Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 09.09.2003, Az.: 12 U 33/03

Schadensersatz wegen fehlerhafter Architektenleistungen; Honorarforderungen aus einem Architektenvertrag; Voraussetzungen für das Vorliegen eines Erlassvertrages; Verwirkung eines Rechts

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
09.09.2003
Aktenzeichen
12 U 33/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 31762
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2003:0909.12U33.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 10.04.2003 - AZ: 5 O 2651/98

Fundstellen

  • BauRB 2004, 41 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2004, 4-6

In dem Rechtsstreit
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 26. August 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...und
die Richter am Oberlandesgericht ...und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 10. April 2003 verkündete Schlussurteil des Landgerichts Oldenburg im Ausspruch zur Widerklage und zu den Kosten (Ziffer 2 und 3 des Urteilsspruchs) geändert.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Von den erstinstanzlichen Kosten trägt der Kläger 9/14 und der Beklagte 5/14.

Die Kosten des am 14. Mai 2003 eingeleiteten Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Hinsichtlich der Kosten des am 27. Oktober 1999 eingeleiteten Berufungsverfahrens bleibt es bei dem Urteil des Oberlandesgerichts vom 12. Januar 2000: Diese Kosten trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des von dem Gegner zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Gegner vorher in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

1

I.

Der Kläger hat den Beklagten auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Architektenleistungen in Anspruch genommen, während der Beklagte widerklagend restliches Honorar verlangt hat.

2

Mit der im September 1998 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst Auskunft über die Kostenermittlung und die Auftragsvergabe sowie Erstattung von 620,61 EUR Anwaltskosten verlangt. Die Auskunftsklage hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 12.01.2000 unter Abänderung des insoweit ergangenen Teilurteils des Landgerichts vom 23.09.1999 abgewiesen. Sodann hat der Kläger von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe der Baukostenüberschreitung von 29.956,38 EUR und Erstattung der Anwaltskosten von 620,61 EUR, jeweils nebst Zinsen, verlangt. Der Beklagte seinerseits hat mit der am 12.03.2001 erhobenen Widerklage restliches Architektenhonorar von 21.987,62 EUR nebst Zinsen geltend gemacht.

3

Das Landgericht hat nach Beweiserhebung u.a. zum Inhalt des Architektenvertrags durch Urteil vom 10.04.2003, auf dessen Inhalt (Bl. 204 - 209 Bd. III der Akten) verwiesen wird, unter Klagabweisung im Übrigen den Beklagten zur Zahlung von 620,61 EUR nebst Zinsen verurteilt und auf die Widerklage den Kläger verurteilt, an den Beklagten 21.987,62 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

4

Gegen dieses Urteil, soweit es die Widerklage betrifft, wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die im Wesentlichen auf fehlerhafte Rechtsanwendung gestützt wird.

5

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Widerklage abzuweisen.

6

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

7

Er tritt dem Berufungsvorbringen entgegen.

8

Der Senat hat im Termin vom 26.08.2003 Beweis erhoben und den Beklagten persönlich gehört. Auf die gerichtliche Niederschrift (Bl. 258 f Bd. III d.A.) wird verwiesen.

9

II.

Die Berufung hat Erfolg.

10

Die mit der Widerklage geltend gemachte restliche Honorarforderung ist nicht begründet. Der Beklagte hat auf diese Forderung verzichtet; sie ist, unabhängig davon und von einer eingetretenen Verjährung, jedenfalls verwirkt.

11

Den Forderungsverzicht hat der Beklagte auf Verlangen der Ehefrau des Klägers als dessen Bevollmächtigte und Ansprechpartnerin des Beklagten für das Bauvorhaben am 01.09.1995 erklärt und kurz nach dem Einzug am 16.11.1995 in das fertig gestellte Haus bei einer Einweihungsveranstaltung bestätigt. Dies hat die Ehefrau des Klägers bei ihrer Vernehmung vor dem Senat glaubhaft bekundet. Sie hat geschildert, sie habe dem Beklagten die mangelhafte Bauaufsicht und die verzögerte Weiterleitung von Handwerkerrechnungen vorgehalten und deshalb gefordert, den restlichen Abschlag von 7.600,00 DM nicht mehr in Rechnung zu stellen. Der Beklagte habe eingewilligt. Bei der Feier nach ihrem Einzug habe er gegenüber ihrem Ehemann bestätigt, kein weiteres Honorar verlangen zu wollen. Damit haben die Parteien hinsichtlich des restlichen Honorars einen Erlass gemäß § 397 BGB vereinbart.

