Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 04.12.2013, Az.: 4 B 271/13

Prüfung der Abschiebung eines Asylsuchenden in den Drittstaat (hier: Polen)

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
04.12.2013
Aktenzeichen
4 B 271/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 54836
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2013:1204.4B271.13.0A

In der Verwaltungsrechtssache
1. ,
2. ,
3. ,
4. ,
5. , l,Staatsangehörigkeit: syrisch,
Antragsteller,
Proz.-Bev.
zu 1-5: Rechtsanwälte Cakar und andere, Gropiusstraße 2, 31137 Hildesheim, - 472 S/13 -
gegen
die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Klostermark 70-80, 26135 Oldenburg, - 5606507-475 -
Antragsgegnerin,
Streitgegenstand: Asylrecht - EilverfahrenDublin (Polen)- hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO -
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 4. Kammer - am 4. Dezember 2013 durch den Einzelrichter
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

Der Antrag auf

Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von den Antragstellern erhobenen Klage (4 A 270/13) gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 08. November 2013

ist nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist in materieller Hinsicht begründet, wenn das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung eines belastenden Bescheides das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Durchsetzung des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei der Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen Zurückhaltung auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Erweist sich der angegriffene Verwaltungsakt bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtswidrig, so überwiegt in der Regel das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Umgekehrt geht die Interessenabwägung zu Ungunsten des Antragstellers aus, wenn die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe geht die Interessenabwägung hier zu Lasten der Antragsteller aus, weil der angegriffene Bescheid vom 08. November 2013 voraussichtlich rechtmäßig ist.

§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bestimmt, dass das Bundesamt die Abschiebung anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Die Abschiebungsanordnung darf als Festsetzung eines Zwangsmittels erst dann ergehen, wenn alle Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Abschiebung nach § 26a oder § 27a AsylVfG i.V.m. § 34a AsylVfG erfüllt sind. Vor Erlass der Abschiebungsanordnung ist zu prüfen, ob die Abschiebung in den Dritt- bzw. Mitgliedstaat rechtlich zulässig und tatsächlich möglich ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 2. Mai 2012, 13 MC 22/12). Rechtlich unzulässig wäre die Überstellung der Antragsteller u.a. dann, wenn die Antragsgegnerin für die Bearbeitung der Asylbegehren zuständig wäre oder die Antragsteller nicht reisefähig wären.

Die Abschiebung ist rechtlich zulässig und tatsächlich möglich. Polen ist nach § 27a AsylVfG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (im Folgenden: Dublin II-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig.

Die Dublin II-VO ist trotz ihres Außerkrafttretens zum 18. Juli 2013 und des Inkrafttretens der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) am 19. Juli 2013 im vorliegenden Fall für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO weiterhin maßgebend, da die Antragsteller den Antrag auf internationalen Schutz vor dem ersten Tag des sechsten Monats nach Inkrafttreten der Dublin III-VO - also dem 20. Dezember 2013 - gestellt haben.

Aufgrund der Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO, nach der bei der Bestimmung des nach den Kriterien der Dublin II-VO zuständigen Mitgliedsstaats von der Situation ausgegangen wird, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt, ist Polen zuständig. Laut dem Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes an Polen vom 28. Oktober 2013 haben die Antragsteller am 06. Januar 2013 in Polen einen Asylantrag gestellt. Die zuständige polnische Behörde hat dem Gesuch mit Schreiben vom 05. November 2013 gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. d) Dublin II-VO zugestimmt. Rechtlich unerheblich ist es, dass die Antragsgegnerin das Wiederaufnahmegesuch auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. c) Dublin II-VO gestützt hat. Danach ergibt sich die gleiche Rechtslage wie bei der Anwendung des Art. 16 Abs. 1 Buchst. d) Dublin II-VO.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 der Dublin II-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, wonach in Fällen, in denen ein Mitgliedsstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde, einen anderen Mitgliedsstaat für die Prüfung des Antrages für zuständig erachtet, er in jedem Fall innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Antrages den anderen Mitgliedsstaat ersuchen muss, den Asylbewerber aufzunehmen. Da die Antragsteller bereits in Polen Asylanträge gestellt haben, ist das deutsche Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 20 Dublin II-Verordnung nicht an eine Frist seitens des ersuchenden Mitgliedsstaates gebunden (vgl. VG Oldenburg, Beschl. v. 14. November 2013, 3 B 6286/13 m.w.N.).

