Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 11.07.2018, Az.: 1 B 34/18

Fahrerlaubnis; Führerschein; Lenkberechtigung; Nichtberechtigung zum Führen von Kfz

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
11.07.2018
Aktenzeichen
1 B 34/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74485
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der in einem anderen EU-Mitgliedstaat im Wege des Umtauschs einer entzogenen deutschen Fahrerlaubnis erlangte Führerschein vermittelt keine Fahrberechtigung im Bundesgebiet.

Mit der Ausstellung eines österreichischen Führerscheins (Duplikat) als Umtausch eines deutsches Führerscheins wird eine Fahrerlaubnis (in Österreich: Lenkberechtigung) nicht erteilt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Feststellung des Antragsgegners, dass ihre österreichische Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E sie nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtige.

Der Antragstellerin wurde 1982 die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Klasse 3 erteilt. Mit Schreiben vom 5. August 1998 ordnete das Landratsamt C. gegenüber der Antragstellerin die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle bis spätestens 6. Oktober 1998 an. Dem lag die Annahme zugrunde, dass sie mit Blick auf die Art und Zahl der begangenen Verstöße gegen Verkehrsvorschriften zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Sie wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass ihr die Fahrerlaubnis zu entziehen sei, sollte das Gutachten nach Ablauf der gesetzten Frist nicht vorliegen. Der Beibringensaufforderung kam die Antragstellerin trotz mehrfach eingeräumter Gelegenheit zur Stellungnahme und gewährter Fristverlängerung nicht nach. Nach Anhörung entzog das Landratsamt C. der Antragstellerin mit Bescheid vom 11. Mai 1999 unter Verweis darauf, dass sie mit Blick auf die wiederholten Verkehrszuwiderhandlungen nicht über die notwendige charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen verfüge und sie das verlangte medizinisch-psychologische Gutachten nicht fristgerecht beigebracht habe, die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge aller Klassen, zog den Führerschein ein und forderte sie zur unverzüglichen Ablieferung des Führerscheines auf. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Der Bescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 14. Mai 1999 zugestellt. Am 21. Mai 1999 legte die Antragstellerin gegen den Bescheid Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 27. Mai 1999 teilte die Bezirkshauptmannschaft D. (Österreich) dem Landratsamt E., welche das Schreiben zuständigkeitshalber an das Landratsamt C. weiterleitete, mit, dass gemäß § 15 Absatz 2 FSG der Antragstellerin am 27. Mai 1999 ein neuer Führerschein (Duplikat) ausgestellt und der deutsche Führerschein eingezogen worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 1999, zugestellt an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 29. Juni 1999, wies das Regierungspräsidium F. den Widerspruch zurück.

Mit Schreiben vom 23. April 2018 teilte die Bezirkshauptmannschaft D. dem Kraftfahrt-Bundesamt auf dessen von Seiten des Antragsgegners veranlasste Anfrage mit, dass die österreichische Behörde zum damaligen Zeitpunkt keine Kenntnis von der Entziehung der deutschen Fahrerlaubnis gehabt und die Antragstellerin am 10. Mai 1999 den Antrag auf Austausch ihres ausländischen EU-Führerscheines gestellt habe. Es habe sich bei der Erteilung am 27. Mai 1999 um die Umschreibung des deutschen Führerscheines gehandelt. Es sei keine Neuerteilung mit Eignungs- und/oder Befähigungsprüfung erfolgt. Im Jahre 2007 sei der österreichische Führerschein in Papierform gegen einen Scheckkartenführerschein umgetauscht worden. Im Zuge der Ermittlungen seien die damaligen Sachbearbeiter zur Ansicht gelangt, dass ein Wohnsitz gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 Führerscheingesetz in Österreich vorgelegen habe. Danach dürfe ein Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung nur gestellt werden, wenn der Antragsteller seinen Wohnsitz in Österreich habe. Ein Wohnsitz in Österreich liege vor, wenn sich die betreffende Person aufgrund ihrer persönlichen und beruflichen Bindungen innerhalb der letzten 12 Monate nachweislich während 185 Tagen in Österreich aufgehalten habe oder glaubhaft mache, dass sie beabsichtige, sich für mindestens 185 Tage in Österreich aufzuhalten.

