Verwaltungsgericht Hannover
v. 03.11.2014, Az.: 13 A 6095/14

27. Lebensjahr; Bewilligungszeitraum; Krankheit; verzögerte Ausbildung; Waisengeld

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
03.11.2014
Aktenzeichen
13 A 6095/14
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2014, 42429
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Waisengeld aus der Hinterbliebenenversorgung über das 27. Lebensjahr hinaus.

Bei der am 25.10.1987 geborenen Klägerin handelt es sich um die ledige Tochter eines verstorbenen Soldaten, die unstreitig vom Grundsatz her Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung hatte und zunächst bis zum Abbruch ihrer Ausbildung bis einschließlich 29.02.2008 auch Waisengeld erhielt.

Mit Schreiben vom 18.08.2012 beantragte sie die Wiederaufnahme der Zahlung. Sie absolviere ab 03.09.2012 eine Ausbildung zur Ergotherapeutin.

Mit Bescheid der Wehrbereichsverwaltung West vom 16.10.2012 wurde der Klägerin erneut Hinterbliebenenversorgung für die Dauer ihrer Ausbildung bewilligt, längstens jedoch bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres.

Die Klägerin, die im Oktober 2014 ihr 27. Lebensjahr vollendet, wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 27.10.2013 erneut an die Beklagte. Sie sei - wie eine beigefügte amtsärztliche Stellungnahme belege (Bl. 119 der Beiakte B) - in der Zeit vom 01.09.2008 bis 30.04.2012 krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, einer Arbeit nachzugehen bzw. ihre damalige Ausbildung zu beenden. Ihre jetzige Berufsausbildung dauere bis zum 02.09.2015.

Das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 05.12.2013 Waisenrente nach dem BVG auch über das 27. Lebensjahr hinaus für die Dauer der Ausbildung, weil die Klägerin die Verzögerung der Ausbildung wegen einer Erkrankung nicht zu vertreten habe.

Die Bundesfinanzdirektion West lehnte jedoch die Zahlung von Waisengeld nach dem SVG über das 27. Lebensjahr hinaus ab. Eine weitergehende Zahlung könne nur im Fall einer Behinderung erfolgen. Diese Voraussetzung sei nicht gegeben.

Unter Bezug auf § 45 BVG legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, den die Bundesfinanzdirektion West mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2014, abgesandt per Einschreiben am 24.02.2014, zurückwies.

Die Klägerin hat am 20.03.2014 Klage erhoben.

Sie trägt vor: Das Landessozialamt habe ihr für die gesamte Dauer der Ausbildung Waisenrente bewilligt. Waisenrente nach § 45 BVG sei unter den gleichen Voraussetzungen wie Waisengeld nach § 49 SVG zu bewilligen. Aus dem bereits übersandten amtsärztlichen Gutachten ergebe sich, dass bei ihr schwerwiegende Störungen des psychiatrischen Formenkreises in der Zeit vom 01.09.2008 bis 30.04.2012 vorgelegen haben. Dies sei als dauerhafte Störung sowohl im Sinne des § 45 Abs. 3 BVG als auch des § 59 SVG Abs. 2 einzustufen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 02.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2014 die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, eine Halbwaisenrente in gesetzlicher Höhe auch über den 25.10.2014 hinaus jedenfalls bis zum 02.09.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide. Es liege bei der Klägerin keine Behinderung iSd § 59 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SVG vor. Eine krankheitsbedingte Ausbildungsverzögerung erfülle diese Voraussetzungen nicht.

Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 21.10.2014 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Zu der Entscheidungsform Gerichtsbescheid wurden die Beteiligten gehört.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter.

Die Voraussetzungen zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid liegen vor, § 84 VwGO. Das Gericht sieht den Sachverhalt als geklärt an und die Sache weist auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Art auf.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Waisengeld nach dem Soldatenversorgungsgesetz über den Monat hinaus, in dem sie ihr 27. Lebensjahr vollendet.

Rechtsgrundlage eines Anspruches auf Waisengeld kann nur § 43 SVG iVm. mit §§ 16 Nr.5, 23 BeamtVG und § 59 SVG sein.

Unstreitig zählt die Klägerin zu den grundsätzlich nach §§ 43 SVG, 16 Nr. 5, 23 BeamtVG anspruchsberechtigten Personenkreis.

Nach § 59 Abs. 2 Satz 1 SVG wird das Waisengeld nach Vollendung des 18. Lebensjahres auf Antrag gewährt, solange die in § 32 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a, b und d, Nummer 3 und Absatz 5 Satz 1, 2 und 4 des Einkommensteuergesetzes in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung genannten Voraussetzungen gegeben sind. Danach ist Waisengeld u.a. dann zu gewähren, wenn - wie hier - der Anspruchsberechtigte sich in einer Berufsausbildung befindet - allerdings grundsätzlich nur bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres.

Nach § 59 Abs. 2 Satz 3 SVG wird das Waisengeld Im Falle einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung im Sinne des § 32 Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 des Einkommensteuergesetzes in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung  aber nur dann über das 27. Lebensjahr hinaus gewährt, wenn die Behinderung bei Vollendung des 27. Lebensjahres bestanden hat oder bis zu dem sich nach § 32 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung ergebenden Zeitpunkt eingetreten ist, wenn die Waise sich in verzögerter Schul- oder Berufsausbildung befunden hat, und die Waise ledig ist.

Es bedarf hier keine abschließenden Entscheidung, ob die Klägerin wegen ihrer Erkrankung in der Zeit vom 01.09.2008 bis 30.04.2012 als Behinderte im og. Sinne einzustufen war oder nicht. Voraussetzung nach § 59 Abs. 2 SVG für eine Weiterbewilligung des Waisengeldes ist es, dass die Klägerin auch noch im Zeitraum, für den Waisengeld nach Vollendung des 27. Lebensjahrs begehrt wird, unter dieser Behinderung leidet. Das ist nach dem von der Klägerin im Verwaltungsverfahren selbst vorgelegten amtsärztlichen Gutachten vom 29.07.2013 nicht der Fall.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf den Umstand berufen, dass ihr Waisenrente nach § 45 BVG auch über das 27. Lebensjahr hinaus bewilligt worden ist. § 59 SVG und § 45 BVG treffen Regelungen für unterschiedliche Ansprüche und sind auch nicht vollständig miteinander vergleichbar.

Zwar lässt § 45 BVG ebenso wie § 59 SVG einen Anspruch auf Waisenversorgung grundsätzlich mit Vollendung des 27. Lebensjahres enden. Bei der Frage, wann ausnahmsweise über diesen Termin hinaus gleichwohl weiterhin Waisengeld bzw. Waisenrente zu gewähren ist, enthalten beide Gesetze jedoch unterschiedliche Regelungen. § 45 BVG lässt eine Weitergewährung der Waisenrente auch nach der Vollendung des 27. Lebensjahres zu, wenn sich die Schul- oder Berufsausbildung aus einem Grund, den die Waise nicht zu vertreten hat verzögerte. Die Waisenrente wird dann gem. § 45 Abs. 3 Satz 9 BVG entsprechend dem Zeitraum der nachgewiesenen Verzögerung länger gewährt. Eine derartige Regelung fehlt jedoch in § 59 SVG.

Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.