Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 27.06.2017, Az.: L 11 AS 378/17 B ER

SGB-II-Leistungen; Einstweiliger Rechtsschutz; Berücksichtigung von Einkommen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
27.06.2017
Aktenzeichen
L 11 AS 378/17 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 19213
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Braunschweig - 12.04.2017 - AZ: S 35 AS 121/17 ER

Fundstellen

  • AiSR 2017, 198-202
  • NZFam 2017, 8
  • NZS 2017, 10
  • ZfSH/SGB 2017, 580 (Pressemitteilung)
  • info also 2018, 46

Tenor:

Der Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 12. April 2017 wird abgeändert.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern vorbehaltlich der Entscheidung in der Hauptsache für die Zeit vom 1. April 2017 bis zum 30. September 2017 vorläufige Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) i.H.v. monatlich insgesamt 180,- Euro zu zahlen (Antragsteller zu 1. und 2.: jeweils 60,- Euro; Antragsteller zu 3. und 4: jeweils 30,- Euro).

Der darüber hinausgehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner erstattet den Antragstellern 1/4 der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt J. gewährt. Raten sind nicht zu zahlen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung vorläufiger SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2017. Wie bereits in früheren Bewilligungsabschnitten ist insbesondere die Höhe des den Antragstellern anzurechnenden Einkommens streitbefangen.

Die 1965 bzw. 1969 geborenen Antragsteller zu 1. und 2. sind Eltern der 1997 und 1999 geborenen Antragsteller zu 3. und 4. Die Antragsteller bilden eine Bedarfsgemeinschaft i.S.d. § 7 SGB II. Der Antragsteller zu 1. ist selbstständig erwerbstätig in der Firma "K. Installationen L. Heizung Sanitär". Hierbei handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bestehend aus dem Antragsteller zu 1. und einer weiteren Gesellschafterin, nämlich - soweit sich dies den dem Senat vorliegenden Unterlagen entnehmen lässt - der Mutter des Antragstellers zu 1., Frau M ... In dieser GbR wird die Antragstellerin zu 2. als Arbeitnehmerin beschäftigt. Die Antragsteller wohnen in einem Eigenheim, für das - soweit sich dies den Senat vorliegenden Unterlagen entnehmen lässt - lediglich Nebenkosten (76,- Euro pro Monat) und Heizkostenabschläge (151,- Euro pro Monat) anfallen.

Bereits für die vorangegangenen Bewilligungsabschnitte führten die Beteiligten diverse sozialgerichtliche Eilverfahren. Für den Bewilligungsabschnitt Oktober 2015 bis März 2016 bewilligte der Antragsgegner nach vorangegangener Leistungsablehnung erst aufgrund eines vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig geschlossenen Vergleichs vorläufige SGB II-Leistungen (Vergleich vom 7. Oktober 2015 - S 35 AS 452/15 ER -). Für den Bewilligungsabschnitt April bis September 2016 sprach das SG Braunschweig im Rahmen einer einstweiligen Anordnung höhere SGB II-Leistungen zu (Beschluss vom 28. November 2016 - S 35 AS 146/16 ER -). Hinsichtlich des Bewilligungszeitraums Oktober 2016 bis März 2017 führten die Antragsteller die einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 35 AS 368/16 ER und S 35 AS 375/16 ER.

Am 17. Februar 2017 beantragten die Antragsteller für die Zeit ab 1. April 2017 die Weiterbewilligung von SGB II-Leistungen. In ihrer vorläufigen "Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- oder Forstwirtschaft" (EKS-Erklärung) gaben sie an, für den sechsmonatigen Zeitraum von April bis September 2017 einen Unternehmensgewinn i.H.v. insgesamt 607,- Euro zu erwarten. Hiervon sei ein Anteil von 50 Prozent an die andere GbR-Gesellschafterin auszuzahlen, so dass für den Antragsteller zu 1. ein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit i.H.v. 303,50 Euro (d.h. 50,58 Euro pro Monat) zu erwarten sei. Für die in der GbR abhängig beschäftigte Antragstellerin zu 2. gaben die Antragsteller zunächst ein monatliches Bruttoeinkommen von 1.030,- Euro an. Später machten sie geltend, dass dieses Gehalt auf 678,08 Euro pro Monat (Verdienstbescheinigung vom 17. Februar 2017, Bl. 1642 der Verwaltungsakte - VA -) bzw. 460,- Euro pro Monat (Verdienstmitteilung vom 7. März 2017, Bl. 2076 der VA) reduziert worden sei.