Mit Bescheid vom 17. Mai 2018 stellte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin unter Berücksichtigung des § 28 Abs. 1 und 4 Nr. 3 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) fest, dass ihre österreichische Fahrerlaubnis, ausgewiesen durch österreichischen Führerschein der Klassen BE, BE, C1, C1E, ausgestellt durch die Bezirkshauptmannschaft D. am 19. Oktober 2007, sie nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtige. Er wies sie darauf hin, dass sie keine fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr der Bundesrepublik Deutschland führen dürfe. Weiter forderte er sie auf, ihm unverzüglich, spätestens innerhalb von 3 Tagen, den österreichischen Führerschein zur Eintragung eines entsprechenden Sperrvermerks vorzulegen. Ferner ordnete er für den Feststellungsbescheid und die Vorlage des österreichischen Führerscheines gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, dass der Umtausch in Österreich aufgrund eines entzogenen und damit nicht (mehr) gültigen deutschen Führerscheines erfolgt und der österreichische Führerschein daher ebenfalls nicht gültig sei. Dies müsse ihr auch bekannt gewesen sein, da sie in Deutschland nach der Entziehung der Fahrerlaubnis wiederholt wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt und in den Entscheidungen zum Teil auf die fehlende Berechtigung ihrer österreichischen Fahrerlaubnis hingewiesen worden sei. Durch den bloßen Umtausch habe eine Überprüfung ihrer Kraftfahreignung, wie sie im Rahmen eines Verfahrens zur Neuerteilung erforderlich gewesen wäre, nicht stattgefunden. Die österreichische Fahrerlaubnis werde daher nicht anerkannt.

Mit Schreiben vom 23. Mai 2018 machte die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner geltend, dass der Bescheid vom 17. Mai 2018 fehlerhaft sei. Die österreichische Fahrerlaubnis sei ihr nicht am 19. Oktober 2007, sondern vielmehr am 29. Mai 1999 ausgestellt worden. Sie habe zum damaligen Zeitpunkt ihren Wohnsitz in Österreich gehabt, dort gelebt und einen Personalausweis wie beantragt erhalten. Es könne nach etwa 19 Jahren nicht mehr beurteilt werden, wann die Entziehungsverfügung des Landratsamtes C. zugestellt worden sei. Auch der Inhalt geführter Telefonate sei nicht mehr bekannt. Sie sei noch nie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden und sei mangels solcher Entscheidungen auch nicht auf die fehlende Berechtigung ihrer österreichischen Fahrerlaubnis hingewiesen worden. Da die österreichische Fahrerlaubnis seit 1999 existiere, bestehe kein Bedürfnis für die sofortige Vollziehung des angefochtenen Bescheides. Soweit sie in den letzten Jahren in Verkehrskontrollen geraten sei, sei ihre Fahrerlaubnis nie beanstandet worden. Nach ihrem letzten Fahrverbot vor ca. 2 Jahren habe sie den Führerschein nach einem Monat ohne Weiteres wieder zurückbekommen. Als ihr die österreichische Fahrerlaubnis erteilt worden sei, sei die deutsche Fahrerlaubnis nicht bestandskräftig entzogen gewesen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sei die Gültigkeit des österreichischen Führerscheines hier anzuerkennen. Im Übrigen könne die Fahrerlaubnisbehörde anordnen, dass der Inhaber der EU-Fahrerlaubnis ein Gutachten oder Zeugnis eines Facharztes oder Amtsarztes beibringe, wenn Tatsachen bekannt würden, die Bedenken gegen die Eignung oder Fähigkeit des Inhabers der EU-Fahrerlaubnis begründeten. Allenfalls eine solche Maßnahme wäre vorliegend im Hinblick auf den erheblichen Zeitablauf von fast 20 Jahren angemessen und ausreichend gewesen, nicht hingegen die Eintragung eines Sperrvermerks und die Anordnung der sofortigen Vollziehung.

Die Antragstellerin hat am 31. Mai 2018 Klage erhoben (1 A 95/18) und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

Zur Begründung bezieht sie sich auf Ihr Schreiben vom 23. Mai 2018 und verweist ergänzend auf den inzwischen eingetretenen Zeitablauf. Die Aufforderung des Antragsgegners, den österreichischen Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen, erscheine nicht rechtmäßig. Der Antragsgegner hätte vorher die Beibringung eines Gutachtens bzw. Zeugnisses eines Facharztes für Fahreignung anordnen müssen.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 17. Mai 2018 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verweist zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und führt ergänzend aus, dass an der bestandskräftigen Entziehung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 11. Mai 1999 keine Zweifel bestünden. Der Bescheid sei dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 14. Mai 1999 wirksam zugestellt worden.

II.

