Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 10.11.1999, Az.: 2 U 200/99

Beweisanforderungen im Rahmen von Vandalismusschäden; Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers bei einer Häufung von so genannten Speerwurfschäden

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
10.11.1999
Aktenzeichen
2 U 200/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 29142
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1999:1110.2U200.99.0A

Fundstellen

  • OLGReport Gerichtsort 2000, 86-87
  • VersR 2000, 1535-1536 (Volltext mit amtl. LS)

Gründe

1

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 16.515,12 DM gemäß der mit § 12 Abs. 1 II f) AKB inhaltsgleichen Regelung in § 2 Ziff. 1 e) der von der Beklagten verwandten AVB Camping 1985. Die weiter gehende Klage ist unbegründet, da eine Selbstbeteiligung von 2.000,-- DM vereinbart worden ist.

2

Das Landgericht hat ausgeführt, der Kläger habe das äußere Bild eines Vandalismusschadens nicht bewiesen, vielmehr begründeten die unstreitigen Tatsachen eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Versicherungsfall vorgetäuscht sei. Der rechtliche Ausgangspunkt dieser Begründung ist nicht zutreffend. Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht in der Fahrzeugvollversicherung in Fällen von mut- oder böswilligen Handlungen betriebsfremder Personen kein Grund, Beweiserleichterungen zuzubilligen wie in Diebstahlsfällen; vielmehr muss, wenn eine Beschädigung des Fahrzeugs durch solche Handlungen vom Versicherungsnehmer bewiesen ist, was anhand des versicherten Objekts festgestellt werden kann, der Versicherer beweisen, dass die Schäden nicht auf Handlungen betriebsfremder Personen beruhen; eine Beweiserleichterung kommt ihm dabei nicht zugute (BGH VersR 1997, 1095, 1096[BGH 25.06.1997 - IV ZR 245/96]; vgl. auch OLG Köln r + s 1998, 232).

3

Der Kläger befand sich zur Zeit der Beschädigung seines Wohnwagens wegen einer Herzoperation in stationärer Krankenhausbehandlung. Nach dem objektiven Schadensbild steht damit vorliegend der Versicherungsfall eines so genannten Vandalismusschadens in Form einer mutwilligen, nämlich vorsätzlich sinnlosen Beschädigung des versicherten Fahrzeugs durch einen Dritten fest.

4

Die von der Beklagten vorgetragenen Umstände sind dagegen nicht geeignet, den notwendigen Vollbeweis dafür zu erbringen, dass der Schaden nicht durch eine betriebsfremde Person verursacht, sondern der Versicherungsfall vom Versicherungsnehmer selbst oder auf seine Veranlassung hin herbeigeführt worden ist. Das Vorbringen der Beklagten kann insoweit als richtig unterstellt werden.

5

Danach ist insbesondere davon auszugehen, dass am Wohnwagen des Klägers an 8 verschiedenen Stellen nur das äußere Blech und nicht die dahinter befindliche Verkleidung durchstoßen worden ist und eine relativ kostengünstige - kaschierende - Verspachtelung und Neulackierung der einzelnen Blechtafeln - welche allerdings nicht der notwendigen vollständigen Schadensbeseitigung entsprechend dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Kfz-Sachverständigen S vom 01.07.1998 gleichkommt - möglich wäre. Entsprechendes mag auch für die im Inneren des Wohnwagens angerichteten Schäden gelten. Ferner mag im Regelfall der Täter einer mutwilligen Beschädigung darauf bedacht sein, einen möglichst großen Schaden anzurichten oder jedenfalls wahllos Beschädigungen herbeiführen. Andererseits ist jedoch auch nicht auszuschließen, dass eine betriebsfremde Person mutwillig aus welchem Grund auch immer, derartige Schäden - wie sie nach Darstellung der Beklagten (nur) eingetreten sind - verursacht. Das von der Beklagten beschriebene Schadensbild lässt jedenfalls nicht den sicheren Schluss auf die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Kläger oder eine nicht betriebsfremde Person zu. Zu bedenken ist dabei, dass der Kläger selbst sich im Schadenszeitpunkt in stationärer Behandlung befunden hat und die Beklagte dementsprechend nicht behauptet, dass er selbst die Schäden herbeigeführt habe. Für die Beauftragung eines Dritten seitens des Klägers mit der Beschädigung des Wohnwagens und des Inventars fehlt es an jeglichen konkreten Anhaltspunkten. Insbesondere ist für die "Annahme" der Beklagten, "dass es der Sohn des Klägers war, der die Beschädigungen herbeigeführt hat oder an diesen beteiligt war," nichts ersichtlich außer der Tatsache, dass der Kläger einen Sohn hat.

