kosten und den Kosten des Rechtsstreits verhalte (Bl. 439 f. d.A.).

Gegen den ihm am 15.08.2019 zugestellten Beschluss (Bl. 444 d.A.) richtet sich die am 29.08.2019 bei dem Landgericht Potsdam eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten (Bl. 445 d.A.). Mit dieser macht er geltend, der erstinstanzliche Vollstreckungstitel sei aufgehoben worden und der in der II. Instanz geschlossene Vergleich verhalte sich zu den Kosten der Zwangsvollstreckung nicht, weshalb ihm aber wie im Antrag vom 03.05.2019 dargestellt ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zustehe (§§ 717 Abs. 2 ZPO, 249 ff. BGB).

Der Rechtspfleger des Landgerichts hat der Beschwerde mit Beschluss vom 03.09.2019 nicht abgeholfen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur weiteren Entscheidung vorgelegt (Bl. 444 ff. d.A.).

II.

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen gemäß §§ 569 ff. ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten führt zur Zurückverweisung der Sache an den zuständigen Rechtspfleger des Landgerichts.

1. Entstehen einem Titelschuldner während des laufenden Prozessverfahrens - wie hier - Anwaltskosten zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem Titel und wird der Titel zu einem späteren Zeitpunkt ganz oder teilweise aufgehoben, handelt es sich dabei um Kosten des Rechtsstreits im weiteren Sinn und kann der Schuldner diese damit grundsätzlich als Kosten des Erkenntnisverfahrens durch das Prozessgericht nach §§ 103 ff. ZPO festsetzen lassen. Diese in der früheren obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilte Streitfrage hat der Bundesgerichthof bereits vor geraumer Zeit durch eine Grundsatzentscheidung entsprechend geklärt (Beschluss vom 17.01.2006 - VI ZB 46/05, juris Rn. 6 ff.; ebenso bereits OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 1455, 1456; OLG Karlsruhe, JurBüro 1990, 64, 65 f.; OLG Koblenz, JurBüro 2001, 380 f.; OLG München, MDR 1999, 1466 sowie NJW-RR 2000, 517, 518; OLG Schleswig, JurBüro 1984, 140, 141 und OLGR 1999, 59, 60).

a) Zur Festsetzung der Kosten einer Abwehr der Zwangsvollstreckung ist - wie der Kläger insoweit zutreffend ausgeführt hat - das Prozessgericht zuständig, denn soweit ein Gläubiger im Erkenntnisverfahren die Zwangsvollstreckung aus einem Titel betreibt, werden Leistungen des Schuldners zur Abwehr der Zwangsvollstreckung ebenfalls in diesem erbracht. Sie fallen zeitlich während der Dauer des Erkenntnisverfahrens an und sind daher bei natürlicher Betrachtungsweise Kosten des Verfahrens in weiterem Sinn. Die zur Abwehr der Zwangsvollstreckung entstehenden Kosten stellen auch den wirtschaftlichen Prozesserfolg sicher, indem sie möglicherweise entstehende wirtschaftliche Verluste vor Abschluss des Rechtsstreits verhindern; sie dienen damit der Rechtsverteidigung während des laufenden Rechtsstreits und sind Kosten des Rechtsstreits im Sinne von § 91 ZPO. Der Vorschrift des § 91 ZPO liegt die allgemeine gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, dass die obsiegende Partei auch die notwendigen Kosten der ihr gegen ein vorläufig vollstreckbares Urteil eröffneten Maßnahmen zur Rechtsverteidigung und damit zur Verteidigung gegen den geltend gemachten Anspruch zurückfordern kann. Sie sind somit eine grundsätzlich ausgleichsfähige Leistung für das Kostenfestsetzungsverfahren im Sinne der §§ 91 ff., 103 ff. ZPO (BGH, aaO, Rn. 12 ff.). Erweist sich die Vergütung als von der Partei geschuldet, ist sie auch erstattungsfähig. Die Festsetzung erfolgt vorbehaltlich einer nach der Kostengrundentscheidung erforderlichen Quotierung in Höhe des sich nach den Vorschriften des RVG errechnenden Betrages. Einer gesonderten Feststellung ihrer Notwendigkeit im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO bedarf es nicht, weil gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO die gesetzlichen Gebühren und Auslagen von Rechtsanwälten stets als zweckentsprechende Kosten der Rechtsverfolgung oder -verteidigung gelten (BGH, Beschluss vom 20.5.2014 - VI ZB 9/13, juris Rn. 9; MünchKomZPO/Schulz, 5. Auflage, § 91 Rn. 59).

b) Dieser Beurteilung steht auch die Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO nicht entgegen. Danach ist der Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, "der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist", wofür es genügt, dass sich der Schuldner gegen eine dem Gläubiger zuzurechnende anwaltliche Vollstreckungsandrohung nebst konkreter Zahlungsaufforderung wendet (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2010 - Xa ZR 66/10, juris Rn. 30 mwN). Der Klage nach § 717 Abs. 2 ZPO kommt dabei jedoch kein genereller Vorrang zu, denn der Gesetzgeber hat bewusst mehrere Wege zur Geltendmachung solcher Kosten zur Verfügung gestellt. An dieser Auswahlmöglichkeit hat er auch mit der Neufassung des § 788 Abs. 2 ZPO festgehalten, ohne davon die - hier nicht einschlägige - Kostenfestsetzung durch das Vollstreckungsgericht von § 717 Abs. 2 ZPO abzugrenzen; für das Kostenfestsetzungsverfahren vor dem Prozessgericht gilt nichts anderes (BGH, Beschluss vom 17.01.2006 - VI ZB 46/05, juris Rn. 16; vgl. auch KG, Beschluss vom 16.10.1990 - 1 W 2568/90, juris Rn. 7).

c) Schließlich sind die zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil erforderlichen Kosten des Schuldners auch von vornherein keine Kosten, die nach § 788 ZPO vom Vollstreckungsgericht festzusetzen sind. Das Festsetzungsverfahren gemäß § 788 Abs. 2 ZPO hat seinem Wortlaut entsprechend nur solche Kosten zum Gegenstand, die dem Gläubiger durch die Zwangsvollstreckung erwachsen sind. Hier dagegen geht es um die Erstattung von Kosten des Schuldners für die Verteidigung gegen eine Zwangsvollstreckung. Daher ist im vorliegenden Fall eine etwaig konkurrierende Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts, die der des Prozessgerichts vorginge (vgl. § 802 ZPO), jedenfalls nicht eröffnet (vgl. BGH, aaO, Rn. 17).

d) Die von dem Beklagten zur Abwendung der vom Kläger durch seine Bevollmächtigten angedrohte Zwangsvollstreckung aufgewendeten Kosten sind hier daher - und insoweit entgegen der Auffassung des Klägers - als Kosten des Rechtsstreits im Kostenausgleichungsverfahren nach der in dem späteren Vergleich getroffenen Kostenquote zu verteilen (ebenso OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.04.1996 - 6 W 53/95, JurBüro 1996, 430; vgl. auch OLG Koblenz, Beschlüsse vom 29.03.2001 - 14 W 210/01, juris Rn. 5 und vom 18.06.1996 - 14 W 323/96, juris Rn. 7).

2. Nach allem ist die angefochtene Entscheidung auf die sofortige Beschwerde des Beklagten hin aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 572 Abs. 3 Satz 1 ZPO), das den Festsetzungsantrag nachträglich in der Sache zu bescheiden haben wird.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 574 ZPO hierfür nicht vorliegen.

Dr. Lütgens