Die von den Antragstellern vorgelegten Kontoauszüge weisen zahlreiche Überweisungen zwischen dem Antragsteller zu 1. und seiner Mutter aus. Die diesbezüglichen Überweisungen der Mutter des Antragstellers zu 1. erfolgten überwiegend unter dem Verwendungszweck "NOTHILFE für Bedarfsgemeinschaft weil Jobcenter Geld nicht reicht von M. DARLEHEN ZINSLOS RÜCKZAHLBAR". Die Überweisungen des Antragstellers zu 1. an seine Mutter enthielten in der Regel folgenden Verwendungszweck: "Rückzahlung des Nothilfedarlehens aus (...), Schulden an M. weil Jobcenter rechtswidrig nicht gezahlt hat. A.". Hierzu legten die Antragsteller einen "Privaten Darlehens-Nothilfevertrag" vom 2. August 2014 vor, wonach sich die Mutter des Antragstellers zu 1. verpflichtete, ihrem Sohn ein unverzinsliches Nothilfe-Darlehen zum Lebensunterhalt zu gewähren. Die Höhe der Darlehensbeträge sollen "jeweilig nach Bedarf, nach Rücksprache mit dem Darlehensgeber festgelegt" werden (§ 1 des Vertrags). Für das Darlehen und den Vertrag insgesamt wurden unbegrenzte Laufzeiten vereinbart (§§ 1 und 4 des Vertrags). Die Verzinsung wurde auf null Prozent festgelegt und die Tilgung soll nach "wirtschaftlicher Leistung des Darlehensnehmers, nach Absprache, möglichst monatlich" erfolgen (§§ 2 und 3 des Vertrags). Die Darlehen werden ausdrücklich ohne jegliche Sicherheit gewährt (§ 5 des Vertrags).

Der Antragsgegner "bewilligte" den Antragstellern mit vorläufigem Bescheid vom 13. März 2017 SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2017 i.H.v. 0,00 Euro pro Monat. Im Begründungsteil führte der Antragsgegner aus, dass bei dem Antragsteller zu 1. Betriebseinnahmen i.H.v. 714,50 Euro monatlich, bei der Antragstellerin zu 2. Einkommen aus abhängiger Beschäftigung i.H.v. 460,- Euro monatlich und bei den Antragstellern zu 3. und 4. jeweils Kindergeld als Einkommen angerechnet werde. Darüber hinaus handele es sich bei den Zahlungen der Mutter des Antragstellers zu 1. zumindest teilweise um Einkommen des Antragstellers zu 1., nämlich in Höhe eines Teilbetrags von 1.091,67 Euro pro Monat (monatlicher Durchschnitt der in den vergangenen 6 Monaten von der Mutter des Antragstellers zu 1. ausgezahlten abzüglich der vom Antragsteller zu 1. in diesem Zeitraum zurückgezahlten Beträge). Nach Abzug der einschlägigen Freibeträge verfüge die Bedarfsgemeinschaft somit über Einkommen i.H.v. insgesamt 2.195,27 Euro pro Monat, welches den grundsicherungsrechtlichen Bedarf übersteige (1.374,- Euro als Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft). Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) berücksichtigte der Antragsgegner im Gegensatz zu den vorangegangenen Bewilligungsabschnitten nicht. Der Bescheid vom 13. März 2017 enthielt auch keine Begründung für diese Nichtberücksichtigung von KdUH. Gleichwohl begründete der Antragsgegner seine Entscheidung, die von den Antragstellern für die selbstständige Tätigkeit geltend gemachten Raumkosten nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen, damit, dass die Kosten für die sich im Eigenheim der Antragsteller befindlichen Betriebsräume bereits im Rahmen der Bedarfe für die KdUH übernommen worden seien.

Gegen diesen Bescheid haben die Antragsteller am 15. März 2017 Widerspruch eingelegt, über den - soweit ersichtlich - bislang noch nicht entschieden worden ist.

