Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.04.2015, Az.: 13 K 50/14

Gewerbesteuerpflichtigkeit einer am Institut für Waldorfpädagogik tätigen Heileurythmistin

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.04.2015
Aktenzeichen
13 K 50/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 23145
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2015:0428.13K50.14.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 20.11.2018 - AZ: VIII R 26/15

Fundstellen

Amtlicher Leitsatz

Eine Heileurythmistin ist gewerbesteuerpflichtig.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gewerbesteuerpflichtig ist.

2

Die Klägerin ist als Heileurythmistin tätig.

3

Sie wurde von 1990 bis 1993 an der Eurythmieschule A und von September 1993 bis Juni 1995 an dem Institut für Waldorfpädagogik B in Vollzeit in der anthroposophischen Tanzkunst "Eurythmie" ausgebildet. Am XX.XX 1995 erhielt die Klägerin das Diplom für Eurythmie des Instituts für Waldorfpädagogik B.

4

Die vierjährige Ausbildung vermittelte Kenntnisse in den eurythmischen Grundelementen und war im Wesentlichen auf künstlerische und pädagogische Berufstätigkeiten ausgerichtet. Neben der künstlerischen Schulung wurde großen Wert auf die individuelle Persönlichkeitsbildung gelegt. Der Arbeitsaufwand umfasste ca. 4.500 Stunden.

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Vom XX. September 2002 bis zum XX. Dezember 2003 absolvierte die Klägerin eine Vollzeitausbildung zur Heileurythmistin an der Schule für Eurythmische Heilkunst in C. Die Zusatzausbildung erforderte einen Arbeitsaufwand von ca. 1.500 bis 1.800 Stunden (Unterricht, Übungsstunden, Praktika, Vor- und Nachbereitung, Eigenarbeit). Wegen der Einzelheiten wird auf das eingereichte Rahmen-Curriculum und die Ausbildungsübersicht der Schule für eurythmische Heilkunst in C für das Ausbildungsjahr 2002/2003 verwiesen.

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Die Klägerin erhielt am XX. Dezember 2003 das Heileurythmie-Diplom, welches von der Schule, der Gesellschaft für Anthroposophische Heilkunst und Eurythmie e.V. und der Medizinischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum in Dornach / Schweiz verliehen wurde. Die Schule erklärte die Klägerin für befähigt, im Zusammenhang mit einem Arzt bei Erwachsenen und Kindern Heileurythmie anzuwenden.

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Die Klägerin ist Mitglied des Berufsverbands Heileurythmie e.V. Nach § 3 Ziff. 1 Satz 1 der Satzung des Berufsverbands kann nur Mitglied werden, wer ein Abschlusszeugnis für Eurythmie und Heileurythmie / Eurythmie Therapie hat, sowie gemäß den Richtlinien des Berufsverbandes eine Berufsqualifikation erworben hat. Nach Ziff. 1.1. der Richtlinien gelten als Ausbildung im Sinne der Satzung ein abgeschlossenes Eurythmiestudium und eine vollständige Heileurythmieausbildung mit Abschlussdiplom der Medizinischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum in Dornach / Schweiz.

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Weder die Klägerin noch die Berufsverbände für die Heileurythmie sind nach § 124 SGB V von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen zugelassen worden.

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Anfang 2006 schlossen mehrere gesetzliche Krankenkassen mit den Berufsverbänden der anthroposophischen Heilkunst Verträge zur Durchführung Integrierter Versorgung mit Anthroposophischer Medizin auf der Grundlage der §§ 140a ff. SGB V (sog. IV-Verträge). Der Berufsverband, in dem die Klägerin Mitglied ist, war einer der Vertragspartner.

10

Nach § 2 Ziff. 1 der IV-Verträge gehört die Heileurythmie zu den Versorgungsinhalten der anthroposophischen Medizin. Die nicht- ärztlichen Therapieverfahren sollen nach § 2 Ziff. 4 Buchst. a) der IV-Verträge auf ärztliche Anordnung durch speziell ausgebildete Therapeuten erbracht werden. Die Ausbildung und Eignung müssen durch den Berufsverband überprüft und anerkannt werden. Die spezielle Ausbildung wird gemäß § 6 Ziff. 4 Satz 2 der IV-Verträge angenommen, wenn der Heilmittelerbringer eine durch den Berufsverband ausgestellten Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung oder eine Gleichwertigkeitsbescheinigung nachweisen kann. Die Teilnahmeberechtigung wird nach § 6 Ziff. 3 von dem Berufsverband erteilt, wenn die in § 6 Ziff. 4 genannten Voraussetzungen nachgewiesen sind und die Regelungen der sog. IV-Verträge anerkannt werden.

11

In der Anlage 4 zu den sog. IV-Verträgen (Vereinbarung über die Versorgung mit Heilmitteln der Anthroposophischen Medizin) sind zwischen den Berufsverbänden der anthroposophischen Heilkunst und den gesetzlichen Krankenkassen folgende zusätzliche Vereinbarungen getroffen worden:

12

- Nach § 1 Ziff. 3 sind die Grundlage der Vereinbarung §§ 124 ff. SGB V in analoger Anwendung.

13

- Nach § 2 Ziff. 1 Sätze 1 bis 3 werden die Heilmittel nach der Vereinbarung auf der Grundlage einer vertragsärztlichen Verordnung von speziell ausgebildeten Therapeuten erbracht. Die Erstverordnung des Vertragsarztes bedarf der Genehmigung durch die Krankenkasse, wenn nicht die Krankenkasse hierauf schriftlich gegenüber dem Leistungserbringer verzichtet.

14

- Nach § 2 Ziff. 1 Sätze 4 und 5 setzt die Leistungserbringung eine Zulassung des Leistungserbringers durch den jeweiligen Berufsverband voraus. Die Durchführung einer Behandlung darf nur von einem hierfür entsprechend der Gemeinsamen Empfehlungen nach § 124 Abs. 4 SGB V qualifizierten Therapeuten und in nach § 124 Abs. 2 SGB V zugelassenen Praxen erfolgen.

15

Es beteiligten sich zwölf gesetzliche Krankenkassen an den sog. IV-Verträgen (Stand 5. Dezember 2012):

16

- BKK B. Braun Melsungen AG

- BKK Ernst & Young

- BKK Diakonie

- BKK Herkules

- BKK Kassana

- BKK KBA

- BKK S-H

- BKK Wirtschaft & Finanzen

- Die Bergische Krankenkasse

- mhplus BKK

- R+V Betriebskrankenkasse

- Vereinigte BKK

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Die Anzahl der beteiligten Krankenkassen hat sich auch später nicht erhöht (12 Krankenkassen, Stand 24. Februar 2014).

18

Am XX.XX 2009 bescheinigte der Berufsverband Heileurythmie e.V. der Klägerin, dass sie nach Überprüfung der Teilnahmevoraussetzungen an den Verträgen zur Durchführung Integrierter Versorgung mit Anthroposophischer Medizin nach §§ 140a ff. SGB V teilnehmen könne. Die Klägerin war ab dem Datum der Bescheinigung berechtigt, Leistungen nach den sog. IV-Verträgen zu erbringen.

19

Für das Streitjahr 2011 gab die Klägerin keine Gewerbesteuererklärung ab. Deshalb schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen mit Gewerbesteuermessbetragsbescheid vom XX. XX 2012. Grundlage der Schätzung war eine von der Klägerin abgegebene Einnahmenüberschussrechnung, die einen Gewinn in Höhe von 42.874,33 € auswies.

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Die Klägerin legte am XX. XX 2012 mit der Begründung Einspruch ein, dass sie keinen Gewerbebetrieb führe, sondern freiberuflich tätig sei. Dies ergebe sich daraus, dass sie ihre Leistungen mit den Krankenkassen abrechnen könne. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die Bescheinigung ihres Berufsverbands vom XX. XX 2009 den Kriterien entspreche, die der BFH in seinem Urteil vom 8. März 2012 (V R 30/09) zur Umsatzsteuerfreiheit der Heileurythmie verlangt habe. Außerdem führte sie aus, dass der Beruf des Heileurythmisten zwar noch in dem BMF-Schreiben vom 3. März 2003, IV A 6 - S 2246 - 8/03 -, BStBl I 2003, 183 als "nicht ähnlicher Beruf" im Sinne des § 18 EStG bezeichnet worden sei. Dagegen sei dieser Passus in dem BMF-Schreiben vom 4. Februar 2004, IV A 6 - S 2246 - 3/04 - ersatzlos entnommen worden. Zudem könnten die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Beschluss vom 29. Oktober 1999, 2 BvR 1264/90, der zur Umsatzsteuer ergangen sei, auf die Gewerbesteuer übertragen werden. Danach könne eine Steuerbefreiung nicht von dem Vorliegen oder dem Fehlen einer berufsrechtlichen Regelung abhängig gemacht werden. Dementsprechend habe der BFH mit Urteil vom 28. August 2003 (IV R 69/00) seine Rechtsprechung dahingehend geändert, dass ein ähnlicher Beruf im Sinne des § 18 EStG nicht mehr vom Vorliegen einer staatlichen Erlaubnis abhängig sei. Es sei nur noch festzustellen, ob die Ausbildung, die Erlaubnis und die Tätigkeit mit den Erfordernissen des § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB V vergleichbar seien.

