Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.02.2008, Az.: 7 K 378/05
Einordnung der Erzielung von inländischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit eines Berufskraftfahrers mit luxemburgischem Arbeitgeber; Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates bei Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens bei einer Tätigkeit im jeweiligen Drittstaat von weniger als 183 Tagen; Vermeidung einer Doppelbesteuerung durch Stellung eines Erstattungsantrages an das zu Unrecht zur Einkommenssteuer veranlagende Land
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 25.02.2008
- Aktenzeichen
- 7 K 378/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 12252
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2008:0225.7K378.05.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 29.10.2008 - AZ: I B 84/08
Rechtsgrundlagen
- § 19 EStG
- Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Doppelbesteuerungsabkommen-Luxemburg
Fundstellen
- DStR 2008, VI Heft 26 (Kurzinformation)
- DStRE 2008, 999-1000 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB direkt 2008, 9
- Jurion-Abstract 2008, 228758 (Zusammenfassung)
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Zur Frage der Erzielung von inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit eines Berufskraftfahrers mit luxemburgischem Arbeitgeber
Tatbestand
Streitig ist, ob die bei einem luxemburgischen Arbeitgeber erzielten Einnahmen des Klägers als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Inland zu versteuern sind.
Die Kläger sind Eheleute und wurden gemäß §§ 26, 26 b Einkommensteuergesetz (EStG) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Kläger haben ihren Wohnsitz in Bramsche.
Im Streitjahr war der Kläger von Januar bis einschließlich November als Berufskraftfahrer bei einer luxemburgischen Firma (Spedition) beschäftigt. Insoweit erzielte er einen Bruttoarbeitslohn von insgesamt 56.376,00 DM, die sein luxemburgischer Arbeitgeber lohnversteuerte. Darüber hinaus erhielt er eine Spesenvergütung in Höhe von insgesamt 7.587,00 DM.
In Ausübung seiner Tätigkeit als Berufskraftfahrer hielt sich der Kläger im Streitjahr in Belgien ca. zwei Tage, in Norwegen ca. einen Tag, in Dänemark ca. 67 Tage und in den Niederlanden ca. 17 Tage auf.
Des Weiteren erzielte der Kläger durch eine inländische Tätigkeit einen Bruttoarbeitslohn von ... DM. Außerdem erhielt er am 28. Mai 2001 eine Entschädigung für verfallene Urlaubsansprüche für das Jahr 1999 in Höhe von ... DM.
Unter Zugrundelegung der von den Klägern abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr setzte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Januar 2005 die Einkommensteuer 2001 auf ... EUR fest. Dabei versteuerte er u.a. die Einnahmen des Klägers aus seinem luxemburgischen Arbeitsverhältnis in Höhe von insgesamt 56.376,00 DM als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Das hiergegen gerichtete Rechtsbehelfsverfahren blieb erfolglos. Mit Einspruchsbescheid vom 26. September 2005 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger vom 10. Januar 2005 als unbegründet zurück und setzte mit Bescheid vom 26. September 2005 nach § 175 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) die Einkommensteuer auf ... EUR herauf. Insoweit wertete er eine Kontrollmitteilung der Lohnsteueraußenprüfung über den Erhalt einer Entschädigungssumme von ... DM für verfallene Urlaubsansprüche für 1999 aus und besteuerte diese Einnahme des Klägers als weitere Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Dagegen erhoben die Kläger Klage, mit der sie weiterhin die Steuerfreistellung der Einnahmen des Klägers aus seinem luxemburgischen Arbeitsverhältnis begehren. Der Lkw, der vom Kläger gefahren werde, sei Teil der Betriebsstätte des luxemburgischen Arbeitgebers, so dass auch das luxemburgische Steuerrecht anzuwenden sei. Des Weiteren verstoße das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg geschlossene Doppelbesteuerungsabkommen gegen Gemeinschaftsrecht. Es verletze den Kläger mittelbar in seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit und verstoße gegen den Anti-Diskriminierungsgrundsatz. Der Arbeitnehmer müsse, wenn er sich für eine Tätigkeit im EU-Ausland entscheide, grundsätzlich genauso behandelt werden wie ein Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Landes habe und seinen Wohnsitz dort habe. Vorliegend werde der Kläger steuerrechtlich schlechter gestellt als ein hypothetischer luxemburgischer Kollege mit identischem Tourenplan.