Ebenfalls am 15. März 2017 haben die Antragsteller beim SG um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie haben geltend gemacht, dass auch die von der GbR entrichteten Sozialversicherungsbeiträge, die Versicherungen für das Kfz sowie Buchhaltungs- und Lohnbuchhaltungskosten als Betriebsausgaben anzuerkennen seien. Zudem habe der Antragsgegner zu Unrecht das "rückzahlbare Nothilfedarlehen" der Mutter des Antragstellers zu 1. teilweise als Einkommen angerechnet. Die Betriebseinnahmen dürften nur hälftig als Einkommen angerechnet werden. Die im Vorjahr ausgebliebene Weiterleitung von Gewinnen beruhe lediglich darauf, dass im abgelaufenen Geschäftsjahr kein Gewinn erwirtschaftet worden sei.

Das SG hat den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern unter dem Vorbehalt der Rückforderung vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache für die Zeit vom 1. April 2017 bis zum 30. September 2017 Leistungen i.H.v. monatlich 500,40 Euro zu gewähren (davon jeweils 166,34 Euro für die Antragsteller zu 1. und 2., 80,73 Euro für die Antragstellerin zu 3. und 86,98 Euro für den Antragsteller zu 4.). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass der Antragsgegner bislang zu Unrecht keinerlei Unterkunftskosten in die Bedarfsberechnung eingestellt habe. Es handele sich hierbei - wie bisher - um 76,- Euro für Nebenkosten und 154,- Euro für Heizkosten. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners dürfe den Antragstellern kein "sonstiges Einkommen" i.H.v. 1.091,87 Euro angerechnet werden. Vielmehr hätten die Antragsteller glaubhaft gemacht, dass es sich bei den in Höhe und Zeitpunkt unterschiedlich wiederkehrenden Zahlungen der Mutter um Leistungen handele, die mit einer Rückzahlungsverpflichtung verbunden seien. So ergebe sich aus den Kontoauszügen, dass der Antragsteller zu 1. wiederholt Rückzahlungen geleistet habe (in unterschiedlicher Höhe). Nicht zu beanstanden sei, dass bei voller Anerkennung der Neben- und Heizkosten als KdUH-Bedarfe die geltend gemachten betrieblichen Raumkosten nicht nochmals als Betriebsausgaben anerkannt worden seien. Ebenso erweise sich die vom Antragsgegner vorgenommene Berechnung des erzielten Gewinns aus selbständiger Tätigkeit (714,50 Euro pro Monat) als zutreffend. Dieser Betrag sei vom Antragsgegner zu Recht dem Antragsteller zu 1. in voller Höhe als Einkommen zugerechnet worden, weil weder dargelegt noch glaubhaft gemacht worden sei, dass die Hälfte des Betriebsgewinns entsprechend dem Gesellschaftervertrag der anderen Gesellschafterin zufließe. Insoweit bleibe es dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, ggf. hierzu weitere Beweise zu erheben (vgl. insoweit bereits gleichlautend: Seite 4 des für den Bewilligungszeitraum April bis September 2016 ergangenen Beschlusses des SG vom 28. November 2016 - S 35 AS 146/16 ER -). Bei Berücksichtigung der zusätzlichen Bedarfe für KdUH sowie bei Außerachtlassung des "sonstigen Einkommens" (1.091,76 Euro pro Monat) ergebe sich ein monatlicher Leistungsanspruch der Antragsteller i.H.v. 500,40 Euro (Beschluss vom 12. April 2017).