Die Antragsteller haben auch keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin ihre Asylanträge im Wege des Selbsteintritts gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO prüft.

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 der Dublin II-VO zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung. Ob der Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen europäischen Asylsystems ist (EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, C-411/10 und C-493/10).

Nach dem Art. 16 a Abs. 2 GG, §§ 26 a, 27 a, 34 a AsylVfG zu Grunde liegenden Konzept der normativen Vergewisserung ist davon auszugehen, dass u.a. in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (sog. sichere Drittstaaten) die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK) vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 560) und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 II S. 685, 953) sichergestellt ist und daher dort einem Asylsuchenden keine politische Verfolgung droht oder unzumutbare Bedingungen herrschen. Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland ausnahmsweise Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungsverbote nach § 60 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind. So kann sich im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Satz 2 der EMRK, wonach die Todesstrafe nicht konventionswidrig ist, ein Ausländer gegenüber einer Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat auf das Abschiebungshindernis des § 60 Abs. 5 AufenthG berufen, wenn ihm dort die Todesstrafe drohen sollte. Weiterhin kann er einer Abschiebung in den Drittstaat § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG etwa dann entgegenhalten, wenn er eine erhebliche konkrete Gefahr dafür aufzeigt, dass er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat dort Opfer eines Verbrechens werde, welches zu verhindern nicht in der Macht des Drittstaates steht. Ferner kommt der Fall in Betracht, dass sich die für die Qualifizierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26a Abs. 3 AsylVfG hierauf noch aussteht. Nicht umfasst vom Konzept normativer Vergewisserung über einen Schutz für Flüchtlinge durch den Drittstaat sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird. Schließlich kann sich - in seltenen Ausnahmefällen - aus allgemein bekannten oder im Einzelfall offen zutage tretenden Umständen ergeben, dass der Drittstaat sich - etwa aus Gründen besonderer politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat - von seinen mit dem Beitritt zu den beiden Konventionen eingegangenen und von ihm generell auch eingehaltenen Verpflichtungen löst und einem bestimmten Ausländer Schutz dadurch verweigert, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn die ihn begründenden Umstände sich schon im Kontakt zwischen deutschen Behörden und Behörden des Drittstaates ausräumen lassen (vgl. BVerfG, Urt. v. 14. Mai 1996, 2 BvR 1938/93 u.a.). Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer nach dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der genannten im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen.

Diese Einschränkungen der Schutzgewährung und des Rechtsschutzes stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, nach der das gemeinsame europäische Asylsystem die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Es muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so ist die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (vgl. EuGH, Urt. v. 21. Dezember 2011, C-411/10 ). Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann (Nds. OVG, Beschl. v. 02. August 2012, 4 MC 1333/12).

Nach Maßgabe dieser Kriterien besteht keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Asylanträge der Antragsteller selbst zu prüfen. Denn es liegen dem Gericht keinerlei Erkenntnisse zur Situation von Asylbewerbern in Polen vor, die ernsthaft befürchten ließen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen dort grundlegende Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren.

Das VG Kassel (Beschl. v. 26. August 2013, 4 L 984/13.KS.A) hat die Verhältnisse in Polen für Asylbewerber wie folgt gewürdigt:

"Die rechtlichen Regelungen des vergemeinschafteten Asyl- und Flüchtlingsrechts der europäischen Union hat Polen in den wesentlichen Grundzügen in nicht zu beanstandender Weise umgesetzt (UNHCR, Submission by the United Nations High Commissioner for Refugees for the Office of the High Commissioner for Human Rights' Compilation Report - Universal Periodic Review: Poland, vom November 2011, abrufbar unter www.refword.org).

Die Entscheidungen in Asylverfahren sollen innerhalb von 6 Monaten getroffen werden; im Schnitt dauert ein Asylverfahren 18 Monate (Dublin Transnational Project, General information on asylum and Dublin in Poland, www.dublin-project.eu/dublin/Poland).

Insgesamt ist deshalb zur rechtlichen Regelung und der Praxis der Asylverfahren festzustellen, dass grundsätzlich von einem ordnungsgemäßen und nicht übermäßig langen Verfahren gesprochen werden kann. Anhaltspunkte dafür, dass der Einzelfall nicht geprüft wird, gibt es nicht. Insbesondere bei der Information der Asylantragsteller und bei der Ausgestaltung der rechtlichen Beratung gibt es aber Mängel.