Der zulässige Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage bleibt ohne Erfolg.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Hs. VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen. Ist die sofortige Vollziehung von der Behörde den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügend angeordnet worden, so entscheidet das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Hs. VwGO über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage auf der Grundlage einer eigenen Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das besondere öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.2014 - 7 VR 5.14 -, juris Rn. 9; Nds. OVG, Beschl. v. 10.9.2014 - 8 ME 87/14 -, juris Rn. 2). Im Rahmen der Interessenabwägung kommen den Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs eine entscheidende Bedeutung zu. Ergibt sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Überprüfung, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache keinen Erfolg haben wird, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts. Erweist sich der Rechtsbehelf bei summarischer Überprüfung demgegenüber als offensichtlich erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse des Adressaten des Verwaltungsakts, von dessen Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Stellen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hingegen bei der allein gebotenen summarischen Überprüfung als offen dar, so ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich, bei der in Rechnung zu stellen ist, welche Gründe bei bestehender Unsicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs für und gegen eine Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts sprechen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 10.5.2010 - 13 ME 181/09 -, juris Rn. 4). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die voraussichtliche Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts für sich allein nur das allgemeine Interesse an seiner Vollziehung begründet, nicht aber zugleich auch deren, für die behördliche Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erforderliche Dringlichkeit (vgl. grundlegend: BVerfG, Beschl. v. 27.4.2005 - 1 BvR 223/05 -, juris; Nds. OVG, Beschl. v. 10.9.2014 - 8 ME 87/14 -, juris Rn. 4, m.w.N.).

Obige Maßgaben zugrunde gelegt, ist der Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage unbegründet.

Zunächst genügt die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung den sich aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebenden Anforderungen. Erforderlich für das Vorliegen einer hinreichenden schriftlichen Begründung im Sinne dieser Vorschrift ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm angegriffenen Verwaltungsakt verschont zu werden. Dem Begründungserfordernis ist nicht erst dann Genüge getan, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung tatsächlich vorliegt. Ausreichend ist vielmehr - wie bei der Begründung eines Verwaltungsakts nach § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG -, dass die Behörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitteilt, die sie im konkreten Einzelfall zu der Annahme des Vorliegens eines besonderen Vollzugsinteresses und damit zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben. Da sich diese Begründung auf das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung zu beziehen hat, ist eine gesonderte Darstellung der diesem Interesse entgegenstehenden Interessen des von der sofortigen Vollziehung nachteilig Betroffenen keine Voraussetzung der formalen Ordnungsmäßigkeit der Begründung. In diesem Zusammenhang ist nicht entscheidungserheblich, ob bereits die von dem Antragsgegner getroffene Entscheidung über die sofortige Vollziehung auf einer auch inhaltlich tragfähigen, materiell ausreichenden Abwägung beruhte (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 7.3.2017 - 12 ME 12/17 -, n.v.). Die Begründung des Antragsgegners für die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt diesen Anforderungen. Sie wurde vorliegend hinreichend mit dem öffentlichen Interesse, nichtberechtigte Kraftfahrer vom öffentlichen Straßenverkehr fernzuhalten, und mit der Sicherheit des Straßenverkehrs als wesentliches Anliegen der Allgemeinheit begründet.

Die Abwägung des Interesses der Antragstellerin, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das besondere öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung fällt zu Ungunsten der Antragstellerin aus. Nach der hier allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird die Klage der Antragstellerin keinen Erfolg haben, weil der Bescheid voraussichtlich rechtmäßig ist.

Rechtsgrundlage für die angefochtene Feststellung des Antragsgegners, die der Antragstellerin erteilte österreichische Fahrerlaubnis berechtige sie nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland, sind die §§ 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FeV. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Absatz 1 oder 2 in der Bundesrepublik Deutschland haben, - vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 - im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Die Berechtigung nach Abs. 1 gilt gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben. § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV ordnet für die dort geregelten Ausnahmetatbestände die Nichtgeltung der ausländischen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis im Bundesgebiet an, ohne dass es noch zusätzlich eines konstitutiven Verwaltungsaktes bedarf, der diese Rechtsfolge ausspricht. Eine konstitutive Einzelfallentscheidung der deutschen Fahrerlaubnisbehörde ist nicht erforderlich. Nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV „kann“ die Fahrerlaubnisbehörde in den Fällen des Satzes 1 allerdings einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung erlassen. Damit wird der Fahrerlaubnisbehörde (nur) die Möglichkeit eingeräumt, einen solchen Verwaltungsakt zu erlassen, ohne hierzu verpflichtet zu sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.8.2011 - 3 C 25/10 -, juris Rn. 16). Von dieser Möglichkeit hat der Antragsgegner vorliegend in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