Gegen den dem Antragsgegner am 12. April 2017 zugestellten Beschluss richtet sich seine am 12. Mai 2017 eingelegte Beschwerde. Er wendet sich insbesondere gegen die Nichtberücksichtigung der Zahlungen der Mutter des Antragstellers zu 1. Bei dem angeblichen Darlehensvertrag handele es sich um eine zum Teil verdeckte Schenkung. Die Mutter des Antragstellers zu 1. habe in der Zeit vom 11. August 2016 bis 15. Februar 2017 insgesamt 11.750,- Euro an den Antragsteller zu 1. überwiesen, dieser im selben Zeitraum jedoch lediglich 5.200,- Euro zurückgezahlt. Aus den verbleibenden Einnahmen i.H.v. 6.550,- Euro ergebe sich für den ca. sechsmonatigen Zeitraum ein durchschnittliches Einkommen von 1.091,67 Euro (vgl. zur Berechnung von Einnahmen i.H.v. sogar 1294,- Euro pro Monat für den Zeitraum Januar bis Mai 2017: Schriftsatz des Antragsgegners vom 9. Juni 2017). Entscheidend sei, dass diese Zahlungen dem Antragsteller zu 1. zugeflossen seien, ohne dass erkennbar Rückzahlungen in entsprechender Höhe erfolgt seien. Im Übrigen stellt der Antragsgegner die vom SG in die KdUH-Bedarfsberechnung eingestellten Nebenkosten vollständig, die Heizkosten dagegen lediglich i.H.v. 151,- Euro (anstatt lt. Beschluss: 154,- Euro) ausdrücklich unstreitig.

Die Antragsteller vertiefen im Beschwerdeverfahren ihr Vorbringen, wonach es sich bei dem mit der Mutter des Antragstellers zu 1. geschlossenen Vertrag um einen rechtswirksamen Darlehensvertrag handelt (vgl. hierzu auch die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers zu 1. und seiner Mutter vom 6. Juni 2017).

Auf Aufforderung des Senats haben die Antragsteller die im Rahmen des "Privaten Darlehens-Nothilfevertrags" vom 2. August 2014 erfolgten Zahlungen für die Jahre 2014 bis 2017 aufgelistet und entsprechende Kontoauszügen vorgelegt. Danach hat die Mutter des Antragstellers zu 1. in der Zeit vom 3. Juli 2014 bis 5. Mai 2017 insgesamt 57.870,- Euro an den Antragsteller zu 1. überwiesen, während der Antragsteller zu 1. in diesem Zeitraum 29.450,- Euro an seine Mutter zurückgezahlt hat.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Das SG hat zwar dem Grunde nach zu Recht sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund bejaht. Der Höhe nach ist die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners jedoch auf einen Betrag von 180,- Euro pro Monat (für die gesamte Bedarfsgemeinschaft) zu reduzieren.

Die Beschwerde des Antragsgegners beschränkt sich im Wesentlichen auf die Frage der Berücksichtigung von Zahlungen der Mutter des Antragstellers zu 1. als Einkommen i.S.d. SGB II (vgl. zu den vom SG zusätzlich als KdUH-Bedarfe berücksichtigten und vom Antragsgegner mittlerweile vollständig bzw. bis auf einen Differenzbetrag von 3,- Euro unstreitig gestellten Neben- und Heizkosten: Schriftsätze des Antragsgegners vom 31. Mai und 9. Juni 2017).

Der Senat teilt die Auffassung des Antragsgegners, wonach es sich bei dem zwischen dem Antragsteller zu 1. und seiner Mutter geschlossen "Privaten Darlehens-Nothilfevertrag" nicht allein um einen insgesamt rechtswirksamen Darlehensvertrag sondern zumindest teilweise auch um ein sog. Scheingeschäft handelt.

