Amtsgericht Hannover
Urt. v. 30.09.1999, Az.: 526 C 08624/99
Ersatz des bei einem Verkehrsunfall entstandenen Schadens; Vorfahrtsverstoß bei einer Ausfahrt aus einer Tankstelle
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 30.09.1999
- Aktenzeichen
- 526 C 08624/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 32861
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:1999:0930.526C08624.99.0A
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 1 StVG
- § 7 Abs. 2 StVG
- § 17 StVG
- § 10 StVO
Fundstelle
- DAR 2000, 412 (red. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Schadensersatz
In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Hannover - Abteilung 526 -
auf die mündliche Verhandlung vom 23. September 1999
durch
den Richter am Amtsgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 7.143,74 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 30.07.1999 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 9.600,00 DM Vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger verlangt Ersatz des ihm bei einem Verkehrsunfall vom 15.11.1998 entstandenen Schadens.
Am Unfalltag befuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug, amtliches Kennzeichen , gegen 13.15 Uhr die Straße Sahlkamp in Hannover. Er näherte sich mit seinem Fahrzeug einer auf der - in Fahrtrichtung - rechten Seite liegenden Tankstelle. In der Ausfahrt der Tankstelle zur Straße Sahlkamp hatte der Beklagte zu 1.) mit seinem Pkw, amtliches Kennzeichen haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2.), angehalten, um nach links in die Straße Sahlkamp einzubiegen. Etwa 40 Meter hinter der Tankstellenzufahrt mündet die Wartburgstraße in die Straße Sahlkamp ein. Der Kläger hatte bei Annäherung an die Tankstellenzufahrt den rechten Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet, denn er beabsichtigte, in die Wartburgstraße nach rechts abzubiegen. Kurz bevor der Kläger mit seinem Pkw die Tankstellenzufahrt erreichte, fuhr der Beklagte zu I.) mit seinem Pkw an. Es kam im Bereich der Tankstellenzufahrt zur Kollision der Fahrzeuge. Dem Kläger entstand durch die Beschädigung seines Pkw's ein Gesamtschaden in Höhe von 12.143,74 DM, zusammengesetzt aus den Reparaturkosten in Höhe von 10.498,76 DM, einer Wertminderung in Höhe von 1.100,00 DM, Sachverständigenkosten in Höhe von 842,16 DM sowie einer Unkostenpauschale in Höhe von 40,00 DM. Die Beklagte zahlte auf diese Forderung einen Betrag in Höhe von 5.000,00 DM.
Der Kläger vertritt die Ansicht, die Beklagten seien zum vollständigen Ersatz des dem Kläger entstandenen Schadens verpflichtet, da der Unfall auf einem Vorfahrtsverstoß seitens des Beklagten zu 1.) beruhe.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 7.143,74 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 30.07.1999 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten meinen, der Kläger habe durch sein Fahrverhalten den Anschein erweckt, er werde in die Tankstellenzufahrt einbiegen. Sie behaupten dazu, der Kläger habe vor Erreichen der Tankstellenzufahrt seine Geschwindigkeit erheblich verringert. Er habe dann jedoch keine Vollbremsung durchgeführt.
Das Gericht hat gemäß dem Beweisbeschluss vom 23.09.1999 Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugin .. . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.09.1999 (Bl. 24 ff d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung eines weiteren Schadensersatzes in Höhe von 7.143,74 DM aus den §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 3 PflichtVersG.
Die Beklagten haften unter dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung aus § 7 Abs. 1 StVG, denn der Schaden am Fahrzeug des Klägers ist bei Betrieb des Pkw's des Beklagten zu 1.) eingetreten. Die Haftung der Beklagten ist auch nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, denn der Unfall war für den Beklagten zu 1.) nicht unabwendbar. Vielmehr hat sich der Beklagte zu 1.) verkehrswidrig verhalten, denn er hätte gemäß § 10 StVO bei Einfahren in die Straße Sahlkamp sich so verhalten müssen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war, woran es jedoch fehlt. Der Beklagte zu 1.) fuhr vielmehr an, obwohl sich der Kläger mit seinem Pkw dem Bereich der Tankstellenzufahrt näherte.
Der Haftung der Beklagten steht auch nicht die Eigenhaftung des Klägers aus der Betriebsgefahr seines eigenen Pkw's gemäß § 7 Abs. 1 StVG entgegen. Zwar konnte der Kläger nicht nachweisen, dass für ihn der Unfall im Sinne des § 7 Abs. 2 STVG unabwendbar war. Denn ein optimaler Fahrer hätte eine Mißachtüng des Vorfahrtsrechts des Klägers bei Annäherung an die Tankstellenzufahrt in Betracht gezogen und sein Fahrverhalten danach ausgerichtet. Die Eigenhaftung des Klägers tritt jedoch bei Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile gemäߧ 17 Abs. 1 Satz 2 StVG hinter der durch das Fehlverhalten des Beklagten zu 1.) deutlich erhöhten Betriebsgefahr des Pkw's des Beklagten zu 1.) zurück. Denn die Verursachung des Unfalls ist vorrangig auf das Fehlverhalten des Beklagten zu 1.) bei Einbiegen in die Straße Sahlkamp zurückzuführen.
Ein Mitverursachungsanteil des Klägers liegt insbesondere nicht darin, dass dieser durch sein Fahrverhalten den Eindruck erweckt hat, er wolle nicht in die Wartburgstraße, sondern auf das Tankstellengelände abbiegen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger bei Annäherung an die Zufahrt zu der Tankstelle seine Geschwindigkeit nicht erheblich verlangsamte, woraus der Beklagte zu 1.) den Schluss hätte ziehen können, der Kläger werde die Einfahrt zum Tankstellengelände nutzen. Die Zeugin Just hat vielmehr glaubhaft bekundet, der Kläger sei mit unveränderter Geschwindigkeit auf die Tankstellenzufahrt zugefahren. Sie hat ihre Erinnerung darin schlüssig damit begründet, dass der Kläger schon längere Zeit relativ langsam, nach ihrer Schätzung mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h, unterwegs gewesen sei. Auch wenn der Kläger schon längere Zeit den rechten Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte, als er sich der Tankstelleneinfahrt näherte, so durfte der Beklagte zu 1.) daraus nicht den Schluss ziehen, dass der Kläger in die Tankstelleneinfahrt einbiegen werde. Denn angesichts der örtlichen Nähe der Einmündung der Wartburgstraße musste der Beklagte zu 1.) damit rechnen, dass der Kläger nicht ein Abbiegen auf das Tankstellengelände, sondern ein Abbiegen in die Wartburgstraße beabsichtigte. Das Vertrauen des Beklagten zu 1.) dahingehend, der Kläger werde die Tankstelleneinfahrt benutzen, ist angesichts der räumlichen Nähe der Einmündung der Wartburgstraße nicht schutzwürdig. Zudem waren dem Beklagten zu 1.) die örtlichen Gegebenheiten auch bekannt.
Angesichts der vorprozessualen Zahlung in Höhe von 5.000,00 DM haben die Beklagten den Restschaden in Höhe von 7.143,74 DM zu ersetzen.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.