21

Sei ein Heileurythmist auf der Grundlage der Verträge zur Durchführung Integrierter Versorgung mit Anthroposophischer Medizin nach §§ 140a ff. SGB V zugelassen worden, sei dies mit einer Zulassung nach § 124 SGB V vergleichbar. In der Anlage 4 zu dem Vertrag sei selbst die Rede davon, dass die Regelungen der §§ 124 SGB V entsprechend angewendet werden würden. In § 2 Satz 4 der Anlage 4 werde ausgeführt, dass die Durchführung einer Behandlung nur von hierfür entsprechend der Gemeinsamen Empfehlungen nach § 124 Abs. 4 SGB V qualifizierten Therapeuten und in nach § 124 Abs. 2 SGB V zugelassenen Praxen erfolgen dürfe. Der BFH habe in seinem Urteil vom 8. März 2012 (V R 30/09) bezüglich der Umsatzsteuer die Regelungen der sog. IV-Verträge als Befähigungsnachweis angesehen. Dies müsse auch für die Gewerbesteuer gelten.

22

Der Beklagte stellte darauf ab, dass die Klägerin - nach einer bei der Klägerin für die Jahre 2009 bis 2011 durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung - regelmäßig direkt mit den jeweiligen Patienten abgerechnet habe. Dies sei auch bei Kassenpatienten so gewesen. Er ermittelte, dass die Leistungen der Klägerin aus den sog. IV-Verträgen für das Jahr 2010 nur 1,12 % (XXX,XX € von XX.XXX,XX €) und für das Jahr 2011 nur 31 % (XX.XXX,XX € von XX.XXX,XX €) betragen hätten. Außerdem verwies der Beklagte auf die Urteile des BFH vom 19. September 2002, BStBl II 2003, 21 [BFH 19.09.2002 - IV R 45/00] (Fußreflexzonenmasseur) und vom 21. Juni 1990, BStBl II 1990, 804 [BFH 21.06.1990 - V R 97/84] (Heileurythmist), in denen der BFH jeweils von gewerblichen Einkünften ausgegangen sei.

23

Die Klägerin war der Auffassung, dass die von dem Beklagten zitierten Urteile überholt seien, weil der BFH seine Rechtsprechung mit Urteil vom 28. August 2003 (IV R 69/00) geändert habe. Die Ähnlichkeit der Heilhilfsberufe scheitere nicht mehr daran, dass der Steuerpflichtige keine staatliche Erlaubnis zur Führung einer Berufsbezeichnung habe. Ausreichend sei nunmehr, dass er über eine Erlaubnis seiner beruflichen Organisation verfüge, die ihm Kenntnisse bescheinige, die den Anforderungen einer staatlichen Prüfung für die Ausübung der Heilhilfsberufe vergleichbar seien. Die Teilnahme der Klägerin an den Verträgen zur Integrierten Versorgung mit Anthroposophischer Medizin und die damit einhergehende Kostenübernahme seitens der Krankenkassen seien ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer ähnlichen Ausbildung, Erlaubnis und Tätigkeit. Genauso, wie bei der Anerkennung der Umsatzsteuerbefreiung die Teilnahme an den sog. IV-Verträgen einer Zulassung des Steuerpflichtigen nach § 124 SGB V gleichgestellt werde, müsse dies auch für die Ähnlichkeit des Berufs gelten.

24

Mit Einspruchsbescheid vom XX. XX 2014 wurde der Einspruch zurückgewiesen. Der Beklagte stellte darauf ab, dass weder die Klägerin noch ihre Berufsgruppe nach § 124 Abs. 2 SGB V zugelassen worden seien. Die Ausführungen in der Anlage 4 der Vereinbarung zwischen dem Berufsverband der Heileurythmie und den beigetretenen gesetzlichen Krankenkassen würden eine solche Zulassung nicht ersetzen. Ein Gutachten über die Vergleichbarkeit mit den Erfordernissen des § 124 Abs. 2 Satz 1 bis 3 SGB V sei nicht vorgelegt worden. Soweit sich die Klägerin auf die Teilnahme an den sog. IV-Verträgen berufe, reiche dies -auch unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 28. August 2003 - nicht aus. Nach dem BFH-Urteil müssten die für den vergleichbaren Katalogberuf erforderlichen Kenntnisse nachgewiesen werden und die Arbeit nach Maßgabe der sog. IV-Verträge müsse den wesentlichen Teil der gesamten Berufstätigkeit ausmachen. Im vorliegenden Fall würde die Arbeit nach Maßgabe der IV-Verträge dem Beruf nicht das Gepräge geben.

25

Mit am XX. XX 2014 eingegangener Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

26

Sie führt aus, dass ihre Berufsausbildung mit dem Katalogberuf eines "Krankengymnasten" vergleichbar sei. Sie verfüge über eine fünfeinhalbjährige Vollzeit-Ausbildung, die den Qualitätskriterien ihres Berufsverbands entspreche. Die Berufsausbildung sei damit zeitintensiver, als die Ausbildung zum Krankengymnasten oder Physiotherapeuten.

27

Auf der Grundlage der IV-Verträge würde eine Qualitätssicherung in Bezug auf die Ausbildung und Qualifikation der Therapeuten stattfinden. Die §§ 124 ff. SGB V seien analog anwendbar. Die Leistungserbringung im Rahmen der IV-Verträge würde eine Zulassung des Leistungserbringers seitens des Berufsverbands voraussetzen. Diese Zulassung werde nur erteilt, wenn der Antragsteller eine anerkannte Heileurythmie-Ausbildung erfolgreich abgeschlossen habe.

28

Für die Umsatzsteuer werde nach dem BFH-Urteil vom 8. März 2012 (V R 30/09) nicht mehr in Frage gestellt, dass sich der berufliche Befähigungsnachweis aus dem Abschluss und der Teilnahme an einem sog. IV-Vertrag richten könne.

29

Auch die Berufstätigkeit sei mit dem Katalogberuf "Krankengymnasten" vergleichbar. Heileurythmie sei eine Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG. Dies habe der BFH in seinem Urteil vom 8. März 2012 (V R 30/09) festgestellt. Die Heilbehandlung durch die Klägerin erfolge jeweils aufgrund einer ärztlichen Verordnung. Ohne eine ärztliche Verordnung wäre die Erbringung von Heileurythmie eine unerlaubte Ausübung von Heilkunde und stände nach §§ 1, 5 Heilpraktikergesetz unter Strafe.

30

Auch der Physiotherapeut mit der staatlich verliehenen Berufsbezeichnung dürfe nur aufgrund einer ärztlichen Verordnung tätig werden. Die Tätigkeit der Klägerin sei insoweit mit einem Krankengymnasten vergleichbar. Es bestehe zwar insoweit ein Unterschied, als die Klägerin über keine staatlich verliehene Berufsbezeichnung verfüge. Sie habe ihre Berufsbezeichnung privatrechtlich durch den Berufsverband erhalten. Dies sei aber seit der Änderung der BFH-Rechtsprechung durch das Urteil vom 28. August 2003 (IV R 69/00) kein relevanter Unterschied mehr. Die Bezeichnung werde außerdem markenrechtlich geschützt.

31

Anstelle einer Kassenzulassung nach §§ 124, 125 SGB V verfüge die Klägerin über eine Zulassung des Berufsverbands zur Teilnahme an den Verträgen zur Integrierter Versorgung mit Anthroposophischer Medizin nach §§ 140a ff. SGB V. Zu Recht sei der BFH in seinem Urteil vom 8. März 2012 a.a.O. zu dem Ergebnis gelangt, dass die "Zulassung" eines Leistungserbringers zu den sog. IV-Verträgen der Zulassung eines Leistungserbringers nach §§ 124 f. SGB V oder der Aufnahme in den Heilmittel-Katalog der GKV gleichstehe.

32

Nahezu 90 % der Heileurythmie-Leistungen der Klägerin würden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Dies erfolge entweder im Rahmen der sog. IV-Verträge oder als Satzungsleistungen nach § 11 Abs. 6 SGB V oder im Wege der Kostenerstattung auf der Grundlage des Urteils des BSG vom 22. März 2005 (B 1 A 1/03 R). Soweit der Beklagte darauf abstelle, dass im Streitjahr 2010 nur 1,12 % der Gesamtleistungen der Klägerin über die sog. IV-Verträge abgerechnet worden seien und im Jahr 2011 der Anteil bei ca. 31 % der Gesamtleistungen gelegen habe, sei zu berücksichtigen, dass im Falle eines Neubeitritts zu den sog. IV-Verträgen die Zahlungsströme nur sukzessive umgestellt werden würden.

33

Es sei nach dem BFH-Urteil vom 8. März 2012 auch irrelevant, wie viele Krankenkassen an den sog. IV-Verträgen teilnehmen würden. Da die berufliche Befähigung nicht "teilbar" sei, führe die Zulassung des Steuerpflichtigen zur Teilnahme an den sog. IV-Verträgen insgesamt zur Vergleichbarkeit der Berufsausübung mit einem Katalogberuf nach § 18 EStG.