Was die Aufnahmebedingungen angeht, so kann man davon ausgehen, dass Asylbewerber in Polen entweder in einem der sog. Aufnahmezentren, in einer der geschlossenen Gewahrsamszentren oder in einem Abschiebezentrum aufgenommen werden. Dabei erfolgt die Aufnahme regelmäßig in einem der Aufnahmezentren (Gesellschaft für bedrohte Völker = GfbV, Situation tschetschenischer Flüchtlinge in Polen, 2011, S. 4). Dort wird den Asylbewerbern die erforderliche Verpflegung zur Verfügung gestellt, außerdem bekommen sie ein kleines Taschengeld und ggf. Reisegeld für erforderliche Fahrten. Kinder können die örtliche Schule besuchen; ihnen steht Schulmaterial kostenlos zur Verfügung (GfbV, a.a.O., S. 6). Eine medizinische Basisversorgung ist in der Regel gewährleistet. Schwierigkeiten macht allerdings der Zugang zu einer zufriedenstellenden medizinischen Versorgung insbesondere für Kinder und traumatisierte Asylbewerber (GfbV, a.a.O., S., 5).

Soweit sie gegen die Bestimmungen des Aufenthaltsrechts während ihres laufenden Asylverfahrens verstoßen haben, werden Asylbewerber teilweise in einem der 5 geschlossenen Gewahrsamszentren untergebracht.

Soweit Asylbewerber abgeschoben werden sollen, werden sie in einer der Abschiebezentren festgehalten (GfbV, Situation, a.a.O., S. S. 4 f.). Hierzu bedarf es einer richterlichen Entscheidung. Die Haft kann bis zu einem Jahr betragen.

Problematisch sind die Integration und die Wohnsituation für anerkannte Flüchtlinge und für solche, die subsidiären Schutz genießen oder geduldet werden. Ein Drittel von ihnen ist obdachlos (UNHCR, Where i.S. my home?, 2012, www.unhcr.centraleurope.org/pdf/where-we-work/poland/where-is-my-home).

In der Vergangenheit hat es vereinzelt auch Berichte über fremdenfeindliche Vorfälle bei einigen der Aufnahmezentren gegeben (UNHCR, Submission, a.a.O., S. 4).

Insgesamt ergibt für Polen danach das Bild eines asylverfahrensrechtlichen Regimes und von Aufnahmebedingungen, das den Maßgaben der Genfer Flüchtlingskonvention und des asylrechtlichen System der Europäischen Union in den Grundlinien genügt. So wird das Refoulement-Verbot im Grundsatz eingehalten, es werden geordnete Asylverfahren geführt und in überschaubarer Zeit Entscheidungen getroffen, die Einzelfallentscheidungen darstellen und es werden den Asylbewerbern während des Asylverfahrens im Großen und Ganzen auch ausreichende Lebensgrundlagen (Unterkunft, Verpflegung, medizinische Hilfe) zur Verfügung gestellt. Allerdings gibt es, wie dargestellt, nach wie vor nicht unerhebliche Mängel. Die Vorgaben der Aufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG), jetzt RL 2013/33/EU vom 26.06.2013) werden in einer Reihe von Punkten (Information, juristische Beratung, medizinische Versorgung) in der Praxis nicht immer eingehalten. Legt man aber die in der Rechtsprechung des EuGH aufgeführten Gründe für die Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-VO und den sich daraus ergebenden strengen Maßstab an die Qualifizierung als systemische Mängel an, so stellen sich die aufgeführten Mängel im Asylverfahren und bei den Aufnahmebedingungen in Polen auch in der Summe nicht als systemische Mängel in dem oben dargestellten Sinn dar und es gibt auch keine entsprechenden Anhaltspunkte dafür, die einer Prüfung im Hauptsacheverfahren bedürften (wie hier auch VG Saarland, Beschluss vom 26.06.2013 - 6 L 839/13 -, [...]; VG Ansbach, Beschluss vom 20.03.2012 - AN 10 E 11.30140 -, [...]; a.A. VG Meinigen, Beschluss vom 26.04.2013 - 8 E 20075/13 Me)."

