Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 02.09.2019, Az.: 11 U 103/18
Kündigung eines Versicherungsvertrages; Fehlende Kündigungsbestätigung; Keine Hinweispflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer zu dessen Versicherungsstatus
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 02.09.2019
- Aktenzeichen
- 11 U 103/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 44547
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 10.07.2018 - AZ: 7 O 3818/16
Rechtsgrundlage
- § 1 S. 1 VVG
Fundstellen
- VK 2019, 199
- VuR 2020, 120
- ZAP 2020, 28
- zfs 2020, 29-31
Amtlicher Leitsatz
1. Zur Wirksamkeit einer durch den Versicherungsnehmer erklärten Kündigung des Versicherungsvertrages bedarf es keiner Bestätigung der Kündigung durch den Versicherer.
2. Eine Nebenpflicht des Versicherers aus dem Vertragsverhältnis, die Kündigung des Versicherungsvertrages von sich aus zu bestätigen, besteht nicht.
3. Hat der Versicherungsnehmer den Versicherungsvertrag gekündigt, so trifft den Versicherer aus dem Grundsatz von Treu und Glauben keine Hinweispflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer bezüglich dessen Versicherungsstatus oder eines etwa fehlenden Versicherungsschutzes.
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 10.07.2018 (7 O 3818/16) gemäß § 522 Abs. 2 ZO durch Beschluss als unbegründet zurückzuweisen.
Gründe
I.
Die zulässige Berufung hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Zahlungsanspruch aus § 1 Satz 1 VVG i.V.m. dem zwischen den Parteien zum 26.06.2014 geschlossenen Versicherungsvertrag über eine Kfz-Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung zu, da das hier streitgegenständliche Unfallgeschehen vom 11.03.2016 in unversicherter Zeit eingetreten ist. Der Versicherungsvertrag ist aufgrund der Kündigung der Klägerin vom 19.11.2014 wirksam mit Ablauf des 26.06.2015 beendet worden.
a. Die Kündigungserklärung stellt eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung dar, die erst mit Zugang bei dem richtigen Erklärungsempfänger - dem Vertragspartner - wirksam wird (§ 130 BGB; vgl. Rixecker in: Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., § 11 Rn. 10). Die Kündigung stellt ein Gestaltungsrecht dar (Fausten in: MünchKomm-VVG, 2. Aufl. 2016, § 11 Rn. 96), das nach seinem Zugang unwiderruflich ist (BGH, Urteil vom 03. Oktober 1984 - IVa ZR 76/83 -, juris, Rn. 22, OLG Karlsruhe, Urteil vom 06. November 1980 - 12 U 154/79 -, juris; Rixecker in: Langheid/Rixecker, a.a.O., § 11 Rn. 12).
Das wirksam gekündigte Versicherungsverhältnis lebt nur dann wieder auf, wenn beide Vertragspartner dies vereinbaren (BGH, Urteil vom 03. Oktober 1984, a.a.O.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06. November 1980 - 12 U 154/79, VersR 1981, 646). Dies ist auch noch dann möglich, wenn die Wirkungen der Kündigung bereits eingetreten sind (Muschner in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl., § 11 Rn. 31). Erklärt der Versicherungsnehmer die "Rücknahme" der Kündigung, so liegt darin ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages, mit dem die Fortsetzung des früheren Versicherungsverhältnisses geregelt werden soll (Rixecker in: Langheid/Rixecker, a.a.O., § 11 Rn. 12 m.w.N.; Fausten in: MünchKomm-VVG, a.a.O., § 11, Rn. 154). Hierzu bedarf es der Annahme durch den Versicherer, die auch konkludent erklärt werden kann (Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG, a.a.O.; Muschner in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, a.a.O., Rn. 32).
b. Vorliegend hat die Klägerin das Vertragsverhältnis mit Schreiben vom 19.11.2014 "zum Vertragsablauf" gekündigt. Der Vertragsablauf datierte unstreitig auf den 27.06.2015, 00.00 Uhr.
Diese Kündigung ist der Beklagten auch unstreitig zugegangen und damit wirksam geworden.
Einer Bestätigung der Kündigung seitens der Beklagten bedurfte es nicht.