34

Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2011 vom XX. XX 2012 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom XX. XX 2014 aufzuheben.

36

Der Beklagte beantragt,

37

die Klage abzuweisen.

38

Ein ähnlicher Beruf im Sinne des § 18 EStG liege vor, wenn die jeweils ausgeübte Tätigkeit nach den sie charakterisierenden Merkmalen vergleichbar sei, wenn die Ausbildung vergleichbar sei und wenn die Bedingungen, an die das Gesetz die Ausübung des vergleichbaren Berufs knüpfe, vergleichbar seien. Dies mache vergleichbare berufsrechtliche Regelungen über Ausbildung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung erforderlich (BMF-Schreiben vom 22. Oktober 2004, BStBl I 2004, 1010; BMF-Schreiben vom 17. Dezember 2012, BStBl I 2012, 1260). Nach dem BFH-Urteil vom 21. Juni 1990, BStBl II 1990, 804 [BFH 21.06.1990 - V R 97/84] sei ein Heileurythmist gewerblich tätig, weil die Ausübung der Heileurythmie keiner Erlaubnis bedürfe und nicht der Überwachung der Gesundheitsämter unterliege. Auch ein Fußreflexzonenmasseur sei nicht freiberuflich tätig, weil wesentliche Berufsmerkmale der vergleichbaren Katalogberufe (Heilpraktiker, Krankengymnasten) die staatliche Erlaubnis der Berufsausübung und die damit verbundene Überwachung durch die Gesundheitsämter seien (BFH-Urteil vom 19. September 2002, BStBl II 2003, 21 [BFH 19.09.2002 - IV R 45/00]). Das Vorhandensein von berufsrechtlichen Regelungen sei nach Abs. 7 des BMFSchreibens vom 17. Dezember 2012 Voraussetzung für die Ähnlichkeit mit einem Katalogberuf.

39

Weder die Klägerin noch ihre Berufsgruppe seien nach § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen zugelassen worden. Die Vereinbarung in der Anlage 4 der sog. IV-Verträge würden nicht einer Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V entsprechen. Zwar müsse es sich bei der nach § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V geforderten Erlaubnis zur Führung einer Berufsbezeichnung nicht zwingend um eine staatliche Erlaubnis handeln (BFH-Urteil vom 11. November 2004, BStBl II 2005, 316 [BFH 11.11.2004 - V R 34/02]). Es könne ausreichen, wenn die Berufsbezeichnung durch das Wettbewerbsrecht oder Namensrecht geschützt sei. Vorliegend sei aber nur die Marke "Heileurythmie" geschützt.

40

Nach dem Urteil des BFH vom 28. August 2003, BStBl II 2004, 954 [BFH 28.08.2003 - IV R 69/00] müssten die für den vergleichbaren Katalogberuf erforderlichen Kenntnisse nachgewiesen sein, die qualifizierte Arbeit müsse den wesentlichen Teil der gesamten Berufstätigkeit ausmachen und dem ähnlichen Beruf das Gepräge geben. Bei den Leistungen der Klägerin, die nicht im Rahmen der sog. IV-Verträge erbracht werden würden, sei nicht sichergestellt, wer die Leistungen erbringe, noch welche Anforderungen der Leistungserbringer zu erfüllen habe.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

42

I. Das beklagte Finanzamt hat den von der Klägerin erzielten Gewinn zu Recht der Gewerbesteuer unterworfen.

43

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG kann eine selbständige Betätigung nur ein Gewerbetrieb sein, wenn sie nicht als Ausübung eines freien Berufs anzusehen ist. Zu einer freiberuflichen Tätigkeit gehören gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG u.a. die selbständigen Berufe des Heilpraktikers und des Krankengymnasten sowie ähnliche Berufe.

44

2. Die Klägerin übte in dem Streitjahr keine Berufstätigkeit als Heilpraktikerin oder als Krankengymnastin aus. Das ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Die Betätigung der Klägerin als Heileurythmistin stellt aber auch keinen ähnlichen Beruf im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG dar.

45

a) Ein ähnlicher Beruf liegt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (-BFH-) vor, wenn er in wesentlichen Punkten mit einem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Katalogberufe verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit sowohl der Ausbildung als auch der ausgeübten beruflichen Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 2002 IV R 94/99, BStBl II 2002, 565; BFH-Urteil vom 19. September 2002 IV R 45/00, BStBl II 2003, 21; BFH-Urteil vom 6. September 2006 XI R 64/05, BStBl II 2007, 177). Die für den vergleichbaren Katalogberuf erforderlichen Kenntnisse müssen nachgewiesen sein, die so qualifizierte Arbeit muss den wesentlichen Teil der gesamten Berufstätigkeit ausmachen und dem ähnlichen Beruf das Gepräge im Sinne des Katalogberufs geben (BFH-Urteil vom 7. September 1989 IV R 156/86, BFH/NV 1991, 359; BFH-Urteil vom 5. Oktober 1989 IV R 154/86, BStBl II 1990, 73; BFH-Urteil vom 21. März 1996 XI R 82/94, BStBl II 1996, 518; BFH-Urteil vom 18. Mai 2000 IV R 89/99, BStBl II 2000, 625; BFH-Urteil vom 19. September 2002 IV R 45/00, BStBl II 2003, 21; BFH-Urteil vom 28. August 2003 IV R 69/00, BStBl II 2004, 954; BFH-Urteil vom 22. Januar 2004 IV R 51/01, BStBl II 2004, 509). Ist für die Ausübung des Katalogberufs eine Erlaubnis erforderlich oder ist die Ausübung des Katalogberufs ohne Erlaubnis mit Strafe bedroht, so kann eine Ähnlichkeit nur gegeben sein, wenn für die Ausübung des vergleichbaren Berufs ebenfalls eine Erlaubnis erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 1989 IV R 117/87, BStBl II 1990, 153; BFH-Urteil vom 15. Mai 1997 IV R 33/95, BFH/NV 1997, 751; BFH-Urteil vom 19. September 2002 IV R 45/00, BStBl II 2003, 21; BFH-Urteil vom 22. Januar 2004 IV R 51/01, BStBl II 2004, 509).

46

b) Die Tätigkeit der Klägerin ist nicht der eines Heilpraktikers ähnlich. Es fehlt an der für die Ausübung dieses Berufs notwendigen staatlichen Erlaubnis.

47

aa) Der BFH hat dieses Ergebnis in seinem Urteil vom 28. August 2003 (IV R 69/00, BStBl II 2004, 954 [BFH 28.08.2003 - IV R 69/00], für einen Audio-Psycho-Phonologen) aus der Erlaubnispflicht gemäß § 1 Abs. 1 Heilpraktikergesetz (-HeilprG-) abgeleitet. Die Erlaubnis ist nach § 2 Abs. 1 Buchst. i der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz (- HeilprGDV 1 -) zu versagen, wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Volksgesundheit bedeuten würde. Das Ausüben der Heilkunde ohne Erlaubnis ist strafbar (§ 5 HeilprG). Das zuständige Gesundheitsamt ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HeilprGDV 1 zur Rücknahme der Erlaubnis verpflichtet, wenn nachträglich Tatsachen eintreten oder bekannt werden, die eine Versagung der Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 HeilprGDV 1 rechtfertigen würden.

48

bb) Der BFH hat hierzu erläutert, dass sich der Beruf des Heilpraktikers ausschließlich durch die Art der Tätigkeit und der damit verbundenen Erlaubnispflicht definiere. Da es für den Heilpraktikerberuf an einem vorgeschriebenen Ausbildungsgang fehle, könne die Ähnlichkeit des Vergleichsberufs nicht anhand der Ausbildung festgestellt werden. Es komme deshalb für die Ähnlichkeit des Vergleichsberufs beim Heilpraktiker nicht darauf an, dass die Ausbildung in Tiefe und Breite der des Katalogberufs vergleichbar sei. Maßgeblich seien vielmehr die Vergleichbarkeit der Tätigkeit und das Vorhandensein einer staatlichen Erlaubnis (BFH-Urteil vom 28. August 2003 IV R 69/00, BStBl II 2004, 954). Der Senat schließt sich diesen Erwägungen an. Da die Klägerin unstreitig über keine staatliche Erlaubnis verfügt, ist ihre Tätigkeit als Heileurythmistin nicht mit dem Katalogberuf des Heilpraktikers vergleichbar (ebenso: BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BStBl II 1976, 621; BFH-Urteil vom 19. September 2002 IV R 45/00, BStBl II 2003, 21; vgl. auch BFH-Urteil vom 22. Januar 2004 IV R 51/01, BStBl II 2004, 509).

49

c) In seinem Urteil vom 28. August 2003 (IV R 69/00, BStBl II 2004, 954) hat der BFH aber auch ausgeführt, dass eine Berufstätigkeit, die sich auf einzelne heilkundliche Verrichtungen beschränkt, ohne einer staatlichen Erlaubnis zu bedürfen, dem Katalogberuf eines Krankengymnasten ähnlich sein kann (unter Aufgabe der Rechtsprechung im BFH-Urteil vom 21. Juni 1990 V R 97/84, BStBl II 1990, 804 und als Reaktion auf den Beschluss des BVerfG vom 29. Oktober 1999 - 2 BvR 1264/90, BStBl II 2000, 155).

50

aa) Zwar bedarf sowohl die Berufsausübung als "Krankengymnast" (vgl. § 1 des Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten vom 21. Dezember 1958 -MBKG-, BGBl I 1958, 985) als auch die Berufsausübung unter der Berufsbezeichnung als "Physiotherapeut" - die ab 1994 an die Stelle der Berufsbezeichnung "Krankengymnast" getreten ist (§ 1 des Gesetzes über die Berufe in der Physiotherapie -MPhG- vom 26. Mai 1994, BGBl I 1994, 1084) - ebenfalls einer Erlaubnis. Das Gesetz schützt insoweit aber lediglich die Berufsbezeichnung. Das Gesetz enthält - anders als § 1 Abs. 1 HeilprG - kein Verbot der Ausübung einer Tätigkeit, die inhaltlich der Tätigkeit eines Krankengymnasten oder Physiotherapeuten entspricht. Die Tätigkeit eines Krankengymnasten oder Physiotherapeuten kann deshalb - unter einer anderen Berufsbezeichnung - auch von Personen ausgeübt werden, die die Voraussetzungen nach dem MBKG bzw. MPhG nicht erfüllen. Selbst das unbefugte Führen der Berufsbezeichnung ist nicht strafbar, sondern stellt lediglich eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 14 MBKG, § 15 MPhG).

51

bb) Vor diesem Hintergrund macht der BFH für die Vergleichbarkeit der Ausbildung mit dem Katalogberuf des Krankengymnasten nicht das Vorliegen einer staatlich reglementierten Ausbildung und Prüfung zur Voraussetzung. Die Vergleichbarkeit der Ausbildung wird auch dann angenommen, wenn eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V vorliegt. Die Vorschrift regelt die Zulassung der Erbringer von "Heilmitteln als Dienstleistungen" durch die gesetzlichen Krankenkassen. Zuzulassen ist, wer

52

- die für die Leistungserbringung erforderliche Ausbildung sowie eine entsprechende zur Führung der Berufsbezeichnung berechtigende Erlaubnis besitzt (§ 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V),

53

- über eine Praxiseinrichtung verfügt, die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung gewährleistet (§ 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V), und

54

- die für die Versorgung der Versicherten geltenden Vereinbarungen anerkennt (§ 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V).

55

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG-Urteil vom 25. September 2001 B 3 KR 13/00 R, SozR 3-2500 § 124 Nr. 9) und des BFH (BFH-Urteil vom 28. August 2003 IV R 69/00, BStBl II 2004, 954 [BFH 28.08.2003 - IV R 69/00]) muss es sich bei der in § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V geforderten Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung nicht notwendigerweise um eine staatliche Erlaubnis handeln. Es reicht aus, wenn der Steuerpflichtige über die Erlaubnis seiner beruflichen Organisation verfügt, die Kenntnisse bescheinigt, die den Anforderungen einer staatlichen Prüfung für die Ausübung der Heilhilfsberufe vergleichbar sind. Hiermit ist sowohl dem Erfordernis einer vergleichbaren Ausbildung als auch dem einer Erlaubnis Genüge getan. Es genügt in diesen Fällen, wenn die Berufsbezeichnung beispielsweise durch das Wettbewerbs- oder Namensrecht geschützt ist (BFH-Urteil vom 28. August 2003 IV R 69/00, BStBl II 2004, 954; vgl. auch Urteil des FG Düsseldorf vom 12. Mai 2004 - 13 K 1030/01 G, EFG 2005, 958).

56

cc) In Anbetracht dessen ist die Zulassung des Steuerpflichtigen bzw. die Zulassung seiner Berufsgruppe nach § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen ein ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer dem Katalogberuf des Krankengymnasten ähnlichen Tätigkeit (BFH-Urteil vom 28. August 2003 IV R 69/00, BStBl II 2004, 954 [BFH 28.08.2003 - IV R 69/00]). Fehlt es an einer solchen Zulassung, hat das Finanzgericht festzustellen, ob die Ausbildung, die Erlaubnis und die Tätigkeit des Steuerpflichtigen mit den Erfordernissen des § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB V vergleichbar sind (BFH-Urteil vom 28. August 2003 IV R 69/00, BStBl II 2004, 954).

57

d) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass weder die Klägerin noch ihre Berufsgruppe gemäß § 124 Abs. 2 SGB V zugelassen worden ist. Die Leistungen der Heileurythmisten sind auch nicht in den durch die Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinien gemäß § 92 SGB V konkretisierten Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen worden (vgl. nur www.gesundheit- aktiv.de: Welche gesetzlichen Krankenkassen berücksichtigen die Anthroposophische Medizin?; Stand 16.01.2015; vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 11. November 2004 V R 34/02, BStBl II 2005, 316; BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623 [BFH 08.03.2012 - V R 30/09]). Es kommt mithin darauf an, ob die Ausbildung, die Erlaubnis und die Tätigkeit des Steuerpflichtigen mit den Erfordernissen des § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB V vergleichbar sind. Dies ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall.

58

aa) Dabei geht der Senat davon aus, dass der BFH seine Rechtsprechung in dem Urteil vom 28. August 2003 a.a.O. gelockert hat, weil auch Heilhilfsberufe, die sich neu entwickeln und für die noch keine staatlichen Regelungen geschaffen sind, ihrer Art nach eine freiberufliche Tätigkeit sein können. Damit die Anerkennung als freiberuflich nicht allein an der fehlenden staatlichen Erlaubnis scheitert, lässt der BFH nunmehr auch die Erlaubnis privater Berufsorganisationen ausreichen. Dies gilt aber nur, wenn der Berufsverband Kenntnisse bescheinigt, die den Anforderungen einer staatlichen Prüfung für die Ausübung der Heilhilfsberufe vergleichbar sind (BFH-Urteil vom 28. August 2003 IV R 69/00, BStBl II 2004, 954 [BFH 28.08.2003 - IV R 69/00], Tz. 33, zitiert nach ). Nur das formale Erfordernis der staatlichen Erlaubnis wird durch die Erlaubnis des jeweiligen Berufsverbandes ersetzt, nicht aber das inhaltliche Erfordernis, dass die Ausbildung in Breite und Tiefe mit der Ausbildung in dem Katalogberuf vergleichbar sein muss. Hierfür spricht auch der Wortlaut des § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V, der neben der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung kumulativ eine für die Leistungserbringung erforderliche Ausbildung verlangt. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, das der BFH das Erfordernis der vergleichbaren Ausbildung, das nach ständiger Rechtsprechung für die Anerkennung eines ähnlichen Berufs erfüllt sein muss (vgl. nur aus der neuesten Rechtsprechung: BFH-Urteil vom 16. September 2014 VIII R 8/12, ; BFH-Beschluss vom 7. März 2013 III B 134/12, BFH/NV 2013, 930; BFH-Beschluss vom 9. März 2012 III B 244/11, BFH/NV 2012, 1119; BFH-Urteil vom 22. April 2010 VIII B 264/09, BFH/NV 2010, 1300; BFH-Urteil vom 22. September 2009 VIII R 63/06, BStBl II 2010, 466; BFH-Urteil vom 22. September 2009 VIII R 79/06, BStBl II 2010, 404; BFH-Beschluss vom 12. Juli 2007 XI B 28/07, BFH/NV 2007, 1883; BFH-Urteil vom 18. April 2007 XI R 34/06, BFH/NV 2007, 1495; BFH-Urteil vom 31. August 2005 XI R 62/04, BFH/NV 2006, 505), für Heilhilfsberufe - und zwar nur für Heilhilfsberufe - aufgegeben hat. Hiergegen spricht auch, dass der IV. Senat des BFH in dem Anfragebeschluss vom 20. März 2003 (IV R 69/00, BStBl II 2003, 480) für den Fall des Audio-Psycho-Phonologen selbst von der Notwendigkeit der Vergleichbarkeit der Ausbildung in Breite und Tiefe gesprochen hat (Tz. 17, zitiert nach ).

59

Deshalb versteht der Senat die Ausführungen in dem Urteil vom 28. August 2003 a.a.O. dahingehend, dass nur bei einer Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V typisierend davon ausgegangen wird, dass eine vergleichbare Ausbildung stattgefunden hat. Die typisierende Annahme ist zum einen durch die Berufsausübungserlaubnis des Berufsverbandes und zum anderen durch die externe Prüfung und Zulassung durch die Krankenkassen nach § 124 Abs. 2 SGB V gerechtfertigt. Ist keine Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V vorhanden, reicht die bloße Erlaubnis des Berufsverbandes für sich allein dagegen nicht aus, eine vergleichbare Ausbildung annehmen zu können. Es fehlt an der externen Bestätigung durch die gesetzlichen Krankenkassen. In diesem Fall müssen konkrete Feststellungen dazu getroffen werden, ob die Ausbildung nach Breite und Tiefe mit der des Katalogberufes vergleichbar ist. Ansonsten würden Tätigkeiten, die ohne vergleichbare Kenntnisse ausgeübt werden, allein aufgrund einer Berufsausübungserlaubnis eines privaten Berufsverbands als freiberuflich behandelt werden. Wird die Vergleichbarkeit der Kriterien, die der private Berufsverband zugrunde gelegt hat, nicht durch die "neutralen" gesetzlichen Krankenkassen (die nur der Erhaltung, Wiederherstellung und Verbesserung der Gesundheit der Versicherten verpflichtet sind, vgl. § 1 SGB V) in Form einer Zulassung gemäß § 124 Abs. 2 SGB V bestätigt, bedarf es Feststellungen zur inhaltlichen Breite und Tiefe der Ausbildung.

60

bb) Der Senat kann nicht feststellen, dass die Ausbildung der Klägerin in Breite und Tiefe der Ausbildung eines Krankengymnasten oder eine Physiotherapeuten vergleichbar ist.

61

aaa) Die dreijährige Ausbildung zum Physiotherapeuten - die die Ausbildung zum Krankengymnasten seit 1994 abgelöst hat - umfasst nach § 1 Abs. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten (-PhyTh-APrV-) vom 6. Dezember 1994 (BGBl I S. 3786), zuletzt geändert durch Art. 13 der Verordnung vom 2. August 2013 (BGBl I S. 3005) theoretischen und praktischen Unterricht im Umfang von 2.900 Stunden und eine praktische Ausbildung im Umfang von 1.600 Stunden. Entgegen einer in der mündlichen Verhandlung geäußerten Vermutung der Klägerin wurde der zeitliche Umfang der Physiotherapeuten-Ausbildung im Laufe der Jahre nicht erhöht. Die zeitlichen Vorgaben galten bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens der PhyTh-APrV im Jahre 1994 (vgl. BGBl I 1994, S. 3786).

62

In der Ausbildung wird vermittelt, wie der Bewegungsapparat eines Menschen aufgebaut ist und funktioniert, wie Blut, Kreislauforgane, Nerven- und Lymphsysteme aufgebaut sind und wie das Zentralnervensystem funktioniert. Weiter wird gelehrt, wie Krankheiten entstehen, ablaufen und wie man sie feststellt. Der Auszubildende lernt, wie Befunde erhoben, bewertet und dokumentiert werden, wie Therapiepläne erstellt werden und wie auf dieser Grundlage geeignete Behandlungen durchgeführt werden. Die Ausbildung vermittelt, welche krankengymnastischen Behandlungstechniken es gibt, wie sie wirken und wie man sie anwendet. Die einzelnen krankengymnastischen Therapien werden gelehrt. Schließlich werden die Wechselwirkungen zwischen Bewegung und Persönlichkeit sowie psychologische, pädagogische und soziologische Aspekte im Umgang mit kranken Menschen beigebracht (vgl. berufenet, arbeitsagentur.de, Stichwort: "Physiotherapeut/in", Ausbildungsinhalte).

63

Dazu erhält der Auszubildende Unterricht in folgenden Fächern (vgl. Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 PhysTh-APrV):

64
Theoretischer und praktischer UnterrichtStunden
- Berufs-, Gesetzes- und Staatskunde40
- Anatomie240
- Physiologie140
- Allgemeine Krankheitslehre30
- Spezielle Krankheitslehre360
- Hygiene30
- Erste Hilfe und Verbandstechnik30
- Angewandte Physik und Biomechanik40
- Sprache und Schrifttum20
- Psychologie/Pädagogik/Soziologie60
- Prävention und Rehabilitation20
- Trainingslehre40
- Bewegungslehre60
- Bewegungserziehung120
- Physiotherapeutische Befund- und Untersuchungstechniken100
- Krankengymnastische Behandlungstechniken500
- Massagetherapie150
- Elektro,- Licht-, Strahlentherapie60
- Hydro-, Balneo-, Thermo- und Inhalationstherapie60
- Methodische Anwendung der Physiotherapie in den medizinischen Fachgebieten700
- zusätzliche Stunden (zu verteilen auf alle genannten Fächer)100
Summe2.900
65

Die praktische Ausbildung in Krankenhäusern oder anderen geeigneten medizinischen Einrichtungen erfolgt in folgenden Gebieten:

66
AusbildungsbereichStunden
- Chirurgie240
- Innere Medizin240
- Orthopädie240
- Neurologie240
- Pädiatrie160
- Psychiatrie80
- Gynäkologie80
- zusätzliche Stunden (auf die Fachgebiete zu verteilen)240
- sonstige Einrichtungen, Exkursionen80
Summe1.600
67

bbb) Demgegenüber zielt die Ausbildung zum Heileurythmisten im Wesentlichen auf die Erlernung einer Bewegungstherapie ab, die die Laute menschlichen Sprechens in wahrnehmbare Bewegungen umwandelt. Heileurythmie will einen Zusammenhang zwischen der äußeren Bewegung und den inneren funktionalen Vorgängen des Organismus schaffen. Die Wirksamkeit der ausgeführten Bewegungen setzt an der somatischen und funktionellen Ebene des Patienten an und bezieht die emotionale, psychosoziale und kognitive Ebene mit ein. Von der Krankengymnastik unterscheidet sich die Heileurythmie nach dem eigenen Selbstverständnis durch die Qualität der Bewegung, die die seelisch- geistige Dimension des Menschen integriert (Tz. 2.1. und 2.2. der eingereichten "Leitlinie zur Methode der Heileurythmie").

68

Nach dem eingereichten Rahmen-Curriculum erfordert die 1 1/2 jährige Ausbildung zur Heileurythmistin einen Arbeitsaufwand von ca. 1.500 bis 1.800 Stunden (Unterricht, Übungsstunden, Praktika, Vor- und Nachbereitung, Eigenarbeit), der sich wie folgt verteilt:

69

Theoretischer Unterricht (240 bis 350 Stunden Arbeitsaufwand)

- Methodische und ethische Grundlagen des therapeutischen Handelns

- Rechtliche und soziale Grundlagen

- Fachsprache, Einführung in wissenschaftliches Arbeiten

- Medizinische Grundlagen

- Theoretische Grundlagen der Bewegung

- Studium des Heileurythmiekurses

- Sozialkompetenz

70

Praktischer Unterricht (460 bis 500 Stunden Arbeitsaufwand)

- Allgemeine Bewegungslehre

- Methodische Anwendung der Heileurythmie in den medizinischen Fachbereichen

- Heileurythmische Diagnostik, Prozessführung und Dokumentation

- Prävention und Rehabilitation

71

Künstlerische Allgemeinbildung (50 bis 100 Stunden Arbeitsaufwand)

72

Praktika (300 bis 400 Stunden Arbeitsaufwand)

- Hospitationspraktikum

- Großes Praktikum (in der Regel 6 Monate)

73

Abschlussprüfung (bis zu 450 Stunden Arbeitsaufwand)

- Anfertigung einer schriftlichen Diplomarbeit

- Mündliche Prüfung

74

Nach der ebenfalls eingereichten Ausbildungsübersicht der Schule für eurythmische Heilkunst in C gliederte sich der Unterricht im Ausbildungsjahr 2002/2003 wie folgt auf:

75
Stundenmit DozentEigenarbeitSumme
Erfahrungsmedizin589290879
Schulmedizin237121358
Summe 826 4111.237
76

Dabei umfasste die "Erfahrungsmedizin" u.a. Grundübungen der Heileurythmie, Toneurythmie, Wahrnehmungsübungen, Sprachgestaltung, Leier-Unterricht und Berufskunde. Die "Schulmedizin" umfasste u.a. die Grundlagen der Stoffwechselphysiologie und Stoffwechselkrankheiten, die Anatomie, Physiologie und Pathologie der Organe, des Herz-Kreislaufsystems, des Nervensystems und der Sinnesorgane, die Anatomie und Pathologie des Auges und des Zahnsystems, die Anatomie des Kopfs und des Bewegungsapparats, Embryologie, Menschenkundeunterricht, Physiologie und Pathologie der kindlichen Entwicklung, Heilpädagogik und ethische Grundhaltung, psychiatrische Krankheiten und Suchtkrankheiten.

77

ccc) Der Vergleich zwischen der Physiotherapeuten-Ausbildung und der Heileurythmisten-Ausbildung zeigt bereits gravierende Unterschiede in der Ausrichtung der Ausbildung. Die Ausbildung zur Heileurythmistin hat einen künstlerischen und geistigen Schwerpunkt. Der Auszubildende soll dazu befähigt werden, "das Fühlen im Menschen" als zentrale Kraft zu erwecken, zu fördern und zu stärken. Die Therapie soll bei dem Patienten ein tastendes, bewegendes, formendes, lauschendes, schauendes Hineinfühlen in das eigene Leben bewirken (vgl. anschaulich die Webseite der Klägerin: XXXXXXXX). Die Ausbildung ist auf die ganzheitliche Betrachtung des Menschen und seines Leidens ausgerichtet.

78

Dagegen liegt der Schwerpunkt bei der Physiotherapeuten-Ausbildung eindeutig auf der Vermittlung von medizinischem Wissen über die Körperfunktionen und ihre Störungen. Künstlerisch- geistige Lerninhalte finden sich in der Ausbildungsordnung nicht. Die Ausbildungen sind deshalb weder konzeptionell noch fachlich- inhaltlich vergleichbar.

79

ddd) Fachliche Überschneidungen bestehen lediglich in der medizinisch- praktischen Wissensvermittlung. In diesem Bereich wird aber das erforderliche Wissen in der Heileurythmisten-Ausbildung deutlich oberflächlicher vermittelt, als in der Physiotherapeuten-Ausbildung. Dies ergibt sich bereits aus dem zeitlichen Aufwand, der in den Ausbildungsplänen für die Vermittlung des medizinischen Wissens vorgesehen ist. Die Kenntnisse, die ein Physiotherapeut in seiner Ausbildung für seine spätere berufliche Tätigkeit vermittelt erhält, werden in der Heileurythmisten-Ausbildung nicht in vergleichbarer Breite und Tiefe sondern nur in einem erheblich geringeren Umfang vermittelt. Diese Würdigung ergibt sich aus folgenden Feststellungen:

80

aaaa) Die vierjährige Eurythmie-Ausbildung vermittelt im Wesentlichen Kenntnisse in der anthroposophischen Tanzkunst für künstlerische und pädagogische Berufstätigkeiten sowie für die individuelle Persönlichkeitsbildung. In welchem Umfang die Anatomie und Physiologie des gesunden Menschen Bestandteil der Ausbildung waren, ist nicht substantiiert vorgetragen worden. Der Senat geht davon aus, dass die anatomische und physiologische Wissensvermittlung angesichts der schwerpunktmäßigen Ausrichtung der Ausbildung auf künstlerische und persönlichkeitsbezogene Bereiche marginal war. Unsicherheiten hierüber gehen zu Lasten der Klägerin, die trotz Aufforderung des Gerichts, zu der Ausbildung der Klägerin detailliert vorzutragen, keine konkreten Angaben zu der vierjährigen Eurythmie-Ausbildung gemacht hat.

81

bbbb) Die eigentliche Heileurythmie-Ausbildung ist bereits vom zeitlichen Umfang her (1 1/2 Jahre) deutlich kürzer als die Physiotherapeuten-Ausbildung (3 Jahre).

82

cccc) Werden die Angaben in dem Rahmen-Curriculum zur Heileurythmie-Ausbildung mit dem Ausbildungsplan der Physiotherapeuten verglichen, fällt auf, dass sich die Heileurythmisten-Ausbildung nur zum Teil mit den medizinischen Grundlagen und Behandlungstechniken beschäftigt. Für den Senat wäre die Vermittlung ganzheitlicher Kenntnisse unschädlich, wenn sich dies nicht massiv auf den Umfang der Wissensvermittlung in denjenigen Ausbildungsbereichen auswirken würde, die in der Physiotherapeuten-Ausbildung relevant sind. Insoweit gibt es aber gravierende Unterschiede in der Intensität der Ausbildung, die darauf schließen lassen, dass ein Physiotherapeut mit erheblich größeren medizinisch- praktischen Kenntnissen seinen Beruf ausübt als ein Heileurythmist. Dies ergibt sich aus folgendem Vergleich:

83
Ausbildung in StundenHeileurythmist Physiotherapeut lt. Rahmen-Curriculum
84
Theoretischer Unterricht240 bis 350
Praktischer Unterricht460 bis 500
Summe700 bis 8502.900
prozentual24 % bis 29 %100 %
85

Bei diesem Vergleich ist noch nicht berücksichtigt worden, dass bei der Heileurythmisten-Ausbildung nicht der gesamte Arbeitsaufwand im Umfang von 700 bis 850 Stunden auf die Themenbereiche entfällt, die in einer Physiotherapeuten-Ausbildung behandelt werden. Außerdem ist noch nicht berücksichtigt worden, dass in dem "Arbeitsaufwand" nach dem Rahmen-Curriculum auch Eigenarbeiten und Vor- und Nacharbeiten enthalten sind, während in der Stundenangabe für die Physiotherapeuten-Ausbildung nur Unterrichtsstunden enthalten sind. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Wissensvermittlung in den für einen Physiotherapeuten relevanten Ausbildungsbereichen in der Heileurythmie-Ausbildung höchstens ein Viertel des zeitlichen Aufwands beträgt, der in der Physiotherapeuten-Ausbildung hierfür aufgewendet wird.

86

dddd) Diese Feststellung wird durch einen Vergleich des Stoffplans der Schule für Eurythmische Heilkunst in C mit dem Ausbildungsplan der Physiotherapeuten bestätigt. Dabei ist die erfahrungsmedizinische Wissensvermittlung nach dem heileurythmischen Stoffplan mit den Ausbildungsgegenständen einer Physiotherapeuten-Ausbildung nicht vergleichbar. In der "Erfahrungsmedizin" werden u.a. Vokal- und Konsonantenübungen durchgeführt, die Planetenbewegungen und Tierkreisbewegungen gelehrt, Seelische Übungen und Kupferstabübungen durchgeführt, Melodie,- Rhythmen- und Raumformübungen gelehrt, Wahrnehmungsübungen am Menschen und der Umwelt durchgenommen, die musikalische Gehörbildung durch Leier-Unterricht verbessert und Sprachrhythmen und therapeutische Poetik unterrichtet. Die schulmedizinische Wissensvermittlung nach dem Stoffplan der Schule für Eurythmische Heilkunst ist im Vergleich zu dem Ausbildungsplan der Physiotherapeuten-Ausbildung nur ein kursorischer Überblick, wie sich aus dem folgenden Vergleich ergibt:

87
Ausbildung in StundenHeileurythmist Physiotherapeut lt. Stoffplan Schule C
88
Schulmedizin mit Dozent237
Eigenarbeit121
Summe3582.900
prozentual12 %100 %
89

Selbst wenn im Schätzungswege ein gewisser Anteil der Lehrinhalte aus dem Bereich "Erfahrungsmedizin" (mit Dozent: 589 Stunden; Eigenarbeit: 290 Stunden) als vergleichbare Wissensvermittlung zusätzlich berücksichtigt wird und außerdem noch ein geringfügiger Abzug bei der Stundenzahl in der Physiotherapeuten-Ausbildung für allgemeine Themen wie Berufs-, Gesetzes,- und Staatskunde vorgenommen wird, verbleibt es bei der Feststellung, dass der Zeitaufwand für die Wissensvermittlung in den für die Physiotherapeuten-Ausbildung relevanten Ausbildungsfeldern allenfalls ein Viertel des zeitlichen Aufwands erreicht, der in der Physiotherapeuten-Ausbildung vorgesehen ist.

90

eeee) Diese Feststellungen werden auch nicht durch einen erhöhten Praxisanteil in der Heileurythmisten-Ausbildung erschüttert. Während nach dem Rahmen-Curriculum für die Heileurythmisten-Ausbildung der Arbeitsaufwand für die Praktika 300 bis 400 Stunden beträgt, sind hierfür in der Physiotherapeutenausbildung 1.600 Stunden vorgesehen. Auch in der praktischen Ausbildung besteht also ein erhebliches zeitliches Ungleichgewicht zwischen der Heileurythmisten-Ausbildung und einer Physiotherapeuten-Ausbildung.

91

ccc) Diese Feststellungen lassen darauf schließen, dass Heileurythmisten infolge der deutlich geringeren Ausbildungstiefe in den medizinisch- praktischen Themenbereichen eine deutlich andere Berufstätigkeit ausüben als ein Physiotherapeut. Der Senat verkennt nicht, dass ein Heileurythmist infolge des ganzheitlichen Ansatzes ebenfalls gute Therapieerfolge erzielen kann. Seine Tätigkeit ist aber andersartig als die Tätigkeit eines Physiotherapeuten. Es handelt sich nicht um "ähnliche" sondern um verschiedenartige Berufe.

92

ddd) Gegen diese Schlussfolgerung lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht einwenden, dass der zu beurteilende Beruf nur "ähnlich" und nicht "identisch" sein müsse. Der Senat stimmt mit der Klägerin überein, dass eine Identität von Ausbildung und Tätigkeit nicht gegeben sein braucht. Nach der Rechtsprechung des BFH ist aber eine Ähnlichkeit des Fächerkanons und der praktischen Wissensvermittlung erforderlich, um von einer Vergleichbarkeit der Ausbildungen ausgehen zu können (vgl. BFH-Urteil vom 22. Januar 2004 IV R 51/01, BStBl II 2004, 509 zur inhaltlichen Prüfung der Vergleichbarkeit der Ausbildung eines Krankenpflegers mit der Ausbildung eines Krankengymnasten bzw. Physiotherapeuten; auch BFH-Urteil vom 6. September 2006 XI R 64/05, BStBl II 2007, 177; Urteil des FG Münster vom 29. April 2014 - 2 K 3993/12 G, ). Der Steuerpflichtige muss aufgrund von vergleichbaren Kenntnissen in Breite und Tiefe in der Lage sein, seine Berufstätigkeit zumindest "ähnlich" im Vergleich zu der Berufstätigkeit eines Physiotherapeuten auszuüben. Ist das nicht der Fall, weil die Ausbildung in den für einen Physiotherapeuten relevanten Ausbildungsbereichen zu oberflächlich ist, kann der Beruf nicht "in ähnlicher Weise" wie der Beruf des Physiotherapeuten ausgeübt werden. Die Berufsausübung ist dann allein wegen der fehlenden Kenntnisse "unähnlich" im Vergleich zu dem Beruf des Physiotherapeuten. Liegt eine Wissensvermittlung vor, die bereits nach dem zeitlichen Aufwand nur einen geringen Bruchteil der Wissensvermittlung in der Physiotherapeuten-Ausbildung ausmacht, so lässt sich aus dem evidenten Unterschied der Schluss auf eine "unähnliche" Berufsausübung ziehen.

93

eee) Der Senat konnte die Feststellung, dass der Beruf der Heileurythmistin kein "ähnlicher" Beruf im Vergleich zu dem Katalogberuf des Krankengymnasten ist, ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens treffen. Der Senat stützt seine Einschätzung im Wesentlichen auf den in der Heileurythmie-Ausbildung vorgesehenen deutlich geringeren Zeitaufwand bei der Wissensvermittlung für die bei der Physiotherapeuten-Ausbildung relevanten Ausbildungsfelder. Da sowohl der Ausbildungsplan für die Physiotherapeuten-Ausbildung als auch der Stoffplan für die Heileurythmie-Ausbildung zur Verfügung standen, konnte diese Feststellung ohne besondere Fachkunde durch den bloßen Vergleich der Stundenzahlen getroffen werden. Der Senat ist außerdem der Auffassung, dass die zeitlichen Abweichungen bei der Wissensvermittlung derartig gravierend sind, dass es evident ist, dass die beiden Ausbildungen verschiedenartig und die beiden Berufe nicht "ähnlich" sind.

94

Ein Sachverständiger für die Breite und Tiefe der Physiotherapeutenausbildung hätte ebenfalls nur die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen auswerten können, weil sich die Klägerin auf Anfrage des Gerichts, ob sie zu einer Wissensprüfung bereit sei, nicht geäußert hat. Die vorgelegten Unterlagen waren ohne Spezialkenntnisse verständlich und haben umfassend über den vermittelten Ausbildungsstoff in der Heileurythmie-Ausbildung informiert. Angesichts dieser Faktenlage und der Evidenz der Unterschiede zwischen den Ausbildungen brauchte der Senat keine besondere Fachkunde, um zu einer fundierten Entscheidung zu gelangen.

95

cc) Der Senat ist nicht der Auffassung, dass die Vergleichbarkeit der Ausbildung deshalb nicht geprüft werden braucht bzw. geprüft werden darf, weil der Berufsverband der Klägerin mit zwölf Krankenkassen Verträge zur Durchführung Integrierter Versorgung mit Anthroposophischer Medizin auf der Grundlage der §§ 140a ff. SGB V (sog. IV-Verträge) abgeschlossen hat.

96

aaa) Allerdings hat der BFH hat in seinem Urteil vom 8. März 2012 (V R 30/99, BStBl II 2012, 623 [BFH 08.03.2012 - V R 30/09]) bezüglich der Frage der umsatzsteuerlichen Steuerfreiheit von Heileurythmieleistungen gemäß § 4 Nr. 14 UStG den Abschluss eines Integrierten Versorgungsvertrags nach §§ 140a ff. SGB V als Befähigungsnachweis ausreichen lassen. Dementsprechend hat der 5. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts mit seinem Urteil vom 23. Oktober 2014 (5 K 329/13; Revision eingelegt, Az. des BFH: XI R 3/15) ... die Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 14 UStG gewährt. Diese Rechtsprechung lässt sich aber nicht auf die Ertragsteuern übertragen.

97

aaaa) Dies beruht zum einen darauf, dass sich der Gesetzeswortlaut des § 4 Nr. 14 Buchst. a) UStG von dem Wortlaut in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG emanzipiert hat (ebenso: Urteil des FG Düsseldorf vom 7. Oktober 2011 - 1 K 939/10 U, EFG 2012, 1889). Während nach dem früheren § 4 Nr. 14 UStG die Umsätze "aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes" steuerbefreit waren, wurde der Verweis auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch das Zweite Gesetz zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 - StÄndG 2003 -) vom 15. Dezember 2003 (BGBl I, 2645) gestrichen. In der Gesetzesbegründung wurde damals ausdrücklich ausgeführt, dass auch dann eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit im Sinne von § 4 Nr. 14 UStG vorliegen könne, wenn es sich nicht um eine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG handele. Deshalb sei der Verweis auf § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu streichen (BT-Drucks 15/1562 S. 44).

98

bbbb) Außerdem wird § 4 Nr. 14 UStG unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts ausgelegt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002 V R 28/00, BStBl II 2003, 532 [BFH 19.12.2002 - V R 28/00]; BFH-Urteil vom 11. November 2004 V R 24/02, BStBl II 2005, 316 [BFH 11.11.2004 - V R 34/02]; BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 23/04, BStBl II 2005, 904; BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623; Urteil des FG Düsseldorf vom 7. Oktober 2011 - 1 K 939/10 U, EFG 2012, 1889). Gemeinschaftsrechtliche Aspekte spielen dagegen bei der Auslegung und Anwendung von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG keine Rolle. Dementsprechend wird in dem Umsatzsteueranwendungserlass - UStAE - unter Abschnitt 4.14.4. Abs. 6 Satz 6 ausgeführt, dass es für die Frage der Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 UStG nicht auf die ertragsteuerliche Auslegung des § 18 EStG ankomme, weil die umsatzsteuerliche Norm unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie und damit nicht nach einkommensteuerlichen Grundsätzen auszulegen sei (zitiert nach der amtlichen Umsatzsteuer-Handausgabe 2013/2014).

99

cccc) Zudem dient § 4 Nr. 14 UStG der Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer (BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1999 - 2 BvR 1264/90, BStBl II 2000, 155 m.w.N.; BFH-Urteil vom 13. April 2000 V R 78/99, BFH/NV 2000, 1431; BFH-Urteil vom 11. November 2004 V R 24/02, BStBl II 2005, 316 [BFH 11.11.2004 - V R 34/02]). Vor diesem Hintergrund sah das BVerfG keinen sachlichen Grund, die Steuerbefreiung zu versagen, wenn die Leistungen eines Heileurythmisten in der Regel von den Sozialleistungsträgern finanziert wurden (BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1999 - 2 BvR 1264/90, BStBl II 2000, 155 m.w.N.).

100

Der Aspekt der Finanzierung durch die Sozialleistungsträger war auch für die weitere Entwicklung der umsatzsteuerlichen Rechtsprechung zur Steuerfreiheit der Leistungen von Heileurythmisten von Bedeutung (siehe: BFH-Urteil vom 13. April 2000 V R 78/99, BFH/NV 2000, 1431; BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002 V R 28/00, BStBl II 2003, 532 [BFH 19.12.2002 - V R 28/00]; BFH-Urteil vom 11. November 2004 V R 24/02, BStBl II 2005, 316 [BFH 11.11.2004 - V R 34/02]). Demgegenüber kommt es für die Abgrenzung zwischen gewerblichen und freiberuflichen Einkünften nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG entscheidend auf die berufliche Qualifikation und nicht auf die Entlastung der Sozialleistungsträger an. Der Aspekt, ob die Leistungen von den Sozialleistungsträgern finanziert werden, ist für die Frage der "Ähnlichkeit" des Berufs mit einem Katalogberuf ohne unmittelbare Bedeutung (vgl. BFH-Urteil vom 19. September 2002 IV R 45/00, BStBl II 2003, 21, Tz 28 und 29 zitiert nach ).

101

Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass der BFH bei den Ertragsteuern - ebenso wie im Umsatzsteuerrecht (dort: BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002 V R 28/00, BStBl II 2003, 532 [BFH 19.12.2002 - V R 28/00]; BFH-Urteil vom 11. November 2004 V R 24/02, BStBl II 2005, 316 [BFH 11.11.2004 - V R 34/02]) - auf die Zulassung durch die Krankenkassen nach § 124 Abs. 2 SGB V abgestellt hat (BFH-Urteil vom 28. August 2003 a.a.O.). Dies geschah mit der abweichenden Begründung, dass aus der Zulassung der Heilbehandlung durch die Krankenkassen ein Rückschluss auf die Vergleichbarkeit der Ausbildung vorgenommen werden kann. Nicht die Entlastung der Sozialleistungsträger von der Umsatzsteuer sondern die Funktion der Krankenkassen als externe Qualitätskontrollinstanz war für die ertragsteuerliche Rechtsprechung maßgeblich. Die umsatzsteuerliche Rechtsprechung ist daher in einem anderen Kontext ergangen.

102

bbb) Der Senat ist der Auffassung, dass die abgeschlossenen Verträge zur Durchführung Integrierter Versorgung mit Anthroposophischer Medizin auf der Grundlage der §§ 140a ff. SGB V (sog. IV-Verträge) einen konkreten Vergleich der Ausbildung der Klägerin mit der Ausbildung zu dem Katalogberuf nicht ersetzen können.