Zwar haben der Antragsteller zu 1. und seine Mutter diesen Vertrag ausdrücklich als Darlehensvertrag bezeichnet. Auch verwenden die Vertragsparteien in ihren wechselseitigen Überweisungen als Verwendungszweck ausdrücklich die Begriffe "Darlehen" und "Nothilfe". Allerdings bestimmt sich die rechtliche Einordnung eines Vertrags bzw. geleisteter Zahlungen nicht allein anhand der - hier zumindest teilweise zum Schein gewählten - Bezeichnungen durch die Beteiligten selbst, sondern nach dem tatsächlichen Rechtscharakter. Insoweit kann sich auch der erkennende Senat nicht der Tatsache verschließen, dass der Antragsteller zu 1. und seine Mutter zwar verbal ausschließlich Darlehens- bzw. Tilgungsbeträge unregelmäßig und in unterschiedlicher Höhe hin- und herüberweisen, andererseits der "Private Darlehens-Nothilfevertrag" letztlich aber überhaupt keine faktisch durchsetzbaren Rückzahlungspflichten enthält. So ist weder die Darlehens- noch die Vertragslaufzeit fest geregelt. Ebenso wenig sind für die erheblichen Darlehensbeträge (seit 2014 mehr als 57.000,- Euro) irgendwelche Sicherheiten vorgesehen oder Zinsen zu zahlen. Ebenso wenig wurde ein fester Darlehensbetrag vereinbart. Vielmehr werden die einzelnen Darlehen "jeweilig nach Bedarf, nach Rücksprache mit dem Darlehensgeber festgelegt" und seit 2014 - so zumindest nach dem Eindruck des Senats - offensichtlich unbegrenzt gewährt. So erfolgten z.B. im Jahr 2015 insgesamt 21 Auszahlungen von Beträgen zwischen 400,- und 1.500,- Euro (insgesamt 21.000,- Euro) trotz des bereits zu Jahresanfang 2015 bestehenden Zahlungsrückstands i.H.v. 3.600,-. Auch im Jahr 2015 wurden dann lediglich 7.750,- Euro zurückgezahlt, so dass der Fehlbetrag zum Jahresende 2015 zwischen den Auszahlungen (2014/2015) einerseits und den Rückzahlungen (2014/2015) 16.850,- Euro betrug. Für ein - zumindest teilweises - Scheingeschäft spricht auch, dass der Darlehensvertrag erst am 2. August 2014 abgeschlossen wurde, die erste angebliche Darlehenszahlung dagegen bereits am 3. Juli 2014 erfolgte. Nicht nachvollziehbar und letztlich nur durch die Annahme eines zumindest teilweisen Scheingeschäfts ist auch zu erklären, dass der Antragsteller zu 1. am 11. August 2014 bereits 3.000,- Euro an seine Mutter zurückzahlte, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bislang lediglich 1.600,- Euro als - angebliches - Darlehen ausgezahlt haben soll (nämlich am 3. Juli 2014). Sowohl die "Rück"zahlung von oberhalb der Auszahlungsbeträge liegenden Geldbeträgen als auch das rechtsfolgenlose Ausbleiben von erheblichen Tilgungsbeträgen (mittlerweile: 28.420,- Euro) sprechen gegen einen rechtswirksamen Darlehensvertrag und somit für ein Scheingeschäft. Selbst wenn - gerade im Rahmen einer Eltern-Kind-Beziehung - nachvollziehbar ist, dass für die Rückzahlung von Unterstützungsdarlehen großzügige Fristen eingeräumt werden, ist festzuhalten, dass die Auszahlungsbeträge seit 2014 in jedem Jahr die jeweiligen Rückzahlungsbeträge deutlich überschritten haben. Insgesamt ist weder ein ernsthafter und auf vollständige Tilgung gerichteter Willen des Antragstellers zu 1. noch ein ernsthaftes Rückforderungsverlangen der - angeblichen - Darlehensgeberin zu erkennen. Selbst im Jahr 2017 - obwohl der Negativsaldo am Jahresanfang 2017 bereits mehr als 21.000,- Euro betrug - wurden bereits wieder 10.070,- Euro an den Antragsteller zu 1. überwiesen, obwohl dieser im selben Zeitraum lediglich 3.500,- Euro zurückgezahlt hat.

Nach alledem stehen den Antragstellern schon seit Jahren Geldbeträge zur Verfügung, bezüglich derer eine Rückzahlung bislang weder erfolgt noch erkennbar ernsthaft geltend gemacht wird. Diese bei den Antragstellern verbliebenen Gutschriften haben mittlerweile (Stichtag: 15. Mai 2017) einen Gesamtbetrag i.H.v. 28.420,- Euro erreicht, wobei hiervon 6.570,- Euro auf die Zeit vom 1. Januar bis 15. Mai 2017 entfallen. Diese den Antragstellern tatsächlich zugeflossenen Geldbeträge können bei der Bedarfsberechnung nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Hieran ändert auch die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers zu 1. und seiner Mutter nichts, weil auch durch diese Versicherung weder dargelegt noch glaubhaft gemacht worden ist, dass sämtliche Zahlungen auch tatsächlich an die Mutter zurückfließen bzw. mit einer rechtswirksamen Rückzahlungsverpflichtung belastet sind.