Die Voraussetzungen für die Feststellung des Antragsgegners, die der Antragstellerin erteilte österreichische Fahrerlaubnis berechtige sie nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland, sind vorliegend erfüllt. Denn die deutsche Fahrerlaubnis war der Antragstellerin durch den - zum Zeitpunkt des Umtausches in eine österreichische Fahrerlaubnis - sofort vollziehbaren und an ihren Prozessbevollmächtigten am 14. Mai 1999 zugestellten Bescheid des Landratsamtes C. vom 11. Mai 1999 wirksam entzogen worden. Die Antragstellerin macht nicht geltend, dass der Bescheid ihr gegenüber nicht wirksam bekannt gegeben worden sei. Sie beruft sich insoweit allein darauf, dass sie bzw. ihr Prozessbevollmächtigter nach 19 Jahren und Ablauf der Aufbewahrungsfristen nicht mehr beurteilen könne, wann die Verfügung zugestellt worden sei. Die Zustellung an ihren Prozessbevollmächtigten durch Postzustellungsurkunde ist in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners allerdings dokumentiert und lässt sich ohne Weiteres nachvollziehen. Nach § 46 Abs. 6 Satz 1 FeV, § 3 Abs. 2 Satz 1 StVG erlischt mit der Entziehung die Fahrerlaubnis. Die Entziehung wird mit Bekanntgabe wirksam (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. 2017, § 3 StVG Rn. 37). Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Er bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (Satz 2). Mit Zustellung des Bescheides vom 11. Mai 1999 an ihren Prozessbevollmächtigten unter dem 14. Mai 1999 wurde die unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis gegenüber der Antragstellerin wirksam bekannt gegeben, §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 41 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 VwVfG, § 3 VwZG, §§ 177 ff. ZPO. Da die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet war, kam dem mit Schreiben vom 20. Mai 1999 eingelegten Widerspruch auch keine aufschiebende Wirkung zu und war die Antragstellerin zur - ebenfalls mit sofortiger Wirkung angeordneten - unverzüglichen Ablieferung ihres Führerscheines verpflichtet (§ 47 Abs. 1 FeV, § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG). Im Zeitpunkt des Umtausches ihres deutschen Führerscheins am 27. Mai 1999 war die dem zugrunde liegende Fahrerlaubnis mithin bereits sofort vollziehbar entzogen. Darauf, dass die Fahrerlaubnisentziehung zum Zeitpunkt des Umtausches mit Blick auf die Einlegung des Widerspruchs noch nicht bestandskräftig war, kommt es hier nicht an.

Die angefochtene Feststellungsverfügung des Antragsgegners verstößt nicht gegen europarechtliche Vorgaben. Soweit es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, auf die sich die Antragstellerin vorliegend beruft, einem Mitgliedstaat verwehrt ist, das Recht zum Führen eines Kraftfahrzeuges aufgrund eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheines und damit dessen Gültigkeit in seinem Hoheitsgebiet deshalb nicht anzuerkennen, weil sich sein Inhaber, dem in dem erstgenannten Staat eine vorher erteilte Fahrerlaubnis entzogen worden war, nicht der nach den Rechtsvorschriften dieses Staates für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach dem genannten Entzug erforderlichen Fahreignungsprüfung unterzogen hat, wenn die mit diesem Entzug verbundene Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis abgelaufen war, als der Führerschein in dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde, ist eine solche Fallkonstellation hier nicht gegeben.