Die Kündigung qualifiziert sich, wie bereits angemerkt, als einseitige empfangsbedürftige und gleichzeitig rechtsgestaltende Willenserklärung. Demgemäß ist der Versicherer nicht gehalten, gegenüber dem Versicherungsnehmer zu bestätigen, er habe dessen Kündigung erhalten oder erkenne diese als wirksam zu einem bestimmten Zeitpunkt an (Fausten in: MünchKomm-VVG, a.a.O., Rn. 117; Ebnet, NJW 2006, 1697, 1698). Eine derartige Verpflichtung lässt sich auch nicht als Nebenpflicht aus dem Vertragsverhältnis ableiten (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 11. Oktober 1995 - 16 W 222/95 -, juris). Es ist ureigene Aufgabe des Versicherungsnehmers, hinsichtlich der wirksamen Vertragsbeendigung für klare Verhältnisse zu sorgen und gegebenenfalls beim Versicherer nachzufragen (Ebnet, a.a.O.).
c. Eine Vereinbarung über eine Fortsetzung des Versicherungsvertrages trotz erfolgter Kündigung ist zwischen den Parteien nicht geschlossen worden.
aa. Ein derartiger Vertragsschluss kann nicht in der Übersendung des Nachtrags zur Kfz-Versicherung vom 15.04.2015 erblickt werden. Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe den Nachtrag zur Kfz-Versicherung vom 15.04.2015 nur dahingehend verstehen können, weiterhin bei der Beklagten versichert zu sein, so steht dem entgegen, dass dieser Nachtrag nach unbestrittenem Vortrag der Beklagten auf die Anforderung der Klägerin hin erfolgte und nicht etwa auf Initiative der Beklagten. In diesem Nachtrag wird im Übrigen ausdrücklich bestätigt, dass das Versicherungsvertragsverhältnis bei der Beklagten bis zum 27.06.2015, 00.00 Uhr läuft. Damit hat die Beklagte lediglich ihre Pflicht aus § 3 Abs. 1 VVG erfüllt, wonach der Versicherer dem Versicherungsnehmer einen Versicherungsschein in Textform, auf dessen Verlangen hin als Urkunde zu übermitteln hat.
bb. Auch die Klägerin hat der Beklagten kein Angebot auf Abschluss eines Vertrages über die Fortsetzung des früheren Versicherungsverhältnisses unterbreitet.
Weder hat die Klägerin sich ausdrücklich insoweit an die Beklagte gewandt, noch hat die Klägerin durch ein schlüssiges Verhalten der Beklagten gegenüber zu erkennen gegeben, dass von ihr eine Fortsetzung des gekündigten Vertragsverhältnisses gewollt gewesen wäre. Insbesondere hat sie auch nach dem 26.06.2015, mithin nach Ablauf des Versicherungsvertrages, keine weiteren Prämien an die Beklagte gezahlt. Veranlassung von der ihr erteilten Einzugsermächtigung nach dem kündigungsbedingten Auslaufen mit Ablauf des 26.06.2015 Gebrauch zu machen, hatte die Beklagte nicht.
d. Die Klägerin konnte auch im Hinblick auf die den Nachtrag 001 zum Versicherungsschein der R. Direktversicherung AG (Anlage K6) keinen Vertrauenstatbestand dahin bilden, dass die Beklagte einen mit der Klägerin geschlossenen Versicherungsvertrag auch über den 26.06.2015 hinaus habe fortführen wollen. Unabhängig davon, dass bereits eine seitens der R. Direktversicherung AG abgegebene Erklärung der Beklagten nicht zugerechnet werden kann, bestand sowohl zum Zeitpunkt des Abschlusses des weiteren Versicherungsvertrages zum 01.01.2015 als auch zum Zeitpunkt des Nachtrags 001 unstreitig eine Doppelversicherung. Aus der Vertragskündigung der R. Direktversicherung AG konnte die Klägerin daher bereits aus diesem Grunde keinen Rückschluss hinsichtlich des Fortbestehens des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten über den 26.06.2015 hinaus ziehen. Bis zu diesem Datum unterfiel die Klägerin jedoch dem durch die Beklagte gewährten Versicherungsschutz.
2. Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag wegen Verletzung einer sich aus diesem Vertrag ergebenden Nebenpflicht zu.
a. Eine solche Nebenpflichtverletzung ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte der Klägerin keine Kündigungsbestätigung hat zukommen lassen, da eine diesbezügliche Nebenpflicht - wie oben ausgeführt - nicht besteht.
b. Auch eine Pflicht der Beklagten, die Klägerin auf den aktuellen Versicherungsstatus bzw. fehlenden Versicherungsschutz hinzuweisen, bestand entgegen der Auffassung der Klägerin nicht.
aa. Eine derartige Beratungspflicht ergibt sich nicht aus §§ 6, 7 VVG, denn hieraus ergeben sich lediglich produktbezogene Beratungspflichten, jedoch keine Beratungspflichten im Zusammenhang mit der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses (Münkel in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, Versicherungsvertragsgesetz, a.a.O., § 6 Rn. 37).
bb. Aber auch aus § 242 BGB ergibt sich keine entsprechende Informations- oder Beratungspflicht der Beklagten.