Die Kläger und ihr Prozessbevollmächtigter sind zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Sie haben mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2005 angekündigt sinngemäß zu beantragen,
den geänderten Einkommensteuerbescheid 2001 vom 26. September 2005 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 26. September 2005 dahingehend zu ändern, dass Einnahmen des Klägers in Höhe von insgesamt 56.376,00 DM einkommensteuerfrei gestellt werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Rechtsauffassung fest. Der bei dem luxemburgischen Arbeitgeber erzielte Bruttoarbeitslohn sei in Deutschland zu versteuern. Der LKW sei die regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers. Die Regelung des Art. 10 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA-Luxemburg) sei schon deshalb nicht anwendbar, da der Kläger im Streitjahr nicht in Luxemburg mit seinem LKW gefahren sei. Da der Kläger überwiegend in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzt gewesen sei und die Fahrtätigkeit in den übrigen Ländern nicht mehr als 183 Tage umfasst habe, komme auch keine Besteuerung in den übrigen Ländern in Betracht. Des Weiteren liege auch kein Verstoß gegen Art. 39 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) vor. Dieser lege vielmehr die Verpflichtung zur Gleichbehandlung fest und regele die Besteuerung des Einkommens von Gebietsfremden auch unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung der Doppelbesteuerung. Ferner sei dadurch weder die Freizügigkeit der Arbeitnehmer eingeschränkt noch ergebe sich hieraus eine Änderung des Arbeitsortsprinzips. Im Übrigen würde durch Art. 20 DBA-Luxemburg eine Doppelbesteuerung des Arbeitslohns des Klägers vermieden werden.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 25. Februar 2008 Bezug genommen.
Dem Gericht haben die für die Kläger beim Beklagten geführten Einkommensteuerakten 2001 unter der Steuernummer ... vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat zu Recht den Bruttoarbeitslohn in Höhe von 56.376,00 DM, den der Kläger aus seinem luxemburgischen Arbeitsverhältnis bezogen hat, als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG besteuert, da der im Inland wohnhafte Kläger nach §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 EStG in der Bundesrepublik Deutschland mit seinem gesamten Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig ist.
#Gemäß § 1 Abs. 1 EStG sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nach § 2 Abs. 1 EStG grundsätzlich auch auf die so genannten ausländischen Einkünfte im Sinne des § 34 d EStG.
1.
Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA-Luxemburg werden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer jedoch die Einkünfte ausgenommen, die nach dem Abkommen in Luxemburg besteuert werden können.
a)
Bezieht eine natürliche Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, so hat gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 DBA-Luxemburg der andere Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte, wenn die Arbeit in dem anderen Staat ausgeübt wird oder worden ist. Berufskraftfahrer - wie der Kläger - haben ihre regelmäßige Arbeitsstätte in ihrem Fahrzeug, da ihre Tätigkeit in dem Führen eines Kraftfahrzeugs besteht (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 4. April 2001 1 K 2597/00, EFG 2001, 1105). Der Ort der Arbeitsausübung des Berufskraftfahrers bestimmt sich dementsprechend nach dem jeweiligen Aufenthalts- bzw. Fortbewegungsort des Fahrzeugs (BFH, Urteil vom 29. Januar 1986 I R 22/85, BStBl II 1986, 479; Urteil vom 28. September 1990 VI R 157/89, BStBl II 1991, 86 [BFH 28.09.1990 - VI R 157/89]; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar, 86. Lieferung März 2002, Art. 15 MA Rz. 74). Diese Tätigkeit fällt jeweils ab dem Zeitpunkt unter die Regelung des Art. 10 Abs. 1 DBA-Luxemburg, ab welchem der Berufskraftfahrer mit seinem Fahrzeug die luxemburgische Grenze überschreitet (BFH, Beschluss vom 22. Januar 2002 I B 79/01, BFH/NV 2002, 902; Beschluss vom 16. Mai 2002 I B 80/01, BFH/NV 2002, 1423; Urteil vom 31. März 2004 I R 88/03, BStBl II 2004, 936 [BFH 31.03.2004 - I R 88/03]). Vorliegend hat der Kläger im Streitjahr jedoch keine Speditionsfahrten mit dem Lkw seines luxemburgischen Arbeitgebers in Luxemburg unternommen, so dass die Regelung des Art. 10 Abs. 1 Satz 1 DBA-Luxemburg keine Anwendung findet und die insoweit vom Kläger erzielten Einkünfte aus dieser nichtselbständigen Arbeit nicht von der Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland auszunehmen sind.
