Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 15.01.2002, Az.: 13 U 104/00
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 15.01.2002
- Aktenzeichen
- 13 U 104/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43911
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG - 21.07.2000 - AZ: 3 O 242/00
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aurich vom 21. Juli 2000 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 80.000,-- DM abzuwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Der Wert der Beschwer übersteigt 60.000,-- DM.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 65.000,-- DM festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin war Eigentümerin eines Sportpferdes, das sie im Stall ihres Sohnes untergestellt hatte. Nachdem dieser das Pferd am 25. August 1999 geritten hatte, brachte er es zum Trocknen in den Solariumstand des Stalles. Während er sich für einige Zeit entfernt hatte - die Dauer ist streitig - kam der Beklagte mit seinem Schäferhund, den er an der Leine führte, auf den Hof. Der Hund riß sich los und lief bellend in den Stall. Wenig später wurde das Pferd tot aufgefunden. Die genaue Todesursache ist streitig.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage von dem Beklagten Schadensersatz für den Verlust des Pferdes. Er habe seinen Hund nicht angemessen beaufsichtigt, so daß dieser sich habe losreißen können. Zu dem Tod des Pferdes sei es gekommen, weil der Hund dieses angebellt und angesprungen habe; dadurch sei der Pferd in Panik geraten. Es habe sich entweder an der ordnungsgemäß angebrachte Leine stranguliert oder es habe sich stürzend das Genick gebrochen.
Der Beklagte macht unter Berufung auf ein von der hinter ihm stehenden Versicherung eingeholtes Gutachten geltend, ein Pferd könne sich nicht strangulieren, wenn die Leine unter dem Solarium ordnungsgemäß angebracht gewesen sei. Das zu überprüfen sei nicht mehr möglich, weil die Klägerin Leine und Halfter beseitigt habe. Die Klägerin müsse sich ein überwiegendes Mitverschulden ihres Sohnes zurechnen lassen, weil dieser die Stalltür nicht verschlossen und sich für mindestens 20 Minuten von dem Hof entfernt gehabt habe. Ausgehend von einem Mitverschulden von 2/3 hat die Versicherung der Klägerin vorprozessual 30.000,-- DM gezahlt. Diese begehrt, gestützt auf ein Wertgutachten der Versicherung des Beklagten, mit ihrer Klage die Zahlung eines weiteren Betrages von 65.000,-- DM.
Dem hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil entsprochen. Der Beklagte hafte gem. § 833 S. 1 BGB aus Tierhalterhaftung ohne Entlastungsmöglichkeit, da es sich bei dem Schäferhund um ein Luxustier handele. Die Klägerin brauche sich kein Mitverschulden zurechnen zu lassen, da es nicht vorwerfbar sei, daß das Pferd allein im Solariumstand zurückgelassen worden war. Ihr könne auch nicht der Vorwurf gemacht werden, daß das Pferd fehlerhaft angebunden worden sei. Nach dem eigenen Gutachten der Versicherung des Beklagten sei insoweit kein Fehler zu erkennen. Dem Bericht des Tierarztes zu Folge sei das Pferd mit ausreichender doppelter Seilspannung zu beiden Seiten von 65 cm gesichert gewesen.
Der Anspruch der Klägerin mindere sich auch nicht aufgrund der von dem Pferd ausgehenden eigenen Tiergefahr. Diese trete hinter dem Verschulden des Beklagten zurück.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er bestreitet die Ursächlichkeit des Hundes für den Tod des Pferdes. Es sei nicht erwiesen, daß das Pferd sich stranguliert habe. Das sei bei einer Länge des Strickes von je 65 cm ausgeschlossen. Die genaue Todesursache habe nicht festgestellt werden können, weil die Klägerin das Pferd sofort der Abdeckerei zugeführt habe. Es bedeute eine Beweisvereitelung, daß die Stricke und das Halfter beseitigt worden seien. Der Beklagte hält auch an seiner Auffassung fest, es liege ein Mitverschulden der Klägerin darin, daß das Pferd nicht ordnungsgemäß beaufsichtigt worden sei. Außerdem müsse sie sich die von ihrem Pferd ausgehende eigene Tiergefahr zurechnen lassen.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte habe in einem früheren Schreiben selbst eingeräumt, daß sein Hund das Pferd angebellt und angesprungen habe. Die Ursächlichkeit des Hundes für den Tod des Pferdes könne nicht zweifelhaft sein. Es könne dahinstehen, ob der Tod des Pferdes durch Strangulation, durch Genickbruch oder einen plötzlichen Herzschlag ausgelöst worden sei; entscheidend sei allein, daß das aggressive Verhalten des Hundes des Beklagten den Tod des Pferdes bewirkt habe. Zu einer Obduktion des Pferdes sei es nur deshalb nicht gekommen, weil die hinter dem Beklagten stehende Versicherung daran trotz ausdrücklichen Befragens, nicht interessiert gewesen sei.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. S....
Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Landgericht hat ihn zu Recht verurteilt, der Klägerin den Verlust ihres Pferdes zu ersetzen. Der Beklagte schuldet ihr gemäß § 833 Satz 1 BGB Ersatz ihres Schadens, weil sein Hund den Tod des Pferdes verursacht hat. Der Beklagte hat obendrein schuldhaft gehandelt, weil er den Hund nicht gehörig beaufsichtigt hat.