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aaaa) Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass in den IV-Verträgen auf den Qualitätsstandard der teilnehmenden Therapeuten Wert gelegt wird. Nach § 1 Ziff. 3 der Anlage 4 zu den IV-Verträgen sind die §§ 124 ff. SGB V die Grundlage der Vereinbarung. Die Leistungserbringung darf nach § 2 Ziff. 1 Sätze 4 und 5 der Anlage 4 zu den IV-Verträgen nur durch Therapeuten erfolgen, die nach den Gemeinsamen Empfehlungen des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen und der Spitzenorganisationen der Leistungserbringer gemäß § 124 Abs. 4 SGB V qualifiziert sind und die über eine Zulassung durch den jeweiligen Berufsverband verfügen. Die Ausbildung und Eignung muss durch den Berufsverband überprüft und anerkannt werden (§ 2 Ziff. 4 Buchst. a der IV-Verträge). Der Bundesverband hat eine Teilnahmeberechtigung auszustellen (§ 6 Ziff. 3 und 4 der IV-Verträge).

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bbbb) Für den Senat ist aber bedeutsam, dass die überwiegende Mehrheit der Krankenkassen keine entsprechenden Verträge mit dem Berufsverband der Klägerin abgeschlossen hat. Im Streitjahr 2011 gab es - je nachdem, nach welcher Auswertungsmethode die Krankenkassen erfasst wurden - 155 oder 156 gesetzliche Krankenkassen (vgl. de.wickipedia.org/wiki: "Liste der Träger der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung"; www.gbe- bund.de: "Gesetzliche Krankenkassen (Anzahl)"; de.statistica.com: "Zahl der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland bis 2014"). Von den Krankenkassen hatten daher 92,3 % keinen IV-Vertrag mit dem Berufsverband der Klägerin abgeschlossen. Wird auf die Zahl der Versicherten abgestellt, die von den IV-Verträgen profitieren konnten, so ist das Verhältnis im Vergleich zu der Gesamtzahl der in den gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten noch deutlich schlechter. Weil die Krankenkassen mit die großen Mitgliederzahlen, wie die allgemeinen Ortskrankenkassen oder die großen Ersatzkassen allesamt keine IV-Verträge mit dem Berufsverband der Klägerin abgeschlossen haben, kamen im Streitjahr - bezogen auf die insgesamt Versicherten - nur ein verschwindend geringer Anteil der Versicherten in den Genuss einer Erstattung der heileurythmischen Leistungen. Zwar liegen dem Senat keine Zahlen aus dem Streitjahr vor. Aus den aktuellen Zahlen ergibt sich aber Folgendes (de.wickipedia.org/wiki: "Liste der Träger der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung"):

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KrankenkasseVersicherte
BKK B. Braun Melsungen AG14.800
BKK Ernst & Young9.526
BKK Diakonie25.883
BKK Herkules34.000
BKK Kassana79.859
BKK KBA9.400
BKK S-H7.000
BKK Wirtschaft & Finanzen22.040
Die Bergische Krankenkasse70.000
mhplus BKK566.000
R+V Betriebskrankenkasse153.083
Vereinigte BKK39.132
Summe1.030.723
Gesamte KrankenkassenVersicherte
Allgemeine Ortskrankenkassen24.416.343
Ersatzkassen26.609.088
Innungskrankenkassen5.460.622
Betriebskrankenkassen11.718.699
Knappschaft-Bahn-See1.729.742
Sozialversicherung für Landwirtschaft711.628
Summe70.646.122
Anteil in %1,45 %
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cccc) Unabhängig von den Unsicherheiten, die sich daraus ergeben, dass die dargestellten Zahlen nicht aus dem Streitjahr stammen, lässt sich jedenfalls die Aussage treffen, dass nur ein ganz geringer Anteil der Versicherten über die IV-Verträge Leistungen der Heileurythmie abrechnen konnte. Es kann zudem nicht ausgeschlossen werden, dass die zwölf Krankenkassen die IV-Verträge allein aus marktpolitischen Erwägungen abgeschlossen haben. Es kommt immer wieder vor, dass einzelne Krankenkassen, um einen Leistungsvorteil gegenüber den anderen Kassen anbieten zu können, Leistungen erstatten, die von der großen Mehrheit der Krankenkassen nicht erstattet werden. Es handelt sich dabei um ein Nischenangebot für Versicherte, die alternative Behandlungsmethoden attraktiv finden. Es kann aber nach Ansicht des Senats für die Bejahung des "ähnlichen Berufs" im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht maßgeblich sein, dass einzelne Krankenkassen aus Gründen des Wettbewerbs die Leistungen des jeweiligen Anbieters anerkennen. Vielmehr ist es erforderlich, dass in den Fällen, in denen keine Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V vorhanden ist, zumindest die Mehrheit der Krankenkassen die Leistungen regelhaft erstattet, damit - ersatzweise - ohne konkreten Feststellungen zur inhaltlichen Qualität der Ausbildung von einer Vergleichbarkeit der Ausbildung mit der Ausbildung zum Krankengymnasten oder Physiotherapeuten ausgegangen werden könnte.

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Auch in der umsatzsteuerlichen Rechtsprechung des BFH ist anerkannt, dass die Kostentragung durch die gesetzlichen Krankenkassen nur dann von Bedeutung ist, wenn sie den Charakter eines Befähigungsnachweises hat (BFH-Urteil vom 2. September 2010 V R 47/09, BStBl II 2011, 195; BFH-Urteil vom 1. Dezember 2011 V R 58/09, BFH/NV 2012, 1186; BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623). In die ertragsteuerliche Terminologie gewendet, muss sich aus der Kostentragung durch die gesetzlichen Krankenkassen der Rückschluss ergeben, dass die Ausbildung des Steuerpflichtigen mit der Ausbildung des Katalogberufs vergleichbar ist. Das ist nur möglich, wenn die gesetzlichen Krankenkassen nicht nur vereinzelt sondern zumindest mehrheitlich von dieser Vergleichbarkeit ausgehen und deshalb die Leistungen regelhaft erstatten (vgl. Abschnitt 4.14.4. Abs. 6 Satz 5 UStAE a.a.O.: "ein Großteil der Träger von Sozialversicherungsträgern"; vgl. auch Michel in HFR 2012, 893 (894), Anmerkung zu BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623: nur bei "regelmäßiger" Kostenerstattung durch die Sozialversicherungsträger). Soweit in der umsatzsteuerlichen Rechtsprechung und Literatur beim Abschluss von IV-Verträgen unter Hinweis auf die Vereinbarungen zu den Qualitätsstandards davon abweichend zu einer Einzelbetrachtung übergegangen worden ist (siehe Michel in HFR 2012, 893 (894) a.a.O.), hält der Senat diesen Ansatz aus ertragsteuerlicher Sicht für nicht zutreffend. Insoweit wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Mehrzahl der Krankenkassen - anders als bei einer Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V - eben nicht zu dem Schluss gekommen ist, dass die Ausbildung und die Kenntnisse der Therapeuten für eine Erstattung der Leistungen ausreichend sind.

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dddd) Da die Krankenkassen im vorliegenden Fall - anders als in den Fällen der Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V - mehrheitlich kein positives Votum für die in Frage stehenden Leistungen abgegeben haben, kann nicht von einer allgemeinen sachverständigen Anerkennung der heileurythmischen Leistungen ausgegangen werden, die auf eine Vergleichbarkeit der Ausbildung des Heileurythmisten mit der Ausbildung zum Physiotherapeuten schließen lässt. Die bloße Berufserlaubnis durch den privaten Berufsverband reicht in diesen Fällen nicht aus, weil es an der (zumindest mehrheitlichen) Bestätigung durch die Krankenkassen als externe Kontrollinstanz fehlt. Der bloße Umstand, dass einige wenige Krankenkassen bereit sind, derartige Leistungen regelhaft zu ersetzen, lässt den Rückschluss auf die Vergleichbarkeit der Ausbildung des Heileurythmisten mit der Ausbildung zum Physiotherapeuten nicht zu, weil die Anerkennung der heileurythmistischen Leistungen auf marktpolitischen Motiven beruhen kann. Sie wurzelt dann nicht in der Überzeugung, dass der Heileurythmist - auf der Grundlage einer vergleichbaren Ausbildung - eine einem Physiotherapeuten vergleichbare Tätigkeit erbringt, sondern in rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen. In diesen Fällen ist auch der namens- oder wettbewerbsrechtliche Schutz der Berufsbezeichnung unerheblich.

109

eeee) Aus einer - nach dem Vortrag der Klägerin häufiger anzutreffenden - freiwilligen Erstattung der heileurythmischen Leistungen ohne entsprechende Rechtspflicht, kann auf die Vergleichbarkeit der Ausbildung und damit auf eine Vergleichbarkeit der Kenntnisse mit einem Krankengymnasten bzw. einem Physiotherapeuten nicht geschlossen werden (so für die Umsatzsteuer: BFH-Urteil vom 11. November 2004 V R 34/02, BStBl II 2005, 316; BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623; Urteil des FG Düsseldorf vom 7. Oktober 2011 - 1 K 939/10 U, EFG 2012, 1889). Außerdem ist nicht ersichtlich, dass die Mehrheit der Krankenkassen die heileurythmischen Leistungen nach ihrem Satzungsrecht erstatten (vgl. § 194 Abs. 1 Nr. 3 SGB V und BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623).

110

II. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

111

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.