(1) Das Versicherungsrecht ist aufgrund der überlegenen Sachkunde des Versicherers gegenüber dem Versicherungsnehmer aufgrund des Dauerschuldcharakters und des im Vergleich zu anderen Austauschverträgen geringeren Interessengegensatzes in besonderem Maße durch den Grundsatz von Treu und Glauben geprägt. Er verpflichtet zur Rücksichtnahme auf die Belange des Versicherungsnehmers dort, wo die Gefahr besteht, dass dieser aufgrund seiner mangelnden Vertrautheit mit der Materie den Versicherungsschutz verliert oder andere Nachteile erleidet (BGH, Urteil vom 08. Mai 1967 - II ZR 17/65 -, BGHZ 48, 7-11, Rn. 10; KG, Urteil vom 27. Juni 2008 - 6 U 195/07 -, juris, Rn. 9; Armbrüster in: MünchKomm-VVG, a.a.O., § 6 Rn. 28). Allerdings bestehen diese Aufklärungspflichten nur, soweit das Verhalten des Versicherungsnehmers und die Umstände des Einzelfalls Anlass zur Aufklärung bieten (OLG Stuttgart, Urteil vom 09. Juni 2004 - 7 U 211/03 -, juris, Rn. 25 f.; OLG Hamm, Urteil vom 23. August 2000 - 20 U 22/00 -, juris, Rn. 41; Armbrüster in: MünchKomm-VVG, a.a.O.).
(2) Von diesen Maßstäben ausgehend ergibt sich auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB keine Hinweispflicht der Beklagten bezüglich des aktuellen Versicherungsstatus bzw. des fehlenden Versicherungsschutzes.
Die Klägerin hat den Versicherungsvertrag selbst gekündigt.
Wie bereits dargelegt, ist es ureigene Aufgabe des Versicherungsnehmers, hinsichtlich der wirksamen Vertragsbeendigung für klare Verhältnisse zu sorgen und gegebenenfalls beim Versicherer nachzufragen. Insbesondere muss er auch davon ausgehen, dass eine einmal ausgesprochene Kündigung des Versicherungsvertrages nicht ohne Weiteres wirkungslos wird. Bei Zweifeln an der Wirksamkeit seiner Kündigung ist er verpflichtet, entsprechend nachzufragen (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, VersR 1997, 178; Fausten in: MünchKomm-VVG, a.a.O., § 11 Rn. 118; Leverenz in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., AUB Ziff. 10, Rn. 39). Auch ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Versicherungsnehmer weiß, dass eine Kündigung zur Beendigung des Versicherungsverhältnisses führt, so dass der Versicherer auch nicht verpflichtet ist, diesem zusätzlich die Rechtsfolgen nochmals aufzuzeigen und ihm mitzuteilen, dass die Versicherung tatsächlich durch die Kündigung beendet worden ist, insbesondere, wenn dem Versicherungsnehmer ein Ablaufdatum bekannt ist.
Hinzu kommt vorliegend, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 26.04.2015 ausdrücklich auf die Kündigung der Klägerin zum Ablauf Bezug genommen und den im Rahmen der erstellten Beitragsabrechnung den geschuldeten Gesamtbetrag mit 0,00 € angesetzt hat (Anlage K5, letzte Seite). Spätestens mit Zugang dieses Schreibens hätte die Klägerin etwaigen Handlungsbedarf ihrerseits im Hinblick auf den auslaufenden Versicherungsvertrag erkennen können und müssen.
Ergänzend sei bemerkt, dass die Beklagte nach dem 27.06.2015 keine Versicherungsprämie mehr eingezogen hat. Auch dieser Umstand hätte der Klägerin auffallen und zur Nachfrage bei der Beklagten anregen müssen. Das gilt umso mehr, als die Klägerin bis zum Schadenstag am 03.05.2016 fast ein ganzes Jahr keine Versicherungsprämie gezahlt hat. Daher konnte sie, entgegen ihrer Auffassung, nicht ohne Weiteres davon ausgehen, bei der Beklagten Versicherungsschutz zu genießen, ohne eine Gegenleistung hierfür zu erbringen.
3. Mangels Hauptforderung kann die Klägerin auch keine Verzugszinsen verlangen.
4. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).
II.
Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen 3 Wochen Stellung zu nehmen oder die Berufung zurückzunehmen.