6

Der der Beklagten obliegende Beweis ist auch nicht unter Berücksichtigung der Tatsache geführt, dass der Kläger im März 1998 gegenüber der Beklagten die Regulierung eines Vandalismusschadens an seinem Pkw - erfolgreich - geltend gemacht hat. Der Senat hat allerdings einmal bei der Entscheidung über einen gleichartigen so genannten "Speerwurfschaden" ausgeführt, eine auffällige Häufung ähnlicher Versicherungsfälle bei einem Versicherungsnehmer könne schwer wiegende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers auslösen, und die Klage deswegen abgewiesen (Senat OLGR 1996, 183). Diese Entscheidung wäre indessen im Licht der neueren BGH-Rechtsprechung (BGH a.a.O.) mit dieser Begründung nicht mehr haltbar; denn der Senat ist damals wie im vorliegenden Fall das Landgericht von einer Beweislastverteilung und Beweiserleichterungen ausgegangen, wie sie der BGH jetzt gerade abgelehnt hat (BGH a.a.O.). Im Übrigen kann bei einem Einzelnen ähnlichen Vorschaden noch nicht von einer derartigen Häufung gesprochen werden, dass daraus für den Versicherungsnehmer ungünstige Schlüsse gezogen werden könnten; jedenfalls lässt ein solcher einzelner Schadensfall auch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände vorliegend nicht den sicheren Schluss zu, dass der Kläger den Versicherungsfall selbst herbeigeführt hat oder hat herbeiführen lassen oder eine nicht betriebsfremde Person ihn bewirkt hat.

7

Weitere brauchbare Indizien trägt die Beklagte für ihre Darstellung nicht vor. Im Einzelnen gilt:

8

Es kommt nicht darauf an, dass es sich "um Speerwurf-Schäden (handelt), von denen vor allem Landfahrer wie der Kläger seit Jahren heimgesucht werden." Und es ist vollkommen gleichgültig, ob das Landgericht in den Jahren 1994 und 1995 schon wiederholt - nämlich drei Mal - "mit Fällen wie diesem" befasst war und "stets beteiligt waren Landfahrer/Sinti, die - wie der Kläger - aus X stammen und teilweise sogar miteinander verwandt/verschwägert sind." Es kommt - ersichtlich - auch nicht darauf an, dass "die Lebensgefährtin des Klägers denselben Nachnamen" trägt "wie der Kläger in dem zu 13.O ...... geführten Verfahren." Gänzlich unerheblich ist ferner, dass "die Aufzählung nicht abschließend" ist und die Beklagte "noch weitere Landfahrer - auch aus X - anführen" lassen kann, "die von ähnlichen Heimsuchungen betroffen waren." Es ist auch nicht ersichtlich, was mit dem Vortrag bezweckt wird, beim Landgericht sei ein weiterer Rechtsstreit (wegen eines vergleichbaren Schadens) anhängig, den ein R gegen die V führe, R sei nach den Angaben seines Prozessbevollmächtigte der Großneffe des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit. Nichts anderes gilt für die Mitteilung, dass im August 1992 J, die Nichte des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit und Mutter des Klägers im beim Landgericht anhängigen Rechtsstreit, bei der zuständigen Polizeidienststelle einen ähnlichen Schaden angezeigt habe, der dann von der V reguliert worden sei, weil "damals das Problem der Speerwurfschäden noch nicht so bekannt" gewesen sei. Mit der aus alledem gezogene Folgerung, "bei einer solchen Vielzahl gleich gelagerter Vorkommnisse, von denen allesamt Landfahrer aus Stadt und Landkreis X heimgesucht wurden, die verschiedentlich miteinander verwandt und/oder verschwägert sind," erscheine "ein Zufall als realitätsfern," verlässt die Beklagte den Bereich sachlicher Argumentation. Denn sie legt keinen konkreten Zusammenhang zwischen den von ihr dargestellten anderen Versicherungsfällen und dem vorliegenden Sachverhalt und dem Kläger dar.