Nach alledem gelangt der Senat - in Übereinstimmung mit dem SG, jedoch entgegen der Auffassung des Antragsgegners - zu der Einschätzung, dass die Antragsteller grundsätzlich hilfebedürftig sein dürften. Schließlich können sie prognostisch allein aus dem Einkommen aus Gewerbebetrieb, abhängiger Beschäftigung und Kindergeld ihren grundsicherungsrechtlichen Bedarf für den streitbefangenen Zeitraum nicht decken. Die Höhe der ihnen im streitbefangenen Bewilligungszeitraum zufließenden Zahlungen der Mutter (soweit diese keiner rechtswirksamen Rückzahlungsverpflichtung unterliegen) ist derzeit nicht hinreichend valide abschätzbar. Eine abschließende Klärung muss dem Hauptsacheverfahren bzw. der endgültigen Entscheidung nach § 41a Abs 3ff. SGB II vorbehalten bleiben. Deshalb schätzt der Senat in Ausübung der ihm nach § 202 SGG i.V.m. § 287 ZPO eingeräumten Befugnis und unter Berücksichtigung aller ersichtlichen Daten den grundsicherungsrechtlichen Bedarf der Antragsteller auf 180,- Euro pro Monat, wobei hiervon jeweils 60,- Euro auf die Antragsteller zu 1. und 2. und jeweils 30,- Euro auf die Antragsteller zu 3. und 4. entfallen (vgl. auch zur Befugnis zu einer Schätzung, wenn die Erbringung von SGB II-Leistungen im Einzelfall keinen Aufschub duldet: § 2 Abs 7 Nr 2 Alg II-V).

Der Anordnungsgrund für die vom Senat zugesprochenen vorläufigen Leistungen (180,- Euro pro Monat) ergibt sich aus der Rechtsnatur der SGB II-Leistungen als existenzsichernde Leistungen. Ein Anordnungsgrund für höhere vorläufige Leistungen ist nicht begründbar, weil den Antragstellern erhebliche Zahlungen praktisch "auf Abruf" zufließen, ohne dass hierfür Zinsen gezahlt würden oder ernsthaft Rückzahlung verlangt werden würde.

Die Verpflichtung zur Leistungsgewährung im Eilverfahren erfolgt lediglich vorläufig, d.h. vorbehaltlich des Ausgangs der Hauptsache. Gegebenenfalls sind die Antragsteller zur Erstattung der aufgrund dieser Entscheidung gewährten vorläufigen Leistungen verpflichtet.

Rein vorsorglich weist der Senat die Antragsteller auf ihre Auskunfts-, Mitteilungs- und Wahrheitspflichten hin (vgl. im Einzelnen: §§ 60ff. SGB I). Etwaige Falschangaben (wie z.B. die Vorlage eines zumindest zum Teil nur zum Schein vereinbarten Darlehensvertrags) können neben leistungsrechtlichen auch strafrechtliche Konsequenzen haben (z.B. nach § 263 Strafgesetzbuch - StGB -). Dies gilt auch für unterlassene Mitteilungen von wesentlichen Änderungen wie z.B. Einkommenszufluss in Form der Erstattung eines Heizkostenguthabens (vgl. hierzu: Energiekostenabrechnung vom 3. Januar 2017, die auch nach dem Vortrag der Antragsteller nicht zeitnah vorgelegt wurden).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Teilerfolg der Antragsteller sowie den Umstand, dass der Senat den von den Antragstellern vorgelegten "Privaten Darlehens-Nothilfevertrag" zumindest teilweise als Scheingeschäft wertet.

Die Antragsteller haben Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren. Die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung war nicht zu prüfen, da der Antragsgegner das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 73a SGG i.V.m § 119 Abs 1 Satz 2 ZPO). Antragsgemäß wird Rechtsanwalt J. beigeordnet. Dass die Antragsteller nach derzeitigem Sach- und Streitstand nicht in der Lage sind, die Kosten der Prozessführung vollständig, teilweise oder in Raten aufzubringen (vgl. hierzu: § 73a SGG i.V.m. § 14 ZPO), ergibt sich aus den Darlegungen zum Anordnungsanspruch.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).