12

Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 HOAI, nach der bei fehlender schriftlicher Vereinbarung die jeweiligen Mindestsätze als vereinbart gelten, steht dem Erlassvertrag nicht entgegen. Auf Grund dieser Regelung sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sämtliche Vertragsänderungen ausgeschlossen, die nur die Höhe des Honorars für einen noch nicht erledigten Auftrag betreffen (vgl. BGH NJW-RR 86, 18). Dagegen bleibt es den Parteien eines Architektenvertrags unbenommen, nach Abschluss dieses Vertrages und vor Beendigung der Architektentätigkeit einen Honorarverzicht zu vereinbaren (vgl. BGH NJW-RR 87, 13, BauR 96, 414, 416, Hesse/Vygen, HOAI, 5. Aufl., § 4 RdNr. 123 f). Vorliegend hatte der Beklagte auf Grund des mündlichen Architektenvertrags und seiner erbrachten Leistungen insgesamt Abschläge von 84.400,00 DM erhalten, sodass nur noch 5 % des veranschlagten Honorars (7.600,00 DM) verblieben. Nach Abschluss der Handwerkerarbeiten, aber vor abschließender Prüfung aller Rechnungen haben die Parteien sich wegen der beanstandeten Bauaufsicht und der verzögerten Weiterleitung von Handwerkerrechnungen darauf verständigt, dass der Beklagte ein weiteres Honorar nicht berechnen werde. Das ist nicht zu beanstanden.

13

Die Widerklageforderung scheitert zudem an der erhobenen Verjährungseinrede.

14

Die Honorarforderung eines Architekten, der, wie der Beklagte, kein Kaufmann ist, verjährt nach § 196 Abs. 1 Nr. 7 a.F. BGB in zwei Jahren (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Auflage, § 196 RdNr. 22). Diese Frist war verstrichen, als der Beklagte mit Schriftsatz vom 08.02.2001 seine auf den 28.12.2000 datierte Honorarschlussrechnung dem Kläger übermittelte. Allerdings beginnt die Verjährung gemäß § 198 a.F. BGB erst mit der Entstehung der Forderung; sie knüpft damit an deren Fälligkeit an. Das Architektenhonorar wird nach § 8 Abs. 1 HOAI fällig, wenn die Leistung erbracht und eine prüffähige Honorarschlussrechnung überreicht worden ist. Auf die - verspätete - Vorlage der Honorarschlussrechnung erst im Februar 2001 kann der Beklagte sich jedoch nicht berufen. Vielmehr muss er sich nach Treu und Glauben (§§ 162 Abs. 1, 242 BGB) so behandeln lassen, als hätte er die Rechnung innerhalb angemessener Frist, d.h. bis Mitte, allenfalls bis Ende des Jahres 1997, erteilt. Nach gefestigter Rechtsprechung kann der Auftraggeber dem mit der Schlussrechnung säumigen Architekten eine angemessene Frist zur Rechnungsstellung mit der Folge setzen, dass für die Frage der Verjährung nach Treu und Glauben bei weiterer Untätigkeit des Architekten von der Vorlage der Rechnung innerhalb der Frist ausgegangen werden kann (vgl. BGH BauR 86, 596, 597 f, BauR 00, 589, 590 f). Vorliegend hatte der Kläger jedoch keinen Anlass, eine solche Fristsetzung in Betracht zu ziehen. Er hat das fertig gestellte Haus im November 1995 bezogen. Er wollte die Abrechnung dieses Bauvorhabens möglichst im Jahr 1995, spätestens im Folgejahr abschließen. Dies war dem Beklagten, wie er bei seiner Anhörung vor dem Senat eingeräumt hat, bekannt; er hat die Datierung der Schlussrechnung der Firma ..."31.12.95/15.11.96" mit steuerlichen Erwägungen des Klägers erklärt. Der Beklagte seinerseits hatte dem Kläger kurz nach dem Einzug im November 1995 nochmals erklärt, im Hinblick auf die im September 1995 beanstandeten Architektenleistungen kein weiteres Honorar beanspruchen zu wollen. Als er sodann am 18.11.1996 die Schlussrechnung der Firma ...erhielt, die er am 13.03.1997 an den Kläger weiterleitete, hätte es - nach einer dadurch veranlassten Überlegung - im Falle eines Sinneswandels nahe gelegen, dem Kläger kurz darauf mitzuteilen, dass er sich nicht mehr an dem erklärten Verzicht festhalten lassen wollte, und ihm alsbald eine Honorarschlussrechnung zu erteilen, die seinen restlichen Anspruch offen legte. Da er dies treuwidrig unterließ, muss er sich hinsichtlich der Verjährung seines Honoraranspruchs so behandeln lassen, als hätte er die Schlussrechnung spätestens bis Ende 1997 erteilt.