Die Regelung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV ist insoweit europarechtswidrig und damit nicht anwendbar, als sie den auf Art. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (ABl Nr. L 237 S. 1) in der Fassung der Richtlinie 97/26/EG des Rates vom 2. Juni 1997 zur Änderung der Richtlinie 91/439/EWG über den Führerschein (ABl Nr. L 150 S. 41) gestützten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes vom 29. April 2004 - Rs. C-476/01 (Kapper) - sowie vom 6. April 2006 - Rs. C-227/05 (Halbritter) - entgegensteht, an denen der Europäische Gerichtshof auch in seiner unter der neugefassten Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 (ABl Nr. L 403 S. 18) ergangenen Entscheidung vom 26. April 2012 - C-419/10 (Hofmann) - festgehalten hat. Nach dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes muss eine nach Ablauf der Sperrfrist in einem anderen Mitgliedstaat erteilte neue Fahrerlaubnis grundsätzlich im Inland anerkannt werden (vgl. OVG Saarl., Beschl. v. 10.3.2017 - 1 B 357/16 -, juris Rn. 9 unter Verweis auf die benannten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes). Dies gilt jedoch nicht bei der bloßen Ausstellung eines neuen Ausweises über die alte, im Inland entzogene Fahrerlaubnis. Denn die genannten Führerscheinrichtlinien dienen gerade dazu, die Grundanforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen weitergehend zu harmonisieren. Eine Anerkennungspflicht besteht nur für solche in einem Mitgliedstaat neu erworbenen Fahrerlaubnisse, deren Erteilung - auch nach den unionsrechtlichen Vorgaben - eine Eignungsprüfung des Bewerbers vorangegangen ist. Insoweit hat der Europäische Gerichtshof in den bereits genannten Entscheidungen und in den Urteilen vom 26. Juni 2008 - Rs. C-329/06 und 343/06 sowie Rs. C-334/06 bis C-336/06 - eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sich die Anerkennungspflicht im Falle der Fahrerlaubnisentziehung auf eine neu erworbene Fahrerlaubnis bezieht, bei der es Sache des Ausstellerstaates ist zu prüfen, ob die im Gemeinschaftsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen erfüllt sind. Demgegenüber vermittelt die in einem anderen EU-Mitgliedstaat im Wege des Umtausches einer entzogenen deutschen Fahrerlaubnis erlangte Fahrerlaubnis keine Fahrberechtigung im Inland. Denn der zum damaligen Zeitpunkt maßgebliche Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG in der Fassung der Richtlinie 97/26/EG setzt die Gültigkeit des zum Umtausch gestellten Führerscheines (nach deutschem Verständnis: der Fahrerlaubnis) voraus. Der Geltungsbereich der im Wege des Umtausches erlangten Fahrerlaubnis knüpft mithin an die Gültigkeit der umzutauschenden Fahrerlaubnis an und setzt auf dieser auf. Dem entspricht auch die Regelung in Art. 8 Abs. 1 2. Hs der Richtlinie 91/439/EWG (ähnlich Art. 11 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG), wonach es Sache des umtauschenden Mitgliedstaates ist, gegebenenfalls, d.h. wenn Gründe die Annahme nahelegen, dass der umzutauschende Führerschein nicht mehr gültig sein könnte, zu prüfen, ob der vorgelegte Führerschein tatsächlich gültig ist. Prämisse dieser Vorschrift ist die Gültigkeit der zugrunde liegenden Fahrerlaubnis dem Grunde nach. Eine Eignungsprüfung findet bei einem Führerscheinumtausch regelmäßig nicht statt (vgl. OVG Saarl., Beschl. v. 10.3.2017 - 1 B 357/16 -, juris Rn. 9; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 11.9.2014 - 10 S 817/14 -, juris Rn. 4 ff. und Beschl. v. 21.6.2012 - 10 S 230/11 -, juris Rn. 7; BVerwG, Urt. v. 27.9.2012 - 3 C.34/11 -, juris Rn. 18; Urt. v. 29.1.2009 - 3 C 31.07 -, juris Rn. 17 ff.; Beschl. v. 8.9.2011 - 3 B 19.11 -, juris Rn. 4; Sächs. OVG, Beschl. v. 17.7.2012 - 3 A 316/12 -, juris Rn. 9, 14; Bay. VGH, Urt. v. 22.11.2010 - 11 BV 10.711 -, juris Rn. 33 f. und Urt. v. 21.3.2017 - 11 B 16.2007 -, juris Rn. 36; Nds. OVG, Beschl. v. 8.5.2009 - 12 ME 47/09 -, juris Rn. 14).

Vorliegend wurde der Antragstellerin am 27. Mai 1999 in Österreich keine neue Fahrerlaubnis (Lenkberechtigung) der Klassen B, BE, C1 und C1E erteilt. Vielmehr stellte die österreichische Behörde lediglich im Wege eines Führerscheinumtausches im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG anstelle eines deutschen Führerscheines, von dessen Gültigkeit sie offensichtlich mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ausgegangen war, einen österreichischen Führerschein aus. Dass die Bezirkshauptmannschaft D. nur den Umtausch eines Führerscheines vornehmen, aber keine neue Fahrerlaubnis erteilen wollte, ergibt sich bereits aus der an die deutschen Behörden gerichteten Mitteilung vom 27. Mai 1999, wonach sie der Antragstellerin „einen neuen Führerschein (Duplikat) ausgestellt“ habe. Nach österreichischem Recht handelt es sich bei der Ausstellung eines neuen Führerscheines im Wege des Umtausches nicht um die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis, sondern es erfolgt bei einem Umtausch eines EU-Führerscheines nur die Ausstellung eines neuen Führerscheines (Duplikats), ohne dass dem eine Prüfung der Fahreignung des Betroffenen vorausgeht (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 21.3.2017 - 11 B 16.2007 -, juris Rn. 28 unter Angabe der Rechtsgrundlagen nach österreichischem Recht für die Ausstellung eines Führerschein-Duplikats einerseits und die Erteilung einer Lenkberechtigung (Fahrerlaubnis) andererseits). Dementsprechend hat die Bezirkshauptmannschaft D. in der die Antragstellerin betreffenden Angelegenheit auf Nachfrage des Kraftfahrt-Bundesamtes mit Schreiben vom 23. April 2018 mitgeteilt, dass die österreichische Behörde zum damaligen Zeitpunkt keine Kenntnis von der Entziehung der deutschen Fahrerlaubnis gehabt habe, als die Antragstellerin am 10. Mai 1999 den Antrag auf Austausch ihres ausländischen EU-Führerscheines gestellt habe. Bei der Erteilung am 27. Mai 1999 habe es sich um die Umschreibung des deutschen Führerscheines gehandelt. Es sei keine Neuerteilung mit Eignungs- und/oder Befähigungsprüfung erfolgt. Im Zuge der Ermittlungen seien die damaligen Sachbearbeiter zur Ansicht gelangt, dass ein Wohnsitz entsprechend der österreichischen Vorschriften vorgelegen habe.

Besitzt die Antragstellerin mit ihrem österreichischen Führerschein demnach keine Fahrerlaubnis, die sie zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt, konnte der Antragsgegner zum einen den hier angefochtenen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung erlassen als auch - wie im angefochtenen Bescheid geschehen - die Antragstellerin gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV auffordern, den österreichischen Führerschein zur Eintragung eines entsprechenden Sperrvermerks vorzulegen. Dies dient dazu, den Rechtsschein zu beseitigen, den dieses Dokument hervorruft (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 22.11.2010 - 11 BV 10.711 -, juris Rn. 36). Eine Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens oder Zeugnisses eines Facharztes oder Amtsarztes anstelle der Eintragung eines Sperrvermerks, was die Antragstellerin als maximal angemessen und ausreichend erachtet, kam unter Berücksichtigung obiger Maßgaben nicht in Betracht. Unter welchen Voraussetzungen der Antragstellerin das Recht, von einer österreichischen Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch zu machen, eingeräumt werden kann, ergibt sich - nach entsprechender Antragstellung - aus § 28 Abs. 5 FeV. Sie hat zudem jederzeit die Möglichkeit, unter Verzicht auf den österreichischen Führerschein (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 3 FeV) die Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis zu beantragen. In jedem Fall wäre dann nach § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 11 ff. FeV zu prüfen, ob sie ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiedergewonnen hat (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 21.3.2017 - 11 B 16.2007 -, juris Rn. 38).

Schließlich liegt hier ein besonderes Vollzugsinteresse in der Wahrung der Sicherheit des Straßenverkehrs vor. So verstößt die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Antragstellerin kann nicht für sich mit Erfolg geltend machen, dass inzwischen ein erheblicher Zeitablauf von fast 20 Jahren nach Umtausch ihrer (entzogenen) deutschen Fahrerlaubnis eingetreten sei. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung hat ungeachtet des eingetretenen Zeitablaufs Vorrang vor dem privaten Interesse der Antragstellerin, einstweilen weiter am Straßenverkehr in der Bundesrepublik Deutschland teilnehmen zu dürfen. Liegen erhebliche, derzeit nicht ausgeräumte Zweifel an ihrer Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr vor, besteht ein dringendes Interesse an der sofortigen Unterbindung ihrer weiteren Teilnahme am Straßenverkehr. Die mit dieser Entscheidung für sie verbundenen Nachteile in Bezug auf ihre private Lebensführung und ihre Berufstätigkeit müssen von ihr im Hinblick auf den hohen Rang der gefährdeten Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit und das entsprechende öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit hingenommen werden (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 11.9.2014 - 10 S 817/14 -, juris Rn. 11).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 46.5 und Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).