b)
Nach Art. 16 DBA-Luxemburg verbleibt es bei dem Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates, wenn eine Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten Einkünfte bezieht, für die das Doppelbesteuerungsabkommen keine Regelung getroffen hat. Dies ist der Fall bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Ansässigkeitsstaat oder in einem Drittstaat (BFH, Urteil vom 31. März 2004 I R 88/03, BStBl II 2004, 936; FG Rheinland-Pfalz, a.a.O., EFG 2001, 1105; Urteil vom 24. März 2005 6 K 1664/04, FGReport 2005, 82). Bei Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens mit dem jeweiligen Drittstaat ist im Verhältnis zu diesem Staat nach diesem Abkommen zu prüfen, welchem Staat das Besteuerungsrecht zusteht. Soweit die Tätigkeit im jeweiligen Drittstaat weniger als 183 Tage ausgeübt wird, verbleibt es regelmäßig beim Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates (Breinersdorfer in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 167. Lieferung Juli 2006, § 19 Rdnr. A 116; s. auch BMF-Schreiben vom 13. März 2002 IV B 6 - S 1301 Lux - 8/02, BStBl I 2002, 485; BMF-Schreiben vom 10. Mai 2005 IV B 6 - S 1301 LUX - 5/05, BStBl I 2005, 696). Das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates folgt darüber hinaus auch aus dem völkerrechtlich allgemein anerkannten Grundsatz der territorialen Hoheitsgewalt eines jeden Staates über die sich auf seinem Staatsgebiet befindlichen Personen (FG Rheinland-Pfalz, a.a.O., EFG 2001, 1105). Die persönliche Steuerkraft eines Steuerpflichtigen, die sich aus der Berücksichtigung seiner Gesamteinkünfte sowie seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergibt, kann am leichtesten an dem Ort beurteilt werden, an dem der Mittelpunkt seiner persönlichen und seiner Vermögensinteressen liegt. Dieser Ort ist in der Regel der ständige Aufenthaltsort der betroffenen Person. So geht auch das internationale Steuerrecht, u.a. das Muster-Doppelbesteuerungsabkommen der OECD, davon aus, dass es grundsätzlich Sache des Wohnsitzstaates ist, den Steuerpflichtigen unter Berücksichtigung der Umstände, die seine persönliche Lage und seinen Familienstand kennzeichnen, umfassend zu besteuern (EuGH, Urteil vom 12. Dezember 2002 C 385/00, HFR 2003, 305). Im Streitfall hielt sich der Kläger in Ausübung seiner Tätigkeit als Berufskraftfahrer unstreitig weder in Belgien, Norwegen, Dänemark noch in den Niederlanden jeweils mehr als 183 Tage auf, so dass nach Art. 15 Abs. 2 DBA-Belgien, Art. 15 Abs. 2 DBA-Norwegen, Art. 15 Abs. 2 DBA-Dänemark und nach Art. 10 Abs. 2 DBA-Niederlande das Besteuerungsrecht beim Ansässigkeitsstaat, d.h. vorliegend bei der Bundesrepublik Deutschland, verbleibt.
2.
Entgegen der Ansicht der Kläger verstößt das DBA-Luxemburg auch nicht gegen Art. 39 EG-Vertrag.
Nach Art. 39 Abs. 1 EG-Vertrag ist innerhalb der Gemeinschaft die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet. Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen (Art. 39 Abs. 2 EG-Vertrag). Nach Auffassung des Senats ist Art. 39 EG-Vertrag im Streitfall nicht dahin auszulegen, dass er der ordnungsgemäßen Anwendung des Doppelbesteuerungs-abkommens entgegensteht. Er ist vielmehr so auszulegen, dass er das Recht eines Mitgliedsstaates, die Voraussetzungen und die Modalitäten der Besteuerung der in seinem Hoheitsgebiet von Angehörigen eines anderen Mitgliedsstaates erzielten Einkünfte festzulegen, insoweit einschränken kann, als er es einem Mitgliedsstaat nicht erlaubt, einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedsstaates, der in Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates eine nichtselbständige Beschäftigung ausübt, bei der Erhebung direkter Steuern schlechter zu behandeln als einen eigenen Staatsangehörigen, der sich in der gleichen Lage befindet (FG Rheinland-Pfalz, a.a.O., EFG 2001, 1105). Des Weiteren liegt auch keine Einschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer vor, da einem Arbeitnehmer hierdurch nicht die Möglichkeit genommen wird, in einem EG-Staat seiner Wahl tätig zu sein (FG Rheinland-Pfalz, a.a.O., EFG 2001, 1105). Ferner ergibt sich hieraus keine Änderung des Arbeitsortsprinzips (FG Rheinland-Pfalz, a.a.O., EFG 2001, 1105), welches in Art. 15 Abs. 1 Satz 1 OECD-Musterabkommen postuliert ist (Breinersdorfer in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 19 Rdnr. A 116). Darüber hinaus wird durch die Regelungen in Art. 20 DBA-Luxemburg eine Doppelbesteuerung ausgeschlossen. Danach hat der Kläger die Möglichkeit, nach Vorlage einer Bescheinigung über die Versteuerung des Arbeitslohns in der Bundesrepublik Deutschland einen Erstattungsantrag in Luxemburg zu stellen. Schließlich liegt eine Diskriminierung des Klägers nicht schon deshalb vor, weil sein Arbeitslohn in Luxemburg lohnversteuert worden ist (vgl. auch FG Rheinland-Pfalz, a.a.O., EFG 2001, 1105). Wie soeben ausgeführt, wird durch Art. 20 DBA-Luxemburg eine Doppelbesteuerung gerade vermieden.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).