15

Unabhängig von dem erklärten Verzicht und eingetretenen Verjährung ist der restliche Honoraranspruch zudem verwirkt.

16

Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und er sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Auflage, § 242 RdNr. 87 und die dort zitierte Rechtsprechung). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

17

Der Beklagte hat seine restliche Honorarforderung längere Zeit nicht geltend gemacht. Nach Beginn seiner Arbeiten im April 1995 hatte er in der Zeit bis Ende August 1995 nach dem jeweiligen Baufortschritt vier Abschlagszahlungen auf sein Honorar von insgesamt 84.400 DM und damit 95 % des veranschlagten Honorars gefordert und umgehend erhalten. Nach Beendigung der Bauarbeiten und dem Einzug in das renovierte Wohnhaus im November 1995, nach Erhalt der letzten Schlussrechnung der Firma ...am 18.11.1996, die an den Kläger am 13.03.1997 weitergeleitet wurde, und nach der im September 1998 gegen ihn erhobenen Schadensersatzklage wegen gestiegener Baukosten hat er erstmals mit Schriftsatz vom 08.02.01 seine vom 28.12.00 datierende Honorarschlussrechnung vorgelegt. Mit dieser Rechnung, die er bereits nach der im November 1996 erhaltenen Schlussrechnung der Firma ...hätte erstellen können, hat er zugewartet, obwohl er wusste, dass der Kläger dieses Bauvorhaben aus steuerlichen Gründen möglichst 1995, spätestens 1996 abrechnen wollte.

18

Der Kläger hat darauf vertraut und durfte unter den gegebenen Umständen auch darauf vertrauen, dass der Beklagte ein weiteres Honorar nicht geltend machen würde. Die gestiegenen Baukosten rechtfertigen nicht den Anstieg des mit 80.000 DM veranschlagten Architektenhonorars. Der Beklagte hatte die Kosten für die Renovierung des Wohnhauses am 24.04.1995 auf rund 1,1 Mio. DM geschätzt. Die Schätzung enthielt unter Position 2 des Verzeichnisses für die (von der Firma ...auszuführenden) Abbruch- und Rohbauarbeiten den Betrag von rund 83.700 DM. Dieser Betrag stieg in der Kostenermittlung des Beklagten vom 13.10.1998, als nahezu alle Handwerkerleistungen erbracht waren, auf rund 134.000 DM. Gleichwohl nahm der Beklagte diese Kostensteigerung nicht zum Anlass, sein von Anfang an mit 80.000 DM netto veranschlagtes Honorar anzupassen. Diesem urkundlich belegten Verhalten entspricht die glaubhafte Bekundung der Zeugin..., der Beklagte habe am 01.09.1995 wegen der ihm vorgehaltenen mangelnden Bauaufsicht und der verzögerten Weiterleitung von Handwerkerrechnungen erklärt, kein weiteres Honorar berechnen zu wollen; dies habe er kurz nach dem Einzug am 16.11.1995 ihrem Ehemann gegenüber bestätigt. Zum Vorwurf der verzögerten Weiterleitung von Handwerkerrechnungen hat die Zeugin erläutert, sie hätten deshalb Mahnungen erhalten, was ihrem geschäftlichen Ansehen geschadet habe. Die Verzögerung habe auch deshalb nicht hingenommen werden können, weil der Beklagte seine eigenen Abschlagsrechnungen sogleich entsprechend dem Baufortschritt gestellt habe und umgehend bezahlt erhalten habe. Unter diesen Umständen durfte der Kläger darauf vertrauen, dass Beklagte eine weitere Honorarforderung nicht erheben würde. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte auch den Erhalt der Schlussrechnung der Firma ...am 18.11.1996, mit der (über die bisher von dem Beklagten berücksichtigten Kosten von rund 134.000 DM hinaus) weitere rund 58.600 DM verlangt wurden, nicht zum Anlass nahm, alsbald entgegen seinem erklärten Verzicht weiteres Honorar zu verlangen.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

20

Der Senat hat keinen Anlass, die Revision zuzulassen. Die Entscheidung wird allein durch die Ausführungen zur Verwirkung getragen. Insoweit hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung.