Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 24.09.2013, Az.: 1 B 36/13
Mehrfachkonzession; Mehrfachspielhalle; Spielhallenerlaubnis; Stichtag; Übergangsfrist; Übergangsregelung
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 24.09.2013
- Aktenzeichen
- 1 B 36/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 64382
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 29 GlSpielWStVtr
- § 25 GlSpielWStVtr
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Stichtagsregelung des § 29 Abs. 4 Satz 2 und 3 GlüStV begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Spielhallen, denen eine Erlaubnis zwischen der Beschlussfassung der Ministerpräsidentenkonferenz (28.10.2011) und der Einbringung des Entwurfs des Zustimmungsgesetzes im Niedersächsischen Landtag (22.05.2012) erteilt worden ist.
Bei einer unechten Rückwirkung erschüttert die Einbringung eines Gesetzentwurfs im Landtag das Vertrauen in den zukünftigen Bestand einer Rechtslage. Mit der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Landtag durch ein initiativberechtigtes Organ werden geplante Gesetzesänderungen durch die allgemein zugänglichen Parlamentsdrucksachen öffentlich. (vgl. BVerfG, B. v. 10.10.2012, 1 BvL 6/07, juris Rn. 55 56)
Die Beschlussfassung der Ministerpräsidentenkonferenz ist damit nicht vergleichbar, weil sie nicht die notwendige gleichsam amtliche Öffentlichkeit aller zu erwartenden Regelungen im Detail herstellt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens über die Untersagung des Betriebs einer Verbundspielhalle.
Die Antragsgegnerin erteilte der D. GmbH mit drei Bescheiden vom 24.09.2009 Erlaubnisse nach § 33i GewO für drei in einem Gebäude untergebrachte Spielhallen. Nachdem die E. GmbH die Spielhallen übernommen hatte, erteilte die Antragsgegnerin dieser durch drei Bescheide vom 19.12.2011 Erlaubnisse nach § 33i GewO für die drei Spielhallen.
Die Antragstellerin beantragte mit am 14.03.2012 unterschriebenen und am 16.03.2012 bei der Antragsgegnerin eingegangen Anträgen, die Erteilung von Erlaubnissen nach § 33i GewO für die drei zwischenzeitlich von ihr übernommenen Spielhallen. Die Antragsgegnerin erteilte die Erlaubnisse nach § 33i GewO für die drei Spielhallen mit drei Bescheiden vom 25.04.2012. Bei deren Übergabe wies der Sachbearbeiter der Beklagten laut einer Gesprächsnotiz vom 30.04.2012 die Geschäftsführerin der Antragstellerin auf den Entwurf des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen und die darin enthaltenen möglichen Abstandsregelungen hin.
Laut einer Vereinbarung vom 01.07.2012, die den Übergang des Untermietvertrags zwischen der D. GmbH als Hauptmieterin und der E. GmbH als bisheriger Untermieterin auf die Antragstellerin als neue Untermieterin regelt, wurde ein Rücktritt oder eine Kündigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf Grund des am gleichen Tag in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrags ausgeschlossen.
Mit Schreiben vom 13.03.2013 wies die Antragsgegnerin auf die Erforderlichkeit einer Erlaubnis gemäß § 24 GlüStV nach Ablauf der einjährigen Übergangsfrist sowie auf die Beschränkungen von Spielhallen in § 25 GlüStV hin. Durch Schreiben vom 26.04.2013 beantragte die Antragstellerin eine Erlaubnis zum Betrieb ihrer Spielhallen im bestehenden Umfang über den 30.06.2013 hinaus. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag durch Bescheid vom 28.05.2013 mit der Begründung ab, dass die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen stehe, nach § 25 Abs. 2 GlüStV ausgeschlossen sei. Die Spielhallen der Antragstellerin fielen unter die einjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV. Die Härtefallregelung des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV sei in ihrem Fall nicht anwendbar, weil sich diese nur auf die fünfjährige Übergangsregelung für vor dem 28.10.2011 erteilte Erlaubnisse beziehe.
Die Antragstellerin erhob am 01.07.2013 Klage (1 A 154/13) mit dem Rechtsschutzziel der Feststellung, dass sie ihre Spielhallen bis zum Jahr 2017 im bestehenden Umfang betreiben dürfe, hilfsweise der Verpflichtung zur Erlaubniserteilung zum Betrieb einer Spielhalle unter Aufhebung des Bescheides vom 28.05.2013.
Durch drei Bescheide vom 05.08.2013 untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin den Betrieb der drei Spielhallen, setzte ihr eine Frist zur Schließung bis zum 31.08.2013 um 24.00 Uhr, ordnete insoweit die sofortige Vollziehung an, drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € an und setzte Kosten in Höhe von 84 € fest.
Die Antragstellerin hat am 29.08.2013 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt und am 30.08.2013 Klage (1 A 196/13) gegen die Untersagungsverfügungen erhoben.
Sie trägt vor, dass die E. GmbH ein mit ihr gesellschaftsrechtlich verbundenes Unternehmen sei. § 24 Abs. 4 GlüStV knüpfe nach seinem Wortlaut an die Spielhalle und deren erstmalige Lizensierung an. Andernfalls wären Spielhallen spätestens nach Inkrafttreten des GlüStV unverkäuflich und Erlaubnisinhaber wären gezwungen, ihre Spielhallen selbst weiter zu betreiben oder endgültig unentgeltlich aufzugeben. Auch würde es andernfalls zu einer Ungleichbehandlung zwischen dem Unternehmensverkauf in Form eines sog. Asset-Deals (Verkauf der einzelnen Wirtschaftsgüter des Unternehmens) und einem solchen in Gestalt eines sog. Share-Deals (Verkauf der Anteile eines Unternehmens) kommen, weil im letzteren Falle die behördliche Erlaubnis miterworben werde. Sie könne sich, obwohl ihr die Erlaubnisse erst nach dem 28.10.2011 erteilt worden seien, auf Vertrauensschutz berufen, weil der an diesem Tag gefasste Beschluss der Ministerpräsidenten keine öffentliche Entscheidung gewesen sei, die ihr Vertrauen hätte beeinflussen können. Eine rückwirkende Übergangsfrist könne nur an einen Zeitpunkt anknüpfen, in dem in verfassungskonformer Weise das Vertrauen in die Fortgeltung der bisherigen Rechtslage bereits beseitigt worden sei. Dies sei frühestens der Beginn des Gesetzgebungsprozesses, die Einbringung des Gesetzentwurfs in den Niedersächsischen Landtag am 22.05.2013. Da ihr die Erlaubnisse davor erteilt worden seien, falle sie unter die fünfjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 und 4 GlüStV. Ferner seien die von der Schließung bedrohten Spielhallen ihre einzige Betriebsstätte. Bei einer Schließung habe sie keine Einnahmen mehr, jedoch Kosten für Miete, sechs festangestellte Mitarbeiter, Geschäftsleitung und Geräteleasing.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt vor, dass die Regelungen des §§ 24 und 25 GlüStV formell und materiell verfassungsmäßig seien. Auch die Übergangsregelung des § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV halte einer rechtlichen Prüfung stand. Die Differenzierung danach, ob die Spielhallenerlaubnis bis zum oder nach dem 28.10.2011 erteilt worden sei, sei sachgerecht, weil nach der Beschlussfassung der Ministerpräsidenten in informierten Kreisen mit dem Inkrafttreten des Staatsvertrags zu rechnen gewesen sei. Der Entwurf des Staatsvertrags sei bereits mehrere Wochen zuvor öffentlich zugänglich gewesen. Die Übergangsregelung knüpfe auch nicht an den Bestand der Spielhalle - unabhängig von Betreiberwechseln - an, weil Spielhallenerlaubnisse sach- und personenbezogen erteilt würden. Unerheblich sei dabei auch, ob die Antragstellerin in einer Verbindung zu einem früheren Erlaubnisinhaber stehe. Mangels unbeabsichtigter Regelungslücke scheide auch einen analoge Anwendung des § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV aus. Im Hinblick auf ihre Investitionsentscheidungen könne sich die Antragstellerin zudem nicht auf einen besonderen Vertrauensschutz berufen. In dem Nachtrag zum Untermietvertrag vom 01.07.2012 bestätige die Antragstellerin ausdrücklich, dass sie den am 01.07.2012 in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag zur Kenntnis genommen habe.
Die Kammer hat am 04.09.2013 einen Tenorbeschluss erlassen.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
A. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO) bezüglich der von der Antragsgegnerin für sofort vollziehbar erklärten Betriebsschließung ist zulässig und begründet. Im Rahmen der Interessensabwägung überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollziehungsinteresse, weil nach summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide vom 05.08.2013 bestehen.
1. Rechtsgrundlage für die Schließungsverfügungen ist § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO. Danach kann die Fortsetzung des Betriebes von der zuständigen Behörde verhindert werden, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben wird. Ein solcher Fall der Gewerbeausübung ohne die erforderliche Zulassung ist hier nicht gegeben.
Nach § 24 Abs. 1 GlüStV bedürfen unbeschadet sonstiger Genehmigungserfordernisse die Errichtung und der Betrieb einer Spielhalle einer Erlaubnis nach dem GlüStV. Zwar verfügt die Antragstellerin nicht über derartige Erlaubnisse für die drei streitgegenständlichen in einem baulichen Verbund stehenden Spielhallen. Auch wären diese auf Grund des Verbots von Mehrfachkonzessionen in § 25 Abs. 2 GlüStV nicht erlaubnisfähig. Danach ist die Erteilung einer Erlaubnis für eine Spielhalle, die in einem baulichen Verbund mit weiteren Spielhallen steht, insbesondere in einem gemeinsamen Gebäude oder Gebäudekomplex untergebracht ist, ausgeschlossen.
Jedoch sind entweder die Spielhallen der Antragstellerin so zu behandeln, als ob sie unter die noch nicht abgelaufene fünfjährige Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV mit der anschließenden Befreiungsmöglichkeit nach § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV fallen, oder das Verbot von Mehrfachkonzessionen in § 25 Abs. 2 GlüStV stellt sich im Falle der Antragstellerin mangels hinreichender Übergangsregelungen als verfassungswidrig dar.
Nach § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV gelten Spielhallen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GlüStV bestehen und für die bis zum 28.10.2011 eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt worden ist, deren Geltungsdauer nicht innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des GlüStV endet, bis zum Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten des GlüStV als mit §§ 24 und 25 GlüStV vereinbar. Gemäß § 29 Abs. 4 Satz 3 GlüStV gelten Spielhallen, für die nach dem 28. Oktober 2011 eine Erlaubnis nach § 33i GewO erteilt worden ist, bis zum Ablauf von einem Jahr nach Inkrafttreten dieses Staatsvertrags als mit §§ 24 und 25 GlüStV vereinbar. Die für die Erteilung einer Erlaubnis nach § 24 GlüStV zuständigen Behörden können nach Ablauf des in § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV bestimmten Zeitraums eine Befreiung von der Erfüllung einzelner Anforderungen des § 24 Abs. 2 sowie § 25 GlüStV für einen angemessenen Zeitraum zulassen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist; hierbei sind der Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis gemäß § 33i GewO sowie die Ziele des § 1 GlüStV zu berücksichtigen (§ 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV).
Die Erlaubnisse nach § 33i GewO für die Spielhallen der Antragstellerin sind am 25.04.2012 gefertigt und am 30.04.2012 übergeben worden, mithin erst nach dem Stichtag „28.10.2011“ erteilt worden.
2. Die daraus nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 4 Satz 2 bis 4 GlüStV folgende Anwendung der einjährigen Übergangsfrist ohne Verlängerungsmöglichkeit verstößt gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes. Der früheste Zeitpunkt für die verfassungsgemäße Festsetzung des Stichtags ist nach Auffassung der Kammer der 22.05.2012, der Tag der Einbringung des Gesetzentwurfs in den Niedersächsischen Landtag.
a. Eine Rechtsnorm entfaltet eine - grundsätzlich unzulässige - „echte“ Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll („Rückbewirkung von Rechtsfolgen“). Erst mit der Verkündung, das heißt, mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss, muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (BVerfG, B. v. 07.07.2010, 2 BvL 1/03, juris Rn. 67). Das schutzwürdige Vertrauen in den Bestand der bisherigen Rechtsfolgenlage entfällt allerdings in der Regel schon im Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses über die Neuregelung. Mit dem Tag des Gesetzesbeschlusses müssen die Betroffenen mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen; es ist ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten. Der Gesetzgeber ist deshalb berechtigt, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Regelung auch auf den Zeitpunkt von dem Gesetzesbeschluss bis zur Verkündung zu erstrecken (BVerfG, B. v. 03.12.1997, 2 BvR 882/97, juris Rn. 42; BVerfG, B. v. 10.10.2012, 1 BvL 6/07, juris Rn. 57).
Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“), liegt eine „unechte“ Rückwirkung vor. Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (BVerfG, B. v. 07.07.2010, 2 BvL 1/03, juris Rn. 68-69). Der Gesetzgeber muss daher bei der Aufhebung oder Modifizierung geschützter Rechtspositionen - auch dann, wenn der Eingriff an sich verfassungsrechtlich zulässig ist - aufgrund des rechtsstaatlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine angemessene Übergangsregelung treffen. Für die Überleitung bestehender Rechtslagen, Berechtigungen und Rechtsverhältnisse steht dem Gesetzgeber ein breiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Zwischen der sofortigen, übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts und dem ungeschmälerten Fortbestand begründeter subjektiver Rechtspositionen sind vielfache Abstufungen denkbar. Der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat (BVerfG, U. v. 08.02.1977, 1 BvR 79/70, juris Rn. 129-130). Bei einer unechten Rückwirkung erschüttert die Einbringung eines Gesetzentwurfs in den Bundes- bzw. Landtag das Vertrauen in den zukünftigen Bestand einer Rechtslage, der endgültige Beschluss des Bundes- bzw. Landtages über das rückwirkende Gesetz zerstört es grundsätzlich. Mit der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundes- bzw. Landtag oder im Bundesrat durch ein initiativberechtigtes Organ werden geplante Gesetzesänderungen durch die allgemein zugänglichen Parlamentsdrucksachen öffentlich. Ab diesem Zeitpunkt sind mögliche zukünftige Gesetzesänderungen in konkreten Umrissen allgemein vorhersehbar. Deshalb können Betroffene regelmäßig nicht mehr darauf vertrauen, das gegenwärtig geltende Recht werde auch in Zukunft unverändert fortbestehen; es ist ihnen vielmehr grundsätzlich möglich, ihre wirtschaftlichen Dispositionen durch entsprechende Anpassungsklauseln auf mögliche zukünftige Änderungen einzustellen (BVerfG, B. v. 10.10.2012, 1 BvL 6/07, juris Rn. 55-56). Das Bekanntwerden von Gesetzesinitiativen und die öffentliche Berichterstattung über die Vorbereitung einer Neuregelung durch die gesetzgebenden Körperschaften lassen die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die bisherige Rechtslage hingegen noch nicht entfallen (BVerfG, B. v. 14.05.1986, 2 BvL 2/83, juris Rn. 136). Ihnen fehlt die verlässliche, gleichsam amtliche Vermittlung der anstehenden Rechtsänderung.
b. Hier handelt es sich um einen Fall der unechten Rückwirkung, weil die Rechtsfolgen der geänderten Regelungen erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des geänderten Staatsvertrags eintreten (§ 29 Abs. 4 Satz 1 GlüStV) und damit lediglich an in der Vergangenheit ins Werk gesetzte Sachverhalte angeknüpft wird, indem für bereits vorhandene Spielhallen, für die zuvor eine Erlaubnis nach § 33i GewO ausreichte, eine weitere Erlaubnis nach § 24 Abs. 1 GlüStV verlangt wird.
Die Entscheidung des Landesgesetzgebers, unterschiedliche Übergangsregelungen und -fristen in § 29 Abs. 4 Satz 2 bis 4 GlüStV für solche Spielhallenbetreiber, die ein schutzwürdiges Vertrauen in die bisherige Rechtslage vorweisen können, und solchen, die dies nicht können, vorzusehen, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Laut der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 16/4795, S. 94) soll die Stichtagsregelung „Vorratserlaubnisse in Kenntnis der beabsichtigten Änderung der Rechtslage verhindern“. Die darin erkennbare Intention der Vermeidung von Mitnahmeeffekten vor Auslaufen der Altregelung stellt ein legitimes gesetzgeberisches Ziel dar (BVerfG, e. A. v. 23.09.2010, 1 BvQ 28/10, juris Rn. 41) und rechtfertigt die kurze Übergangsfrist von einem Jahr ohne Verlängerungsmöglichkeit in denjenigen Fällen, in denen tatsächlich kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, ohne weiteres.
Jedoch trägt die Festsetzung des Stichtages auf den 28.10.2011 den erläuterten verfassungsrechtlichen Grundsätzen im Hinblick auf den Zeitpunkt, in dem der Vertrauensschutz entfällt, nicht ausreichend Rechnung (aA. vgl.: VG Freiburg, B. v. 25.04.2013, 5 K 212/13, juris Rn. 22-23; Bay. VerfGH, E. v. 28.06.2013, Vf. 10-VII-12, juris Rn. 96; VG Würzburg, B. v. 02.07.2013, W 5 E 13.522, juris Rn. 41; VG Stade, B. v. 01.07.2013, 6 B 2788/13). Der 28.10.2011 ist der Tag, an dem die Ministerpräsidentenkonferenz die Änderung des Glücksspielstaatsvertrags beschlossen hat; unterzeichnet wurde der Änderungsstaatsvertrag am 15.12.2011. Das Zustimmungsgesetz ist am 22.05.2012 (vgl. LT-Drs. 16/4795) in den Niedersächsischen Landtag eingebracht, von diesem am 21.06.2012 beschlossen und am 27.06.2012 (vgl. Nds. GVBl. 2012,190ff.) verkündet worden.
Die Beschlussfassung der Ministerpräsidentenkonferenz ist nicht vergleichbar mit der parlamentarischen Einbringung eines Gesetzentwurfs. Ein Staatsvertrag stellt lediglich eine „inter partes“, zwischen den beteiligten Bundesländern - als Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts - geltende Vereinbarung dar, die um Gesetzeskraft gegenüber dem Bürger erlangen zu können, der Umsetzung durch Zustimmungsgesetze der beteiligten Länder bedarf. Letztlich entfaltet der GlüStV in den einzelnen beteiligten Bundesländern gesetzliche Wirkung jeweils als Landesrecht. Auch wenn der Erlass der entsprechenden Zustimmungsgesetze durch die Landesparlamente auf Grund dessen, dass die unterzeichnenden Ministerpräsidenten im Regelfall von parlamentarischen Mehrheiten getragen werden, sehr wahrscheinlich ist, mangelt es der Beschlussfassung der Ministerpräsidenten an der notwendigen gleichsam amtlichen Öffentlichkeit aller zu erwartenden Regelungen im Detail. Während Gesetzesinitiativen als Bundes- bzw. Landtagsdrucksachen amtlich bekannt und damit allgemein zugänglich gemacht werden, trifft dies auf Beschlüsse der - nicht einmal öffentlich tagenden - Ministerpräsidentenkonferenz nicht zu. Für die Beseitigung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes in eine bestehende Gesetzeslage genügt nicht jede beliebige Informationsmöglichkeit über eine geplante Gesetzesänderung, vielmehr muss es sich um eine verlässliche und öffentlich allgemein zugängliche Informationsquelle handeln, die den Gesetzesentwurf zum Zwecke der Bekanntmachung mit Wissen und Wollen des Gesetzgebers enthält. Diesen Anforderungen genügen - im Gegensatz zu Bundes- bzw. Landtagsdrucksachen - weder Veröffentlichungen in der Presse bzw. im Internet noch Verbandsbeteiligungen. Im konkreten Fall wird der Grund hierfür besonders deutlich. Für die betroffenen Spielhallenbetreiber ist zur Ausrichtung ihrer wirtschaftlichen Dispositionen - abgesehen vom Wissen um die Einführung des Verbots von Mehrfachkonzessionen als solches - die Kenntnis der konkreten Übergangsregelungen von entscheidender Bedeutung. Ohne verlässliche Kenntnis des differenziert ausgestalteten § 29 Abs. 4 GlüStV im genauen Wortlaut, lässt sich der gesetzlich vorgesehene Übergangszeitraum, in dem - je nach Zeitpunkt der Erlaubniserteilung - die nach bisherigen Recht erteilten Mehrfachkonzessionen zulässig bleiben, nicht bestimmen.
Ob sich die konkreten Umrisse einer Neuregelung Presseinformationen entnehmen lassen, kann nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall bezüglich einer konkreten Pressemitteilung festgestellt werden. Hinzu kommt, dass derartige Presseinformationen an die Medien gerichtet sind und erst von diesen - oftmals in verkürzter oder veränderter, ggf. kommentierender Form - weitergegeben werden. Auch Verbandsbeteiligungen im Vorfeld des Abschlusses eines Staatsvertrags sind nicht geeignet, die erforderliche Öffentlichkeit herzustellen. Dabei mögen zwar Entwürfe des späteren Vertragstextes übermittelt werden. Jedoch werden diese gerade nicht jedermann, sondern nur den beteiligten Verbänden zur Verfügung gestellt. Selbst wenn daraufhin - wie hier geschehen (vgl. AWI Automaten-Wirtschaftsverbände-Info vom 02.05.2011, „Novelle des Glücksspielstaatsvertrags gefährdet Existenz von 6.000 Unternehmen und 70.000 Arbeitsplätzen“, www.presseportal.de/pm/42934/2036221/novelle-des-gluecksspielstaatsvertrags-gefaehrdet-existenz-von-6-000-unternehmen-und-70-000) - Pressemitteilungen durch einen beteiligten Verband erfolgen, die auf den Inhalt der beabsichtigen Neuregelung einschließlich der geplanten Übergangsfristen hinweisen, handelt es sich dabei nicht um eine Bundes- bzw. Landtagsdrucksachen vergleichbar zuverlässige amtliche Quelle. Letztlich hängt es von Zufälligkeiten - wie dem im Nachhinein nur schwer nachvollziehbaren Umfang und der regionalen bzw. überregionalen Verbreitung der Medienberichterstattung oder der nachträglich gerichtlich kaum überprüfbaren Weitergabe von Informationen durch Interessenverbände an ihre Mitglieder - ab, ob die Betroffenen durch die Beschlussfassung der Ministerpräsidentenkonferenz ausreichend Kenntnis von der beabsichtigten Änderung eines Staatsvertrags erhalten haben, um ihre wirtschaftlichen Dispositionen entsprechend auszurichten. Das gleiche gilt für von privatrechtlichen Organisationen oder Personen ins Internet eingestellte Informationen - wie beispielsweise den Blog „chriszim.com - Medien, Politik, Internet und eine Prise Verschwörungstheorien“ (www.chriszim.com/2011/gluecksspielstaatsvertrag-entwurf-geleaked; vgl. VG Ansbach, B. v. 09.08.2013, AN 4 E 13.01186, juris Rn. 41). Derartige Informationen sind ihrer Natur nach flüchtig und besitzen auch nicht die erforderliche Verlässlichkeit. Es lässt sich regelmäßig weder feststellen, wann Informationen auf derartige Internetseiten eingestellt worden sind, noch, aus welchen Quellen sie stammen.
Auch dem Wortlaut des Zustimmungsgesetzes zufolge ist der Staatsvertragstext erst als Anlage zu Art. 1 Abs. 2 „Gesetz zur Änderung von Vorschriften über das Glücksspiel“ (LT-Drs. 16/4795, S. 2; Nds. GVBl. 2012, 190) „veröffentlicht“ worden. Insgesamt handelt es sich sowohl bei Verbandsbeteiligungen im Vorfeld als auch bei der Beschlussfassung und Unterzeichnung eines Staatsvertrags durch die Ministerpräsidenten lediglich um vorbereitende Verfahrensschritte vor Einleitung des formalen Gesetzgebungsverfahrens.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommt, dass der Antragstellerin bei Abschluss des Nachtrags zum Untermietvertrag am 01.07.2012 die Problematik der Übergangsfristen für Bestandsspielhallen offenbar bekannt gewesen ist. Dieser Nachtrag ist sowohl nach der Ausstellung der Spielhallenerlaubnisse am 25.04.2012 und deren Übergabe am 30.04.2012 - d.h. nach Schaffung der den Vertrauensschutz begründenden Rechtspositionen - als auch nach der Einbringung des Gesetzentwurfs in den Niedersächsischen Landtag am 22.05.2012 - mithin zu einem Zeitpunkt, in dem eine sichere Kenntnis der geänderten Regelungen des GlüStV aus einer verlässlichen und allgemein öffentlich zugänglichen Quelle möglich gewesen ist - unterzeichnet worden.
3. Ob sich die verfassungsrechtlichen Bedenken durch Anwendung der fünfjährigen Übergangsfrist des § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV auf die streitgegenständlichen Spielhallen der Antragstellerin - entgegen dessen eindeutigen Wortlauts (vgl. BVerfG, U. v. 30.03.2004, 2 BvR 1520/01, juris Rn. 145; BVerfG, U. v. 20.03.2002, 2 BvR 794/95 juris Rn. 79; BVerfG, B. v. 27.01.1998, 1 BvL 22/93 juris Rn. 34) und trotz der gebotenen Zurückhaltung bei der gerichtlichen Anpassung gesetzlicher Übergangsregelungen (vgl. BVerfG, B. v. 08.12.1976, 1 BvR 810/70, juris Rn. 73) - im Wege der verfassungskonformen Auslegung der Stichtagsreglung des § 29 Abs. 4 Satz 2 und 3 GlüStV beseitigen lassen oder ob es einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG bedarf, weil sich das Verbot von Mehrfachkonzessionen mangels verfassungsrechtlich hinreichender Übergangsregelungen für bestimmte Altfälle als unverhältnismäßig erweist, kann im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dahingestellt bleiben. Selbst wenn eine verfassungsgerichtliche Vorlage erforderlich sein sollte, wäre das erkennende Fachgericht nicht an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gehindert. Das dem Bundesverfassungsgericht vorbehaltene Verwerfungsmonopol hat zwar zur Folge, dass ein Gericht Folgerungen aus der (von ihm angenommenen) Verfassungswidrigkeit eines formellen Gesetzes - jedenfalls im Hauptsacheverfahren - erst nach deren Feststellung durch das Bundesverfassungsgericht ziehen darf. Die Fachgerichte sind jedoch durch Art. 100 Abs. 1 GG nicht gehindert, schon vor der im Hauptsacheverfahren einzuholenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, wenn dies nach den Umständen des Falles im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes geboten erscheint und die Hauptsacheentscheidung dadurch nicht vorweggenommen wird (BVerfG, B. v. 24.06.1992, 1 BvR 1028/91, juris Rn. 29; BVerfG, B. v. 14.08.2013, 2 BvR 1601/13, juris Rn. 3). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Angesichts der andernfalls von der Antragstellerin vorzunehmenden Betriebsschließung überwiegt hier das Gebot effektiven Rechtsschutzes die teilweise Vorwegnahme der Hauptsache in Bezug auf den in § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV geregelten fünfjährigen Übergangszeitraum.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 53 Abs. 2 Nr.2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 Alt. 1, Nr. 54.2.1 Streitwertkatalog (3 x 15.000 € / 2).