Daß der Hund des Beklagten ursächlich für den Tod des Pferdes war, sieht der Senat aufgrund des eigenen Schreibens des Beklagten vom 15.09.1999 als erwiesen an. Dort hat er eingeräumt, daß der Hund das Pferd angebellt und angesprungen habe. Dabei sei das Pferd gefallen. Da zwischen den Parteien unstreitig ist, daß in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit diesem Vorgang auch das Pferd gestorben ist, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der Angriff des Hundes auf das Pferd zu dessen Tod geführt hat.
Es kann dann für die Haftung des Beklagten dahinstehen, ob sich das Pferd mit der Leine, durch die es in dem Solariumstand angebunden war, stranguliert hat, ob es an einem Genickbruch oder in seiner Panik an einem Herzversagen gestorben ist. Entscheidend ist allein, daß für keine der in Betracht kommenden Todesursachen den Sohn der Klägerin ein Mitverschulden trifft, das diese sich zurechnen lassen müßte.
Aufgrund des Ergebnisses des vom Senat erhobenen Beweises durch Vernehmung des Zeugen Dr. S... ist nämlich erwiesen, daß das Pferd in dem Solariumstand artgerecht angebunden war. Der Zeuge hat bekundet, daß das Doppelseil, mit dem das Pferd festgebunden war, insgesamt nicht länger als 1,30 m war. Diese Länge ist auch nach Auffassung der von der hinter dem Beklagten stehenden Versicherung eingeschalteten Sachverständigen angemessen und vor allem nicht zu lang. Der Zeuge hat - wie schon in seinem Bericht vom 30.08.1999 - bekundet, die Länge des Taues vermessen zu haben, nachdem er in seiner Eigenschaft als Tierarzt zu dem Unfallort gerufen worden war. Er habe die Länge des Taues genau vermessen, weil er sich schon damals habe vorstellen können, daß diese Frage für eine spätere Auseinandersetzung um den Ersatz des Pferdes von Bedeutung sein könne. Ihm sei bewußt gewesen, daß ein längeres Tau eine fehlerhafte Betreuung des Pferdes bedeutet hätte.
Der Senat sieht keine Veranlassung an der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage zu zweifeln. Er hat anschaulich geschildert, ihm habe sich beim Erscheinen am Unfallort das Bild so dargestellt, daß das Pferd auf den Tauen gelegen und dann herausgeschnitten worden sei, wobei das Tau zum Schluß gerissen sei.
Dahinstehen kann, ob dem sachverständigen Zeugen Dr. S... darin zu folgen ist, daß das Pferd sich stranguliert hat, oder ob das entsprechend der Auffassung der Privatgutachterin des Beklagten ausgeschlossen ist. Denn selbst wenn das Pferd nicht auf diese Weise zu Tode gekommen sein kann, hat der Senat gleichwohl keinerlei Zweifel daran, daß der Hund des Beklagten ursächlich für den Tod des Pferdes war, und es ist auch erwiesen, daß kein fehlerhaftes Anbinden des Pferdes todesursächlich war.
Der Beklagte erhebt gegen die Klägerin zu Unrecht den Vorwurf der Beweisvereitelung. Er war selbst zugegen, als das Pferd verstarb. Es war an ihm, die hinter ihm stehende Versicherung zu benachrichtigen. Wenn diese trotz der nach der Darstellung ihres Versicherungsnehmers offenkundigen Todesursache Bedenken hatte, so war es ihre Aufgabe, darauf hinzuwirken, daß der Tierkadaver nicht der Abdeckerei zugeführt wurde. Nachdem die Klägerin durch den sachverständigen Zeugen Dr. S... Feststellungen zu der Anbindung des Pferdes hatte treffen lassen, die von diesem sogar protokolliert worden waren, gab es für die Klägerin auch keine Veranlassung, von sich aus das nunmehr wertlose Tau aufzubewahren. Denn der Beklagte hatte auch dieses gesehen, ohne ein Beweisinteresse zu bekunden.
Die Klägerin trifft auch kein Mitverschulden an dem Tod des Pferdes deshalb, weil die Stalltür geöffnet und das Pferd nach der Behauptung des Beklagten 20 Minuten lang nicht beaufsichtigt war. Die Klägerin oder ihr Sohn waren nicht gehalten, dafür Sorge zu tragen, daß die Stalltür verschlossen blieb. Sie brauchte keine Vorkehrungen zu treffen zu verhindern, daß unzureichend beaufsichtigte Hunde auf ihren Hof gerieten. Ob es generell eine Verletzung der Aufsichtspflicht bedeutet, ein Pferd 20 Minuten lang unbeaufsichtigt unter einem Solarium stehen zu lassen, kann dahinstehen. Denn auf jeden Fall kann Schutzzweck einer solchen Verpflichtung nicht sein, das Pferd davor zu schützen, von einem Hund angefallen zu werden.
Hinsichtlich der Abwägung der von dem Hund und dem Pferd ausgehenden Tiergefahren folgt der Senat dem Landgericht, wonach die des Pferdes hinter der des Hundes in Verbindung damit, daß dessen Halter ein erhebliches Verschulden trifft, völlig zurücktritt.
Da die Höhe des geltend gemachten Schadens im übrigen nicht streitig ist, war die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Schriftsatz vom 28.12.2000 gibt keine Veranlassung, die ordnungsgemäß geschlossene mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Sollte der hinter dem Beklagten stehende Versicherer den Verdacht eines kollusiven Zusammenwirkens ihres Versicherungsnehmers mit der Klägerin haben, so wäre es an ihm gewesen, dem Rechtsstreit beizutreten. Auf nebulöse Andeutungen kann der Senat keine Entscheidung stützen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.