Die Bundesregierung hat auf die Kleine Anfrage mehrerer Abgeordneter - Drucksache 17/14713 - am 25. September 2013 (Drucksache 17/14795, S. 6f.) zu den Aufnahmebedingungen in Polen wie folgt Stellung genommen:

"Der Bericht der Helsinki-Stiftung "Migration i.S. not a crime", der sich auf eine Überprüfung der sechs "Guarded Centres for Foreigners" in Polen, also der sechs geschlossenen/bewachten Ausländereinrichtungen im Herbst 2012 beschränkte, rügt zwar im Einzelnen die Einweisungs- und Versorgungsbedingungen in dieser Art von Einrichtungen, hebt aber auch hervor, dass sie ziemlich unterschiedlich organisiert und ausgestattet sind (siehe Seite 36 des Berichts). Weiterhin ergibt sich aus dem Bericht der Helsinki-Stiftung zur Unterbringungssituation u.a., dass die Zentren offiziell für die Unterbringung von Ausländern umgebaut, zum Teil umfänglich renoviert wurden und sich in gutem Zustand befinden. Die umfangreiche Regulierung des Aufenthalts in diesen Unterkünften ist zwar verglichen mit den Verhältnissen in Deutschland erheblich restriktiver, erreicht aber nicht die Qualität einer Inhaftierung. Des Weiteren ist die Möglichkeit, mit der Welt außerhalb des jeweiligen Zentrums in Kontakt zu treten, sichergestellt; gleiches gilt für Besuche von Verwandten und die Möglichkeit, sich an internationale Organisationen zu wenden (vgl. VG Magdeburg, Beschluss vom 29. Juli 2013 - 3 b 185/13MD). Einem Bericht des U.S. Department of State zufolge hat die polnische Regierung zusätzlich zu den geschlossenen/bewachten Einrichtungen für Ausländer elf offene Zentren für Asyl- suchende initiiert, die sich in den Gebieten Warschau, Bialystok und Lublin befinden und ungefähr 2000 Personen aufnehmen können.

Dies lässt nicht den Schluss zu, dass systematisch gegen die Vorschriften der Richtlinie 2003/9/EG (Aufnahmerichtlinie) verstoßen werden würde oder menschenrechtswidrige Aufnahmebedingungen vorherrschten (vgl. VG Münster, Beschl. v. 5. Juli 2013, 2 L 330/13.A; VG München, Beschl. v. 5. August 2013, M 16 S 13.30728).

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass Gründe zur Annahme von systemischen Mängeln im polnischen Asylverfahren nicht vorliegen (vgl. hierzu etwa VG Düsseldorf, Beschl. v. 13. Juli 2013, 25 L 1165/13.A; VG Potsdam, Urt. v. 4. Juni 2013, VG 6 K 732/13.A; VG Ansbach, Beschl. v. 19. März 2013, AN 5 E 12.00567)."

Diese Einschätzung macht sich das Gericht in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden erstinstanzlichen Rechtsprechung (Nachw. bei VG Oldenburg, Beschl v. 14. November 2013, 3 B 6286/13) zu Eigen.

Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass den Antragstellern im Falle einer Rückführung nach Polen dort asylverfahrensrechtlich ungeprüft eine Kettenabschiebung nach Syrien droht.

Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen die Abschiebungsanordnung bestehen auch nicht aus anderen Gründen.

In Fällen, in denen der Asylbewerber in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll, hat das Bundesamt vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG auch zu prüfen, ob Abschiebungsverbote oder Duldungsgründe vorliegen. Anders als bei der Entscheidung über Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG im Zusammenhang mit dem Erlass einer Abschiebungsandrohung (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 25. November 1997, 9 C 58.96 und vom 11. November 1997, 9 C 13.96) hat das Bundesamt vor Erlass der Abschiebungsanordnung gegebenenfalls auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu berücksichtigen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 02. Mai 2012, 13 MC 22/12).

Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller reiseunfähig sein könnten, liegen nicht vor. Auch die Tatsache, dass inzwischen der Antragsteller zu 1. einen Sprachkurs und die Antragstellerin zu 3. einen Kindergarten besuchen, führt nicht zum Vorliegen eines Abschiebungsverbotes für die Antragsteller, da eine Eingewöhnung in die neuen Verhältnisse in Polen für sie zumutbar ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Dr. Allner